Einleitung
Einleitung
In den letzten Jahrzehnten konnten die Heilungsraten bei Krebserkrankungen im Kindesalter
deutlich verbessert werden. Dennoch verbleiben einige Patienten, bei denen die Behandlung
durch konventionelle Chemo- und Bestrahlungstherapie nicht zum Erfolg führt. Diesen
Patienten steht als weitere Therapiemöglichkeit die Stammzelltransplantation (SZT)
zur Verfügung, die erstmalig 1968 auch von einem Fremdspender erfolgreich durchgeführt
werden konnte. Die SZT bietet bei autologen (Eigenspende) Transplantationen die Möglichkeit
einer Hochdosistherapie. Bei allogenen (Fremdspende) Transplantationen wird neben
einer intensiveren Zytostatika- und Bestrahlungstherapie, zusätzlich auf eine immunologische
Anti-Leukämie- (GvL = Graft versus Leukemia) bzw. Anti-Tumor- (GvT = Graft versus
Tumor) Wirkung gesetzt. Dieser GvL- bzw. GvT-Effekt beruht auf der Tatsache, dass
durch die Transplantation übertragenen Effektorzellen des Spenders Leukämie- bzw.
Tumorzellen als fremd erkennen und zerstören können. Hierdurch soll die Rezidivrate,
die immer noch einer der Hauptmortalitätsusachen nach SZT darstellt, erniedrigt werden.
Die SZT vom allogenen Spender birgt jedoch auch höhere Risiken. So können im Rahmen
der allogenen SCT schwere Komplikationen durch erhöhte Toxizität und Infektionsgefahr,
und stärkeren Graft-versus-Host(GvH)-Reaktionen auftreten.
Häufigkeit und Schwere von Infektionen sind abhängig von der Abwehrlage des Patienten
und der Konzentration und Pathogenität des Erregers. Entsprechend hängen Häufigkeit,
Art und Schwere der Infektionen bei onkologisch behandelten Kindern und Jugendlichen
von der durchgeführten Therapie und dem Zeitpunkt der Infektion ab. Die infektionsassoziierte
Letalität beträgt bei pädiatrisch-onkologischen Patienten mit konventioneller Chemotherapie,
je nach Grunderkrankung, bis zu 6 % [13]
[14]. Innerhalb der Gruppe der onkologisch-hämatologischen Patienten besitzen Patienten,
die mit einer Fremdspender-Stammzelltransplantation therapiert werden, das höchste
Infektionsrisiko. Die Ursachen sind einerseits die verlängerte Aplasiezeit und andererseits
die Monate bis Jahre andauernde eingeschränkte Funktion des Immunsystems im Sinne
einer humoralen und zellulären Immundefizienz. Im Rahmen autologer Transplantationen
versterben pädiatrische Patienten äußerst selten an einer infektiösen Komplikation
[3]
[15]
[19]. Bei allogenen Transplantationen im Kindesalter hingegen liegt die infektionsassozierte
Letalität, innerhalb der ersten 100 Tagen nach Transplantation, zwischen 7 und 17,4
% [3]
[19]. Wird eine Nachbeobachtungsdauer von zwei Jahren gewählt, so kann die Letalität
bis zu 20 % ansteigen [21].
Zu beachten ist, dass die infektionsassozierte Letalität während des Zeitraums der
Aplasie geringer ist als in der Zeit danach [6].
Hieraus ergeben sich verschiedene Risiken für das zeitliche Auftreten und den Schweregrad
der Infektionen. Ebenso sind, je nach Zeitraum nach SZT, unterschiedliche mikrobiologische
Erreger (Abb. [1]) für die Entwicklung von Infektionen verantwortlich. Das Infektionsrisiko des einzelnen
Patienten ist abhängig von seinen persönlichen Faktoren: der Grunderkrankung, der
Konditionierung, der Art des Transplantates, der Spender-Empfänger-Konstellation (Übereinstimmung
im „human-leukocyte-antigen”(HLA)-Muster), der Zytomegalievirus(CMV)-Konstellation,
der Komorbidität, latenter Infektionen und des krankenhausspezifischen Keimspektrums.
Abb. 1 Risiko für infektiöse Komplikationen nach allogener SZT im zeitlichen Verlauf; hohes
Risiko = fett und große Schriftgröße, mittleres Risiko = große Schriftgröße, kleines
Risiko = kleine Schriftgröße.
