Die Geschichte der Dermatologischen Klinik in Lemgo beginnt gegen Ende des 2. Weltkrieges.
Dank einer großzügigen Stiftung des Konsuls August Louis Wolff aus Verbundenheit zu
seiner Heimatstadt konnte das Lemgoer Krankenhaus 1900 erbaut werden (Abb. [1]).
Abb. 1 Klinik der Wolff'schen Stiftung um 1900.
Aus den anfänglich 80 wurden bis 1930 220 Betten. Die Kriegsjahre 1939/40 brachten
große Umwälzungen für die Klinik mit sich. Die innere Abteilung wurde geräumt und
als Lazarettabteilung eingerichtet und die nahe liegende Anstalt Lindenhaus in Brake
wurde dem Krankenhaus Wolff'sche Stiftung in Lemgo angeschlossen [1]. Die Anstalt Lindenhaus gehört zu den ersten Pflegeanstalten zur Behandlung psychisch
Kranker in Deutschland. Fürstin Pauline aus dem Hause Lippe-Detmold setzte sich seit
1801 mit aller Kraft für diese Einrichtung ein. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden
hier in einigen Gebäuden auch Infektionskranke, meist Tbc- und Scharlachfälle, und
Hautkranke aufgenommen (Abb. [2]). Dazu kamen Bombengeschädigte und Evakuierte von 1943, die die Einwohnerzahl in
Lippe schnell anwachsen ließen. Unter den Evakuierten waren auch Hautkranke aus der
Hautklinik Münster, die in der Anstalt Lindenhaus versorgt wurden.
Abb. 2 Anstalt Lindenhaus um 1948 mit Belegabteilung für Hautpatienten.
1950 entstand in der Anstalt Lindenhaus eine eigenständige Abteilung für 68 Hautkranke,
die von dem damaligen Chefarzt Dr. Kleßmann des Gesamtkrankenhauses geleitet wurde.
Nach dessen Ausscheiden wurde ab 1964 eine eigenständige Belegabteilung für Dermatologie
mit 32 Betten eingerichtet, die von dem Dermatologen Dr. Herfeld geleitet wurde.
Bevor 1975 Prof. Dr. Hans-Joachim Heitmann die Dermatologische Klinik als eigenständige
Abteilung im Haupthaus des Krankenhauses in Lemgo übernahm wurde die Klinik kurze
Zeit von Prof. Dr. Hans Günter Meiers geführt, der jedoch plötzlich und unerwartet
verstarb. Hans Joachim Heitmann habilitierte am Universitätsklinikum in Essen und
war dort als Oberarzt tätig, bevor er die Leitung der Dermatologischen Klinik in Lemgo
übernahm. Klinischer Schwerpunkt war die klassische konservative Dermatologie und
der wissenschaftliche Schwerpunkt war im Bereich der Venerologie und der Mykologie
angesiedelt. Intensiv beschäftigte sich Heitmann in den 80er-Jahren mit der Wirkung
der Strahlentherapie auf Typ I allergische Reaktionen.
Ab 1987 übernahm Prof. Dr. Roland Müller die Abteilung und strukturierte die Dermatologische
Klinik zur operativen Klinik um. Schwerpunkte waren plastisch-rekonstruktive Eingriffe
bei Tumorerkrankungen und die Venenchirurgie. Die Anzahl der operativen stationären
Eingriffe steigerte sich von 111 im Jahre 1986 auf über 1100 Eingriffe im Jahre 2002
(Abb. [3]).
Abb. 3 Entwicklung der stationär durchgeführten Operationen und Belegung.
Die positive Wachstumstendenz der Klinik ermöglichte die Modernisierung zum 100. Jubiläumsjahr
des Klinikums im Jahre 2000. Moderne Ambulanzräume für die Funktionsbereiche Allergologie,
Phlebologie, Proktologie und Phototherapie wurden neu erbaut und zusätzliche Eingriffsräume
für ambulante Eingriffe ermöglichten eine moderne Dermatologie auf universitärem Standard
auszuüben (Abb. [4]).
Abb. 4 Klinikum Lippe-Lemgo 2005.
Die Dermatologische Klinik wurde akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Münster
und beteiligte sich insbesondere bei der Ausbildung der Studenten im praktischen Jahr
an der Lehre und bot darüber hinaus Übungen an, die grundlegenden dermatochirurgischen
Fähigkeiten zu erlernen.
