Einleitung
Von einer Pseudo-Acanthosis nigricans wird gesprochen, wenn Hauterscheinungen einer Acanthosis nigricans bestehen, ohne dass eine unterliegende maligne Erkrankung detektiert werden kann. Zu den Auslösern einer Pseudo-Acanthosis nigricans gehören Adipositas und Stoffwechselstörungen. Typischerweise sind die Hautveränderungen in den Intertrigines oder großen Gelenkbeugen lokalisiert. Wir berichten hier über den Fall eines Knaben mit untypisch lokalisierten Hauterscheinungen einer Pseudo-Acanthosis nigricans, bei dem zudem eine langjährige Colitis ulcerosa bestand, die mit Kortikosteroiden und Azathioprin behandelt wurde.
Kasuistik
Uns wurde ein nicht-übergewichtiger 11-jähriger Knabe mit symmetrisch lokalisierten Hautveränderungen im Bereich beider Handrücken, genauer im Bereich beider Tabatièren sowie der Knöchelpolster der Mittelfinger-Grundgelenke, vorgestellt. Die relativ scharf begrenzten, schmutzig grau-braun pigmentierten, hyperkeratotischen, etwas schwielenartigen, die Hautfältelung deutlich betonenden Plaques (Abb. [1 ] und [2 ]) wären vor etwa 8 Wochen plötzlich entstanden und hätten sich dann nicht mehr verändert. Juckreiz würde nicht bestehen. Das sonstige Integument, insbesondere die Intertrigines und Gelenkbeugen fand sich unauffällig. Eine besondere oder neue mechanische Belastung an den Handrücken wurde anamnestisch ausgeschlossen. In der Familienanamnese fand sich kein Hinweis auf heriditäre Verhornungsstörungen, speziell Palmoplantarkeratosen. Atopische Erkrankungen wurden gleichfalls nicht angegeben. Auf genaues Befragen gab die Mutter des Patienten an, dass der Patient seit seinem dritten Lebensjahr an Darmbeschwerden leidet, die Diagnose einer Colitis ulcerosa wurde vor 7 Jahren gestellt. Zu diesem Zeitpunkt erhielt der Patient erstmals Azathioprin in Kombination mit Steroiden. Wegen eines neuen Schubes der entzündlichen Darmerkrankung erhielt der Patient seit einem Jahr erneut Azathioprin in einer Dosis von zunächst 25 mg, später 50 mg pro Tag. Außerdem wurde systemisch Prednisolon in einer täglichen Dosis von 20 mg gegeben. Die Hautveränderungen im Sinne der Acanthosis nigricans traten am Ende der einjährigen Azathioprin-Gabe auf. Ein Anhalt für eine maligne Erkrankung besteht bei regelmäßigen pädiatrischen Kontrollen nicht, so dass von einer Pseudo-Acanthosis nigricans ausgegangen werden kann. Da unter der Kombination von Azathioprin und Kortikosteroiden in bis zu 10 % der Fälle das Auftreten einer Pseudo-Acanthosis nigricans berichtet wurde [7 ], rieten wir dazu, soweit es die Darmerkrankung zuließe, auf die weitere Gabe von Azathioprin zu verzichten, und nach Möglichkeit auch die Steroiddosis zu reduzieren. Darüber hinaus verordneten wir eine intensive Therapie mit einem tretionin- und harnstoffhaltigen Externum (Carbamid + VAS Creme Widmer®). Hierunter und nach Reduktion der täglichen systemischen Steroiddosis auf 10 mg bei Verzicht auf erneute Gabe von Azathioprin, kam es binnen zwei Monaten zu einer drastischen Besserung der Hauterscheinungen der Pseudo-Acanthosis nigricans.
Abb. 1 und 2 Pseudo-Acanthosis nigricans an den Dorsalseiten (Tabatière-Region und Knöchelpolster der Mittelfinger-Grundgelenke) beider Handrücken bei 11-jahrigem Jungen mit Colitis ulcerosa und kombinierter immunsuppressiver Therapie mit Steroiden und Azathioprin.
Diskussion
Üblicherweise ist die Acanthosis nigricans, bzw. bei Ausschluss einer unterliegenden malignen Erkrankung, die Pseudo-Acanthosis nigricans in den Intertrigines, insbesondere den Axillen, aber auch Leisten und den großen Gelenkbeugen, insbesondere im Nacken aber auch am Hals, den Ellenbeugen und Kniekehlen lokalisiert. Die Lokalisation im vorliegenden Fall an den Handrücken ist als eher untypisch anzusehen. Vereinzelt wird zwar ein Mitbefall von Palmae und Plantae („Tripe” palms = „Pansen”-Handflächen) [6 ]
[8 ] oder auch der Handrücken [9 ] beschrieben, jedoch erscheint der isolierte Befall der Handrücken als ungewöhnlich. Möglicherweise kann aber zumindest die Tabatiére-Region gleichfalls als intertriginöse Lokalisation im weiteren Sinne aufgefasst werden.
Bei Kindern und Adoleszenten, insbesondere Übergewichtigen mit Insulinresistenz oder Typ 2 Diabetes mellitus ist eine Pseudo-Acanthosis nigricans nicht selten [1 ]
[2 ]
[5 ]. Bei Patienten mit immunsuppressiver Therapie mit Kortikoiden und Azathioprin nach Nierentransplantation wird eine Pseudo-Acanthosis nigricans in 0,5 bis 10 % der Fälle beschrieben [4 ]
[7 ]. So wurde auch der Fall eines 12-jährigen Nierentransplantierten mit Befall der Ellenbeugen, des Halses und des Nabels beschrieben, der allerdings mit Steroiden in Kombination mit Cyclosporin A therapiert wurde, und bei dem die Hauterscheinungen bereits 3 Monate nach Beginn der immunsuppressiven Therapie begannen [10 ]. Eine besondere Häufung von Pseudo-Acanthosis nigricans bei chronisch entzündlichen Darmerkrankung wurde dagegen noch nicht beschrieben. Lediglich Einzelfälle, darunter einer bei einem Patienten, der außer an einer Colitis ulcerosa zugleich an systemischem Lupus erythematodes mit Hepatitis litt und langfristig mit Steroiden therapiert wurde, wurden beschrieben [3 ].
Offen muss im vorliegenden Fall bleiben, ob die Steroide, das Azathioprin oder die Kombination als auslösend für die Hauterscheinungen anzusehen sind. Für eine wesentliche Beteiligung von Azathioprin spräche, dass sich die Symptome nach Elimination dieser Substanz besserten. Allerdings wurde die Steroiddosis gleichzeitig gesenkt, so dass auch dies, neben der intensiven Lokaltherapie, einen Einfluss gehabt haben kann. Schließlich wäre zu diskutieren, ob die relativ hohe langzeitige Dosierung von Steroiden eine Insulinresistenz oder einen subklinischen Diabetes mellitus 2 zur Folge gehabt haben kann, so dass hierdurch eine metabolisch verursachte Form der Pseudo-Acanthosis nigricans entstanden sein könnte.