Klin Padiatr 2005; 217(6): 307-309
DOI: 10.1055/s-2005-918194
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

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One Group Ticket “From Bench to Bedside”, Return, Please!U. Göbel1
  • 1Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und -Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Germany
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U. Göbel

Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und -Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf · Germany

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Fax: +49/2 11/8 11 62 06

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Publication Date:
24 November 2005 (online)

Table of Contents

In dem Editorial zum 30. Band der Forschungsergebnisse der pädiatrischen Onkologie und Hämatologie/Berichte der GPOH ist an den Schritt von der Pilotstudie zur kooperativen prospektiven Multizenterstudie mit möglichst flächendeckender Erfassung aller Patienten erinnert worden [3]. Die konsequente Weiterentwicklung dieser Form der klinischen Forschung hat zum Kompetenznetz der GPOH und zu Konzepten der Qualitätssicherung in der Pädiatrischen Onkologie geführt [1]. Parallel sind Fragestellungen aus den klinischen Studien heraus entwickelt worden, die zu einer intensiven therapiebegleitenden Laborforschung und konsekutiv zur Einrichtung von speziellen Forschungsprofessuren für die experimentelle bzw. präklinische Onkologie/Hämatologie geführt haben [2]. Beispielhaft für diese Entwicklungen sind die ersten beiden Beiträge.

Bei der akuten lymphatischen Leukämie gilt allgemein ein Alter über 10 Jahre als prognostisch ungünstiger Risikofaktor, so dass diese Patienten eine intensivere Chemotherapie erhalten. Mit dem Beitrag von Möricke u. Mitarb. zeichnet die BFM-Gruppe erstmals in einer retrospektiven Analyse an 4 356 Patienten ein differenzierteres Bild dieser Globalaussage: Nicht das Alter an sich ist der Risikofaktor, sondern die mit dem Alter zunehmende Zahl der weniger gut zu behandelnden Leukämieformen, die unter dem Begriff ALL subsumiert werden. Diese Information ist in zweifacher Weise stimulierend: Die prätherapeutische Diagnostik gewinnt eine weiter zunehmende Bedeutung für die Therapiestratifizierung, um sowohl Über- als auch Unterbehandlungen zu vermeiden. Längerfristig wird die Erforschung der Tumorbiologie auf molekularer Ebene für verschiedene ALL-Formen sehr spezifische Behandlungsverfahren eröffnen, wie es bei Erwachsenen mit chronisch-myeloischer Leukämie und dem Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib schon gelungen ist [7].

Als bisher einziges ALL-spezifisches Medikament gilt die Asparaginase, da die pathologischen Lymphoblasten Asparagin nicht synthetisieren können, aber als Wachstumsfaktor benötigen. Die beiden zur Verfügung stehenden biologischen Präparate besitzen eine hohe Antigenität, die zu akuten allergischen Reaktionen, aber auch zu einer stummen Inaktivierung des Zytostatikums führen kann. Wenner u. Mitarb. haben bei Patienten der COALL-Studiengruppe die Asparagindepletion in Abhängigkeit von der Zahl und Höhe der verabreichten Asparaginasedosen und dem verwendeten Präparat untersucht. Die dargelegten Ergebnisse zeigen, dass 2 500 IE/m² der mit Polyethylenglykol konjugierten Asparaginase bei einem höheren Anteil der Patienten zu einer lang dauernden Asparagindepletion führen als 45 000 IE/m² des nativen Präparates. Diese hoch dosierte Therapie war aufgrund von frühen Produktinformationen zur Halbwertzeit der E.-coli-Asparaginase gewählt worden. Ob aufgrund der selbst generierten pharmakokinetischen Daten vorgenommene Therapieumstellungen zu einem besseren Überleben führen, kann nur die Langzeitbeobachtung zeigen.

Ein Beispiel der interdisziplinären therapiebegleitenden Diagnostik stellt die Positronenemissionstomographie mit radioaktiv markierter Glukose dar. Zurzeit wird bei Patienten mit M. Hodgkin im Rahmen der Therapieoptimierungsstudie HD 2003 die prognostische Bedeutung dieses Untersuchungsverfahrens prospektiv geprüft [6]. Amthauer u. Mitarb. berichten hier von einer Pilotstudie bei Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen. Trotz der limitierten Fallzahl wird erkennbar, dass die zu beantwortenden Fragestellungen bei NHL-Lymphomen völlig andere sind als bei Patienten mit Hodgkin-Lymphomen [6] [10]. Dies zeigt, wie wichtig es ist, standardisierte Verfahren bei vermeintlich ähnlichen Erkrankungen differenziert zu evaluieren.

