Einleitung
Einleitung
Infektionserkrankungen sind bei Kindern und Jugendlichen mit hämatologisch-onkologischen
Erkrankungen mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität assoziiert, so dass ihrer
Erkennung und adäquaten Therapie in der täglichen Praxis eine große Bedeutung zukommt
[16]
[64].
Die Haut und ihre Anhangsgebilde machen in dieser Patientengruppe einen klinisch relevanten
Teil der von einer Infektion betroffenen Organsysteme aus. So identifizierten Fleischhack
et al. in einer Untersuchung an 116 pädiatrischen Patienten mit malignen Erkrankungen
in fast 6 % der Fälle eine Haut- bzw. Weichteilinfektion als Ursache anhaltenden Fiebers,
während z. B. Harnwegsinfektionen (3 %) oder gastrointestinale Infektionen (0,8 %)
deutlich seltener beobachtet wurden [15].
Diese Häufung kutaner Infektionen ist einerseits durch die jeweilige neoplastische
Grunderkrankung bedingt, die besonders im Falle systemischer Malignome zu einer schwerwiegenden
Beeinträchtigung des zellulären und humoralen Immunsystems führen kann. Andererseits
resultiert die immunsuppressive bzw. zytostatische Therapie in einer häufig lang anhaltenden
Immundefizienz mit Granulozytopenie und Defiziten der zellulären Immunität, die ebenfalls
zu Hautinfektionen prädisponieren [4]. Zusätzlich besitzen die eingesetzten Chemotherapeutika eine Haut- und Schleimhauttoxizität
unterschiedlichen Ausmaßes, die eine Beeinträchtigung der Hautbarriere mit konsekutiv
erhöhter Vulnerabilität gegenüber zahlreichen Krankheitserregern zur Folge hat [48].
Im Gegensatz zu Infektionen anderer Organsysteme bleiben infektiöse Hauterkrankungen
der gründlichen körperlichen Untersuchung nicht verborgen. Es ist daher v. a. bei
granulozytopenischen Patienten mit febrilen Körpertemperaturen in jedem Fall eine
eingehende Inspektion der Haut und ihrer Anhangsgebilde sowie der anogenitalen und
oralen Schleimhäute zu fordern. Eine Fotodokumentation ist für klinische Verlaufskontrollen
sinnvoll. Unumstritten ist auch der frühzeitige Einsatz mikrobiologischer Untersuchungstechniken,
während die routinemäßige Durchführung einer Hautbiopsie nicht von allen Autoren empfohlen
wird. Chren et al. untersuchten in diesem Zusammenhang 123 immunsupprimierte Erwachsene
mit Tumorerkrankungen, die aufgrund eines Exanthems einer Hautbiopsie unterzogen wurden.
Es zeigte sich zwar, dass die histologischen Befunde in 44 % der untersuchten Fälle
eine Korrektur der prä-bioptischen Diagnose erlaubten, aber in nur 14 % der untersuchten
Fälle wurde eine systemische Therapie aufgrund der feingeweblichen Untersuchungen
umgestellt [7]. Im Gegensatz hierzu unterstrichen zwei pädiatrische Untersuchungen zum gleichen
Thema, dass mittels Hautbiopsie in 49 bzw. 38 % der Fälle eine therapierelevante Änderung
der prä-interventionellen Diagnose erreicht werden konnte [2]
[68]. Vor dem Hintergrund dieser widersprüchlichen Daten muss die Entscheidung für oder
gegen eine Hautbiopsie weiterhin individuell in enger Kooperation pädiatrischer Onkologen
und Dermatologen getroffen werden. Im Zweifelsfall sollte dieser minimalinvasive Eingriff
jedoch erfolgen, da bei immunsupprimierten Patienten eine exakte morphologische Zuordnung
kutaner Effloreszenzen und ihre Abgrenzung gegenüber nicht-infektiösen Hauterscheinungen
häufig erschwert sind [4].
Ziel dieser Übersicht ist die kurze Darstellung klinisch relevanter kutaner Infektionen
mit Viren, Bakterien und Pilzen bei Kindern und Jugendlichen mit hämatologisch-onkologischen
Erkrankungen.
Virale Infektionen
Virale Infektionen
Hautinfektionen mit verschiedenen DNA-Viren stellen gerade in der pädiatrischen Onkologie
eine häufige Quelle kutaner Komplikationen dar. Obwohl in den vergangenen Jahrzehnten
bedeutende Fortschritte sowohl in der Diagnostik als auch der Therapie dieser Erkrankungen
erzielt wurden, sind sie weiterhin als kritische Ereignisse anzusehen und stets einer
umgehenden Abklärung und adäquaten Therapie zuzuführen [19].
Neben Viren der Herpes-Gruppe (Varizella-Zoster-Virus, Herpes-simplex-Virus) kommen
bei immundefizienten Patienten auch das Molluscum-contagiosum-Virus und Humane Papillomaviren
als Ursachen relevanter kutaner Symptome in Betracht.
Humane Papillomaviren (HPV)
Bei den Humanen Papillomaviren handelt es sich um DNA-Viren der Papovaviridae-Familie,
die nach molekularbiologischen Kriterien in über 100 Subtypen eingeteilt und mit spezifischen
Haut- und Schleimhauterkrankungen (Tab. [1]) assoziiert sind [51]. Ihre Übertragung findet durch direkten Kontakt mit Indexpatienten aber auch durch
Autoinokulation und Kontakt mit unbelebten Vektoren statt, die Inkubationszeit variiert
stark und wird in der Literatur mit wenigen Wochen bis zu einigen Monaten angegeben
[14].