Die Dermatologische Klinik in Lemgo war lange Sitz der Vereinigung operativer Dermatologen
(VOD), deren Vorsitz Roland Müller innehatte. Im Jahre 2002 wurde die Jahrestagung
der VOD in Lemgo mit großem Erfolg ausgetragen und dort wurden neue Akzente gesetzt,
die operative Dermatologie voranzutreiben. Sein langjähriger Oberarzt Dr. Katsch konnte
die Chefarztstelle der Dermatologischen Klinik in Quedlinburg übernehmen.
Nach dem tragischen unerwarteten Tod von Prof. Dr. Müller 2003 wurde die Klinik für
acht Monate kommissarisch von den beiden Oberärzten Frau Dr. Brand und Herrn Dr. Mailänder
geleitet.
Im Juni 2004 übernahm PD Dr. Edgar Dippel die chefärztliche Leitung der Dermatologischen
Klinik. Edgar Dippel, 1963 in Marburg geboren, kam von der Dermatologischen Klinik
des Universitätsklinikums in Mannheim, wo er unter Prof. Dr. Sergij Goerdt als Oberarzt
arbeitete und zum Thema „das kutane T-Zell-Lymphom” 2001 habilitierte. Seine Facharztausbildung
absolvierte er an der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums Virchow in
Berlin bei Frau Prof. Dr. B. Carnetzki und später an der Dermatologischen Klinik des
Universitätsklinikums Benjamin Franklin bei Prof. Dr. Prof. h. c. C. E. Orfanos. Entsprechend
seinem wissenschaftlichen Schwerpunkt baut Edgar Dippel ein molekularbiologisches
Labor auf und etablierte eine Lymphomsprechstunde an der Mannheimer Hautklinik. Darüber
hinaus übernahm er dort als Oberarzt im Jahre 2002 die Leitung der operativen Dermatologie.
2003 rief er zusammen mit Frau PD Dr. Gellrich aus der Charité in Berlin die ADF Arbeitsgruppe
„Kutane Lymphome” ins Leben [2].
Bei seinem Amtsantritt 2004 in Lemgo verfügte die Dermatologische Klinik am Klinikum
Lippe über 41 stationäre Betten. Schwerpunkte sind die operative und konservative
Dermatoonkologie, kutane Lymphome [3], Phototherapie und die Phlebologie. Nach Aufkündigung des Lehrvertrages mit den
akademischen Lehrkrankenhäusern durch die Universität Münster wurde die Dermatologische
Klinik in Lemgo 2004 Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover.
Entwicklung der operativen und onkologischen Dermatologie
Seit 4 Jahren ist das Klinikum Lippe als gGmbH eigenverantwortlich an den beiden Standorten
Detmold und Lemgo. Ein modernes Management mit medizinischem Controlling und Überlegungen
zur Wirtschaftlichkeit nehmen einen festen Platz neben dem ärztlichen Handeln ein.
Die stetige Weiterentwicklung der operativen Dermatologie seit 1987 hat die Leistungsfähigkeit
der Abteilung schon weit vor Einführung der DRGs wesentlich aufgewertet.
Roland Müller musste zu Beginn seiner Lemgoer Zeit noch mit geringen OP-Zeiten im
zentralen OP auskommen. Erst nach Ende der täglichen Augen-Operationen wurde der Dermatologie
zweimal pro Woche am Nachmittag die Möglichkeit gegeben größere Eingriffe in Intubationsnarkose
durchzuführen. Doch Jahr für Jahr stieg der Zustrom operativer Patienten, so dass
seit 1999 nunmehr im Zentralen OP des Klinikums für Eingriffe in Intubationsnarkose
4 Tage die Woche ein OP-Team ganztägig zur Verfügung steht. Daneben werden zurzeit
noch zwei weitere Eingriffsräume für ambulante OPs genutzt. Die operative Dermatologie
durchlief in den 70er- und 80er-Jahren eine rasante Entwicklung im Bereich der plastisch-rekonstruktiven
Operationstechniken. Das Repertoire der Lappenplastiken wurde ergänzt durch z. B.
Treppenplastiken bei ausgedehnten Lippendefekten, subkutane gestielte Gleitlappen
und fasziokutane Lappen. Ab 1990 wurde die klassische rekonstruktive Dermatochirurgie
mit den Methoden der Hauttransplantationen und die konventionellen Lappenplastiken
mithilfe von Hautexpandern ergänzt. Neue Nahttechniken wie die vollständig versenkbaren
Nähte oder die subkutan-koriale Naht verbesserten die Voraussetzungen zu ästhetisch
optimierten Wundnarben [4]. Hinzu kam der vermehrte Einsatz der Dermabrasion bei großen kongenitalen Nävuszellnävi,
Tätowierungen, Hyperpigmentierungen, Hyperkeratosen, beim Rhinophym sowie ausgedehnte
radikale Operationen bei Acne inversa.
