Einleitung
Fingerknöchelpolster, die auch als „knuckle pads“ bezeichnet werden, sind umschriebene
knötchenförmige Verdickungen der Haut, die am häufigsten im Bereich der Streckseiten
der Fingergelenke beobachtet werden. Gesicherte epidemiologische Daten finden sich
in der Literatur nicht. Vereinzelte Angaben, z. B. zur Häufigkeit der Fingerknöchelpolster,
beruhen auf Untersuchungen selektionierter Patientengruppen und können nicht als Grundlage
für Prävalenz- oder Inzidenzberechnungen herangezogen werden. So ermittelte Herrmann
bei einer Untersuchung von 513 männlichen Patienten einer Universitäts-Poliklinik
eine Häufigkeit der Fingerknöchelpolster von 6 %, eine Prävalenz, die zweifellos nicht
auf die Gesamtbevölkerung übertragbar ist [1].
Eine einheitliche Ätiologie der Fingerknöchelpolster besteht offensichtlich nicht.
Hierfür sprechen das unterschiedliche Manifestationsalter, die Lokalisation und Verteilung
der Morphen sowie das Vorhandensein oder Fehlen assoziierter Erkrankungen. In der
Mehrzahl der Fälle entwickeln sich Fingerknöchelpolster im Zusammenhang mit chronischen
Traumatisierungen der Haut als reaktive oder sekundäre Veränderungen. Histopathologisch
finden sich in solchen Fällen Zeichen eines Lichen simplex chronicus, d. h. eine Epithelhyperplasie
mit Hypergranulose und kompakter Hornschicht als Folge einer Adaptation an die chronische
mechanische Irritation.
Davon abzugrenzen sind die seltenen idiopathischen oder primären Formen, die als anlagebedingte
Manifestationen gewertet werden. Auch diese scheinen unterschiedliche Ursachen zu
haben. So wurde zum einen eine „knötchenförmige Fibromatose der Strecksehnen der Finger”
beschrieben, die teilweise im Zusammenhang mit der Dupuytren’schen Kontraktur auftrat
und als Manifestation des gleiches Prozesses eingestuft wurde. Die Epidermis zeigte
dabei eine nur gering ausgeprägte Hyperplasie, die auf eine durch die dermalen Knoten
verursachte erhöhte mechanische Belastung zurückgeführt wurde [2]
[3]
[4]. Zum anderen wurden Fälle von „primären Fingerknöchelpolstern” mitgeteilt, bei denen
die Epithelveränderungen im Vordergrund standen und die nicht mit dermalen Knoten
einhergingen [5]. Ein entsprechendes Beispiel wird in der nachfolgenden Kasuistik vorgestellt, wobei
insbesondere die symmetrische Verteilung der Morphen im Bereich aller Interphalangealgelenke
für die anlagebedingte Entstehung der vorliegenden Fingerknöchelpolster spricht.
Kasuistik
Anamnese
Bei dem 12-jährigen Jungen hatten sich drei bis vier Jahre zuvor plötzlich und ohne
ersichtlichen Grund nicht juckende Hautveränderungen an den Streckseiten der Finger
entwickelt. Die Befunde waren gleichzeitig innerhalb weniger Monate aufgetreten und
zeigten auch unter lokaler Behandlung mit verschiedenen keratolytisch wirksamen Salben
oder topischen Steroiden keinerlei Rückbildungstendenz. Eine Manipulation an der Haut
der Finger verneinten der Patient und seine Eltern glaubhaft. Manuell belastende Sportarten
oder Hobbys konnten ebenfalls nicht erfragt werden. In der Familienanamnese ergaben
sich keinerlei Hinweise für bekannt gewordene chronisch-entzündliche Dermatosen. Auch
die bei dem Patienten jetzt vorliegenden Hautveränderungen waren bisher bei keinem
weiteren Familienmitglied beobachtet worden, auch nicht bei seiner 10-jährigen Schwester.
