Pneumologie 2006; 60(6): 347-354
DOI: 10.1055/s-2006-932128
Übersicht
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Differenzialdiagnostik der diffusen alveolären Hämorrhagie

Differential Diagnosis of Diffuse Pulmonary HaemorrhageJ.  Schreiber1 , J.  Knolle2 , R.  Kachel3 , R.  Schück4
  • 1Städtisches Klinikum Dessau, Abteilung für Pneumologie (Ltr.: PD Dr. J. Schreiber) der Klinik für Innere Medizin (Chefarzt: Prof. Dr. M. Plauth), Dessau
  • 2Städtisches Klinikum Dessau, Institut für Pathologie (Chefarzt: Dr. J. Knolle), Dessau
  • 3Städtisches Klinikum Dessau, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie/Neuroradiologie (Chefarzt: Prof. Dr. R. Kachel), Dessau
  • 4Städtisches Klinikum Dessau, Klinik für Chirurgie - Thoraxchirurgie (Chefarzt: PD Dr. Dr. R. Schück), Dessau
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PD Dr. med. Jens Schreiber

Städtisches Klinikum Dessau · Abteilung für Pneumologie

06847 Dessau ·

Email: jens.schreiber@klinikum-dessau.de

Publication History

Eingang: 15. Dezember 2005

Nach Revision akzeptiert: 16. Januar 2006

Publication Date:
08 June 2006 (online)

Table of Contents

Zusammenfassung

Eine diffuse alveoläre Hämorrhagie bezeichnet eine diffuse intraalveoläre Blutung aus kleinen Blutgefäßen infolge einer schweren Schädigung der alveolokapillären Membran der Lungen. Dies ist ein relativ seltenes, dann jedoch oft lebensbedrohliches Ereignis. Das differenzialdiagnostische Spektrum ist vielfältig und beinhaltet sowohl immunologische, als auch toxische, infektiöse, hämodynamische, neoplastische und physikalische Ursachen. Bei einer diffusen alveolären Hämorrhagie kann es sich um eine Folge sowohl von Systemerkrankungen, als auch von auf die Lunge beschränkten Prozessen handeln. Die häufigsten Ursachen sind die sogen. Kleingefäßvaskulitiden, die mikroskopische Polyangiitis und die Wegener'sche Granulomatose. Seltenere Ursachen sind das Goodpasture-Syndrom und der systemische Lupus erythematodes. Neben autoimmunen Prozessen müssen vor allem Erkrankungen mit eine Steigerung der linksventrikulären Vorlast, Infektionen und Medikamentennebenwirkungen in Betracht gezogen werden. Es wird ein Überblick über das differenzialdiagnostische Spektrum und das diagnostische Vorgehen bei diesen Patienten gegeben. Da eine frühzeitige aggressive Behandlung lebensrettend sein kann, ist eine rasche und gezielte Diagnostik entscheidend.

Abstract

Diffuse alveolar haemorrhage (DAH) denotes a diffuse intra-alveolar bleeding from small vessels as a result of severe damage of the alveolocapillary membrane of the lungs. These are comparatively rare, but than often life threatening events. The differential diagnosis is broad and comprises immunologic as well as toxic, infectious, hemodynamic, neoplastic and physical causes. DAH may be a manifestation of systemic diseases, as well as a result of an injury restricted to the lungs. The most frequent systemic diseases, that cause DAH are the so-called small vessel vasculititis-microscopic polyangiitis and Wegener's granulomatosis. More rarely Goodpasture's syndrome and systemic lupus erythematosus are causal. Alongside the immunologic processes mainly diseases with increased left-ventricular preload, infections and side effects of drugs have to be kept in mind. This review summarizes the differential diagnostic spectrum and the diagnostic workup of patients with DAH. Because early aggressive treatment can be life-saving, early and aimed diagnostics is essential.