Aber nicht nur Operationstechniken, sondern auch die histologische Aufarbeitung der
Tumorpräparate hat die Qualitätsstandards der heutigen Dermatochirurgie geprägt. Die
mikrographisch-kontrollierte Chirurgie und später die histologische Randkontrolle
als „Tübinger Torte” gehören heute zum festen Bestandteil der dermatochirurgischen
Vorgehensweise. 1998 führte Roland Müller auch die „sentinel node biopsie” in enger
Zusammenarbeit mit der Abteilung für Strahlentherapie und Nuklearmedizin an der Lemgoer
Klinik ein. In Ergänzung zu dieser invasiven Diagnostik beim malignen Melanom gehört
auch die inguinale und axilläre Lymphknotendissektion zum dermatochirurgischen Spektrum.
Jüngste Studien belegen den Vorteil dieser Vorgehensweise. Die WHO (WHO Melanoma Programm)
erklärte im Jahre 2000 die Sentinel Node Biopsy zur neuen diagnostischen Standardmethode
bei malignen Melanomen ab einer Tumordicke von 1,0 mm, da der metastatische Befall
der Wächterlymphknoten zu den wichtigsten Prognosefaktoren gehöre. Des Weiteren zeigte
die MSLT-1-Studie Daten zum Gesamtüberleben aus den USA an 2001 Patienten, bei der
die weite lokale Exzision mit und ohne zusätzlich durchgeführte Sentinel Node Biopsie
(SNB) verglichen wurde [5]. Das Gesamtüberleben war mit 78 % zu 55 % (p = 0,0033) besser in der Gruppe der
Patienten mit Sentinel Node Biopsie. Inwieweit sich ein weiterer Überlebensvorteil
für die Patienten ergibt, die nach positiven Sentinel Node eine Lymphadenektomie erhalten,
wird derzeit von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO), an der sich
auch die Lemgoer Hautklinik beteiligt, und der „Multicentre Selective Lymphadenectomy
TraiI” (MSLT II) überprüft.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil eines umfassenden onkologischen Therapiekonzeptes
ist die adjuvante Immuntherapie mit Interferon alpha, bei Patienten mit Melanomen
ab einer Tumordicke von 1,5 mm und bei regionären Metastasen. Auch hier beteiligt
sich derzeit die Lemgoer Hautklinik an der Studie der ADO bei Patienten im Stadium
IIa-IIIb zur adjuvanten Immuntherapie im Vergleich zwischen Interferon-alpha und pegyliertem
Interferon-alpha.
Eine weitere Säule der Therapiemöglichkeiten neben operativer und Strahlentherapie
in der Dermatoonkologie ist die Chemotherapie. Hier stehen die aktuellen Therapiemöglichkeiten
im Vergleich zu denen der letzten 10 Jahre Kopf. Aus einer Fülle von verschiedenen
Mono- und Polychemotherapien und wenigen experimentellen Therapien des letzten Jahrzehntes
haben sich in Hinblick auf „Überleben mit erhaltener Lebensqualität” nur die Monotherapeutika
Dacarbazin, Temozolamid und Fotemustin fest etabliert, aber das zunehmende pathogenetische
Verständnis um molekularbiologische und immunologische Vorgänge hat zu einer starken
Zunahme von experimentellen Therapiemöglichkeiten geführt, die zurzeit in Multizenterstudien
überprüft werden. Um auch dieses erweiterte Therapieangebot den Patienten in Ostwestfalen
zugänglich zu machen, ist an dieser Stelle nicht nur die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit
mit den Onkologen wichtig, sondern auch die aktive Teilnahme an neuen Therapiestudien.
Die stetig wachsende Kompetenz im Bereich der Dermatoonkologie verlangt nicht nur
ein wachsendes Maß an Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement, sondern auch ein
koordinierendes interdisziplinäres Netzwerk mit anderen Kliniken und Einrichtungen.
Das Ziel Hauttumor-Patienten umfassend und mit hoher Qualität zu versorgen kann nur
erreicht werden, wenn die Bereiche „Aufklärung und Prophylaxe”, „Diagnostik und Therapie”,
„Klinische Forschung” und „Weiterbildung und Lehre” aufeinander abgestimmt und ständig
weiterentwickelt werden. Die Dermatologische Klinik Lippe-Lemgo hat die Bestrebung
diesen Zentrumsgedanken zwischen Patienten, den niedergelassenen Hautärzten und anderen
Versorgungseinrichtungen zu leben. Vorbildcharakter hat hier das Haut Tumor Centrum
Charité für die regionale und überregionale Versorgung von Hauttumorpatienten.
