Aktuelle Dermatologie 2005; 31(8/09): 417-421
DOI: 10.1055/s-2005-870258
Kleine Kulturgeschichte der Haut
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Hautfarbe der alten Ägypter

Skin Coloration in Ancient EgyptiensM.  Reitz
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Dr. Manfred Reitz

Schillerstr. 7 · 99423 Weimar

eMail: mreitz@imb-jena.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. August 2005 (online)

Inhaltsübersicht

Die Wurzeln der abendländischen Kultur gehen bis in die Antike zurück und wurden entscheidend von den Griechen und Römern geprägt. Beide Zivilisationen schufen die Grundlagen für eine Kultur, die heute auf vielen Gebieten weltweit dominierend ist und zahlreichen anderen Kulturen als Vorbild dient. Griechen und Römer, aber auch andere Völker des Mittelmeerraumes und des Vorderen Orients, die das Fundament für diese so erfolgreiche Kultur legten, gehörten der europiden Großrasse an, so dass die abendländische Kultur heute als ein Werk von unterschiedlichen europiden Volksgruppen gilt.

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Wunschvorstellungen von afroamerikanischen Ideologien

Verschiedene militante Strömungen der „Black power”-Bewegung in den USA versuchen diese enge Verbindung der auch in Amerika vorherrschenden abendländischen Kultur mit „weißen” Menschen infrage zu stellen. Von zahlreichen Vertretern der „Black power”-Bewegung wird der prägende Einfluss der griechisch-römischen Zivilisation auf die abendländische Kultur zwar akzeptiert, gleichzeitig wird aber auch vermerkt, dass Griechen und Römer nicht völlig eigenständig waren, sondern ebenfalls ihre eigenen Vorbilder und Wurzeln hatten; diese Vorbilder waren die alten Ägypter. Tatsächlich übernahmen sowohl Griechen als auch Römer kulturelle Eigenschaften und Wissen von den alten Ägyptern (aber auch aus Mesopotamien) und entwickelten es fort. Gebildete Griechen und Römer bewunderten die Leistungen der Ägypter und das Alter ihrer Kultur. Ohne das Reich der Pharaonen wäre nach dieser These die abendländische Kultur wahrscheinlich nicht so erfolgreich geworden, wie sie sich in der Gegenwart präsentieren kann. Für manche afrozentrisch orientierte Ideologen sind somit die alten Ägypter die eigentlichen Kulturschöpfer des Abendlandes, und diese Schöpfer waren nach ihrer Meinung „schwarz”. Die Begründer der abendländischen Kultur wären somit nicht „weiße”, sondern „schwarze” Menschen gewesen. Die uralte Hochkultur der Pharaonen wird demzufolge ideologisch als eine „schwarzafrikanische” Zivilisation gewertet, und der Ursprung der abendländischen Kultur würde sich von „weiß” in „schwarz” umkehren [1]. Doch, was spricht für diese These, und waren die alten Ägypter wirklich schwarz? Die Realität sieht völlig anderes aus und ist weit davon entfernt, „weiß” oder „schwarz” zu sein.

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Nicht nur die Negriden sind schwarz

Eine dunkle oder eine helle Hautfarbe ist kein rassenspezifisches Merkmal, sondern hängt von dem Lebensraum ab, in dem die betroffenen Menschen leben. Ist der UV-Anteil im Sonnenlicht besonders hoch, dominiert bei den Menschen völlig unabhängig von der Rasse die dunkle Hautfarbe, denn ein hoher Melaninanteil in der Haut schützt vor den Schadenswirkungen der UV-Strahlung. Vergleichbare Beobachtungen gelten auch für die Fellfarbe von Säugetieren. Je größer die UV-Einstrahlung in einem Biotop, um so intensiver ist die Pigmentierung im Fell der Säugetiere (Glogersche Regel). Der Mensch ist hier keine Ausnahme, und Ureinwohner mit einer dunklen Hautfarbe leben deshalb in allen tropischen Gebieten der Erde. Nicht nur Angehörige der negriden Großrasse haben eine schwarze Hautfarbe, sondern auch die von ihnen genetisch völlig unabhängigen Ureinwohner Australiens und Neuguineas oder die Ureinwohner der Südsee (Melanesien) und von Südasien. Die Bewohner von Madagaskar besitzen eine Hautfarbe wie die Negriden in Afrika, dennoch sind sie in ihrer überwiegenden Mehrheit keine Negride. Madagaskar wurde vermutlich erstmals um 800 n. Chr. vom heutigen Indonesien aus besiedelt, denn keine schwarzafrikanische Kultur besaß hochseefähige Schiffe. Die Negritos in Hinterindien sehen wie kleine schwarzafrikanische Negride aus, dennoch stehen sie mit den Negriden Afrikas in keiner genetischen Beziehung, sondern werden als Relikte von uralten Rassen angesehen [2] [3].