Einleitung und Definition

Eine diffuse alveoläre Hämorrhagie (DAH) (Syn.: Alveoläres Hämorrhagiesyndrom) ist ein relativ seltenes, dann jedoch oft lebensbedrohliches Ereignis. Dieses Syndrom bezeichnet eine diffuse intraalveoläre Blutung aus kleinen pulmonalen Blutgefäßen - aus Kapillaren, Arteriolen oder Venolen. Dabei kommt es infolge einer schweren Schädigung der alveolokapillären Membran zum Übertritt von flüssigen und korpuskulären Blutbestandteilen in den Alveolarraum und damit zu einer das gesamte Lungenparenchym betreffenden intraalveolären Ansammlung von Blut. Die differenzialdiagnostische Abgrenzungen der DAH von Lungenblutungen bei lokalisierten Erkrankungen (z. B. Arrosion größerer Blutgefäße durch Malignome) ist essenziell und impliziert ein unterschiedliches therapeutisches Vorgehen, da nur die letztgenannten Blutungsursachen lokalen Maßnahmen zugänglich sind [1] [2]. Gegenstand dieser Übersicht sind ausschließlich die diffusen pulmonalen Blutungen. Aufgrund der Vielfalt der potenziellen Ursachen der DAH (Tab. [1]) können Ärzte nahezu aller Fachrichtungen mit diesen oft dramatisch verlaufenden Krankheitsbildern konfrontiert werden. Eine rasche Diagnostik und Therapie kann lebensrettend sein.

Tab. 1 Differenzialdiagnostik der diffusen alveolären Hämorrhagie
Vaskulitiden und Kollagenosen
Wegener'sche Granulomatose, mikroskopische Polyangiitis, Goodpasture-Syndrom, Purpura Schönlein-Henoch, M. Behçet, Kryoglobulinämie, Churg-Strauss-Syndrom, pauciimmune pulmonale Vaskulitis, SLE, Rheumatoidarthritis, Sklerodermie, MCTD, Polymyositis, Antiphospholipidantikörper-Syndrom, IgA-Nephropathie
Infektionen
Pneumonie, invasive Aspergillose, CMV, Legionellose, HSV, AIDS, HCV assoziierte Kryoglobulinämie, hämolytisch-urämisches Syndrom, Mykoplasmen
Medikamente/Noxen
D-Penicillamin, Propylthiouracil, Tirofiban, Abciximab, Phenytoin, Amphothericin B, Zytostatika, Haloperidol, ATRA (All-trans-Retinolsäure), Diphenylhydantoin, Amiodaron, Nitrofurantoin, Sirolismus, orale Antikoagulantien u. a., Kokain, Trimellitanhydrit, Isozyanate, Detergentien
Störungen der Blutgerinnung
Koagulopathien, Thrombopenie, DIG, gerinnungshemmende Therapie, Urämie
kardiovaskuläre Erkrankungen
Linksherzinsuffizienz, Mitralvitien, pulmonale venookklusive Erkrankung, subakute Endokarditis, maligne Hypertonie
maligne Erkrankungen
Nierenzellkarzinom, Angiosarkom, Kaposi-Sarkom, akute Promyelozytenleukämie, multiples Myelom
seltene Erkrankungen
pulmonale Hämangiomatose, Lymphangioleiomyomatose
physikalische Faktoren
Höhenlungenödem, Unterdrucklungenödem, Barotrauma/Tauchunfall, Bestrahlung
extreme körperliche Belastung (?)
allogene Knochenmarkstransplantation/GvHD/akute Lungentransplantatabstoßung
Heiner-Syndrom, Urtikaria-Vaskulitis-Syndrom, Sarkoidose
idiopathische pulmonale Hämosiderose (M. Celen)

Ätiologie

Eine DAH kann infolge autoimmunologischer, toxischer, infektiöser, hämodynamischer, neoplastischer oder physikalischer Schädigungen der alveolokapillären Membran auftreten, wobei es sich sowohl um Systemerkrankungen als auch um auf die Lunge beschränkte Prozesse handeln kann (Tab. [1]) [3] [4].

