Aktuelle Dermatologie 2005; 31(11): 519-522
DOI: 10.1055/s-2005-870400
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erstmanifestation einer unilateralen Psoriasis linearis unter dem Bild eines ILVEN im Erwachsenenalter

First Manifestation of an Unilateral Psoriasis Linearis Imitating an ILVEN in Adult YearsV.  Prugovečki1 , B.  Knopf1 , D.  Mechtel1
  • 1Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie am Städtischen Klinikum Zwickau (Chefarzt: Prof. Dr. med. B. Knopf)
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Volfgang Prugovečki

Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie am Städtischen Klinikum Heinrich-Braun-Krankenhaus

Karl-Keil-Straße 35 · 08060 Zwickau

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. November 2005 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Berichtet wird über den seltenen Fall einer 47-jährigen Patientin mit Erstmanifestation einer linksseitigen lineären Psoriasis unter dem Bild eines ILVEN bei gleichzeitig bestehender Schilddrüsenerkrankung. Klinische und histologische Unterscheidungsmerkmale werden diskutiert.

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Abstract

We report a rare case of a 47-year-old woman with first manifestation of a linear psoriasis imitating an ILVEN on the left side in association with a disorder of the tyroid gland. Clinical and histological distinctive features are discussed.

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Einleitung

Die lineäre Psoriasis ist eine seltene Form der Psoriasis vulgaris, die den Blaschko-Linien folgt [1] [2] [3] [4] [5]. Der inflammatorische lineäre verruköse epidermale Nävus (ILVEN) ist charakterisiert durch meist an den Extremitäten lokalisierte, oft streifenförmige, aber auch systematisierte, ebenfalls den Blaschko-Linien [6] folgende persistierende, erythematöse, häufig stark juckende und schuppende Hautveränderungen, die an eine Psoriasis erinnern. Die Unterscheidung beider Erkrankungen ist schwierig.

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Fallbericht

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Anamnese

Die sonst gesunde Patientin, die bis auf ein hormonelles Kontrazeptivum (Minisiston®) keine weiteren Medikamente einnimmt, berichtete, vier Jahre vor der jetzigen stationären Aufnahme erstmalig gerötete und schuppende, teilweise erhabene, streifenförmige Hautveränderungen an der Innenseite des linken Handgelenks beobachtet zu haben. Seit nunmehr einem Jahr nahmen die bestehenden Veränderungen zu und breiteten sich auf den linken Arm, das Gesäß links und das linke Bein aus. Gleichzeitig bestand ausgeprägter Juckreiz. Die ambulant verordneten Externa Betamethason-17-valerat, Clobetasol (Karison® Fettsalbe), Methylprednisolon (Advantan® Salbe), Lorinden T® Salbe und andere teerhaltige Präparationen sowie Therapieversuche mit Unterspritzung von Triamcinolon führten zu keiner wesentlichen und dauerhaften Befundbesserung. Da sich der Hautbefund weiter verschlimmerte, erfolgte die Einweisung der Patientin in unsere Klinik. Aus der Familienanamnese ist bei einer Tante väterlicherseits eine Psoriasis bekannt.

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Hautbefund

Bei der Aufnahme bestanden an der linken Schulter, der Oberarm- und Unterarmaußenseite, am linken Handgelenk, der linken Gesäßhälfte und am linken Oberschenkel dorsal bis zur Kniekehle reichend streifenförmig angeordnete erythematöse, teilweise schuppende sowie vereinzelt mit stecknadelkopfgroßen Bläschen und Papeln einhergehende, teilweise exkoriierte Veränderungen (Abb. [1]). In der Rima ani fanden sich einzelne Rhagaden auf gerötetem Grund.

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Abb. 1 Klinischer Befund bei erstmaliger Vorstellung.

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Diagnostik

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Laboruntersuchungen

BSG mit 12/27 mm/h n. W., Harnstoff mit 7,7 mmol/l (Normalwert 0,5 - 7,1 mmol/l) und Kreatinin mit 111 µmol/l (Normalwert < 90 µmol/l) leicht erhöht, fT4 mit 11,15 pmol/l (Normalwert 12,0 - 22,0 pmol/l) erniedrigt, Thyreoglobulin-Antikörper mit 111 U/ml (Normalwert < 100 U/ml) und die Thyreo-Peroxydase-Antikörper mit 130,1 IU/ml (Normalwert < 16,0 IU/ml) erhöht. FT3 und TSH-Rezeptor Antikörper, Differenzialblutbild, Elektrolyte, Blutzucker, ANF-Titer und ds-DNS-Titer lagen im Normbereich. Das Gesamt-IgE betrug 4,45 IU/ml.

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Mikrobiologie

Die mykologische Untersuchung (Abstrich und Kultur) vom linken Unterarm fiel negativ aus.