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Das Aussehen der alten Ägypter

Wie die alten Ägypter einst aussahen, lässt sich sowohl aus der altägyptischen Kunst als auch aus der Analyse einer großen Zahl von Mumien und anderen Funden ableiten. Alle Untersuchungen zeigen, die alten Ägypter und insbesondere ihre Oberschicht gehörten nicht der negriden Großrasse an, sie waren nicht schwarz. Pharao Ramses II. besaß sogar rötliche Haare.

Die altägyptische Kunst, die sich bis heute erhalten hat, ist allerdings keine Alltagskunst, sondern stammt aus Grabanlagen und Tempeln. Sie erfüllte dort in einem hohen Maß eine symbolische Funktion, war idealisiert und es gab kaum künstlerische Freiheiten. In den Grabanlagen war die Kunst für das Leben im Jenseits und nicht für eine Verschönerung des Alltags bestimmt. Menschen wurden nicht nach der Realität, sondern nach ihrer Bedeutung abgebildet. Männer der Oberschicht zeichneten sich durch eine dunkle Hautfarbe aus, denn sie gingen im Freien ihren Geschäften nach. Ihre Frauen dagegen waren die Herrinnen des Hauses und organisierten den Haushalt mit einer großen Dienerschaft. In der altägyptischen Kunst werden sie mit einer hellen Haut dargestellt (Abb. [1]). Im Allgemeinen wurden Menschen im Profil abgebildet, wobei das Profil nicht vollständig ist, denn die Schultern und das Auge sind stets dem Betrachter zugewandt. Nur unbedeutende Menschen der niederen Stände oder Sklaven wurden in der Kunst in einem exakten Profil oder auch von vorne dem Betrachter präsentiert [4].

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Abb. 1 Prinz Rahotep und seine Ehefrau Nofret (4. Dynastie, um 2500 v. Chr.); Ausschnitt aus einer bemalten Statuengruppe aus Kalkstein, gefunden in einer Grabanlage in Medum. Aus symbolischen Gründen ist die Haut des Mannes dunkel und die der Frau hell. (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