Autoimmunologische Schädigungen können sich sowohl gegen die pulmonalen Blutgefäße unterschiedlicher Größe als auch gegen die alveoläre Basalmembran richten. Die Entstehung einer DAH setzt eine Schädigung der kleinsten pulmonalen Blutgefäße mit anatomischem Bezug zur alveolokapillären Membran voraus. Aus diesem Grund sind die häufigsten Ursachen einer DAH im Rahmen von autoimmunen Systemerkrankungen die sog. Kleingefäßvaskulitiden, die mikroskopische Polyangiitis und die Wegener'sche Granulomatose (WG). Seltenere Ursachen sind das Goodpasture-Syndrom, bei dem sich die Immunantwort in der Lunge gegen die alveoläre Basalmembran richtet und der systemische Lupus erythematodes. Es wird jedoch auch zunehmend über Patienten berichtet, die Antikörperprofile und klinische Charakteristika sowohl der WG als auch des Goodpasture-Syndroms zeigen [5] [6] [7] [8] [9] [10].

Selten treten DAH bei Vaskulitiden der mittleren und großen Gefäße auf, wenn gleichzeitig eine Beteiligung der kleinen Gefäße vorliegt. Nach der Chapel-Hill-Consensus-Konferenz von 1994 werden die Vaskulitiden nach der jeweils größten betroffenen Gefäßprovenienz eingeteilt, was eine Beteiligung der peripheren pulmonalen Strombahn nicht ausschließt. Eine Polymyositis, ein Churg-Strauss-Syndrom, die Purpura Schönlein-Henoch, der M. Behçet, das Antiphospholipidsyndrom, kryoglobulinämische Vaskulitiden, die Sklerodermie, eine Polymyositis oder eine Rheumatoidarthritis sind sehr selten Ursache einer DAH [3] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24] [25]. Eine DAH kann eine IgA-Nephropathie begleiten [26] [27] [28]. Auf die Lunge beschränkt ist die immunologische Schädigung der kleinen Blutgefäße bei der pauciimmunen pulmonalen Vaskulitis [29]. Bei diesen Erkrankungen kann eine DAH die Erstmanifestation darstellen, oder sie im Verlauf komplizieren [30].

Pulmorenales Syndrom: Wenn eine DAH von einer rapid progressiven Glomerulonephritis begleitet wird, liegt ein sogen. pulmorenales Syndrom vor. Bei dieser Konstellation ist eine immunologische Systemerkrankung sehr wahrscheinlich [31] [32] [33]. Es müssen jedoch Erkrankungen mit gleichzeitiger Schädigung der Lungen und der Nieren differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden, die ein pulmorenales Syndrom vortäuschen können. Beispiele sind ein akutes Nierenversagen oder eine akute Glomerulonephritis mit oder bei einer beidseitigen Pneumonie, eine DAH infolge der urämieinduzierten Koagulopathie bei schwerer Niereninsuffizienz, Infektionskrankheiten mit gleichzeitiger pulmonaler und renaler Schädigung (Hantaviren, Legionellen, Mykoplasmen, Leptospiren), ein akutes Nierenversagen mit Lungenödem oder auch eine Nierenvenenthrombose mit Lungenembolie [4] [22] [32] [33] [34].

Medikamentöse und toxische Ursachen: Für eine Vielzahl verschiedener Medikamente wurden Nebenwirkungen an den Atmungsorganen beschrieben, die sich an allen bronchopulmonalen Kompartimenten manifestieren und mannigfaltige klinische Bilder, darunter auch eine DAH, induzieren können (Empfehlung: www.pneumotox.com). So können Medikamente, vor allem Zytostatika, einen direkten toxischen Effekt auf die alveolokapilläre Membran haben [35] [36] [37] [38]. Ein weiterer Pathomechanismus ist die Beeinflussung der Blutgerinnung oder der Thrombozytenzahl [39] [40], die zu einer DAH unter oralen Antikoagulanzien, infolge einer fibrinolytischen Therapie oder einer zytostatikainduzierten Thrombopenie führen kann [23] [41] [42] [43] [44] [45]. Eine DAH unter oraler Antikoagulation kann häufig subklinisch verlaufen [46]. In den letzten Jahren wird vermehrt über DAH infolge der Applikation von GPIIb/IIIa-Inhibitoren nach kardiologischen Interventionen berichtet [47] [48] [49] [50] [51]. Eine seltene Ursache ist die Induktion einer Vaskulitis mit konsekutiver DAH durch Medikamente [36] [42] [52] [53] [54] [55].