Dermatologischer Befund
In symmetrischer Verteilung fanden sich dorsal über den distalen und proximalen Interphalangealgelenken
der zweiten bis fünften Finger beidseits maximal 1,5 cm durchmessende, polsterartig
aufgeworfene, scharf begrenzte, hellrot tingierte Plaques mit verstrichenen Hautfalten
und gepunzt wirkender Oberfläche. Vereinzelt zeigte sich in sehr umschriebenen Arealen
eine kleieförmige Schuppung. Die gleichen Morphen fanden sich auch am Interphalangealgelenk
der Daumen bds. Die Hautbereiche über den Metacarpophalangealgelenken waren an beiden
Handrücken unauffällig (Abb. [1]
[2]
[3]). Auch am übrigen Integument, insbesondere im Bereich der Fußgelenke sowie der Knie-
und Ellenbogengelenke, konnten keine pathologischen Hautveränderungen festgestellt
werden.
Abb. 1 Fingerknöchelpolster über den Streckseiten aller Interphalangealgelenke.
Abb. 2 Detailaufnahme.
Abb. 3 Fingerknöchelpolster an den Interphalangealgelenken der Daumen.
Histopathologischer Befund
Die Epidermis wies eine ausgeprägte Hyperplasie mit verlängerten Reteleisten, Hypergranulose
und kompakter Orthohyperkeratose auf. Suprapapillär war die Epidermis recht breit.
Die dermalen Papillen waren verlängert und wiesen weitgestellte Gefäße und vergröberte
Kollagenfasern auf. All diese Befunde waren typisch für einen Lichen simplex chronicus.
Die retikuläre Dermis war unauffällig, und es fanden sich keine entzündlichen Veränderungen
(Abb. [4]
[5]).
Abb. 4 Hautbiopsat mit typischen Zeichen eines Lichen simplex chronicus (Epithelhyperplasie
mit Hypergranulose und kompakter Orthohyperkeratose; Verlängerung von Reteleisten
und dermalen Papillen). In der Dermis sieht man keine Entzündungszeichen und keine
Zeichen einer Fibromatose (HE, 1 : 40).
Abb. 5 Vergröberte Kollagenfasern und erweiterte Gefäße in den dermalen Papillen zählen ebenfalls
zu den typischen Zeichen eines Lichen simplex chronicus (HE, 1 : 200).
Therapie und Verlauf
Bei der bekannten Therapieresistenz der Fingerknöchelpolster wurde nur eine harnstoffhaltige
Salbe zur Pflege verordnet.
Diskussion
Das klinisch-morphologische Bild der Fingerknöchelpolster ist gekennzeichnet durch
aufgeworfene, 1 - 2 cm durchmessende, relativ scharf begrenzte Knötchen bzw. Plaques
über den Streckseiten der Fingergelenke. Die hautfarbene, rötlich tingierte sowie
vereinzelt auch hyper- oder hypopigmentierte Oberfläche wirkt gepunzt und zeichnet
sich durch einen deutlichen Verlust der Hautfalten aus. Eine Hyperkeratose ist vorhanden,
aber meist nur gering ausgeprägt. Entzündungszeichen fehlen. Die Fingerknöchelpolster
sind auf ihrer Unterlage verschieblich, führen zu keiner Bewegungseinschränkung der
betroffenen Gelenke und verursachen keine subjektiven Beschwerden [5]
[6]
[7]. Das Manifestationsalter, die Anzahl, die Ausprägung, die Lokalisation und die Verteilung
der Fingerknöchelpolster unterliegen einer deutlichen Variabilität und sind zweifellos
von der jeweils vorliegenden Ätiologie abhängig.
Die Fingerknöchelpolster wurden erstmals 1893 durch Garrod beschrieben, der bereits
damals auf eine Beziehung zur Dupuytren’schen Kontraktur hinwies [8]. Die erste histopathologische Untersuchung erfolgte 1924 durch Hauck, der erklärte,
die Knoten bestünden „aus ineinander geflochtenen Bindegewebsfasern mit entsprechender Blutgefäßentwicklung.
Es handelt sich um ein Fibrom.” [9] Anderen Autoren zufolge bestand das histopathologische Substrat dagegen aus einer
Epithelhyperplasie mit Hyperkeratose, während Veränderungen in der Dermis fehlten.