Die Hochkultur der alten Ägypter dauerte etwa 3000 Jahre. Eine gewaltige Zeitspanne, wenn man zum Beispiel den Beginn des christlichen Abendlandes auf die Zeit um Christie Geburt festlegt, so dass „erst” etwa 2000 Jahre abendländischer Kultur vergangen sind. Während ihrer langen Geschichte ruhte die altägyptische Zivilisation weitgehend in sich selbst. Die Ägypter waren sich der Homogenität ihrer Geschichte bewusst und konzentrierten ihren Lebensalltag auf die eigene Kultur, die nach ihrer Meinung anderen Kulturen überlegen war. In der Kunst wurden Angehörige von fremden Kulturen gezielt als Fremde dargestellt und unterschieden sich klar von den Bewohnern des Reiches am Nil (Abb. [2] u. 3). Die Ägypter selbst zeichneten sich auf Darstellungen durch eine rotbraune Haut aus und waren nicht schwarz. Schwarze Menschen wurden als Nicht-Einheimische dargestellt; sie überreichten auf Abbildungen dem Pharao entweder Tribute oder waren Diener, Sklaven und Exoten an den Höfen der Großen des Reiches. Pepi II., der am Ende des Alten Reiches als Kind bereits Pharao geworden war, schrieb während seiner Kinderzeit einem Gaufürsten einen Brief und bedankte sich überschwänglich für einen Tanzzwerg (wahrscheinlich einen Pygmäen), der zu seinem Vergnügen zu ihm geschickt worden war. Der Brief trug sogar den Vermerk „vom König selbst gesiegelt”. Akzeptiert wurden schwarze Menschen (es handelte sich um Bewohner aus Nubien/heute Sudan und Äthiopien) auch als Söldner in der ägyptischen Armee. Sie wurden dabei in eigenen Einheiten zusammengefasst und von ägyptischen Offizieren geführt (Abb. [4] u. 5). Zu den Eliteeinheiten des Pharao, wie etwa die Besatzungen der Kampfwagen, gehörten dagegen nur Ägypter. Erst in der Spätzeit der Hochkultur, als das Reich bereits im Niedergang begriffen war, gab es in Ägypten neben persischen und assyrischen Herrschern auch einige Herrscher aus Nubien, die schwarz waren. Nach ihnen geriet Ägypten unter den Einfluss von Alexander dem Großen, dessen General Ptolemaios eine eigene Dynastie gründete. Von nun an war das Reich griechisch-hellenistisch orientiert, und der Priester Manetho schrieb die Geschichte des Reiches mit seinen über 30 Dynastien in griechischer Sprache [4].

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Abb. 2 Fayence-Wandkacheln, gefunden in Medinet Habu, Palastruine von Pharao Ramses III. (1195 - 1162 v. Chr.), Höhe 25 cm. Dargestellt ist von links nach rechts ein Nubier, ein Syrer und ein Libyer. (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Abb. 3 Griff eines Zeremonienstabes aus dem Grab von Pharao Tut-anch-Amun, dargestellt ist ein Mensch aus Mesopotamien (Asien) und aus Nubien (Schwarzafrika). (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Abb. 4 Kolonne von nubischen Bogenschützen, die als Söldner in der ägyptischen Armee dienten, die Soldaten werden als Schwarze dargestellt. Fund aus einem Grab des Mesehti (11. Dynastie, um 2000 v. Chr.). (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Abb. 5 Kolonne von ägyptischen Fußsoldaten mit Lanze und Schild, die Soldaten werden als Ägypter dargestellt. Fund aus dem Grab des Mesehti (11. Dynastie). (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Die Vorgeschichte der ägyptischen Hochkultur

Um die Herkunft der alten Ägypter und die Diskussionen um ihre Hautfarbe besser zu verstehen, ist eine Exkursion in die tiefe Vergangenheit von Nordafrika notwendig. Vor mehr als 10 000 Jahren, als in Europa noch Eiszeit herrschte, war die Sahara grün und nicht wie heute eine lebensfeindliche Wüste. In den fruchtbaren Steppen- und Savannenlandschaften mit Flüssen und Seen lebten damals Jäger und Sammler, die später auch zu Hirten und Viehzüchter wurden. Sie hinterließen wie die steinzeitlichen Bewohner von Frankreich und Spanien zahlreiche Felszeichnungen. Nach Skelettfunden handelte es sich bei ihnen häufig um Menschen des Cro-Magnon-Types, die während der Steinzeit den Mittelmeerraum bevölkerten und auch in Westeuropa, insbesondere in Frankreich (Abb. [6]), lebten. Zu ihren Nachkommen gehören in Nordafrika die Berber, die sich noch heute durch eine relativ helle Haut auszeichnen, teilweise blaue Augen besitzen und wie Südeuropäer aussehen. Etwa ab dem 7. bis 11. Jahrhundert n. Chr. wurden sie durch eingewanderte Araber immer stärker zurückgedrängt und kommen inzwischen nur noch in abgelegenen Gebieten vor. Als mögliche Vorfahren eines anderen Saharavolkes, der hoch gewachsenen und ebenfalls oft hellhäutigen Tuareg, gilt das Volk der Garamanten, die bereits in der frühen Antike auf dem Gebiet von Lybien ein eigenes Reich gründeten. Mit hellhäutigen Nachbarn aus dem heutigen Lybien hatten die Ägypter oft kriegerische Auseinandersetzungen.

