Neuere antiepileptisch wirksame Substanzen mit hoher Ansprechrate und guter Verträglichkeit
erleichtern die ambulante Therapie von Patienten mit Anfallsleiden. Wie sich die Medikamente
in den Therapieplan einbauen lassen und welche Anforderungen heute an eine patientengerechte
Epilepsietherapie gestellt werden, erläutert Dr. Heinrich Braeuer, der in Hamburg
eine auf Epilepsie-Patienten spezialisierte neurologische Praxis führt.
Heinrich Braeuer, Hamburg
Herr Dr. Braeuer, welche Erwartungen stellen Epilepsie-Patienten an die medikamentöse
Therapie?
Menschen mit Epilepsie erwarten von einem Antikonvulsivum (AK) sichere und zuverlässige
Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit - vor allem ohne negative Auswirkungen auf kognitive
Funktionen und die allgemeine Lebensqualität. Das AK soll keine hepatische Enzyminduktion
und keine Medikamenteninteraktionen bewirken, die Wirkung soll schnell und vorhersagbar
eintreten, es soll keinen Rebound (Verschlimmerung von Anfällen) bei Absetzen geben
und insbesondere darf keine Toleranzentwicklung (Wirkungsverlust) eintreten. Schließlich
soll es anwenderfreundlich (Einnahme 1-2x täglich) vorliegen und kostengünstig angeboten
werden.
Wie ordnen Sie diesbezüglich die neueren Antiepileptika wie Pregabalin, Lamotrigin
und Topiramat ein?
Innerhalb der genannten AK habe ich mit dem Pregabalin gute Erfahrungen gemacht.
Was sind die Vorteile von Pregabalin?
Es sind sein spezieller Wirkmechanismus und der schnelle und zuverlässige Wirkungseintritt.
Pregabalin führt nicht zu hepatischer Enzyminduktion und kann wegen kaum vorhandener
Medikamenteninteraktionen problemlos kombiniert werden. Das günstige Verträglichkeitsprofil,
die geringen Abbruchraten und die relativ niedrigen Kosten sind weitere Pluspunkte.
Welche Ansprechraten kann man mit Pregabalin in der Zusatzbehandlung therapierefraktärer
Patienten mit fokalen Anfällen im Erwachsenenalter erwarten?
Nach Literaturdatenlage und nach meinen Erfahrungen ist mit Responderraten um 50%
zu rechnen.
Sehen Sie noch andere Anwendungsmöglichkeiten für Pregabalin?
Pregabalin ist bereits zugelassen für die Behandlung peripherer neuropathischer Schmerzen
im Erwachsenenalter. Die Wirksamkeit und die Verträglichkeit bei Kindern sollte noch
untersucht werden. Unbedingt sollten Studien mit Pregabalin in Monotherapie vorangebracht
werden.
Wie gelingt die Umstellung auf Pregabalin und die Eindosierung?
Pregabalin kann schnell und mit zuverlässigem Wirkungseintritt eindosiert werden.
Früher Einsatz von Pregabalin (bereits als erstes Add-On-Medikament) verhindert "kumulative
Nebenwirkungen" bei Polytherapie. Bei sich ja rasch abzeichnender Wirksamkeit des
Pregabalins sollte zur Verminderung des Gesamtnebenwirkungsrisikos frühzeitig die
vorbestehende AK-Dosis vermindert werden. Die Ein- oder Umstellung auf Pregabalin
gelingt dann problemlos, übrigens auch - unter Anpassung der Dosierung - bei Niereninsuffizienz.
Pregabalin steht jetzt seit einem Jahr für die Add-On-Therapie der Epilepsie im Erwachsenenalter
zur Verfügung, welche Erfahrungen haben Sie seither damit gesammelt?
Pregabalin hat bereits nach kurzer Zeit einen festen und vorrangigen Platz als Add-On-AK
zur Behandlung fokaler Anfälle eingenommen. Es zeichnet sich durch eine hohe Responderrate
bei günstigem Nebenwirkungsprofil aus - und ist außerordentlich gut handhabbar.
Wie vertragen Patienten das neue Medikament und wie stark sind ZNS-Nebenwirkungen
ausgeprägt?
Pregabalin wird durchweg gut vertragen. Bei vorsichtiger Aufdosierung sind nach meinen
Erfahrungen ZNS-Nebenwirkungen gering - in jedem Fall sind sie dosisabhängig und zuverlässig
durch Dosisanpassung reversibel! Dies wird durch ungewöhnlich niedrige Abbruchraten
bei meinen Patienten bestätigt.
Meta-Analyse aller randomisierten kontrollierten Add-On-Studien mit erwachsenen Epilepsie-Patienten,
die bisher unzureichend auf die Behandlung angesprochen hatten. (nach Ryvlin P et
al., IEC Paris 2005)