Hadorn nahm 1944 als erster eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen primären,
„echten” und sekundären, „unechten” Fingerknöchelpolstern vor. Bei den ersteren handele
es sich um eine „knötchenförmige Fibromatose der Strecksehnen der Finger”, die manchmal schmerzhaft sei und mit einer nur geringen reaktiven Epithelhyperplasie
einhergehe, bei den letzteren um eine nicht schmerzhafte, häufig exzentrisch über
den Gelenken gelegene Epithelhyperplasie im Sinne einer Schwiele [4].
Als Ursachen der sekundären Fingerknöchelpolster gelten mechanische Belastungen oder
andere chronische Irritationen der Haut, zu denen vor allem handwerkliche Tätigkeiten
oder sportliche Aktivitäten gezählt werden [1]
[10]
[11]
[12]. Aber auch Lutschschwielen bei Kleinkindern oder Kauschwielen bei einem neurotischen
Fehlverhalten können sich in ihrem klinischen Bild als sekundäre Fingerknöchelpolster
darstellen [13]. Vereinzelt sind sekundäre Fingerknöchelpolster als Folge sehr ungewöhnlicher Ursachen
beobachtet worden, z. B. bei Patienten mit Bulimie, die das Erbrechen der Nahrung
durch ihre Finger provoziert hatten [14]. In Abhängigkeit von der jeweiligen Ursache zeigen sich sekundäre Fingerknöchelpolster
häufig einseitig an den Streckseiten oder Lateralkanten der Finger, aber auch an den
Handrücken und Handtellern. Eine symmetrische Manifestation an den Streckseiten der
Fingergelenke, wie dies für die primären Fingerknöchelpolster typisch ist, ist bei
den sekundären Formen selten. Nach Wegfall der ursächlichen Provokationsfaktoren bilden
sich die sekundären Fingerknöchelpolster vollständig zurück [4]
[13]
[14]
[15]
[16].
Neben den primären Fingerknöchelpolstern als Folge einer knötchenförmigen Fibromatose
der Fingerstreckseiten und den sekundären, mechanisch bedingten Fingerknöchelpolstern
wurde aber noch eine dritte Variante geschildert, die histopathologisch alle Kriterien
der sekundären Fingerknöchelpolster erfüllte, aber nicht auf mechanische Irritation
zurückgeführt werden konnte. Für eine Fibromatose oder entzündliche Grundkrankheiten
bestand kein Anhalt. Diese „primären” Fingerknöchelpolster vom „Schwielentyp” manifestierten
sich in der Kindheit, in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter, und zwar in der
Regel symmetrisch mit Befall mehrerer oder aller Finger einschließlich der Daumen.
Am häufigsten waren die Streckseiten der proximalen Interphalangealgelenke betroffen,
gefolgt von den Metacarpophalangealgelenken, den eigentlichen „knuckles“, und den
nur ausnahmsweise betroffenen Interphalangealgelenken. Die Veränderungen entwickelten
sich innerhalb von Monaten, selten innerhalb weniger Jahre, und persistierten nach
Abschluss der Manifestationsphase ohne jede Rückbildungstendenz [5]
[17].
Auch der hier geschilderte Patient ist dieser Krankheitsgruppe zuzurechnen. Die frühe
Manifestation, die symmetrische Verteilung an den Streckseiten aller Interphalangealgelenke
und das sowohl vom Patienten selber als auch von seinen Eltern glaubhaft versicherte
Fehlen irritativer Provokationsfaktoren sprechen für ein „primäres” Geschehen, obwohl
histopathologisch typische Veränderungen eines Lichen simplex chronicus vorlagen,
die in der Regel durch anhaltende mechanische Irritation bedingt sind. Zu diesen Zeichen
eines Lichen simplex chronicus zählen eine unregelmäßige Hyperplasie der Epidermis
mit Hypergranulose und kompakter Hyperkeratose sowie verlängerte dermale Papillen
mit vergröberten Kollagenfasern und erweiterten Gefäßen. In der Vergangenheit wurden
erweiterte Gefäße in den Papillen als Hinweis auf eine konstitutionell verankerte
„Schädigung der Gefäßinnervation” gewertet, die für die Entstehung der Fingerknöchelpolster
verantwortlich sei [5]. Tatsächlich geht aber jede ausgeprägte Epithelhyperplasie mit erweiterten Gefäßen
in den Papillen einher. Das histopathologische Erscheinungsbild der Fingerknöchelpolster
ist von dem des Lichen simplex chronicus nicht abzugrenzen.