Bei Kindern mit lebensbedrohenden Bluterkrankungen und Versagen der konventionellen Therapiemaßnahmen bietet die hämatopoetische Stammzelltransplantation kurative Chancen. Trotz der in Deutschland im Allgemeinen sehr intensiven Vorbehandlungen mit ihren hohen Heilungsraten ermöglicht diese sehr eingreifende Salvage-Therapie bei etwa der Hälfte der Kinder mit refraktärer Erkrankung ein langfristiges Weiterleben. Da zunehmend weniger Kinder ein HLA-identisches Geschwister für diese potenziell lebensrettende Therapie haben, werden im Bedarfsfall alternative Verfahren eingesetzt. Drei Möglichkeiten stehen zur Verfügung, die ihre unterschiedlichen Limitierungen, aber auch speziellen Vorteile haben:

  • Mit HLA-kompatiblen unverwandten Stammzellspendern lassen sich auch bei den in Deutschland vorbehandelten Patienten vergleichbare Heilungsraten erzielen wie mit verwandten Spendern [9]. Allerdings wird nur für etwa zwei Drittel der Patienten ein gut passender Fremdspender gefunden, obwohl mittlerweile in den miteinander vernetzten Spenderdateien mehr als acht Millionen freiwillige Stammzellspender bereit stehen.

  • Diese Spenderlücke kann zu einem erheblichen Teil durch Cord Blood geschlossen werden, da bei Einsatz von neonatalen Blutstammzellen auch bei Nichtübereinstimmung von 1 bzw. 2 der wichtigsten 6 Transplantationsantigene bei Kindern vergleichbar gute Behandlungsergebnisse wie mit adulten Zellen von HLA-kompatiblen Spendern erreichen lassen [8].

  • Die haploidente Stammzelltransplantation ist dagegen immer möglich, da in der Regel jedes Kind zumindest einen Elternteil hat. Das besondere Risiko stellt die lebensbedrohende Spender-gegen-Empfänger-Krankheit dar, zu deren Vermeidung die T-Zellen aus dem Transplantat vor seiner Verabreichung eliminiert werden. T-Zellen andererseits sind aber erforderlich, um ein Anwachsen der transplantierten Stammzellen zu ermöglichen und vor Infektionen bzw. Rezidiven zu schützen.

Drei Publikationen haben die haploidente Transplantation zum Inhalt.

Lang u. Mitarb. berichten über drei verschiedene Vorgehensweisen, um die haploidenten Transplantate in geeigneter Weise zu bearbeiten. Bei Kindern mit ALL werden inzwischen vergleichbare Behandlungsergebnisse wie mit voll kompatiblen Familienspendern erzielt.

Feuchtinger u. Mitarb. weisen auf die für diese Patienten besonders gefährliche Adenovirusinfektion hin und berichten von einer Reduktion der infektionsbedingten Letalität von 16 auf 8 % in ihrem Patientengut. Entscheidend für das Überleben sind Adenovirus-spezifische T-Zellen.

Köhl u. Mitarb. haben ein Verfahren unter den Bedingungen der good manufactoring practice entwickelt, um natürliche Killerzellen aufzureinigen und ex vivo zu expandieren. Durch ihre Applikation nach haploidenter Transplantation soll die Rezidivrate der Grunderkrankung gesenkt werden. Das proof of principle dieses attraktiven Konzeptes wird an drei Patienten gezeigt.

Rössig u. Mitarb. wollen mit Hilfe von genetisch modifizierten T-Lymphozyten Rezidive einer CD19-positiven ALL behandeln, die trotz einer allogenen Stammzelltransplantation aufgetreten sind.

Nach diesen vier Originalbeiträgen der translationalen Forschung wird eine Erhebung zu alternativen und komplementären Behandlungsmethoden präsentiert.

Zu diesem Themenkomplex hat die International Society of Pediatric Oncology kürzlich grundlegend Stellung bezogen [4] und sehr kritische Warnhinweise gegeben. Wegen der Wichtigkeit dieses Themas hat der Vorstand der GPOH dieses Statement in deutscher Sprache veröffentlichen lassen [5]. Längler u. Mitarb. berichten nun, wie häufig derartige alternative oder komplementäre Behandlungsverfahren in Deutschland bei krebskranken Kindern zum Einsatz kommen.