Definitionen und Erklärungen von häufigen Begriffen der Stammzelltransplantation
Definitionen und Erklärungen von häufigen Begriffen der Stammzelltransplantation
Transplantatquelle
Die zur Transplantation benötigten hämatopoetischen Stammzellen (SZ) können auf unterschiedlicher
Weise gewonnen werden:
-
durch Punktionen aus dem Knochenmark (KM), dem primären Aufenthaltsort der SZ;
-
durch Mobilisation aus dem KM in das periphere Blut mittels Gabe von granulocyte colony-stimulating
factor (G-CSF) und nachfolgender Leukapherese, so genannte periphere Blutstammzellen;
-
durch Gewinnung aus dem Nabelschnurblut direkt nach Geburt.
Spender-Empfänger-Konstellation und HLA-Kompatibilität
-
Autologe Transplantation (Empfänger = Spender des Transplantates): Der Empfänger des Transplantates spendet im Vorfeld meistens periphere Blutstammzellen,
die tiefgefroren werden. Dies ist bei Patienten mit soliden Tumoren (Neuroblastom,
Wilmstumor, Ewing-Sarkom usw.) der Fall, die sich einer oder zwei Hochdosistherapien
mit nachfolgender autologer Blutstammzellgabe unterziehen.
-
Allogene Transplantation (Empfänger ≠ Spender des Transplantates): Liegt eine Erkrankung der Blutzellen vor (Leukämie, Immundefekt), so müssen für eine
Heilung Stammzellen eines gesunden, „fremden Spenders” transfundiert werden. Der Spender
kann das Geschwisterkind, ein unverwandter Spender oder bei fehlen eines passenden
Spenders ein Elternteil sein. Ein passender Spender stimmt mit dem Empfänger in den
HLA-Merkmalen überein, während Geschlechts- bzw. Blutgruppenmerkmale nicht entscheidend
sind.
-
HLA-idente Transplantation (HLA-Antigene Empfänger = Spender): Entscheidend für das Anwachsen des Transplantates und das Auftreten der immunologischen
Abwehrreaktion = GvH-Reaktion ist die Übereinstimmung des Spenders und des Empfängers
im HLA-Muster (human-leukocyte-antigen). Bei Identität spricht man allgemein von einem
„passenden Spender”. Bei Durchführung der SZT von einer „HLA-identen Transplantation”.
Aktuell wird die molekulargenetische Testung von 10 Allelen u. a. von der Pädiatrischen
Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation (Päd-AG-KBT)
empfohlen.
-
nicht HLA-idente Transplantation (HLA-Antigene Empfänger ≠ Spender): Das HLA-Muster des Spenders und Empfängers stimmt in mindestens einem Allel nicht
überein.
Eine Abstoßung des Transplantates bzw. die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und der
Schwere einer GvH-Reaktion nehmen pro Allel- und Antigendifferenz = Allel- bzw. Antigen-mismatch,
zu. Um bei schweren Grunderkrankungen, auch bei fehlendem „passenden Spender”, eine
Transplantation durchführen zu können, ist es bei bestimmten, definierten Indikationen
notwendig, auf einen nicht-HLA-identen Spender auszuweichen. Alternativ ist die Verwendung
von Cord-Blood oder eines haploidentischen Elternteils zu erwägen [26]
[28].
Abstoßung (Host-versus-Graft-Reaktion)
In Übereinstimmung zur Terminologie der Organtransplantation, wird auch bei der Stammzelltransplantation
von Abstoßung gesprochen, wenn das Transplantat nicht anwächst. Der Patient stößt
das Transplantat sofort (primäres graft failure) oder nach initialem Anwachsen (sekundäres
graft failure) mit oder ohne autologer Rekonstitution ab.
Graft-versus-Host-Reaktion (GvH)
Nach dem Modell von Ferrara [24] verläuft die GvH-Reaktion in 3 Phasen:
-
In Phase 1 wird das Gewebe des Empfängers durch die Konditionierung geschädigt. Dabei
werden inflammatorische Zytokine freigesetzt, die Antigen-präsentierende Zellen (APC)
des Empfängers aktivieren.
-
Die APCs des Empfängers präsentieren in Phase 2 Alloantigene den T-Lymphozyten des
Spenders. Dies führt zur Proliferation und Differenzierung der Spender-T-Lymphozyten
in Effektorzellen mit Ausschüttung von Zytokinen.