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Abb. 6 Künstlerisch anspruchsvolle Steinritzung von zwei menschlichen Figuren aus der Steinzeit in Frankreich, gefunden in La Marche. Beide Menschen sind nicht schematisch dargestellt. Es gibt Ähnlichkeiten mit der altägyptischen Malerei: Kopf im Profil und Auge frontal (nach D. Vialou und D. Ferembach, 1981).

Während der Steinzeit verfügten die Bewohner an den nordafrikanischen Küsten sogar über hochseefähige Schiffe, denn es gelang ihnen, die Kanarischen Inseln zu besiedeln. Als die Spanier im 15. Jahrhundert diese Inselgruppe besetzten, trafen sie dort die Guanchen an. Eine Volksgruppe, die damals noch deutlich den nordafrikanisch-europäischen Cro-Magnon-Typ verkörperte und von den ausgewanderten frühen nordafrikanischen Bevölkerungsgruppen abstammte. Sie waren hoch gewachsen und hatten eine helle Haut, viele von ihnen waren außerdem blond und besaßen blaue Augen. Die Fähigkeit ihrer Ahnen zur Hochseeschifffahrt hatten sie allerdings verlernt. Bemerkenswert an ihnen war außerdem, dass sie wie die alten Ägypter ihrer Toten mumifizierten. Später wurde die Volksgruppe der Guanchen von den Spaniern weitgehend ausgerottet oder verschwand durch Vermischung mit den Eroberern. Nach Schädelvermessungen kommt jedoch noch heute, hauptsächlich auf Gomora, unter den Inselbewohnern der Cro-Magnon-Typ vor.

Etwa ab der Zeit um 6000 v. Chr. begann das Gebiet der heutigen Sahara immer trockener zu werden. Der Klimawandel wurde schließlich dramatisch, so dass die Menschen zusammenrücken mussten. Gleichzeitig wanderten auf der Flucht vor der Trockenheit zusätzlich aus dem vorderasiatischen Raum noch weitere Gruppen von Menschen ein. Zuletzt strebten alle zu den Küstengebieten sowie zu den großen Seen und Flüssen, die allerdings bald auszutrocknen begannen. Allein der Nil bot eine sichere Wasserversorgung. Allerdings glich das Niltal in der Steinzeit einem lebensfeindlichen Sumpfgebiet. Doch die zunehmende Trockenheit erzwang eine Anpassung. Die talentierten Vorfahren der alten Ägypter gaben das Leben in kleinen Gruppen auf, organisierten sich zu einem tatkräftigen Volk mit effektiver Arbeitsteilung und machten die Sümpfe des Nils zu fruchtbarem Ackerland. In einer gewaltigen Leistung wurde dabei eine der ersten Hochkulturen geboren.

In nur vier Weltgegenden begann sich am Ende der Steinzeit wahrscheinlich weitgehend unabhängig voneinander eine Hochkultur abzuzeichnen: Tal des Nils sowie des Euphrat und Tigris (etwa 4000 bis 3000 v. Chr.), Tal des Indus (etwa 2500 v. Chr.) und Tal des Hoangho in China (etwa 2000 v. Chr.) [4] [5] [6].

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Die Herkunft der negriden Großrasse

Skelettfunde südlich der Sahara belegen, dass es während der Steinzeit im heutigen Schwarzafrika wahrscheinlich noch keine negride Großrasse gab. Das südliche Afrika war vor mehr als 10 000 Jahren weitgehend von Menschen bevölkert, die dem khoisaniden Rassenkreis zugeordnet werden können. Sie hatten zwar eine dunkle Hautfarbe, waren allerdings keine Negride. Dieser Rassenkreis wird als der älteste der Menschheit angesehen und seine Angehörige sollen direkt auf den noch jungen Homo sapiens zurückgehen, der sich vor rund 100 000 bis 140 000 Jahren im südöstlichen Afrika entwickelt hatte. Heute gelten die letzten Reste der Buschmänner als ihre Nachkommen. Die Vorfahren der Buschmänner fertigten einst sogar kunstvolle Felsmalereien an, so dass es in der Steinzeit eine Linie von Felsmalereien gab, die in Südafrika begann, durch die heutige Sahara führte und in Südeuropa endete. Die gegenwärtigen Buschmänner sind allerdings kulturell degeneriert und führen keine Felsmalereien mehr durch. Wie weit die Khoisaniden einst verbreitet waren, können neben Knochenfunden auch Sprachrelikte belegen. In Tansania, mehr als 1600 Kilometer vom jetzigen Gebiet der Buschmänner entfernt, werden auf Sprachinseln noch heute Khoisan-Sprachen gesprochen.