Ein gänzlich anderes Thema sind die schwer zu stillenden Blutungen bei Patienten mit Thrombasthenie Glanzmann. Bei dieser seltenen, aber potenziell lebensgefährlichen angeborenen Thrombozytenfunktionsstörung wird der Einsatz von rekombinantem Faktor VII a propagiert, wodurch das Krankenhausbudget in nicht unerheblicher Weise belastet werden kann. Insofern ist es verdienstvoll, dass Hennewig u. Mitarb. ihre Patienten retrospektiv analysiert und relevante Kriterien für eine prospektive klinische Prüfung bei gleichzeitiger Einschränkung der Indikation herausgearbeitet haben.

Abschließend nimmt ein Expertengremium, gebildet aus Mitgliedern der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie sowie der Arbeitsgemeinschaft Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation, zur Indikation für die Gewinnung und zur Dauer der Lagerung von autologen Blutstammzellen Stellung. Diese für die Gesundheitsökonomik wichtige Expertenmeinung stützt sich auf die aktuellen klinischen Studien hinsichtlich der Gewinnung von Stammzellen und die international verfügbaren Erkenntnisse zur Vitalität langfristig tiefgefrorener Konserven.

Die Beiträge ergeben insgesamt ein lebhaftes Bild der vielfältigen Aktivitäten innerhalb der GPOH. Darüber hinaus informieren sie auch, wie inzwischen theoriegeleitete Fragestellungen im Rahmen von klinischen Studien überprüft werden und zu neuen Anforderungen bzw. Qualitätssicherungsmaßnahmen auf Laborebene oder in der Wirkstoffentwicklung führen.

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Literatur

  • 1 Creutzig U, Jürgens H, Herold R, Göbel U, Henze G. Konzepte der GPOH und des Kompetenznetzes zur Weiterentwicklung und Qualitätssicherung in der Pädiatrischen Onkologie.  Klin Pädiatr. 2004;  216 379-383
  • 2 Göbel U, Jürgens H. Translation der kliniknahen Grundlagenforschung in die pädiatrische Onkologie.  Klin Pädiatr. 2003;  215 289-290
  • 3 Göbel U, Kulozik A. Forschungsergebnisse der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie.  Klin Pädiatr. 2004;  216 301-303
  • 4 Jankovic M, Spinetta J, Martins A, Pession A, Sullivan M, D'Angio G J, Eden T, Weyl Ben Arush M, Punkko L R, Epelman C, Masera G. Non-conventional therapies in childhood cancer: Guidelines for distinguishing non-harmful from harmful therapies: A report of the SIOP Working Committtee on Psychosocial Issues in Pediatric Oncology.  Pediatr Blood Cancer. 2004;  42 106-108
  • 5 Jankovic M, Spinetta J, Martins A G, Pession A, Sullivan M, D'Angio G J, Eden T, Weyl Ben Arush M, Sutaryo X, Punkko L R, Epelman C, Masera G. Unkonventionelle Therapien bei Krebserkrankungen im Kindesalter: Richtlinien zur Abgrenzung unbedenklicher von schädlichen Behandlungsmethoden: Ein Bericht der SIOP-Arbeitsgruppe für Psychosoziale Fragen in der Pädiatrischen Onkologie.  Klin Pädiatr. 2004;  216 194-197
  • 6 Körholz D, Claviez A, Hasenclever D, Kluge R, Hirsch W, Kamprad F, Dörffel W, Wickmann L, Papsdorf K, Dieckmann K, Kahn T, Mauz-Körholz C, Dannenberg C, Pötter R, Brosteanu O, Schellong G, Sabri O. The concept of the GPOH-HD 2003 therapy study for pediatric hodgkin's disease: Evolution in the tradition of the DAL/GPOH studies.  Klin Pädiatr. 2004;  216 150-156
  • 7 Schindler T, Bornmann W, Pellicena P, Miller W T, Clarkson B, Kuriyan J. Structural mechanism for STI-571 inhibition of abelson tyrosine kinase.  Science. 2000;  289 1938-1942
  • 8 Schönberger S, Niehues T, Meisel R, Bernbeck B, Laws H J, Kögler G, Enzmann J, Wernet P, Göbel U, Dilloo D. Transplantation of haematopoietic stem cells derived from cord blood, bone marrow or peripheral blood: A single centre matched-pair analysis in a heterogeneous risk population.  Klin Pädiatr. 2004;  216 356-363
  • 9 Wawer A, Laws H J, Dilloo D, Göbel U, Burdach S. Long-time survival after unrelated bone marrow transplantation in children and adolescents and targeted therapy with CD25 blockade to prevent GVHD.  Klin Pädiatr. 2004;  216 169-175
  • 10 Wickmann L, Lüders H, Dörffel W. 18-FDG-PET-Befunde bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Hodgkin: Retrospektive Auswertung zur Korrelation mit anderen bildgebenden Verfahren bei der initialen Stagingdiagnostik und zum prädiktiven Wert bei Verlaufsuntersuchungen.  Klin Pädiatr. 2003;  215 146-150