Was aber könnte die Ursache der Fingerknöchelpolster vom „Schwielentyp” sein, wenn
es sich um „primäre” und nicht um mechanisch induzierte Veränderungen handelt? Von
Schreus wurde als Ursache schon 1939 ein Atavismus postuliert. Als „Atavismus” wird
das Wiederauftreten eines Merkmals bezeichnet, das typisch für entfernte Vorläufer
war, aber im Laufe der Phylogenese verloren gegangen ist, sei es durch vollständige
Unterdrückung nach wie vor im Erbgut verankerter Gene oder durch Rückbildung entsprechender
Anlagen während der Embryonalzeit. Schreus hielt die Fingerknöchelpolster vom „Schwielentyp”
für ein Wiederauftreten der Schwielen, die sich bei anthropoiden Affen als Adaptation
an die mechanischen Belastungen entwickelt haben, die beim Laufen durch das Aufstützen
auf die Streckseiten der Fingergelenke entstehen [18].
Unwidersprochen blieb diese plausibel wirkende Vermutung jedoch nicht. Bei Untersuchungen
an Tierpräparaten und bei einer Literaturrecherche fand Herrmann keinen Hinweis für
das Vorkommen von Fingerknöchelpolstern bei anthropoiden Affen [1]. Auf Anfrage teilte uns der Zoo am Meer Bremerhaven mit, dass bei den dort gehaltenen
Schimpansen Fingerknöchelpolster nicht beobachtet worden sind. Im Zoologischen Garten
Münster hingegen, dem wir ebenfalls das Bildmaterial unseres Patienten vorgelegt hatten,
sind Fingerknöchelpolster bei Gorillas ein bekanntes Phänomen und bei allen Tieren
in ausgeprägter Form vorhanden. Da sich Gorillas bei der Fortbewegung am Boden tatsächlich
auf die Streckseiten der Interphalangealgelenke aufstützen, ist der Schutz der Gelenke
durch eine Polsterung eine sinnvolle anatomische Besonderheit. Interessanterweise
sind auch bei dem hier vorgestellten Patienten nur die Interphalangealgelenke und
nicht die Metacarpophalangealgelenke betroffen gewesen. Diese strenge anatomische
Zuordnung zeigt sich auch an den Daumen, die jeweils nur ein Interphalangealgelenk
aufweisen. Das Vorkommen von Fingerknöchelpolstern bei Gorillas sowie das spontane
Auftreten und der symmetrische Befall aller Interphalangealgelenke bei unserem Patienten
sprechen für eine mögliche atavistische Ätiologie der hier beschriebenen Fingerknöchelpolster.
Die Diagnose der primären Fingerknöchelpolster vom „Schwielentyp” dürfte im Allgemeinen
keine Schwierigkeiten bereiten, da die symmetrische Manifestation der klinisch charakteristischen
Morphen an den Streckseiten der Fingergelenke unverwechselbar ist. Die Abgrenzung
von sekundären Fingerknöchelpolstern wird durch anamnestische Angaben (frühes Auftreten,
fehlende Rückbildungstendenz, fehlende mechanische Irritation) weiter erleichtert.
Differenzialdiagnostisch sind darüber hinaus neben der ebenfalls als „Fingerknöchelpolster”
beschriebenen knötchenförmigen Fibromatose der Fingerstreckseiten, die distale Interphalangealarthrose,
die Heberden’sche Arthrose, Exostosen sowie Xanthome der Sehnen, Narben, vulgäre Warzen
und das Granuloma anulare zu berücksichtigen [4]
[7]
[13]
[17]). In Zweifelsfällen können alle genannten Differenzialdiagnosen durch radiologische
oder histopathologische Untersuchungen sicher von Fingerknöchelpolstern abgegrenzt
werden.