Zusammenfassung
Die bevölkerungsweiten und individuellen präventiven Potenziale von Nahrungs- und
Lebensmittelergänzungen mit Substanzen wie Vitaminen und Spurenelementen sind in der
internationalen Literatur allgemein akzeptiert. Die Iodierung und Fluoridierung standen
und stehen dabei im Mittelpunkt der Bemühungen. Auch die Anreicherung von Lebensmitteln
mit Folsäure ist ein Ziel auf dem Weg einer zumindest teilpopulationsbezogenen Prophylaxe.
Bislang werden die theoretischen Möglichkeiten jedoch nicht hinreichend genutzt, vielmehr
sind sowohl bei der Umsetzung als auch bei der Implementierung anhaltend Barrieren
zu überwinden und noch immer Widerstände zu erfahren. Interviews mit entscheidenden
Akteuren und aktiven Laienvertretern verdeutlichen neben einer Literatur- und Medienrecherche
das Ausmaß der teilweise seit Jahrzehnten bestehenden Auseinandersetzungen. Die vorliegende
Studie basiert auf einer strukturellen Analyse. Sie zeigt die unterschiedlichen Argumentationen
sowie förderliche und hemmende Faktoren für eine bevölkerungsweite, zielgruppenspezifische
bzw. individuelle Prävention auf. Die dargestellten Mechanismen ließen sich auch auf
andere Public-Health-relevante Herausforderungen übertragen.
Abstract
The population-wide and individual preventive potentials of nutritional and food additives
such as vitamins and trace elements are generally accepted in the international literature.
Iodisation and fluoridation were and are a main focus of activity. The enrichment
of food with folic acid is also partly population-related. Until now, however, the
theoretical possibilities of nutritional supplementations have not been fully exploited.
Various barriers and resistances arise in programme development and implementation.
Interviews with key stakeholders and community groups can clarify decade-long discussions
in the literature and the media. The study on hand is based on a structural analysis.
It shows the various arguments as well as beneficial and impeding factors for a population-wide
prevention programme, for specific target groups and individuals. The findings of
this research could also be applied to other Public Health challenges.
Schlüsselwörter
Prävention - Barrieren/Widerstände - Iod - Fluorid - Folsäure
Key words
Prevention - barriers/resistances - iodine - fluoride - folic acid
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3 Zu Recht wird von Fluoridbefürwortern wiederholt auf diesen Unterschied hingewiesen.
Die vereinfachende Bezeichnung Fluor bei Fluoridgegnern ist für die Befürworter häufig
ein Indiz für die mangelhafte Kompetenz der Gegnerschaft. Dabei bleibt unberücksichtigt,
dass ein Großteil der älteren Fachpublikationen den Ausdruck Fluor verwendet, neuere
Fluorid befürwortende, populärwissenschaftliche Literatur gerne von Fluor spricht,
der Lebensmittelhandel sich dieser Bezeichnung bedient („Iodsalz mit Fluor”), Fluorid
unterstützende Organisationen den Begriff in ihrem Namen tragen (z. B. Fluor- und
Jodkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW))
und niemand den simplifizierenden Terminus Iod kritisiert.
9 Aus humantoxikologischer Sicht gewinnt der Eintrag von Fluoriden in die Umwelt durch
die Verbrennung von fluorhaltiger Kohle in China einschließlich der daraus resultierenden
Fluoroseformen wieder an Aktualität.
10 Beilage zu: Deutsches Ärzteblatt, Deutsche Apotheker-Zeitung, Deutsche Dentistische
Wochenschrift, Deutsche Drogistenschaft, Der Heilpraktiker, Fachblatt für den Reformhausfachmann,
Deutsches Tierärzteblatt, Zahnärztliche Mitteilungen.
Prof. Dr. Ulla Walter
Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung, Stiftungslehrstuhl
an der Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung
Medizinische Hochschule Hannover
30625 Hannover
Email: walter.ulla@mh-hannover.de