U. Göbel

Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und -Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf · Germany

Phone: +49/2 11/8 11 76 80

Fax: +49/2 11/8 11 62 06

Email: lesch@med.uni-duesseldorf.de

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Literatur

  • 1 Creutzig U, Jürgens H, Herold R, Göbel U, Henze G. Konzepte der GPOH und des Kompetenznetzes zur Weiterentwicklung und Qualitätssicherung in der Pädiatrischen Onkologie.  Klin Pädiatr. 2004;  216 379-383
  • 2 Göbel U, Jürgens H. Translation der kliniknahen Grundlagenforschung in die pädiatrische Onkologie.  Klin Pädiatr. 2003;  215 289-290
  • 3 Göbel U, Kulozik A. Forschungsergebnisse der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie.  Klin Pädiatr. 2004;  216 301-303
  • 4 Jankovic M, Spinetta J, Martins A, Pession A, Sullivan M, D'Angio G J, Eden T, Weyl Ben Arush M, Punkko L R, Epelman C, Masera G. Non-conventional therapies in childhood cancer: Guidelines for distinguishing non-harmful from harmful therapies: A report of the SIOP Working Committtee on Psychosocial Issues in Pediatric Oncology.  Pediatr Blood Cancer. 2004;  42 106-108
  • 5 Jankovic M, Spinetta J, Martins A G, Pession A, Sullivan M, D'Angio G J, Eden T, Weyl Ben Arush M, Sutaryo X, Punkko L R, Epelman C, Masera G. Unkonventionelle Therapien bei Krebserkrankungen im Kindesalter: Richtlinien zur Abgrenzung unbedenklicher von schädlichen Behandlungsmethoden: Ein Bericht der SIOP-Arbeitsgruppe für Psychosoziale Fragen in der Pädiatrischen Onkologie.  Klin Pädiatr. 2004;  216 194-197
  • 6 Körholz D, Claviez A, Hasenclever D, Kluge R, Hirsch W, Kamprad F, Dörffel W, Wickmann L, Papsdorf K, Dieckmann K, Kahn T, Mauz-Körholz C, Dannenberg C, Pötter R, Brosteanu O, Schellong G, Sabri O. The concept of the GPOH-HD 2003 therapy study for pediatric hodgkin's disease: Evolution in the tradition of the DAL/GPOH studies.  Klin Pädiatr. 2004;  216 150-156
  • 7 Schindler T, Bornmann W, Pellicena P, Miller W T, Clarkson B, Kuriyan J. Structural mechanism for STI-571 inhibition of abelson tyrosine kinase.  Science. 2000;  289 1938-1942
  • 8 Schönberger S, Niehues T, Meisel R, Bernbeck B, Laws H J, Kögler G, Enzmann J, Wernet P, Göbel U, Dilloo D. Transplantation of haematopoietic stem cells derived from cord blood, bone marrow or peripheral blood: A single centre matched-pair analysis in a heterogeneous risk population.  Klin Pädiatr. 2004;  216 356-363
  • 9 Wawer A, Laws H J, Dilloo D, Göbel U, Burdach S. Long-time survival after unrelated bone marrow transplantation in children and adolescents and targeted therapy with CD25 blockade to prevent GVHD.  Klin Pädiatr. 2004;  216 169-175
  • 10 Wickmann L, Lüders H, Dörffel W. 18-FDG-PET-Befunde bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Hodgkin: Retrospektive Auswertung zur Korrelation mit anderen bildgebenden Verfahren bei der initialen Stagingdiagnostik und zum prädiktiven Wert bei Verlaufsuntersuchungen.  Klin Pädiatr. 2003;  215 146-150

U. Göbel

Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und -Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf · Germany

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