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Histologie (Institut für Pathologie der Universität Leipzig)

Im Präparat aus dem Bereich der Innenseite der linken Hand findet sich von teils akanthotisch verbreiterter Epidermis überzogenes Gewebe mit herdförmig gering angedeuteter Spongiose. Etwa im Zentrum des Präparates finden sich psoriasiform ausgezogene Reteleisten mit aszendierenden Gefäßen und kleinen Munro’schen Abszessen innerhalb der oberflächlichen Verhornungsareale.

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Schilddrüsensonografie

Atrophische Schilddrüse. Der sonografische und serochemische Befund spricht für das Vorliegen einer Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto).

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Therapie und Verlauf

Wir begannen am linken Arm und Bein sowie gluteal links eine Therapie mit Calcipotriol (Psorcutan® Salbe) und Momethason-17-(2-furoat) (Ecural® Salbe) im Wechsel. Für die Rima ani verwendeten wir Epipevisone® Creme 2 × täglich.

Wegen des ausgeprägten Juckreizes verordneten wir Hydroxyzin 25 mg Tabletten in der Dosierung 1-1-2 AH 3 N® Tabletten täglich. Zusätzlich führten wir eine Creme-PUVA-Therapie mit einer UVA-Gesamtdosis von 5,1 J/cm² (bei einer maximalen Einzeldosis von 0,4 J/cm²) in insgesamt 15 Einzelsitzungen durch.

Unter dieser Therapie kam es zu einer Abblassung der Erytheme sowie zu einer vollständigen Abschuppung und Abflachung der Hautveränderungen. Eine völlige Abheilung der Hautveränderungen war in der Kürze der Zeit nicht möglich (Abb. [2]).

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Abb. 2 Klinischer Befund nach zweiwöchiger Therapie

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Diskussion

Bei unserer Patientin kam es im Alter von 43 Jahren erstmalig zu streifenförmigen, erythematösen, schuppenden, teilweise papulösen Veränderungen der linken Körperhälfte. Die Erkrankung erwies sich trotz zahlreicher Behandlungsversuche mit unterschiedlichen topisch und intraläsional applizierten Kortikosteroiden als äußerst therapieresistent.

Auf Grund des klinischen Bildes mit der unilateralen Lokalisation und der ambulanten Therapieresistenz dachten wir trotz der Spätmanifestation zunächst an das Vorliegen eines ILVEN (inflammatorischer lineärer verruköser epidermaler Nävus).

Der ILVEN ist ein Nävus mit persistierenden, charakteristischerweise juckenden, erythematosquamösen oder papulokeratotischen, gelegentlich ekzematoiden Veränderungen, die lineär angeordnet sind. Der ILVEN tritt gewöhnlich einseitig auf, ist häufig an den Extremitäten lokalisiert und manifestiert sich meist vor dem 2. Lebensjahr. Aber auch der spätere Beginn wurde beschrieben. Frauen sind häufiger als Männer betroffen. Die meisten Fälle sind sporadisch, über familiäre Fälle wurde berichtet [7] [8] [9].

Histologisch ähnelt der ILVEN einer Psoriasis vulgaris. Typisch für den ILVEN sind jedoch breitere parakeratotische Bezirke bei fehlendem Stratum granulosum, die sich mit scharf abgesetzten orthohyperkeratotischen Abschnitten über eingesunkenen hypergranulotischen Zonen abwechseln. Außerdem fehlen Ansammlungen von neutrophilen Granulozyten (Munro-Mikroabszesse) innerhalb der Hornschicht.

Die Histologie unserer Patientin zeigte eine Akanthose, angedeutete Spongiose, ausgezogenene Reteleisten und kleine Munro-Mikroabszesse. Die Histologie sprach somit am ehesten für eine Psoriasis.

Typischerweise ist der ILVEN therapieresistent. Altman und Mehregan [10] erarbeiteten im Jahre 1971 Diagnosekriterien des ILVEN, in die auch die ausgeprägte Therapieresistenz einfloss. Therapeutische Optionen beinhalten neben operativen Verfahren topische und intraläsionale Glukokortikoide, Exzisionen, Kryotherapie und Lasertherapie.

Die Applikation von Vitamin D3 Analoga scheint einen positiven Effekt auf die Hautveränderungen des ILVEN zu haben [6]. Unsere Patientin sprach sehr gut auf eine antipsoriatische Kombinationstherapie von topisch applizierten Calcipotriol und Momethason mit einer Photochemotherapie an.

Vissers und Mitarbeiter [11] führten 2004 quantitative immunhistochemische (CD2, CD4, CD8, CD25, CD161, CD94, CD45RO, CD45RA, HLA-DR, Patienten Keratin-10, Ki-67) Untersuchungen bei Patienten mit ILVEN und lineärer Psoriasis durch. Der ILVEN zeigte eine Erniedrigung bei allen T-Zellsubsets sowie von Ki-67 positiven T-Zellen. Die Zahl der Keratin-10 positiven Zellen und die HL-DR Expression waren erhöht. In unserem Fall wurden solche Untersuchungen nicht vorgenommen.