-
In Phase 3 lösen die Effektorzellen und die freigesetzten Zytokine den Zelltod der
Zielzellen durch Apoptose aus.
Die Hauptzielorgane der GvH-Reaktion sind die Haut, die Leber und der Darm. Die Wahrscheinlichkeit
des Auftretens und der Schwergrad der GvH-Reaktion ist entscheidend abhängig von der
HLA-Konstellation und dem Verwandschaftsgrad zwischen Spender und Empfänger.
Die GvH-Reaktion ist direkt und indirekt die Haupttodesursache bei der Stammzelltransplantation:
einerseits aufgrund der schweren organtoxischen Immunreaktion, andererseits aufgrund
der auftretenden schweren Infektionen. Die Infektionsgefährdung nimmt durch den Einsatz
starker Immunsuppressiva, die zur Therapie der GvH-Reaktion notwendig sind, deutlich
zu [30].
Als akute GvH (aGvH)-Reaktion wird ein Auftreten innerhalb von 100 Tagen nach Transplantation
bezeichnet. Bei späterer Manifestation (nach Tag 100) wird der Begriff der chronischen
GvH (cGvH)-Reaktion verwendet.
Infektionen von pädiatrischen Patienten nach allogener SZT
Infektionen von pädiatrischen Patienten nach allogener SZT
Frühe Erholungsphase = Zeitraum der Neutropenie (neutrophile Granulozyten < 500/µl)
Diese Phase ist im Wesentlichen von der Art der gewählten Stammzellquelle abhängig.
Bei der peripheren Blutstammzellsammlung können mehr Stammzellen als bei der Knochenmarkentnahme
oder der Nabelschnurblutgewinnung gewonnen werden. Daraus resultierend ist die Aplasiedauer
nach peripherer Blutstammzell-Transplantation mit ca. 16 Tagen am kürzesten, gefolgt
von ca. 21 Tagen bei Knochenmark-(KM) und ca. 23-28 Tagen bei Nabelschnurblut (Cord
blood [CB]) [1]
[17]
[26]
[28]. Diese Zeiträume wurden bei Erwachsenen beobachtet. Bei pädiatrischen Empfängern
ist die Aplasiedauer meistens kürzer, da das Verhältnis „Menge an Stammzellen zu Körpergewicht”,
aufgrund des niedrigeren Ausganggewichts der Kinder, günstiger liegt [20]
[32]. Die Dauer der Aplasie ist weiterhin abhängig von der Zusammensetzung des Transplantates
(z. B. CD34-Selektion), dem Einsatz von MTX als GvH-Prophylaxe, der Gabe von G-CSF
und dem Auftreten von Infektionen (z. B. CMV).
Mit anhaltender Aplasiedauer nimmt die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion und deren
Schwere zu. Zwischen 88 und 100 % aller allogen transplantierter Kinder entwickeln
um den 4. Tag der Neutropenie Fieber [3]
[5]
[19]
[22]. Den meisten Fieberepisoden in der Aplasie liegt eine Infektion zu Grunde [34]; differenzialdiagnostisch ist aber auch eine allergische Reaktion auf die Gabe von
Blutprodukten, Immunglobulinen, ein Arzneimittel-induziertes Fieber oder ein frühes
Auftreten einer akuten GvH-Reaktion zu denken.
Obwohl für den ersten Fieberschub in der Zeit der Aplasie zumeist eine bakterielle
Infektion als Ursache angenommen wird, gelingt es oftmals nicht, den Erreger bzw.
den genauen Infektionsort zu identifizieren [4]. So werden 35-69 % aller Fieberepisoden als „Fieber unklarer Genese” eingestuft
[1]
[3]
[19]
[30]. Gelingt der Erregernachweis, so handelt es sich zumeist um körpereigene Bakterien,
die durch die fehlende (Schleim)Haut-Barriere bei Mukositis, zentralem Venenkatheter
oder bei invasiven Eingriffen in den Körper des Patienten eindringen können. Bei ca.
20 % der allogen transplantierten pädiatrischen Patienten tritt eine Katheterinfektion
auf, bei 7-58 % können Bakterien in den Blutkulturen nachgewiesen werden [1]
[3]
[19]
[25]
[30]
[33]. Ursache für die große Breite der Inzidenz an positiven Blutkulturen kann die von
Zentrum zu Zentrum unterschiedliche antibiotische Prophylaxe sein. Bei den nachgewiesenen
Erregern überwiegen die Infektionen mit grampositiven (60-70 %) gegenüber den gramnegativen
Bakterien, wobei letztere mit einer höheren Morbidität und Letalität einhergehen.