Tab. 1 Papillomerkrankungen und assoziierte HPV-Typen
Papillom-Art |
am häufigsten assoziierte HPV-Typen |
Verrucae vulgares |
1, 2, 4, 7 (26, 27, 29, 57) |
Plantarwarzen |
1, 2, 4 (60, 63, 65) |
Mosaikwarzen |
2 |
Verrucae planae juveniles |
3, 10, 28 |
anogenitale Warzen (Condylomata acuminata) |
6, 11, 16, 30, 31, 37, 47 |
orale fokale epitheliale Hyperplasie (M. Heck) |
13, 32 |
Epidermodysplasia verruciformis (M. Lewandowsky-Lutz) |
3, 5, 8-10, 12, 14, 15, 17, 19-25, 30 |
Larynx-Papillome |
6, 11, 16, 18, 30 |
modifiziert nach [14]
[51] |
Angaben zur Prävalenz kutaner Warzen im Kindesalter variieren in Abhängigkeit von
der untersuchten Population erheblich (ca. 4 % bis zu ca. 50 %), wobei sich ein erster
Inzidenz-Gipfel in der Altersgruppe der 12- bis 16-Jährigen zeigt, während Kinder
vor dem 5. Lebensjahr seltener betroffen sind. Exakte Daten zur Häufigkeit des Auftretens
HPV-assoziierter Erkrankungen bei Kindern mit onkologischen Erkrankungen sind bisher
nicht publiziert worden. Bei immundefizienten Individuen anderer Patientengruppen
(Nierentransplantation, Stammzelltransplantation bei SCID) treten HPV-bedingte Hautsymptome
jedoch gehäuft auf und verlaufen schwerwiegender als bei immunologisch Gesunden [37], so dass auch bei Patienten der pädiatrischen Onkologie ein erhöhtes Risiko für
komplizierte HPV-Infektionen angenommen werden kann.
Nach Schädigung der Hautbarriere durch Mikrotraumen oder iatrogene Faktoren (z. B.
Chemotherapie) gelangen Papillomaviren in das Stratum basale der Epidermis und replizieren
ihr Genom („multicopy nuclear episome”) in den Zellkernen basaler Keratinozyten, die
unter dem Einfluss viraler Onkoproteine eine erhöhte Replikationsrate aufweisen. Bemerkenswert
ist, dass einige HPV-Subtypen (HPV 16, 18), die mit Infektionen der anogenitalen Mukosa
assoziiert sind, ein onkogenes Potenzial besitzen, das u. a. auf der Inaktivierung
von Tumorsuppressorgenen der Wirtszelle (p53, pRb) durch Virus-Onkoproteine (E6, E7)
beruht [32]. Die kausale Bedeutung kutaner HPV-Subtypen in der Karzinogenese ist hingegen bisher
nicht ausreichend belegt, obwohl Hinweise auf eine mögliche Beteiligung an der Entstehung
von Hauttumoren existieren [23]
[33].
Benigne kutane Neoplasien stellen die klassische Erscheinungsform der HPV-Infektion
dar. In Abhängigkeit von der Lokalisation, den jeweiligen HPV-Subtypen sowie dem Immunstatus
des Patienten werden charakteristische Hautmanifestationen beobachtet.
Die ausgesprochen häufig auftretenden Verrucae vulgares kommen bei Gesunden als einzelne
oder gruppierte, hautfarbene Papeln mit irregulärer und schuppender Oberfläche vor
(Abb. [1]). Sie zeigen innerhalb von 2 Jahren in 65-78 % [57] der betroffenen, immunkompetenten Kinder eine Spontanheilung, so dass in vielen
Fällen zunächst eine abwartende Haltung unter klinischer Überwachung gerechtfertigt
ist („active nonintervention”). Bei Patienten mit lang anhaltender Immundefizienz,
wie z. B. Kindern mit Akuter Lymphatischer Leukämie (ALL) in der Erhaltungstherapie,
treten Verrucae vulgares gehäuft auf und es kann sich ein großflächiger Hautbefall
mit Plaque-artigen Wucherungen entwickeln, die in der Regel keine spontane Regression
erwarten lassen [21]. Bei pädiatrischen Patienten mit hämatologisch-onkologischen Erkrankungen sollte
daher nicht zuletzt aus prophylaktischen Gründen eine Therapie auch isolierter Verrucae
vulgares erwogen werden.
Abb. 1 Verruca vulgaris.
Therapie: Zunächst erfolgt über 2 Tage eine Keratolyse mit topischer Applikation von
Salicylsäure (z. B. Guttaplast®-Pflaster), die streng auf den Bereich kutaner Warzen
beschränkt ist. Die mazerierte Hornschicht wird anschließend mechanisch entfernt.
Anschließend sollte über 16 Wochen eine Lokalbehandlung mit Salizylsäure in Kombination
mit dem Pyrimidinantagonisten 5-Fluorouracil (z. B. Verrumal®) (2 ×/d) durchgeführt
werden. Ein Therapieerfolg ist frühestens nach 6 Wochen zu erwarten [21]
[30]
[57]. In den Händen Erfahrener hat auch die Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff in
Einzelfällen noch eine Bedeutung. Ein weiteres, alternatives Therapieprinzip besteht
in der Anwendung des Immunmodulators Imiquimod (Aldara®-5 %-Creme), der nach topischer
Applikation (3-5-mal pro Woche über insgesamt 2 bis 3 Monate) in Keratinozyten die
Synthese antiviraler Zytokine (Interferon α, Interleukin-6, Interleukin-8 u. a.) induziert.