Der ILVEN kann in Assoziation mit einer Autoimmunthyreoiditis, Arthritis und Lichen amyloidosus auftreten [12] [13] [14]. Die serochemischen und sonografischen Befunde bei unserer Patientin sprachen für eine nicht behandlungsbedürftige Autoimmunthyreoitidis.

Die positive Familienanamnese, die Histologie mit Munro’schen Abszessen, die sehr gute Wirksamkeit der antipsoriatischen Kombinationstherapie führten uns schließlich zu der Diagnose einer lineären Psoriasis, die sich unter dem Bild eines ILVEN manifestierte.

Wir veröffentlichen diesen Fall zum einen wegen der Seltenheit der Erkrankung und zum anderen, um die Schwierigkeit der Diagnosefindung darzustellen. Wir möchten keine Diskussion darüber entfachen, ob der ILVEN und die lineäre Psoriasis eigenständige Entitäten sind, sondern die Wichtigkeit der richtigen Diagnosestellung im Hinblick auf den Therapieerfolg darstellen.

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Literatur

  • 1 Saraswat A, Sandhu K, Shukla R, Handa S. Unilateral Linear Psoriasis with Palmoplantar, Nail, and Scalp Involvement.  Pediatr Dermatol. 2004;  21 70-73
  • 2 Ghorpade A. Linear naevoid psoriasis along lines of Blaschko.  J Eur Acad Dermatol Venereol. 2004;  18 726-727
  • 3 Yu H J, Ko J Y, Kwon H M, Kim J S. Linear psoriasis with porokeratotic eccrine ostial and dermal duct nevus.  J Am Acad Dermatol. 2004;  50 S81-S83
  • 4 Ozkaya-Bayazit E, Akasya E, Buyukbabani N, Baykal C. Pustular psoriasis with a striking linear pattern.  J Am Acad Dermatol. 2000;  42 329-331
  • 5 Jackson R. The lines of Blaschko: a review and reconsideration: Observations of the causes of certain unusual linear conditions of the skin.  Br J Dermatol. 1976;  95 349-360
  • 6 Böhm I, Bieber T, Bauer R. Erfolgreiche Therapie eines ILVEN bei einem 7-jährigen Mädchen mit Calcipotriol.  Hautarzt. 1999;  50 812-814
  • 7 Kosann M K. Inflammatory linear verrucous epidermal nevus.  Dermatol Online J. 2003;  9 15
  • 8 Kawaguchi H, Takeuchi M, Ono H, Nakajima H. Adult onset of inflammatory linear verrucous epidermal nevus.  J Dermatol. 1999;  26 599-602
  • 9 Goldman K, Don P C. Adult onset of inflammatory linear verrucous epidermal nevus in a mother and her daughter.  Dermatology. 1994;  189 170-172
  • 10 Altman J, Mehregan A H. Inflamamtory linear verrucous epidermal nevus.  Arch Dermatol. 1971;  104 385-389
  • 11 Vissers W H, Muys L, Erp P E, de Jong E M, van de Kerkhof P C. Immunhistochemical differentiation between inflammatory linear verrucous epidermal nevus (ILVEN) and psoriasis.  Eur J Dermatol. 2004;  14 216-220
  • 12 Dereure O, Paillet C, Bonnel F, Guilhou J J. Inflammatory linear verrucous epidermal naevus with auto-immune thyroiditis : coexistence of two auto-immune epithelial inflammations?.  Acta Derm Venereol. 1994;  74 208-209
  • 13 Al-Enezi S, Huber A M, Krafchik B R, Laxer R M. Inflammatory linear verrucous epidermal nevus and arthritis: a new association.  J Pediatr. 2001;  138 602-604
  • 14 Zhuang L, Zhu W. Inflammatory linear verrucous epidermal nevus coexisting with lichen amyloidosus.  J Dermatol. 1996;  23 415-418

Volfgang Prugovečki

Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie am Städtischen Klinikum Heinrich-Braun-Krankenhaus

Karl-Keil-Straße 35 · 08060 Zwickau

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Literatur

  • 1 Saraswat A, Sandhu K, Shukla R, Handa S. Unilateral Linear Psoriasis with Palmoplantar, Nail, and Scalp Involvement.  Pediatr Dermatol. 2004;  21 70-73
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  • 14 Zhuang L, Zhu W. Inflammatory linear verrucous epidermal nevus coexisting with lichen amyloidosus.  J Dermatol. 1996;  23 415-418

Volfgang Prugovečki

Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie am Städtischen Klinikum Heinrich-Braun-Krankenhaus

Karl-Keil-Straße 35 · 08060 Zwickau

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Abb. 1 Klinischer Befund bei erstmaliger Vorstellung.

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Abb. 2 Klinischer Befund nach zweiwöchiger Therapie