Die meisten nachgewiesenen grampositiven Erreger sind Staphylokokken, Corynebakterien
und α-hämolysierende Streptokokken, die sich initial auf der Haut oder (Mund)Schleimhaut
des Patienten befinden. Die gramnegativen Erreger des Gastrointestinaltraktes erreichen
die Blutbahn nach Durchwanderung der Schleimhaut bei schwerer Mukositis. Es handelt
sich zumeist um E. coli, Klebsiellen oder Pseudomonaden [37].
Pilzinfektionen innerhalb des ersten Monats nach Transplantation wurden im Kindesalter
bei 6 % aller autologen und bei 4 % aller allogen transplantierten Patienten beobachtet
[9]. Anzumerken ist, dass die meisten invasiven Pilzinfektionen bei autolog transplantierten
Patienten innerhalb des ersten Monats auftraten und als Erreger am häufigsten Candida
spp. nachgewiesen wurden. Bei den allogen transplantierten Kindern traten nur 3 von
12 aller invasiven Pilzinfektionen innerhalb der ersten 30 Tage nach Transplantation
auf (Beobachtungszeitraum 3 Jahre nach SZT) [9].
In der frühen Aplasie wird die obligate Mukositis des Gastrointestinaltraktes besonders
häufig durch eine endogene Reaktivierung von Herpes-Simplex-Virus Typ I verschlimmert.
Ca. 70 % aller seropositiven Patienten entwickelten ohne Aciclovir-Prophylaxe diese
Komplikation im Rahmen einer Transplantation [27]. Im Gegensatz zu Erwachsenen [36], treten Infektionen und daraus resultierende schwere Komplikationen mit respiratorischen
Viren (RS-, Influenza-, Parainfluenza- und Rhino-Viren) bei Kindern in dieser Phase
praktisch nicht auf [2].
Zum Schutz vor exogenen Infektionen sind die Patienten in diesem Zeitraum in sterilen
Überdruck-Einheiten mit HEPA-Filterung untergebracht.
Diagnostik bei V. a. Infektion in der Aplasie
Siehe Kapitel „Fieber unklarer Genese (FUO) bei Kindern und Jugendlichen mit onkologischen
Erkrankungen”.
Therapie von Infektionen in der Aplasie
Siehe Kapitel „Fieber unklarer Genese (FUO) bei Kindern und Jugendlichen mit onkologischen
Erkrankungen”.
Mittlere Erholungsphase: Zeitraum des humoralen und zellulären Immundefekts bis Tag
100 nach SZT
Trotz Normalisierung der Leukozytenzahl durch die numerische Erholung der Granulozyten,
der „Natürlichen Killerzellen” und der Monozyten, besteht in dieser Phase ein zellulärer
und humoraler Immundefekt. Die immunologische Rekonstitution ist abhängig von der
Transplantatquelle (z. B. PBSC mehr T-Lymphozyten als KM), der Anzahl der transplantierten
Stammzellen/kg Körpergewicht des Empfängers (CD34-Gehalt: PBSC > KM > CB), dem Auftreten
von Virusinfektionen (besonders CMV) und durch die HLA-Konstellation.
Fieberepisoden treten bis Tag 100 nach KMT nur noch bei 14-44 % der transplantierten
pädiatrischen Patienten auf [3]
[21]
[24]. Am häufigsten handelt es sich um Katheterinfektionen (ca. 40 %) und um Infekte
der oberen Luftwege (ca. 22 %). Die FUO-Rate liegt nur noch bei 4 %, d. h. im Gegensatz
zur Aplasiezeit kann der Erreger bzw. der Infektionsort zumeist identifiziert werden.
In der Studie von Ochs et al. wurden insgesamt 249 Patienten - von denen 54 % Kinder
waren - hinsichtlich ihrer Infektionen ausgewertet. 50 % der Infektionen in dieser
Phase werden durch Bakterien hervorgerufen. Bei den katheterassozierten Infektionen
werden zumeist grampositiven Erreger nachgewiesen. Bei Vorliegen einer GvH-Reaktion
des Darmes werden ursächlich gramnegative Erreger gefunden. Infektionen mit Viren
treten in ca. 37 % der Fälle auf. Davon liegt in der Mehrzahl der Fälle eine Infektion
mit dem CMV vor (34 %), gefolgt vom Varizella-Zoster-Virus (VZV) (26 %) und HSV (15
%). Bei etwa jedem zehnten Patienten sind für die Infektionen Pilze (Candida spp.
und Aspergillen spp.) verantwortlich [21].