Die frühen Bewohner des tropischen Regenwaldes waren ebenfalls noch keine echten Negriden. Aus ihnen entwickelten sich die heutigen Pygmäen, die zwar optisch den Negriden ähneln, aber nicht direkt von ihnen abstammen.

Der genaue Entwicklungsort der negriden Großrasse ist nicht gesichert. Es wird angenommen, dass ihre Angehörigen von dunkelhäutigen Volksgruppen abstammen, die während der Steinzeit vom südwestlichen Asien aus über das Nadelöhr Niltal nach Afrika eingewandert sind. Diese Wanderungen mussten lange vor der Gründung des Reiches der Pharaonen bereits abgeschlossen gewesen sein, denn später war Ägypten eine militärische Großmacht und verhinderte alle Wanderbewegungen durch sein Gebiet. In den sonnendurchfluteten afrikanischen Steppengebieten änderte sich dann die Hautfarbe dieser Volksgruppen in schwarz und die typischen Merkmale der negriden Großrasse wurden herausgebildet. Von Westafrika aus besiedelten die Negriden anschließend den afrikanischen Kontinent südlich der Sahara. Gegenüber der Urbevölkerung konnten sie sich durchsetzen, da sie schon früh die Landwirtschaft beherrschten, die den Menschen des khoisaniden Rassenkreises fremd war. Als die ersten Europäer in Südafrika landeten, war die Verdrängung des khoisaniden Rassenkreises durch den negriden Rassenkreis noch voll im Gange.

Jede Rasse ist nur ein Augenblickszustand in der Entwicklung von Populationen des Homo sapiens. Es ist anzunehmen, dass der frühe Homo sapiens aufgrund seines Lebensortes in Südostafrika primär eine dunkelbraune Hautfarbe hatte, deren Pigmentierung sich in zwei Richtungen entfalten konnte: Die Pigmentierung ging zurück, und die Menschen wurden weiß; die Pigmentierung nahm zu, und die Menschen wurden schwarz.

Eine nur geringe Hautpigmentierung verbessert bei einer schwachen UV-Bestrahlung die Vitamin D-Produktion im Körper. Sind dunkelhäutige Menschen in ihrer Umwelt einer zu niedrigen UV-Bestrahlung ausgesetzt, vermindert sich deshalb bei ihnen die Vitamin D-Versorgung. Im Körper löst dieser Mangel Knochenveränderungen aus (bei Kindern Rachitis), die es Frauen erschweren, Kinder zur Welt zu bringen. In Gebieten mit einer verminderten Sonnenbestrahlung können deshalb langfristig dunkelhäutige Menschen aussterben, während hellhäutige überleben. Diese Thesen haben allerdings Schwächen: Der Lebensraum der schwarzen Pygmäen ist der tropische afrikanische Regenwald. Die UV-Bestrahlung durch die Sonne wird für sie bereits seit Jahrtausenden durch das Blätterdach der Bäume abgeschirmt, dennoch bleiben sie schwarz. Die heute ausgestorbene Urbevölkerung von Tasmanien war wie die australischen Aborigines schwarz, obwohl die Tasmanier bereits vor rund 10 000 Jahren von Australien isoliert wurden und in einem Gebiet mit verminderter UV-Bestrahlung lebten [5] [6] [7].

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Wie afrikanisch sind die Afroamerikaner?