Weitere Beispiele für Arzneimittel, die eine DAH induzieren können, sind in Tab. [1] aufgeführt. Der Kausalzusammenhang zwischen den angeschuldigten Medikamenten und der pulmonalen Schädigung kann bei engem zeitlichen Zusammenhang oft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Im klinischen Alltag ist jedoch auch die Situation nicht selten, dass bei konkurrierenden potenziellen Ursachen die Verursachung durch eine konkrete Substanz nicht sicher belegt werden kann. Bei begründetem Verdacht muss eine Karenz erfolgen. Eine Reexposition ist mit erheblichen Risiken verbunden und meist kontraindiziert.

Drogen: Die Inhalation von Crack-Kokain führt in einem hohen Prozentsatz zu einer subklinischen DAH, die im Einzellfall aber auch fulminant verlaufen kann [56] [57] [58].

Auch die inhalative Exposition gegen arbeitsplatzbezogene (Isozyanate, Trimellitanhydrit, Pestizide) oder Haushaltsnoxen (Detergentien) kann ursächlich für eine DAH sein [59] [60] [61] [62] [63].

Infektionen sind selten und dann meist bei immunkompromittierten Patienten ursächlich für eine DAH. Sie wurde z. B. bei Infektionen mit Leptospiren, Legionella spp. Mykoplasmen, Zytomegalie-, Herpes simplex- oder Adenoviren, bei der invasiven Aspergillose und dem hämolytisch-urämischen Syndrom beobachtet [64] [65] [66] [67] [68]. Kasuistisch wurde über eine DAH bei einer Strongyloides stercoralis-Infektion, einer disseminierten Tuberkulose und einer Malaria tropica, berichtet [69] [70] [71]. Bei Patienten mit AIDS besteht infolge der verschiedenen pulmonalen Manifestationen in einem hohen Prozentsatz eine subklinische DAH [72]. Infektionsassoziierte Formen einer DAH wurden bei einer Hepatitis B-assoziierten Polyarteriitis nodosa [73] und der Hepatitis C-assoziierten Kryoglobulinämie [74] beobachtet.

Schwierig kann die Differenzialdiagnose der DAH bei immunsupprimierten Patienten, besonders beim gleichzeitigen Vorliegen einer Thrombopenie sein, da hier die therapierelevante Abgrenzung von Manifestationen der Grunderkrankung, Auswirkungen der Therapie, (opportunistischen) Infektionen und Blutgerinnungsstörungen erfolgen muss (Abb. [3]) [64] [75] [76]. Beispiele für diese Situation sind Patienten nach allogener Stammzelltransplantation, bei denen die DAH eine gefürchtete Komplikation darstellt [65] [75] [77] [78] [79] [80] [81] [82] [83] [84] oder Patienten mit einer DAH bei der akuten Lungentransplantatabstoßung [80] [85].

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Abb. 1 Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane bei einem Patienten mit diffuser alveolärer Hämorrhagie bei Wegener'scher Granulomatose.

Hämodynamische Ursachen: Eine wesentliche Steigerung der linksventrikulären Vorlast kann Ursache einer hämodynamisch induzierten DAH sein. Sie kann die klinische Erstmanifestation von Mitralvitien, einer Linksherzinsuffizienz, einer subakuten Endokarditis, oder einer malignen Hypertonie sein oder diese im Krankheitsverlauf komplizieren [3] [86] [87] [88]. Die pulmonale venookklusive Erkrankung (PVOD) ist eine Rarität, die neben einer schweren pulmonalen Hypertonie zu rezidivierenden Episoden einer DAH führen kann [89]. Während die meisten Fälle der PVOD idiopathisch sind, wurde sie auch als Komplikation einer Bleomycin- oder Carmustin- oder Strahlentherapie sowie bei HIV-Infektionen oder Kollagenosen beschrieben [3].