In dieser Studie sind im Zeitraum vom Tag + 50 bis 2 Jahre nach SZT 62 % der Infektionsepisoden
durch Bakterien (davon 82 % Gramnegative), 24 % durch Pilze (davon 48 % Aspergillen)
und 14 % durch Viren (davon 57 % CMV) verursacht worden. Nahezu jede 3 Infektionsepisode
wurde als lebensgefährlich eingestuft. Die infektionsbedingte Letalität betrug insgesamt
21,6 %, wobei insbesondere Virus- und Pilzinfektionen eine Letalität von 80 % aufwiesen
[21].
Seit Einführung der Prophylaxe gegen den Erreger der Pneumozystis-Pneumonie, Pneumocystis
jiroveci, ist die Infektionsrate durch diesen Erreger mit dem typischen klinischen
Bild einer interstitiellen Pneumonie deutlich rückläufig [16].
Transplantierte Patienten mit einer GvH-Reaktion sind besonders infektionsgefährdet.
Sowohl die zelluläre als auch die humorale Immunantwort sind nach Transplantation
vermindert und werden im Rahmen einer aGvH-Reaktion noch verstärkt [23]:
-
T-Lymphozyten und Antigen-präsentierende Zellen können bei unterschiedlichen HLA-Konstellationen
nicht oder nur ungenügend kommunizieren.
-
Die Zahl der CD4-positiven T-Lymphozyten ist erniedrigt und daraus resultierend die
CD4/CD8-Ratio pathologisch.
-
Es kann ein Mangel an IgA, IgG bzw. ein IgG-Subklassendefekt vorliegen.
-
Die neutrophilen Granulozyten zeigen eine vermindert Chemotaxis und die Makrophagen
eine verminderte Funktion.
-
Die Patienten besitzen keine ausreichenden Impfantikörper.
Neben den Transplantations-Modalitäten und der GvH-Reaktion an sich, sind zusätzlich
auch die Prophylaxe und insbesondere die Therapie der GvH-Reaktion immunsupprimierend.
Allogen transplantierte Patienten erhalten eine GvH-Prophylaxe mit Cyclosporin A.
Bei unverwandten Spendern wird die Prophylaxe um MTX und Antilymphozytenglobulin erweitert.
Bei haplo-identischen Transplantationen wird eine direkte (CD3- und CD19-Depletion)
oder indirekte (CD34-Anreicherung) T-Zell-Depletion in Kombination mit OKT3 durchgeführt.
Bei Auftreten einer akuten GvH-Reaktion > Grad 2 muss zur Vermeidung einer lebensbedrohlichen
Situation die Immunsuppression intensiviert werden. Am häufigsten hierzu werden hoch
dosierte Steroide eingesetzt (Methylprednisolon 2[-5] mg/kg/Tag). Bei fehlenden Ansprechen
werden dann weitere immunsuppressive Medikamente wie Antilymphozytenglobulin, oder
monoklonale Antikörper (z. B. gegen CD25-Rezeptoren, TNFα, CD52) eingesetzt [35]. Patienten mit einer schweren GvH-Reaktion versterben zumeist trotz gezielter antiinfektiver
Therapie an einer nicht beherrschbaren infektiologischen Komplikation (z. B. Aspergillen,
Viren) in Folge der starken Immunsuppression.
Späte Erholungsphase: Zeitraum nach Tag 100 post-SZT
Die Patienten sind nach Tag 100 post transplantationem für Infektionen des oberen
und unteren Respirationstrakts (Pneumonie, Bronchitis, Sinusitis, Pharyngitis, Otitis)
anfällig. Ca. 50 % aller Patienten mit und ca. 21 % ohne cGvH-Reaktion entwickeln
noch nach Tag 100 nach SZT eine Infektion der Lunge [12].
Oft sind bekapselte Bakterien wie Streptokokken und Haemophilus die nachzuweisenden
Erreger [21]. Neben der funktionellen Asplenie (oft im Rahmen einer cGvH-Reaktion), spielen ebenfalls
der Immunglobulinmangel (IgA und IgG) und die Funktionseinschränkung der neutrophilen
Granulozyten und der Makrophagen für das Auftreten dieser Infektionen eine Rolle.
