Pneumologie 2006; 60(1): 2
DOI: 10.1055/s-2005-926214
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Latente Tuberkulose - Diskussion über die Therapie in den USA

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Publication Date:
23 January 2006 (online)

 
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Die USA gehören wie Deutschland zu den Ländern mit einer niedrigen Tuberkulose- Inzidenz. In dieser Situation wird in den USA - anders als in Deutschland - seit einiger Zeit offen über die Behandlung von latenten Erkrankungen nachgedacht (JAMA 2005; 293: 2776-2784).

Die US-Centers of Disease Control and Prevention (CDC) hatten bereits im Jahr 1989 einen Plan zur Elimination der Tuberkulose in den USA veröffentlicht. Darin forderte die Behörde, möglichst viele Patienten mit einer latenten Tuberkulose zu behandeln. Dies scheiterte bisher daran, dass es weder einen geeigneten Suchtest gibt, noch eine einfache und vor allem komplikationslose Therapie zur Verfügung steht. Der Tuberkulintest verspricht zwar seit mehr als hundert Jahren eine Diagnose der Tuberkulose. Doch die Beurteilung der Hautreaktion ist subjektiv und schwer zu standardisieren - und es gibt falsch positive und falsch negative Ergebnisse. Falsch positiv kann der Test infolge einer Kreuz-Reaktion mit anderen Mykobakterien ausfallen. Falsch negative Ergebnisse sind bei Immungeschwächten möglich, deren Zahl infolge von HIV und medizinischem Fortschritt (Organtransplantation, bessere Prognose von Immungeschwächten) ständig zunimmt.

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Die Probleme in der Tuberkulose-Behandlung sind vielfältig

Das größte Problem ergibt sich durch die BCG-Impfung, die zu einem positiven Ergebnis führt, unabhängig davon, ob die Impfung erfolgreich war oder nicht. Große Hoffnungen werden deshalb auf neue T-Zell-basierte Assays gesetzt, von denen einer in den USA und ein anderer in Europa zugelassen sind. Beide bestimmen die Immunreaktion auf spezifische Bestandteile von M. tuberculosis, die nicht vom BCG-Impfstoff exprimiert werden. Doch, wie Blumberg et al., Atlanta/USA, feststellen, steht keineswegs fest, dass diese Tests auch jene Patienten mit latenter Tuberkulose herausfiltern, die ein hohes Risiko auf eine Progression zur aktiven Erkrankung haben und bei denen eine Therapie lohnenswert wäre. Noch kann derzeit abgeschätzt werden, ob die Behandlung der positiv getesteten Personen das Reservoir von Erkrankungen in einem Niedrig-Prävalenz-Land wie den USA (und Deutschland) wirklich beeinflussen kann. Blumberg plädiert für eine Behandlung aller frisch Infizierten (etwa Personen mit Kontakt zu einer offenen Tbc) oder Personen, die ein erhöhtes Risiko auf eine Progression zu einer aktiven Erkrankung haben. Dies sind beispielsweise Immungeschwächte wie HIV-Infizierte oder Immigranten aus Ländern mit hoher Tb-Prävalenz. Beide Kategorien sind jedoch nur unscharf umrissen.

Das zweite Problem besteht im Fehlen eines effektiven und sicheren Medikamentes für die latente Tuberkulose. Das Mittel der Wahl ist zurzeit Isoniazid. Die Effektivität wird laut Blumberg mit 12 bis 92% angegeben, wobei diese Schwankungen vor allem auf Adhärenzprobleme bei den Patienten zurückzuführen sein dürften. Bei hoher Kooperation des Patienten könnte die Effektivität bei 90% liegen, vermutet Blumberg. Die Bereitschaft ist jedoch häufig schlecht, weil die Patienten Isoniazid über 9 Monate einnehmen müssen, ohne dass sie durch die Erfahrung einer symptomatischen und ihr Leben bedrohenden Erkrankung dazu motiviert wären. Sie müssen allerdings mit dem Risiko leben, durch die Behandlung zu Schaden zu kommen. Das Risiko einer Hepatitis, der wichtigsten Komplikation von Isoniazid, beträgt zwar nur 1-3/1000 Personen. Asymptomatische Leberfunktionsstörungen sind jedoch häufiger, wobei der Alkoholkonsum der wichtigste Kofaktor für eine Leberschädigung ist. Die Alternative zu Isoniazid besteht in der Gabe von Rifampicin über 4 Monate. In der einzigen großen randomisierten klinischen Studie kam es allerdings bei 10% der Teilnehmer in den ersten 5 Jahren nach dem Ende einer 3-monatigen Therapie zu einer aktiven Tuberkulose, was nicht gerade für eine hohe Effektivität spricht.

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Therapie mit Nebenwirkungen

Als dritte Option wurde zwischenzeitig die Kombination aus Rifampicin plus Pyrazinamid angesehen. Nach der Empfehlung dieser Therapie durch die American Thoracic Society im Jahr 2000 kam es jedoch zu 48 dokumentierten Fällen einer schweren Leberstörung, teilweise mit Todesfolge, weshalb diese Kombination nicht mehr empfohlen wird. Zurzeit lässt die CDC in einer randomisierten kontrollierten Studie eine Kombination von Isoniazid mit Rifapentin untersuchen. Vorteil: Die Patienten müssten die Medikamente nur einmal wöchentlich und nur über 3 Monate einnehmen. Ergebnisse der Studie werden jedoch erst in einigen Jahren vorliegen.

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Fazit

Solange die Indikation zur Behandlung einer latenten Tuberkulose nicht genau gestellt werden kann, die Adhärenz der Infizierten nicht gewährleistet ist und die Therapie mit Risiko verbunden bleibt, wird sich das Konzept zur Behandlung der latenten Tuberkulose nur schwer durchsetzen lassen.

Rüdiger Meyer, Hannover