Eine DAH infolge maligner Erkrankungen ist sehr selten. Lungenblutungen bei Patienten mit bronchopulmonalen Malignomen sind, wie eingangs bereits ausgeführt, meist Folge einer lokalen Arrosion von Blutgefäßen. Für einige Tumorentitäten wurde jedoch auch, meist kasuistisch, ein diffuses, multifokales intrapulmonales Wachstums- oder Metastasierungsmuster mit konsekutiver DAH beschrieben, wobei hämatologische Neoplasien häufiger ursächlich sind als solide Tumore (Nierenzellkarzinom, Angiosarkom, Kaposi-Sarkom) [90] [91] [92] [93] [94] [95].

Physikalische Faktoren, die eine derartig schwere Schädigung der alveolokapillären Membran auslösen können, sind vor allem Veränderungen des Umgebungsdrucks. So kann eine DAH beim Höhenlungenödem [96], beim Unterdrucklungenödem, z. B. beim Postextubationslaryngospasmus [97] [98] [99] [100] oder infolge eines Barotraumas bei Tauchunfällen [101] oder beim Apnoetauchen [102] auftreten. Auch ionisierende Strahlen, z. B. im Rahmen einer Ganzkörperbestrahlung, können eine DAH induzieren.

Eine DAH nach körperlicher Belastung ist ein bekanntes Phänomen bei Rennpferden. Es gibt Hinweise darauf, dass dies auch bei gesunden Menschen nach extremen körperlichen Belastungen möglich ist [103].

Raritäten sind eine DAH in Assoziation mit einer Kuhmilchallergie bei Kindern (Heiner-Syndrom) [104] oder im Rahmen eines Urtikaria-Vaskulitis-Syndroms bei Kindern [105] oder Erwachsenen [106]. Ebenso wurde kasuistisch über eine DAH in Assoziation mit einer Colitis ulcerosa und einer primär sklerosierenden Cholangitis [107] oder beim M. Crohn berichtet [108]. Eine Rarität ist ein Hämangioendotheliom [109] [110]. Selten ist eine pulmonale Sarkoidose von einer DAH begleitet [111].

Letztlich ist die idiopathische, rezidivierende pulmonale Hämosiderose (M. Celen), die meist in der Kindheit auftritt, eine Ausschlussdiagnose [104] [112] [113] [114]. Ein Teil dieser Fälle wurde inzwischen als isolierte pauciimmune pulmonale Kapillaritis oder als initiale Manifestation einer Systemerkrankung identifiziert [3].

Diagnostik

Beim Verdacht auf das Vorliegen einer DAH muss sich der Umfang der diagnostischen Maßnahmen am Schweregrad des Krankheitsbildes und der Notwendigkeit einer schnellen Therapieeinleitung orientieren. Dabei sind primär vor allem die Verifizierung der DAH und der Ausschluss einer Infektion essenziell.

Klinisches Bild: Die klinische Präsentation und der Verlauf einer DAH umfassen ein breites Spektrum von asymptomatisch bis fulminant (Tab. [2]). Die Mehrzahl der Patienten leidet unter Dyspnoe, bei ca. einem Drittel treten Hämoptysen auf. Bei der körperlichen Untersuchung können basal betont feinblasige Rasselgeräusche über den Lungen auskultierbar sein [3].

Von besonderem differenzialdiagnostischem Wert sind eine subtile Anamneseerhebung hinsichtlich möglicher Expositionen und die Suche nach extrapulmonalen Manifestationen von Systemerkrankungen (Tab. [2]) oder kardialen Erkrankungen [2] [3] [4]. Ein EKG und eine Echokardiographie sind Standard bei Patienten mit einer DAH.

Tab. 2 Klinische Manifestationen von Kleingefäßvaskulitiden
Fieber, Gewichtsverlust
Rhinitis, Sinusitis
Skleritis, Episkleritis
Hörsturz, Vestibulariskrise
palpable Purpura
Nagelfalzinfarkte
Glomerulonephritis
Pneumonitis
Mono-/Polyneuropathie
multifokale ZNS-Erkrankung
Peri-/Myokarditis

Die Laboruntersuchungen können eine niedrige oder abfallende Hämoglobinkonzentration zeigen. Eine Eisenmangelanämie ist gewöhnlich nicht mit einer akuten DAH assoziiert, kann jedoch bei chronischen und subklinischen Verläufen auftreten. Serologische Untersuchungen sollten die Bestimmung von Komplementkomponenten, CK, anti-ds-DNA-, Anti-ENA (extrahierbare nukleäre Antigene), ANCA (Anti-Neutrophilen zytoplasmatische Antikörper), Anti-GBM- (glomeruläre Basalmembran) und Antiphosholipidantikörpern beinhalten und müssen je nach klinischer Verdachtsdiagnose ggf. erweitert werden. Weitere Laboruntersuchungen dienen vor allem der Differenzialdiagnostik [3] [115].

