Goethes Faust («Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch
Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemühn.») hätte sich durchaus professionell
kompetent fühlen können, hätte er sich neben Körper (Juristerei und Medizin) und Geist
(Philosophie) auch um die Seele kümmern wollen.
Bis heute aber trennt ein bemerkenswerter akademischer Graben gerade Medizin («Naturwissenschaft»)
und Spiritualität («Theologie»). Auch wenn viele Menschen, die den Zugang zu den Kirchen
(und damit zu den Theologen) verloren haben, gerade und vor allem bei Angehörigen
medizinischer Fachberufe auch spirituellen Beistand suchen.
Dessen ungeachtet beschränken sich weiterhin die physiotherapeutische Ausbildung auf
das Physische, die psychotherapeutische auf das Psychische und die ärztliche gar darauf,
die spirituelle Ebene als jenseits der eigenen Zuständigkeit zu begreifen (kanalisiert
nicht zuletzt durch die Tatsache, dass es dafür keine Abrechnungsziffer gibt!). Mangels
entsprechender fachlicher Qualifikation bleibt den Gesundheitsprofis oft «nur» Empathie
- offensichtlich nicht genug, wie der boomende Markt esoterischer Produkte und Dienstleistungen
zeigt.
Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass das Thema Spiritualität jetzt
zunehmend häufig in den Fokus medizinischer Diskussionen gelangt. Naheliegend, dass
eine besondere Affinität der palliativen Medizin zur Spiritualität besteht, also dann,
wenn unheilbar kranke Menschen in Krankenhäusern und Hospizen in den letzten Schritten
ihres Lebenswegs begleitet werden.
Wer aber hätte erwartet, dass 71 % aller Menschen, die in einer Akutklinik aufgenommen
wurden, einen «bedeutsamen spirituellen Glauben» angaben, auch wenn dies häufig nicht
in religiöser Form ausgedrückt wurde[1]. Auch für die klinische Perspektive ist die Spiritualität offensichtlich ein wichtiges
Kriterium. So ist die Frage «ob» wohl inzwischen obsolet, es geht um die differenzierte
Betrachtung des «was» und des «wie», wie es vor kurzem ein Editorial im renommierten
British Medical Journal diskutierte (Titel: «Spiritual needs in health care»[2]).
Die Osteopathie, für die spirituelle Aspekte schon seit Still immer integraler Bestandteil
waren, könnte diese Entwicklungen müde lächelnd verfolgen. Sollte sie aber nicht.
Vielmehr sollte die Bestätigung, es «schon immer gewusst» zu haben, eine besondere
Herausforderung darstellen, auch und gerade diese Potenziale stets und immer wieder
aufs Neue bewusst zu mobilisieren und einzubringen in die Therapie.
Die Herausgeber