Treten Pneumonien zu diesem Zeitpunkt auf, muss differenzialdiagnostisch eine Infektion
mit Pneumocystis jiroveci in Betracht gezogen werden.
Neben Bakterien können in dieser Zeitphase, aufgrund der verminderten Lymphozytenfunktion,
alle potenziell pathogenen Viren (CMV, HSV, Adeno-Viren, EBV, VZV) zu schweren Infektionen
an praktisch allen Organsystemen (Atemwege, Gastrointestinaltrakt, Urogenitaltrakt,
ZNS, Augen, Haut) führen.
Während einer Therapie mit Steroiden im Rahmen einer cGvH-Reaktion, haben die Patienten
ein hohes Risiko Pilzinfektionen (Candida spp., Aspergillen spp.) zu entwickeln. Ebenso
ist eine intakte Lymphozytenfunktion zur Abwehr von invasiven Aspergillosen notwendig.
100 Tage nach SZT hat sich das Immunsystem beim Empfänger einer HLA-identen Geschwisterspende
zumeist gut rekonstituiert. Die immunsuppressive Prophylaxe kann bei fehlendem Auftreten
einer GvH-Reaktion reduziert und schließlich abgesetzt werden. Diese Patienten entwickeln
im weiteren Verlauf nur selten Infektionen, vorausgesetzt sie leiden nicht an einer
cGvH-Reaktion, besitzen > 200/µl CD4-pos. T-Lymphozyten und haben normale Immunglobulinwerte
[6].
Bei Transplantationen von einem unverwandten Fremdspender oder mismatch-Spender kommt
es beim Empfänger zu einer langsameren Erholung des Immunsystems. Diese Patienten
besitzen daher schon an sich ein erhöhtes Infektionsrisiko im Vergleich zu Transplantationen
von einem HLA-identen Familienspender [21]. Hinzu kommt die bei diesen Transplantationen häufiger auftretende GvH-Reaktion
(und ihre Therapie).
Im Rahmen einer cGvH-Reaktion leiden die Patienten an einem erhöhten Infektionsrisiko
aufgrund:
-
anhaltende Immundefizienzen durch eine stattgehabte aGvH (s. o.),
-
Schleimhautveränderungen, so dass pathogene Keime leichter eindringen können,
-
funktionelle Asplenie mit Verlust der Opsonierung und einem hohen Risiko für Infektionen
durch bekapselte Bakterien [11]. Eine Prophylaxe mit Penizillin p. o. sowie entsprechende Impfungen sollten durchgeführt
werden.
Im Gegensatz zu allogenen, traten bei autolog transplantierten pädiatrischen Patienten
77 % aller Infektionsepisoden innerhalb der ersten 6 Monate nach Transplantation auf;
danach ist nur noch mit einem geringen Infektionsrisiko zu rechnen [15].
Konsequenzen und Unterschiede für die rationale und rationelle Diagnostik und Therapie
von pädiatrischen Patienten nach allogener SZT
Konsequenzen und Unterschiede für die rationale und rationelle Diagnostik und Therapie
von pädiatrischen Patienten nach allogener SZT
Bakterielle Infektionen
Vor Transplantation sind latente infektiöse Herde an den Zähnen, im Kiefer und in
den Nasennebenhöhlen auszuschließen. In der Zeit der Aplasie, während der Installation
eines Zentralen Venenkatheters und bei Auftreten einer GvH-Reaktion, besteht bei transplantierten
Patienten eine besondere Gefährdung für bakterielle Infektionen.
In der Aplasie überwiegen die Infektionen mit grampositiven Erregern, die durch die
Hauteintrittstelle des Zentralen Venenkatheters, bei invasiven Engriffen (Katheterwechsel,
Knochenmarkpunktion, Blutentnahme usw.) oder aufgrund der Mukositis in den Organismus
eindringen können. Meistens handelt es sich hierbei um Staphylokokken, Corynebakterien
und α-hämolysierende Streptokokken. Körpereigene gramnegative Bakterien der Mundhöhle
und des Magen-Darm-Traktes können die Schleimhautbarriere ebenfalls aufgrund der zytotoxischen
Schädigung überwinden. E. coli, Klebsiellen und Pseudomanden-Infektionen werden hierbei
beobachtet.