Allerdings ist diese vergleichsweise kostenintensive Therapieform aktuell nur zur
Behandlung adulter Patienten mit anogenitalen Warzen zugelassen, so dass sie erst
nach entsprechender Aufklärung des Patienten bzw. seiner Eltern durchgeführt werden
sollte. Ein „off-label”-Einsatz von Imiquimod zur Therapie kutaner Warzen ist jedoch
auch im Kindes- und Jugendalter möglich, wenn mit den o. g. etablierten Behandlungsmethoden
kein ausreichender therapeutischer Effekt erzielt werden kann. Entsprechende klinische
Untersuchungen an pädiatrischen Patienten liegen in Form von Fallserien (n ≤ 20 Patienten)
sowie Kasuistiken vor [1]
[5]
[66] Doppelblind-randomisierte Studien zur Anwendung von Imiquimod bei pädiatrischen
Patienten wurden bislang jedoch nicht publiziert [22].
Verrucae planae juveniles imponieren klinisch als flache, rundlich-ovale, hautfarbene
oder gelblich-gerötete Papeln und kommen häufig im Gesichtsbereich, aber auch an den
Handgelenken und Unterarmen vor (Abb. [2]). Sie zeigen ebenfalls eine häufige Spontanregredienz, bei Persistenz ist der Einsatz
von Isotretionin (z. B. Isotrex®-Creme 0,05 %) indiziert.
Abb. 2 Verrucae planae juveniles.
Condylomata acuminata (Feigwarzen) treten im Bereich der anogenitalen Schleimhäute
auf und können bei immunsupprimierten Patienten groteske Ausmaße erreichen, während
bei gesunden Individuen wiederum eine hohe Rate an Spontanheilungen beobachtet wird
[1]. Seit kurzem wird zur Behandlung der Feigwarzen vorwiegend adulter Patienten in
erster Linie Imiquimod (s. o.) eingesetzt. Die früher übliche Therapie mit Podophyllotoxin
(z. B. Wartec-Creme 0,15 %), einem topischen Inhibitor der Mitose infizierter Zellen,
gilt heute aufgrund potenziell gravierender Nebenwirkungen (lokale Reizung, systemische
Toxizität, potenziell karzinogene Metaboliten) als obsolet.
Herpes-simplex-Virus (HSV)
Die Gruppe humanpathogener Herpes-simplex-Viren umfasst die Subtypen HSV 1 und HSV
2, die mit einem breiten Spektrum kutaner und extrakutaner Erkrankungen im Kindes-
und Jugendalter assoziiert sind [66]. Obwohl beide Subtypen prinzipiell in nahezu jeder Lokalisation Beschwerden hervorrufen
können, führen Infektionen mit dem überwiegend sexuell übertragenen HSV 2 postpubertär
deutlich häufiger zu urogenitalen Symptomen, während sich HSV-1-Infektionen in der
Regel oberhalb der Gürtellinie manifestieren und somit im Kindesalter überwiegen [5].
Die Erstinfektion mit HSV 1 findet zu einem hohen Prozentsatz im frühen Kindesalter
statt und verläuft zumeist klinisch inapparent. Dennoch zeigen ansonsten gesunde Kleinkinder
nicht selten das charakteristische Bild einer Gingivostomatitis herpetica mit Fieber,
Nahrungsverweigerung, Hypersalivation und aphthoiden Läsionen [53]. Bei pädiatrisch-onkologischen Patienten stellt diese Form der HSV-1-Primärinfektion
eine wichtige Differenzialdiagnose der chemotherapie-assoziierten, zytotoxischen Mukositis
dar, die nach Behandlung mit stark mukosa-toxischen Chemotherapeutika wie z. B. Methotrexat
oder Doxorubicin beobachtet wird. Beide Krankheitsbilder können in dieser Patientengruppe
mit tiefen Schleimhautulzerationen und stärksten Schmerzen einhergehen (Abb. [3]), so dass eine Unterscheidung nur mittels entsprechender mikrobiologischer Untersuchungen
(Virusisolierung, Polymerase-Kettenreaktion) gelingen kann. Bei Nachweis einer HSV-Infektion
muss neben einer adäquaten Lokaltherapie und Analgesie unverzüglich die intravenöse
Behandlung mit dem Nukleosidanalogon Aciclovir eingeleitet werden (3 × 10 mg/kg Körpergewicht
täglich) [25].
Abb. 3 Gingivostomatitis herpetica.
Die Reaktivierung latenter Herpes-simplex-Viren stellt die häufigste durch Viren bedingte
Komplikation bei Patienten mit profunder Immunsuppression dar und führt neben systemischen
Symptomen sowie chronisch-erosiven Hautläsionen zusätzlich zu einer Aggravation der
Zytostatika-bedingten Mukositis [69]. So konnten Walter et al. in einer Untersuchung an Erwachsenen nach Stammzelltransplantation
(SZT) zeigen, dass schwerwiegende Mukositiden in nahezu 50 % der Fälle mit einer Ausscheidung
von HSV im Speichel der Patienten („virus shedding”) assoziiert waren und sich unter
virostatischer Therapie mit Aciclovir signifikant besserten [67]. Auch in einer pädiatrische Studie, die 19 Patienten unter Chemo- bzw. Radiotherapie
einschloss, wurde in 1/3 der untersuchten Mundschleimhaut-Abstriche HSV nachgewiesen [59]. Allerdings liegen kontrollierte Studien zu diesem zentralen Thema der pädiatrischen
Onkologie überraschenderweise nicht vor [19].
