Egal ob ein scharfes Skalpell, eine spitze Nadel oder ein Knochensplitter die Ursache
ist: Ein kleiner, unbemerkter Stich an deren scharfen oder spitzen Kanten kann schon
ausreichen, den Operationshandschuh zu perforieren und sich durch den Blutkontakt
eine Infektion mit Hepatitis B (HBV), Hepatitis C (HCV) oder sogar HIV ("human immunodeficiency
virus") zuzuziehen. Zwar ist die Gefahr einer Ansteckung im Regelfall relativ klein,
doch sind Statistiken in diesem Fall ein gefährlicher Ratgeber. Denn nicht die Größe
der Verletzung, sondern die potenzielle Viruslast des Trägers bestimmt das Risiko
- und ein Trägerstatus ist oft gar nicht bekannt.
Furcht besteht vor allem vor einer Infektion mit dem HI-Virus. Doch aufgrund der guten
antiretroviralen Behandlung tragen die meisten Infizierten heute nur eine geringe
HI-Viruslast, was die Ansteckungsgefahr minimiert. Weltweit sind 320 Infektionen mit
dem HI-Virus bei Krankenhauspersonal beschrieben, konstatierte PD P. Hollaus, Wien
(Österreich). Völlig anders ist die Situation bei Hepatitis-B-Virusinfektionen. Hier
reicht eine Dosis von nur 100-1000 Viren aus, um nicht-anti-HBV-immunisierte Patienten
zu infizieren. Und die Folge? Allein in Deutschland wurden im Jahr 2003 6550 Fälle
einer berufsbedingten Hepatitis-B-Virusinfektion gemeldet, wusste Hollaus zu berichten.
Daten aus der Thoraxchirurgie
Daten aus der Thoraxchirurgie
Doch wie häufig sind denn nun so genannte Handschuhperforationen? Diese Frage haben
sich auch Hollaus und seine Mitarbeiter gestellt und haben die Perforationsraten der
Handschuhe bei 100 klassischen thoraxchirurgischen Eingriffen ermittelt. Vor allem
waren dies Lobektomien (n = 49), Pneumonektomien (n = 17) oder Segmentresektionen
(n = 12), aber auch drei Thoraxfenster, vier Sternotomien, fünf Pleurektomien und
sechs Dekortikationen waren unter den ausgezählten Operationen. Rippenresektionen
waren bei 64 Patienten vorgenommen worden. Beim Eingriff trugen die Beteiligten ein
Handschuhsystem aus zwei Handschuhen mit einem zusätzlichen Indikatorsystem (Biogel®
IndicatorTM), um mögliche Perforationen schnell und sicher erkennen zu können.
"Bei 78% unserer Eingriffe haben wir Perforationen gesehen - das ist schon viel",
meinte Hollaus. In den meisten Fällen war nur der äußere Handschuh perforiert, und
nur in 19 Fällen war zusätzlich auch der Innenhandschuh eingerissen. Betroffen war
vor allem der Operateur selbst (56 Operationen, 61,2%, 13 Perforationen des Innenhandschuhs).
In der Literatur reichen die angegebenen Perforationsraten bei Ärzten Hollaus Angaben
nach von 13% (Geburtshilfe) bis hin zu 48% in der Unfallchirurgie.
Ebenso gefährdet wie der Operateur sind aber auch alle anderen an dem Eingriff Beteiligten.
So tragen beispielsweise OP-Schwestern laut Literaturangaben ein Perforationsrisiko
von 26-36%. "Unsere eigenen Zahlen waren auch hier mit 43,1% noch einmal deutlich
höher", so Hollaus. Etwas seltener sind Handschuhperforationen bei den OP-Assistenten.
Wann, wo und warum entstehen die Perforationen?
Wann, wo und warum entstehen die Perforationen?
Am gefährlichsten war erwartungsgemäß der Beginn der Operation mit der Thorakotomie
bzw. der Rippenresektion: Etwa die Hälfte aller Handschuhperforationen entstanden
in den ersten 30 Minuten des Eingriffs. Doch auch später ist man natürlich vor einem
Riss im Handschuh nicht gefeit, meinte Hollaus. Vor allem gegen Ende von langen Operationen
lasse die Konzentration von Operateur und OP-Personal nach. Wie und weshalb die Perforation
zustande kam, davon kann sich der Betroffene später kaum ein Bild machen. Fast immer
sind es die Kollegen, die auf die Handschuhperforation hinweisen.
Besonders häufig sind kleine Risse an Daumen und Zeigefinger, sagte Hollaus. Ring-,
Mittel- und kleiner Finger sind ähnlich wie die Handfläche und der Handrücken deutlich
seltener betroffen. Interessanterweise traten die Perforationen in dieser Untersuchung
hauptsächlich an der rechten Hand, also der dominierenden Hand von Rechtshändern,
auf. Grundsätzlich kann man eher davon ausgehen, dass mehr Risse an der nichtdominanten
Hand entstehen. "Doch die Botschaft ist: Die Perforation kann überall sein", konstatierte
Hollaus. "Es nützt nichts, wenn sie nur den Zeigefinger der rechten Hand schützen
- und sich dann in den Handrücken stechen!"
Quelle: Fortbildungsveranstaltung "Nadelstichverletzungen im Krankenhaus" der Universitätsklinik
Innsbruck, unterstützt von Regent Medical Overseas Ltd., Zweigstelle Wien