Da bei den meisten Fieberschüben in der Aplasie der Erregernachweis bzw. die Identifikation
des Infektionsortes nicht gelingt, wird eine empirische Antibiotika-Therapie eingeleitet.
Hierzu notwendig ist die Kenntnis des patienteneigenen Erregerspektrums und der klinikspezifischen
Resistenzlage. Die empirische antibiotische (Kombinations-)Therapie soll gegen gramnegative
Erreger - insbesondere Pseudomonaden - wirksam sein, da Infektionen mit diesen Erregern
deutlich schwerere Krankheitsverläufe zeigen. Möglicherweise kann in der empirischen
Therapie auf Glykopeptide, die zu einer Zunahme der Inzidenz von Vancomycin-resistenten-Enterokokken
(VRE) führen, in der Zukunft verzichtet werden [7]. Dies müssen jedoch weitere Studien, insbesondere bei Kindern, belegen.
Mit Auftreten der Granulozyten reduziert sich das Risiko für bakterielle Infektionen
deutlich. Jedoch sind bakterielle Erreger, vor allem bei Vorhandensein eines zentralen
Venenkatheters oder einer GvH-Reaktion, weiterhin als Infektionsursache zu berücksichtigen.
Infektionen durch bekapselte Bakterien treten bei funktioneller Asplenie, z. B. im
Rahmen einer chronischen GvH-Reaktion auf. Der abnehmende Impfschutz nach Transplantation
erhöht zusätzlich die Gefahr von infektiösen Komplikationen durch diese Erreger.
Für weiterführende Informationen zur Klinik, Diagnostik und Therapie verweisen wir
auf die entsprechenden Kapitel dieses Heftes: „Therapie bakterieller Infektionen in
der pädiatrischen Onkologie”, „Diagnostik und Therapie Katheter-assoziierter Infektionen
in der pädiatrischen Onkologie” und „Fieber unklarer Genese (FUO) bei Kindern und
Jugendlichen mit onkologischen Erkrankungen”.
Virale Infektionen
Da die Rekonstitution und die Funktion der Lymphozyten bis zu einem Jahr nach allogener
Stammzell-Transplantation (besonders in der mismatch/haplo-Konstellation) eingeschränkt
sind, kann während dieses langen Zeitraums jederzeit eine schwere Virus-Primärinfektion
oder -reaktivierung auftreten.
Die häufigsten viralen Infektionen werden bei transplantierten Patienten durch Herpes-simplex-
und Zytomegalie-Viren hervorgerufen. Jedoch stellen auch Infektionen durch Epstein-Barr-,
Adeno-, Varizella-Zoster-, Parvo-B19-, Echo- und Pneumo-Viren lebensgefährliche Komplikationen
dar. Deshalb sollten virologische „Surveillance-Untersuchungen” mittels „polymerase
chain reaction” (PCR) bei jedem allogen transplantierten Patienten routinemäßig durchgeführt
werden. Bei Nachweis eines Erregers ohne begleitende klinische Symptomatik wird, z.
B. für CMV, eine präemptive Therapie empfohlen. Bei Ausbruch einer viralen Erkrankung
ist eine schnelle Therapieeinleitung indiziert. Jedoch besitzen die Virusstatika zumeist
deutlich ausgeprägte Nebenwirkungen, wie Myelosuppression (Ganciclovir) und Nierentoxizität
(Cidofovir, Foscarnet). Diese Nebenwirkungen sind bei transplantierten Patienten,
aufgrund der bereits vorhandenen eingeschränkten Knochenmarksfunktion und der Interaktionen
mit anderen unverzichtbaren nephrotoxischen Medikamenten (z. B. Cyclosporin A), besonders
relevant. Die neueren, viel versprechenden Therapiestrategien mit spezifischen zytotoxischen
T-Lymphozyten gegen CMV, Adeno und EBV sind im Moment noch experimenteller Natur [18], ebenso wie Vakzinierungsmodelle [38]. Entscheidend für die Kontrolle einer Viruserkrankung ist die Erholung des zellulären
Immunsystems.
Das regelmäßige Screening, die frühzeitige Diagnostik und ein schneller Therapiebeginn
sind wichtige Bestandteile bei der Betreuung stammzelltransplantierter Patienten.
Für weiterführende Informationen zur Klinik, Diagnostik und Therapie der viralen Infektionen
verweisen wir auf das Kapitel „Diagnose und Therapie von Virusinfektionen bei Kindern
und Jugendlichen mit neoplastischen Erkrankungen”.