Varizella-zoster-Virus (VZV)
Varizella-zoster-Viren sind ubiquitäre und hoch kontagiöse humane Herpesviren, die
bis zum 14. Lebensjahr ca. 90-95 % aller Kinder infiziert haben. Bei immunkompetenten
Individuen manifestiert sich die VZV-Erstinfektion nach einer Inkubationszeit von
ca. 14 Tagen mit einem vesikulären, pruriginösen Exanthem unter Beteiligung des Capillitiums
und der oralen Mukosa. Die Varizellen werden häufig hinsichtlich ihrer Komplikationsträchtigkeit
(bakterielle Superinfektionen, neurologische Komplikationen, Pneumonien) unterschätzt.
Bei Kindern mit hämatologisch-onkologischen Erkrankungen besteht insbesondere nach
Stammzelltransplantation eine stark erhöhte Varizellen-assoziierte Morbidität, die
mit potenziell lebensbedrohenden Komplikationen (u. a. Varizellen-Pneumonie, Enzephalitis)
einhergeht. Immundefiziente Patienten zeigen hierbei protrahierte kutane Krankheitsverläufe,
die sich durch rezidivierende Schübe neuer Effloreszenzen und anhaltend hohes Fieber
auszeichnen. Zusätzlich ist das primäre Auftreten großflächiger hämorrhagischer Läsionen
sowie ausgedehnter Schleimhauterosionen möglich (Abb. [4]), so dass analog zu den HSV-Infektionen stets die intravenöse antivirale Therapie
mit Aciclovir indiziert ist [13]
[40]. Differenzialdiagnostisch muss bei Fieberpersistenz und Auftreten indurierter, druckdolenter
Hautläsionen ebenfalls an eine bakterielle Superinfektion gedacht werden, die bei
kutanen Varizellen typischerweise durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe
A sowie durch Staphylococcus aureus hervorgerufen wird und mit dem Risiko einer nekrotisierenden
Fasziitis (s. u.) verbunden ist [71].
Abb. 4 Schleimhautläsionen bei Varizellen.
Die VZV-Reaktivierung in Form des Herpes zoster geht klinisch mit meist einseitigen,
gruppierten und stark pruriginösen Vesikeln auf erythematösem Grund einher, welche
bandförmig dem Verlauf eines Dermatoms (z. B. Zoster ophthalmicus, Zoster oticus)
folgen und im Kindesalter in seltenen Fällen mit Neuralgien assoziiert sein können.
Im Gegensatz zu immunologisch gesunden Patienten kommt es bei immunsupprimierten Individuen
gehäuft zu einer sekundären Generalisierung varizelliformer Effloreszenzen, die bei
fehlenden anamnestischen Hinweisen klinisch nicht von primären Varizellen zu unterscheiden
sind. Die virustatische Behandlung erfolgt wiederum systemisch mit Aciclovir in hoher
Dosierung und sollte möglichst frühzeitig nach dem Auftreten erster Effloreszenzen
begonnen werden [52].
Eine ausführliche Darstellung zur differenzierten Diagnostik und systemischen Therapie
von Herpesvirus-Erkrankungen bei pädiatrisch-onkologischen Patienten findet sich in
einem weiteren Beitrag dieses Sonderheftes.
Mollusca-contagiosa-Virus (MCV)
Mollusca contagiosa (Synonym: Dellwarzen) werden durch das Mollusca-contagiosa-Virus
hervorgerufen, das als epidermotropes DNA-Virus der Pockenvirus-Gruppe in vier Subtypen
(MCV I bis IV) vorkommt. Dellwarzen treten bevorzugt im Kindesalter auf und imponieren
bei immunologisch unbeeinträchtigten Patienten dieser Altersgruppe als meist isoliert
stehende, aber auch gruppiert vorkommende, zentral genabelte Papeln mit einem Durchmesser
von bis zu 10 mm [33]. Aus Untersuchungen an HIV-Erkrankten ist bekannt, dass Patienten mit zellulärer
Immunschwäche atypische Hautmanifestationen in Form eines disseminierten Befalles
sowie chronisch-rezidivierender Mollusca contagiosa zeigen können [34]. Ähnliche Untersuchungen unter Einschluss pädiatrisch-onkologischer Patienten wurden
bisher nicht publiziert, auch wenn Einzelfallberichte auf potenzielle Komplikationen
der MCV-Infektion bei hämatologisch-onkologischen Patienten hinweisen [8]
[49].
Neben der mechanischen Dellwarzen-Entfernung mittels Kurettage in Lokalanästhesie
stehen verschiedene konservative Lokaltherapien zur Verfügung, denen eine irritative
Wirkung mit konsekutiver Stimulation des wirtseigenen Immunsystems gemeinsam ist [30]. Außer etablierten Externa wie z. B. Tretionin (Isotrex-Gel 0,05 %) oder 10 %iger
KOH-Lösung stellt Imiquimod auch hier einen neuartigen Therapieansatz dar [3]. Zusätzlich wird von immunsupprimierten Kindern mit nicht-onkologischen Grunderkrankungen
(HIV-Infektion, Wiskott-Aldrich-Syndrom) berichtet, bei denen das azyklische Zytosinanalogon
Cidofovir erfolgreich in der topischen Behandlung der Mollusca contagiosa eingesetzt
wurde [10]
[60].