Lungenfunktionell ist eine DAH durch eine falsch hohe Diffusionskapazität (Transferfaktor für Kohlenmonoxid, DLCO) > 130 % des individuellen Sollwertes oder einen Anstieg um > 30 % vom Ausgangswert charakterisiert, die von einer restriktiven Ventilationsstörung und einer leicht- bis schwerstgradigen arteriellen Hypoxämie begleitet sein kann. Ursächlich für diese vorgetäuschte Erhöhung der DLCO ist die Bindung des Testgases (CO) an intraalveoläres Hämoglobin. Da dieses jedoch einem Abbau unterliegt, ist dieses Phänomen nur bis zu 48 h nach dem Blutungsereignis nachweisbar [116] [117]. Bei den oft schwerkranken Patienten ist eine lungenfunktionelle Untersuchung oft nicht möglich und differenzialdiagnostisch auch meist entbehrlich. Bei protrahiertem und chronischem Verlauf der DAH kann infolge einer fortschreitenden Fibrosierung des Lungenparenchyms auch eine erniedrigte DLCO in Kombination mit einer restriktiven Ventilationsstörung auftreten.

Röntgenologisch liegen beidseitige, selten auch asymmetrische alveoläre Infiltrate vor (Abb. [1] [2] [3]). Vereinzelt sind die Veränderungen erst in der thorakalen CT nachweisbar [2] [34] [115] [118] [119] [120].

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Abb. 2 a und b: Röntgenuntersuchung und CT der Thoraxorgane einer Patientin mit diffuser alveolärer Hämorrhagie bei Goodpasture-Syndrom.

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Abb. 3 a und b: Fulminanter Verlauf einer diffusen alveolären Hämorrhagie bei einem Patienten mit akuter myeloischer Leukämie, chemotherapieinduzierter Knochemmarksaplasie und Sepsis (zeitlicher Abstand 24 h).

Die therapierelevante Abgrenzung von pulmonalen Infiltraten anderer Genese stützt sich auf die bronchoalveoläre Lavage (BAL). Wenn die aspirierten BAL-Fraktionen zunehmend blutig werden, ist das Vorliegen einer DAH gesichert (Abb. [4]). Zytologisch liegen in der BAL meist massenhaft hämosiderinbeladene Alveolarmakrophagen vor - besonders bei protrahiertem Verlauf der DAH. Der besondere Wert der BAL besteht auch darin, dass sie die Diagnostik von Infektionserregern ermöglicht. Selten können Tumorzellen nachweisbar sein [2] [3] [115] [121]. Im Rahmen der Bronchoskopie ist meist auch eine Unterscheidung zwischen lokalisierten und diffusen Blutungsereignissen möglich.

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Abb. 4 Bronchoalveoläre Lavage bei diffuser alveolärer Hämorrhagie.

Histologische Untersuchungen können je nach klinischer Situation die Nieren, den Nasopharynx oder die Lungen betreffen. Die Indikation für Lungenbiopsien sollte streng und in Abhängigkeit von der zu erwartenden therapeutischen Konsequenz gestellt werden. Transbronchiale Lungenbiopsien haben in der Differenzialdiagnostik der DAH einen geringen Stellenwert. Eine offene Lungenbiopsie - vor einigen Jahren noch als Goldstandard in der Diagnostik der WG betrachtet - ist heute aufgrund der verbesserten serologischen Methoden nur noch sehr selten erforderlich [2] [3] [4] [22].