Pilz-Infektionen
Durch Pilzinfektionen sind die transplantierten Patienten vor allem im Rahmen einer
GvH-Reaktion, ihrer immunsuppressiven Therapie mit Steroiden und bei eingeschränkter
T-Zell-Funktion gefährdet. Im Kindesalter wird bei ca. 16 % aller allogen transplantierter
Patienten eine invasive Pilzinfektion beobachtet [37]. Die wichtigsten Erreger sind hierbei die Candida spp. und Aspergillen spp. Da die
Infektionen durch seltenere Keime wie Zygomyceten (Mucor) und Fusarien in der Häufigkeit
zunehmen, sind zukünftig diese Spezien bei therapeutischen Überlegungen als ursächliche
Erreger zu berücksichtigen. Hierbei ist das Wirkungsspektrum des eingesetzten Antimykotikums
zu berücksichtigen. So haben beispielsweise einige neue, zunehmend eingesetzte Antimykotika
aus der Gruppe der Azole und Echinocandine keine Wirkung gegen Zygomyceten. Für weiterführende
Informationen zur Klinik, Diagnostik und Therapie der mykotischen Infektionen verweisen
wir auf das Kapitel „Diagnose und Therapie von Pilzinfektionen bei Kindern und Jugendlichen
mit neoplastischen Erkrankungen”.
Besonders bei onkologischen Grunderkrankungen, bei denen die Transplantation den einzig
noch möglichen kurativen Ansatz bietet, sollte eine invasive Aspergillose oder Candida-Erkrankung
per se keine Kontraindikation für die Transplantation darstellen. Anzustreben ist
dabei eine maximale Besserung der Infektion vor Beginn der Konditionierung und die
konsequente Fortführung der antimykotischen Therapie bis zur kompletten Erholung der
Immunfunktion nach SZT [29]. Besonders in der Phase der Konditionierung müssen die möglichen Nebenwirkungen
und Interaktionen einzelner Antimykotika (Azole) mit der Chemotherapie (Busulfan,
Cyclophosphamid) in die Therapieentscheidung miteinbezogen werden.
Pneumozystis-Infektionen
Infektionen mit Pneumocystis jiroveci stellen eine erhebliches Morbiditäts- und Letalitätsrisiko
für immundefiziente und somit auch für transplantierte Patienten dar. Die Infektion
äußert sich in Form von schweren Pneumonien mit radiologischem Nachweis von diffusen
Infiltraten im Thorax. Zur Diagnostik wird bronchalveolären Lavage-Flüssigkeit bzw.
seltener Sputum verwendet. Seit Einführung der Prophylaxe mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol
(TMP/SMX) ist die Infektionsrate nahezu auf „null” gesunken [10]. Trotzdem werden im klinischen Alltag immer wieder Infektionen bei nicht durchgeführter
Prophylaxe bzw. bei der alternativ durchgeführten Penthamidin-Inhalation (Durchbruchsinfektionen)
beobachtet. Die Therapie der Pneumozystis-Pneumonie wird mit hochdosiertem TMP/SMX
durchgeführt. Trotz sofortiger Einleitung der Therapie liegt die Letalität einer Pneumozystis-Pneumonie
bei transplantierten Patienten innerhalb der ersten 6 Monate bei bis zu 90 % [31].
Aufgrund der äußerst guten Prophylaxe-Daten und der sehr schlechten Therapieerfolge
bei Pneumozystis-Infektionen, ist die konsequente Durchführung der Prophylaxe bis
zur Erholung des Immunsystems (jedoch mindestens 6 Monate) bei transplantierten Patienten
hervorzuheben [8]. Die Patienten-Compliance ist im Rahmen der ambulanten Betreuung regelmäßig zu überprüften.
Für weiterführende Informationen verweisen wir auf das Kapitel „Diagnose und Therapie
von Pilzinfektionen bei Kindern und Jugendlichen mit neoplastischen Erkrankungen”.
Seltene Erreger
Stammzelltransplantierte Patienten sind durch ihre Immundefizienz auch für Infektionen
durch seltene Erreger gefährdet. Deswegen sind auch Toxoplasmen, Nocardien, Kryptokokken,
M. tuberculosis, atypische Mykobakterien und Aktinomyceten im Einzelfall als Erreger
einer Infektion in Betracht zu ziehen.
Zusammenfassung