Bakterielle Infektionen
Bakterielle Infektionen
Die grampositiven Keime Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes rufen als
hauptsächliche Erreger bakterieller Hautinfektionen im Kindes- und Jugendalter charakteristische
mukokutane Krankheitsbilder hervor [24]. Exakte Angaben zu ihrer Inzidenz bei pädiatrisch-onkologischen Patienten fehlen,
obwohl systemische Infektionen mit diesen Krankheitserregern (Bakteriämie, Sepsis)
bei Kindern mit Immundefizienz Gegenstand kontrollierter Untersuchungen sind [39]. Gerade bei Granulozytopenie bilden bakterielle Hautinfektionen jedoch den Ausgangspunkt
septischer Krankheitsverläufe oder weisen im Sinne „infektiöser Metastasen” auf das
Vorliegen einer Sepsis hin, so dass ihre frühzeitigen Erkennung und antibiotische
Therapie eine entscheidende Rolle spielen. In den folgenden Abschnitten soll daher
kurz eine Auswahl häufiger kutaner und subkutaner Infektionen mit Staph. aureus und
Strep. pyogenes, assoziierter toxin-vermittelter Erkrankungen sowie wichtiger Differenzialdiagnosen
besprochen werden.
Die Impetigo contagiosa wird als die häufigste infektiöse Hauterkrankung des Kindesalters
betrachtet und in ca. 80 % der Fälle allein durch Staph. aureus, in ca. 5 % durch
Strep. pyogenes sowie in ca. 15 % durch Mischinfektionen beider Erreger verursacht
[62]. Die überwiegende klinische Variante der nicht-bullösen Impetigo (70 %) zeigt sich
initial in Form kleiner gruppierter Vesikel oder Pusteln, die sich im weiteren Verlauf
zu charakteristischen honiggelben Krusten auf erythematösem Grund entwickeln (Abb.
[5]). Systemische Entzündungszeichen fehlen zumeist, allerdings zeigen bis zu 90 % betroffener
Kinder eine regionale Lymphadenopathie [28]. Die bullöse Impetigo contagiosa wird ausschließlich durch Staphylokokken-Stämme
verursacht, die das epidermolytische Exfoliatin, eine Serin-Protease, synthetisieren.
Dieses bakterielle Enzym führt zu epidermalen Spaltbildungen, indem es interzelluläre
Adhäsionsmoleküle (Desmoglein I) beeinträchtigt. Klinisch kommt es zum Auftreten einzelner
schlaffer Bullae mit mildem Begleiterythem, die leicht rupturieren und ohne Narbenbildung
abheilen. Als Maximalvariante dieser durch Exfoliatin induzierten Epidermolyse können
v. a. Säuglinge und Kleinkinder das sog. Staphylococcal Scalded Skin Syndrome (Synonyme:
SSSS, Dermatitis exfoliativa) entwickeln, das mit ausgeprägten Desquamationen auf
erythrodermer Haut einhergeht und klinisch großflächigen Verbrühungen ähnelt (engl.:
scald = Verbrühung) [50].
Abb. 5 Impetigo contagiosa: typische honiggelbe Krusten.
Die antimikrobielle Therapie der Impetigo contagiosa sollte bei Patienten mit Immundefizienz
vorzugsweise systemisch mit einem Staphylokokken- und Streptokokken-wirksamen Präparat
(z. B. Cefuroxim, Cefotiam) durchgeführt werden. Zur topischen Behandlung kleinerer
impetiginisierter Areale können zusätzlich Antiseptika (z. B. Methylrosanilin 0,1-0,3
%, Chlorhexidin 0,5-2 %) eingesetzt werden, während die Dermatitis exfoliativa in
Analogie zu großflächigen Verbrühungen einer intensivmedizinischen Überwachung und
Therapie bedarf [25].
Differenzialdiagnostisch muss das nicht-infektiöse Stevens-Johnson-Syndrom (SJS, Synonym:
nicht-staphylogenes Lyell-Syndrom) abgegrenzt werden, das in seiner schwersten Ausprägung
mit einer Beteiligung > 30 % Körperoberfläche auch als Toxische Epidermale Nekrolyse
(TEN) bezeichnet wird (Abb. [6]). SJS und TEN können in Form einer gravierenden mukokutanen Intoleranzreaktion nach
Applikation unterschiedlicher Medikamente auftreten. Als potenzielle pharmakologische
Auslöser wurden auch Chemotherapeutika beschrieben, die in der pädiatrischen Onkologie
regelmäßig eingesetzt werden. Allopurinol ist ebenfalls mit einem erhöhten Risiko
für das Auftreten eines SJS bzw. einer TEN assoziiert [29]
[47]
[70].
Abb. 6 Toxische epidermale Nekrolyse.
Das auch im Kindesalter hauptsächlich bei abwehrgeschwächten Patienten sowie unter
schlechten hygienischen Bedingungen auftretende Ecthyma simplex wird im Gegensatz
zur Impetigo contagiosa vorwiegend durch Strep. pyogenes hervorgerufen und imponiert
klinisch als umschriebene rundliche Ulzeration mit erythematösem Randsaum. Die Behandlung
erfolgt systemisch antibiotisch und schließt eine adäquate dermatochirurgische Wundversorgung
ein, die allerdings eine narbige Abheilung der erosiven Läsionen häufig nicht verhindern
kann [27]
[28].
Aus therapeutischer Sicht ist die differenzialdiagnostische Unterscheidung dieser
streptogenen Dermatose von einer für immunsupprimierte Patienten charakteristischen
Hauterkrankung, dem Ecthyma gangraenosum, entscheidend. Das Ecthyma gangraenosum tritt
als kutane Manifestation einer Pseudomonas-aeruginosa-Sepsis bei schwer kranken, granulozytopenischen
Kindern auf und imponiert initial als bläulich-livider Knoten mit hämorrhagischem
Zentrum, der im Verlauf zentrale, scharf begrenzte Ulzerationen zeigt und von einem
erhabenen Randwall umgeben ist. Nach Gewinnung einer Blutkultur und mikrobiologischer
Abstriche muss umgehend eine Pseudomonas-wirksame Antibiotikatherapie der septikämischen
Grunderkrankung eingeleitet werden (z. B. Ceftazidim plus Tobramycin); der Allgemeinzustand
der Patienten macht häufig eine intensivmedizinische Betreuung erforderlich [56].