Eine weitere Bereicherung für die operative Dermatologie ist die moderne Lasermedizin
und die ästhetische Dermatologie (Tab. [1]). Edgar Dippel ergänzte 2004 die Behandlungsmöglichkeiten neben dem bereits vorhandenen
Argon-Laser mit dem Einsatz eines leistungsfähigen CO2-Lasers und eines Dioden-Lasers.
Der therapeutische Einsatz verschiedener Lasersysteme an Haut und Schleimhäuten betrifft
die bevorzugten Gebiete vaskuläre Läsionen, pigmentierte Hautveränderungen, Abtragung
von Hautschichten und dauerhafte Haarentfernung. Neu hinzugekommen sind die Behandlung
von Akne, Psoriasis und die ästhetische Hautstraffung mit Blitzlampentechniken. Abhängig
von den Zielstrukturen DNS, Hämoglobin, Pigmente, Melanin oder Wasser und der Eindringtiefe
der Laser können Lasersysteme im UV-Bereich, sichtbaren Bereich oder Infrarotbereich
zur Anwendung kommen. Die Anschaffung von Lasersystemen muss strategisch in Hinblick
auf das therapeutische Profil und in Hinblick auf ökonomische Aspekte ausgewählt werden.
Alle diese Laser und Blitzlampen gestützten Techniken ergänzen das bisherige therapeutische
Spektrum und gehören in die Hände eines erfahrenen Dermatologen. Für die Dermatologische
Klinik in Lemgo haben wir uns für den Argon- und den Dioden-Laser zur Behandlung von
vaskulären Läsionen entschieden. Der Argon-Laser (488 nm, 514 nm) gehört zu den Systemen
mit dem längsten Erfahrungszeitraum. Therapieziel ist die oberflächliche Photokoagulation
von Teleangiektasien und N. flammeii. Der Dioden-Laser (940 nm, 980 nm) eignet sich
für Besenreiser oder für die endoluminale Varizenkoagulation. Beide Systeme ergänzen
gut den phlebologischen Schwerpunkt der Klinik. Der CO2-Laser (10 600 nm) ist vielseitig sowohl zur Vaporisation als auch für Ablation von
Hautgewebe einsetzbar. Die Vaporisationswirkung macht eine mühelose Entfernung von
Condylomen und Warzen oder die exakte Abtragung von Hautschichten z. B. beim Rhinophym
möglich. Aber auch die flächenhafte ablative Behandlung im Gesicht („Full skin resurfacing”)
bei Aknenarben oder im ästhetischen Bereich bei Faltenbildung ist sehr erfolgreich
durchführbar.
Die zunehmende Lebensdauer der Bevölkerung bei steigender Vitalität fordert immer
mehr auch Dermatologen den ästhetischen Wünschen von Patienten nachzukommen. Interesse
besteht insbesondere für Faltenglättung, Entfernung von Schlupflidern, Altersflecken,
Fibromen und seborrhoischen Warzen oder dauerhafte Haarentfernung. Hier hat nicht
nur die Entwicklung von neuen Lasersystemen einen enormen Fortschritt gebracht, sondern
auch die Entwicklung von Füllmaterialien, „chemical peels” und die Behandlung mit
Botulinum Toxin. Auch dieses kosmetisch-korrektive Angebot ist fest in dem Therapieangebot
der Lemgoer Klinik implementiert.
Die letzten 3 Jahre zeigen einen steigenden „Case Mix Index” der Dermatologischen
Klinik in Lemgo von zuletzt 0,98. Dies bedeutet, dass stationäre Patienten im zunehmenden
Maße komplexe Krankheitsbilder aufweisen bzw. zu aufwändigen und komplexen Operationen
kommen. D. h., die Zukunft der stationären Dermatologie hängt davon ab, insbesondere
die Kompetenz bei schweren onkologischen Erkrankungen und komplizierten plastischen
Operationen zu erhalten und auszubauen. Auf diesem Weg können die Dermatologen im
interdisziplinären Patienten/Krankheitsmanagement die führende Position für dermatoonkologische
Patienten behalten.
Tab. 1 Spezialsprechstunden der Dermatologischen Klinik Lippe-Lemgo 2005
allergologische Sprechstunde |
phlebologische Sprechstunde |
onkologische Sprechstunde |
Photodermatologie |
Wundsprechstunde |
Neurodermitis-Sprechstunde |
proktologische Sprechstunde |
Lymphomsprechstunde |
kosmetische Sprechstunde |