Es gibt drei histomorphologische Muster der DAH: die blande alveoläre Hämorrhagie, die DAH mit Kapillaritis und die DAH mit einem diffusen Alveolarschaden („diffuse alveolar damage” = DAD) [1] [2] [4] [22]. Eine blande DAH, d. h. der Nachweis einer erhaltenen pulmonalen Architektur ohne relevante entzündliche Veränderungen ist typisch bei Blutgerinnungsstörungen, der hämodynamisch induzierten DAH, bei einigen Medikamenten (Amiodaron, Nitrofurantoin), sowie der idiopathischen pulmonalen Hämosiderose. Sie kann jedoch auch beim SLE und beim Goodpasture-Syndrom auftreten. Eine pulmonale Kapillaritis wird typischerweise bei Autoimmunerkrankungen und Kollagenosen beobachtet [23], kommt jedoch auch bei der akuten Lungentransplantatabstoßung [80] [85] und medikamenteninduziert (Phenytoin, D-Penicillamin, Hydralazin, Propylthiourazil u. a.) vor. Eine mit einem diffusen Alveolarschaden assoziierte DAH wird nach Crack-Kokaininhalationen, Knochenmarkstransplantationen, nach zytostatischer Chemotherapie, nach Strahlentherapie oder beim SLE beobachtet [122]. In den sehr seltenen Fällen einer DAH infolge eines Antiphospholipidsyndroms zeigt sich histologisch das Bild einer mikrovaskulären Thrombosierung, die von einer Kapillaritis begleitet sein kann [123]. Nur selten ist bei Patienten mit einer DAH histologisch der Nachweis spezifischer Diagnosen möglich, z. B. bei der Lymphangioleiomyomatose, der pulmonalen kapillären Hämangiomatose und bei malignen Erkrankungen [109] [124].

Immunhistochemische Untersuchungen ermöglichen den Nachweis von Immunglobulinablagerungen. In Analogie zu den Depositionsmustern im Nierengewebe werden auch im Lungenparenchym ein lineares Muster durch anti-GBM-AK beim Goodpasture-Syndrom, von einem granulären, durch Immunkomplexe bedingtem Muster bei der kryoglobulinämischen Vaskulitis, der Purpura Schönlein-Henoch und dem systemischen Lupus erythematodes und einem negativen/pauciimmunen Muster bei den ANCA-assoziierten Vaskulitiden (Mikroskopische Polyangiitis, WG, Churg-Strauss-Syndrom) unterschieden. Alle drei Immunfluoreszenzmuster können bei der isolierten pulmonalen Kapillaritis auftreten. Der klinische Stellenwert und die differenzialdiagnostische Bedeutung der Immunfluoreszenzuntersuchungen am Lungenparenchym ist bisher weniger gut charakterisiert als am Nierengewebe [1].

Obwohl DAH relativ selten sind, haben sie aufgrund ihres oft schweren, potenziell letalen Verlaufs eine erhebliche klinische Bedeutung. Da eine frühzeitige aggressive Behandlung lebensrettend sein kann, ist eine rasche und gezielte klinische, radiologische, laborchemische und bronchoskopische Diagnostik für das Schicksal der betroffenen Patienten entscheidend.

Literatur

PD Dr. med. Jens Schreiber

Städtisches Klinikum Dessau · Abteilung für Pneumologie

06847 Dessau ·

Email: jens.schreiber@klinikum-dessau.de

Literatur

PD Dr. med. Jens Schreiber

Städtisches Klinikum Dessau · Abteilung für Pneumologie

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Abb. 1 Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane bei einem Patienten mit diffuser alveolärer Hämorrhagie bei Wegener'scher Granulomatose.

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Abb. 2 a und b: Röntgenuntersuchung und CT der Thoraxorgane einer Patientin mit diffuser alveolärer Hämorrhagie bei Goodpasture-Syndrom.

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Abb. 3 a und b: Fulminanter Verlauf einer diffusen alveolären Hämorrhagie bei einem Patienten mit akuter myeloischer Leukämie, chemotherapieinduzierter Knochemmarksaplasie und Sepsis (zeitlicher Abstand 24 h).

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Abb. 4 Bronchoalveoläre Lavage bei diffuser alveolärer Hämorrhagie.