Neben den o. g. oberflächlichen Hautinfektionen müssen tiefe Weichteilinfektionen
durch Staph. aureus und Strep. pneumoniae insbesondere bei Auftreten von Fieber und
anderen Allgemeinsymptomen in Betracht gezogen werden.
Das Erysipel wird in über 80 % der Fälle durch eine Strep.-pyogenes-Infektion der
oberen Dermis hervorgerufen. Nach einem fieberhaften Prodromalstadium bildet sich
bei betroffenen Kindern innerhalb von 24 bis 48 Stunden ein scharf begrenztes, induriertes
und druckdolentes Erythem (Abb. [7]), das mit einer Vergrößerung regionärer Lymphknoten und allgemeiner Abgeschlagenheit
einhergeht. Im Verlauf kann das Erythem zentrale Einblutungen in Form von Petechien,
hämorrhagischen Bullae oder Ekkchymosen aufweisen, postinflammatorisch bleibt nicht
selten eine Hyperpigmentierung vormals erythematöser Areale zurück. Penicillin G oder
ein beta-Lactamase resistentes Alternativpräparat (z. B. Amoxicillin plus Clavulansäure;
Sultamicillin) werden zur parenteralen Behandlung des Erysipels empfohlen [28].
Abb. 7 Erysipel.
Bei der Phlegmone kommt es zu einer Infektion der basalen Dermis oder subkutaner Strukturen,
so dass das resultierende Erythem in der klinischen Untersuchung unscharf begrenzt
erscheint und mit einem Ödem sowie Überwärmung und Druckschmerz assoziiert ist. Die
Komplikationsrate dieser tieferreichenden Entzündungsreaktion ist im Vergleich zu
der des Erysipels erhöht und es werden nicht selten sekundäre subkutane Abszesse,
Bakteriämien oder hämatogene Osteomyelitiden beobachtet. Die intravenöse Antibiotikatherapie
muss das Spektrum der häufigsten auslösenden Erreger (Strep. pyogenes, Staph. aureus,
Haemophilus influenzae) erfassen, aktuell wird daher der Einsatz von Amoxicillin in
Kombination mit Clavulansäure (bzw. Sultamicillin) oder alternativ Clindamycin empfohlen
[27].
Die nekrotisierende Fasziitis ist als Maximalvariante einer destruierenden Weichteilinfektion
gefürchtet, da sie rasch progredient verläuft und mit einer Letalität von bis zu 60
% assoziiert ist. Sie wird häufig durch Mischinfektionen hervorgerufen (im Durchschnitt
werden 4 Erreger isoliert) und vorwiegend bei immundefizienten Individuen sowie Patienten
mit beeinträchtigter Hautbarrierefunktion (z. B. bei Varizellen, Diabetes mellitus,
Verbrennungen) beobachtet. Auch hämatologisch-onkologisch betreute Kinder sind von
dieser Erkrankung betroffen [12]
[35], jedoch liegen Ergebnisse prospektiver und multizentrischer Untersuchungen zu Inzidenz,
Krankheitsverlauf und Prognose in dieser spezifischen Patientengruppe nicht vor. Klinisch
ähneln die kutanen Initialsymptome einer Weichteilphlegmone, obwohl bereits zu Beginn
die charakteristische Diskrepanz zwischen relativ geringgradig ausgeprägten Hauterscheinungen
einerseits und stärkstem Berührungsschmerz andererseits auffällt. Innerhalb von 12
bis 24 Stunden entwickeln sich dann hämorrhagische, bullöse und bläulich-livide bis
schwarze Hautnekrosen, die mit einer gangränösen Fasziitis und Myositis einhergehen
(Abb. [8]). Betroffene Patienten befinden sich stets in einem stark reduzierten Allgemeinzustand
mit hohem Fieber, körperlicher Erschöpfung und arterieller Hypotension, der rasch
in ein Multiorganversagen übergehen kann. Bei geringstem Verdacht auf das Vorliegen
einer nekrotisierenden Fasziitis muss daher unverzüglich eine spezifische Diagnostik
eingeleitet werden: Zur Bildgebung ist eine MRT indiziert. Wenn sich dadurch der Verdacht
auf eine Nekrotisierende Fasziitis erhärtet, ist eine umgehende Faszienspaltung indiziert;
während des Eingriffes sollten unbedingt bakteriologische Abstriche (einschließlich
Anaerobier-Diagnostik) entnommen und zusätzlich vor Beginn der antibiotischen Behandlung
Blutkulturen gewonnen werden [27]
[55].
Abb. 8 Nekrotisierende Fasziitis.
Das hohe Risiko fataler Komplikationen erfordert in allen Altersstufen eine effiziente,
interdisziplinäre Behandlung. Schnellstmöglich muss mit der antibiotischen Therapie
begonnen werden, die gemäß aktueller Empfehlungen [27] aus einem Benzyl-Penicillin in Kombination mit Clindamycin bestehen sollte. Zusätzlich
können intravenös polyklonale Immunglobulin-Präparate eingesetzt werden, deren immunmodulatorische
Wirkung auf einer weitgehenden Neutralisierung bakterieller Superantigene mit konsekutiv
erniedrigten Plasmaspiegeln von Interleukin-6 und Tumornekrosefaktor α beruhen soll;
kontrollierte Studien liegen zu dieser Fragestellung nicht vor. Bei stark verschmutzten
fistulierenden Wunden kommt auch der Einsatz der hyperbaren Oxygenierung infrage [27]
[46].
Nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM, Synonyme: atypische Mykobakterien, mycobacteria
other than tuberculosis [MOTT]) werden im Gegensatz zu M. tuberculosis nicht durch
Mensch-zu-Mensch-Kontakt übertragen, sondern sind ubiquitär in Erde, Wasser, gelegentlich
in unpasteurisierter Milch und anderen avitalen Vektoren nachzuweisen. Kutane Infektionen
mit NTM treten bei Kindern und Jugendlichen gehäuft im Rahmen von primären und sekundären
Immundefekten auf und haben analog zur Inzidenz dieser Immundefekte in den vergangenen
drei Jahrzehnten deutlich an Häufigkeit zugenommen [9]. Auch bei pädiatrischen Patienten unter antineoplastischer Chemotherapie und Erwachsenen
nach Stammzelltransplantation wurde ein z. T. stark erhöhtes Risiko für systemische
NTM-Infektionen berichtet, aber präzise epidemiologische Daten unter Berücksichtigung
hämatologisch-onkologischer Erkrankungen in der Pädiatrie finden sich nicht [11]
[41]
[58].
Im Kindesalter ist M. marinum der häufigste Erreger kutaner NTM-Infektionen, die klinisch
in Form solitärer, livider Knoten mit zentralen Ulzera auftreten und ohne spezifische
Therapie nach Jahren narbig abheilen (Abb. [9]). Diese Läsionen werden auch als „Swimmingpool-Granulome” bezeichnet, da M. marinum
vorwiegend in warmen Gewässern und Schwimmbädern akquiriert wird; sie kommen allerdings
auch bei Aquariumhaltern (im Bereich der Immersionsflächen der Arme) vor. Im Gegensatz
hierzu führen M. avium und M. intracellulare als Vertreter des sog. Mykobakterium-avium-Complex
(MAC) in erster Linie bei AIDS-Erkrankten zu makulopapulösen und ulzerierenden Hauteffloreszenzen,
die in der Regel gemeinsam mit Symptomen einer bronchopulmonalen Infektion auftreten
[43].
Abb. 9 Schwimmbadgranulom.
Evidenzbasierte Therapierichtlinien zur antimikrobiellen Therapie kutaner NTM-Infektionen
bei granulozytopenischen Patienten oder Patienten nach Stammzelltransplantation existieren
nicht, so dass die medikamentöse Behandlung im Individualfall gemäß isoliertem Erreger,
Antibiogramm und zugrunde liegender Systemerkrankung ausgewählt werden muss. Generell
wird eine Kombinationstherapie mit Antibiotika unterschiedlicher Wirkstoffgruppen
empfohlen, zu denen Makrolide (z. B. Klarithromycin, Azithromycin), Gyrasehemmer (z.
B. Ciprofloxacin), Rifampicin (oder Ribabutin/Clofazimin) und Ethambutol gehören.
Die Dauer der antibiotischen Therapie richtet sich nach dem Therapieerfolg und dem
Ergebnis mikrobiologischer Kontrolluntersuchungen, sie sollte jedoch initial über
4 bis 6 Monate fortgeführt werden [43].
Pilzinfektionen
Pilzinfektionen
Die humanpathogenen Pilzen werden in drei Hauptgruppen - Dermatophyten, Hefepilze
und Schimmelpilze - unterteilt. Sie kommen ubiquitär vor und können eine Vielzahl
charakteristischer Krankheitsbilder hervorrufen, die mit kutanen sowie extrakutanen
Symptomen einhergehen können [31]
[54]. Kinder und Jugendliche mit neoplastischer Grunderkrankung und Immundefizienz sind
in besonderem Maße durch kutane Pilzinfektionen gefährdet, so dass deren Prävention
in der täglichen Praxis eine vitale Bedeutung zukommt. Dementsprechend sind aktuelle
Leitlinien zur antimykotischen Chemoprophylaxe im Kindesalter publiziert worden, die
das typische Erregerspektrum, altersspezifische pharmakologische Besonderheiten sowie
den kompromittierten Immunstatus betroffener Patienten berücksichtigen [20]. Im Folgenden sollen klinisch relevante, nicht-invasive Dermatomykosen mit Aspergillus
spp. und Candida spp. dargestellt werden, die bei Patienten der pädiatrischen Hämato-Onkologie
gehäuft zu beobachten sind.
Schimmelpilze der Gattung Aspergillus sind in der Natur weit verbreitet. Sie infizieren
als ausschließlich opportunistische Krankheitserreger bevorzugt granulozytopenische
Patienten oder Patienten mit gestörter Granulozytenfunktion (z. B. Septische Granulomatose).
Primär kutane Aspergillosen entstehen zu über 85 % durch Inokulation an vorgeschädigter
Haut (z. B. Kathetertunnel) oder unter Okklusionsverbänden (z. B. Pflastermaterial
zur Katheterfixierung), während sekundäre Aspergillosen im Rahmen einer Fungämie als
kutane Streuherde auftreten können. Das Spektrum der am häufigsten isolierten Subspezies
umfasst in erster Linie Aspergillus (A.) flavus, A. niger und A. fumigatus, obwohl
über 20 Aspergillus-Arten als Auslöser menschlicher Erkrankungen bekannt sind [17].
Klinisch zeigen initiale Hautläsionen ein ausgesprochen polymorphes Bild, das aus
erythematösen Maculae, Papulopusteln oder indurierten Knoten bestehen kann (Abb. [10]). Im Verlauf formieren sich Plaque-artige Veränderungen mit zentralen hämorrhagischen
Bullae, die terminal in nekrotische Ulzera übergehen. Diese sind bei granulozytopenischen
Patienten von den o. g. ulzerierenden Hautinfektionen mit Pseudomonas aeruginosa (Ekthyma
gangraenosum), Streptococcus pyogenes (Ekthyma simplex), atypischen Mykobakterien
oder Herpes-simplex-Virus klinisch nur schwer zu unterscheiden. Neben der obligaten
Entnahme mykologischer Abstriche ist bei unklaren Hautveränderungen eine Hautbiopsie
zur Diagnosesicherung und Gewinnung mykologischen (PAS-Färbung, Pilzkultur) und virologischen
(HSV-PCR) Untersuchungsmaterials sinnvoll [42]
[65].
Abb. 10 Kutane Aspergillusinfektion.
Im Falle einer Aspergillus-Infektion muss bei zugrunde liegender Immundefizienz systemisch
mit z. B. Amphotericin B (AmBisome®), therapiert werden. Als Therapiealternative kann
das gegen Aspergillus spp. gut wirksame Itraconazol (Sempera®) eingesetzt werden,
das allerdings aktuell nicht zur Behandlung von Kindern zugelassen ist [65]. Voriconazol (VFEND®), ein Azol-Antimykotikum der 2. Generation, und Caspofungin
(CANCIDAS®), ein Wirkstoff der Echinocandin-Gruppe, haben sich in ersten Studien ebenfalls
als effiziente Antimykotika erwiesen [38]
[67].
Hefepilze der Gattung Candida (C.) besiedeln als transiente Kommensalen in geringer
Zahl den Gastrointestinaltrakt sowie die Haut und die Schleimhäute gesunder Individuen.
Gleichzeitig gehören sie zu den häufigsten Erregern nosokomialer Infektionen und sind
bei immunsupprimierten Patienten als Auslöser fungämischer Krankheitsverläufe mit
hoher Mortalität gefürchtet [17]. In über 50 % dieser systemischen Candidosen wird C. albicans nachgewiesen, obwohl
gerade bei onkologischen Patienten auch andere Candida spp. (z. B. C. glabatra, C.
tropicalis, C. parapsilosis, C. krusei) als humanpathogene Organismen auftreten und
aufgrund ihrer möglichen Resistenz gegenüber konventionellen Antimykotika (insbesondere
Fluconazol) klinische Relevanz erlangt haben [61]. Das klinische Spektrum der Candidosen ist vielfältig und reicht von der akuten
Candida-Sepsis über invasive Infektionen einzelner Organe bis hin zur isolierten oropharyngealen
Mukositis, die im Rahmen dieser Übersicht kurz dargestellt werden soll.
Bei bis zu 70 % der Kinder, die von Leukämien oder malignen Lymphomen betroffen sind,
findet sich eine oropharyngeale Kolonisation mit C. albicans [18]. Unter lang anhaltender Antibiotika-Prophylaxe mit Störung der physiologischen Bakterienflora,
immunsuppressiver Therapie mit Kortikosteroiden oder stomatotoxischer Chemotherapie
kann es bei diesen Patienten zu einer vorwiegend endogenen Infektion durch C. albicans
kommen. Sie manifestiert sich klinisch als akute Mukositis, die mit „pseudomembranösen”
weißlichen Belägen im gesamten Oropharynx, schmerzhaften mukokutanen Ulzera, Schleimhautblutungen
und Nahrungsverweigerung einhergeht. Diese oropharyngeale Candidiasis stellt eine
weitere wichtige Differenzialdiagnose akuter Mukositiden bei granulozytopenischen
Kindern dar und muss mittels adäquater mykologischer Untersuchungen von anderen Erkrankungen
differenziert werden. Hierzu sollten Abstriche aus unterschiedlichen Regionen der
Mundhöhle gewonnen und nativmikroskopisch sowie kulturell untersucht werden, um im
Falle eines Candida-Nachweises die Differenzierung der jeweiligen Subspezies zu ermöglichen.
Die topische Therapie der Candida-Mukositis kann mit dem Polyen Nystatin (z. B. Moronal®,
MYKUNDEX®) oder alternativ mit Azolderivaten wie Clotrimazol (Canesten®) oder Miconazol
(z. B. Daktar®) begonnen werden. Zusätzlich ist eine Lokalbehandlung erosiver Schleimhautareale
mit Methylrosanilin (= Kristallviolett, 0,1 %) sinnvoll [26]. In der Regel sollten granulozytopenische Patienten jedoch zusätzlich systemisch
behandelt werden, um der Gefahr einer Candidämie vorzubeugen. Hierzu können Amphotericin
B in Kombination mit 5-Flucytosin (ANCOTIL®), liposomales Amphotericin B (AmBisome®)
oder Fluconazol (Diflucan®) eingesetzt werden [63]. Voriconazol und Caspofungin (s. o.) sind auch zur Behandlung systemischer Candidosen
erfolgreich eingesetzt worden [26].
Differenzierte Therapieprotokolle zur Behandlung der hier angesprochenen Pilzinfektionen
finden sich in den entsprechenden Empfehlungen des Arbeitskreises „Infektionen bei
Granulozytopenie”, die an anderer Stelle in diesem Sonderheft veröffentlicht sind.