Bei der Urbevölkerung Afrikas sind genetische Variationen besonders groß und es gibt unterschiedliche Rassenkreise. Auch die negride Großrasse ist weniger einheitlich als die europide oder die mongoloide. Afrika ist die Wiege der Menschheit und entsprechend viel Zeit stand dort für die Entwicklung von genetischen Variationen zur Verfügung. Auf allen übrigen Kontinenten war die Entwicklung der Menschheit kürzer. Letztlich stammen alle Menschen der Erde von einer afrikanischen Stammgruppe des Homo sapiens ab. Nach Analysen der menschlichen Mitochondrien-DNA entwickelte sich die gesamte Menschheit aus wenigen tausend Individuen, die erstmals vor 100 000 bis 140 000 Jahren in Ostafrika auftauchten und sich seitdem über die gesamte Erde verbreitet haben [6].

Afroamerikaner, die sich stolz als Afrikaner bezeichnen, haben häufig außer der schwarzen Hautfarbe mit den ursprünglichen Negriden nur wenig genetische Gemeinsamkeiten. Genetische Analysen des Y-Chromosoms weisen auf die väterliche Linie der Vorfahren und Analysen der Mitochondrien-DNA auf die mütterliche Linie. Afroamerikaner kamen zuerst als Sklaven, die meist aus Westafrika stammten, nach Amerika. Später zeugten viele weiße Herrn mit schwarzen Sklavinnen außereheliche Kinder. Bei Jungen war das Y-Chromosom der Mischlinge deshalb europid. Es blieb auch bei deren Nachkommen so, und heute besitzen über 30 Prozent der männlichen Afroamerikaner trotz der schwarzen Hautfarbe ein europides Y-Chromosom. Waren Mischlinge zwischen Weißen und Schwarzen sehr hellhäutig, konnten sie außerdem leicht als „Weiße” in die amerikanische Armee eintreten, und sie und ihre Nachkommen blieben dann Weiße [5].

Sogar in heute recht einheitlichen genetischen Populationen kommen manchmal vor langer Zeit eingestreute fremde genetische Informationen erneut zum Vorschein. In einigen Gegenden Frankreichs, insbesondere dort, wo vor Jahrhunderten einmal Auseinandersetzungen mit den Hunnen stattfanden, werden gehäuft Kinder mit einem so genannten Mongolenfleck geboren. Zu ihren fernen Vorfahren gehörte möglicherweise einmal ein Krieger der asiatischen Hunnen, der am Ende der Antike vom Heer des Hunnenkönigs Attila nach der Niederlage in der Schlacht auf den Katalanischen Feldern in Gallien zurückgelassen worden war. Manche eindeutig europide Menschen besitzen ganz leicht schlitzförmige Augen, die bei Frauen oft als besonders attraktiv angesehen werden. Auch hier könnten asiatische Einflüsse eine Rolle gespielt haben.

Die alten Ägypter waren weder weiß noch schwarz, sondern in der Hautfarbe dem UV-Anteil ihrer Umwelt angepasst. In ihrem Aussehen und der Statur erschienen sie europid, obwohl sich die europide Großrasse in ihrer heutigen Form damals noch nicht voll ausgeprägt hatte.

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Literatur

  • 1 Diop C A. The African Origin of Civilization. Myth or Reality?. New York; Academic Press 1974
  • 2 Knußmann R. Vergleichende Biologie des Menschen. Suttgart, Jena; G. Fischer 1996
  • 3 Schwidetzky I. Grundlagen der Rassensystematik. Mannheim, Wien; Bibliograph. Institut 1974
  • 4 Reitz M. Alltag im alten Ägypten. Augsburg; Battenberg 1999
  • 5 Olson S. Mapping Human History. Discovering the Past Through Our Genes. Boston, New York; Houghton Mifflin Co 2002
  • 6 Cavalli-Sforza L L. Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation. München, Wien; Carl Hanser 1999
  • 7 Herrmann J, Ullrich H. Menschwerdung. Millionen Jahre Menschheitsentwicklung. Berlin; Akademie Verlag 1991

Dr. Manfred Reitz

Schillerstr. 7 · 99423 Weimar

eMail: mreitz@imb-jena.de

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Literatur

  • 1 Diop C A. The African Origin of Civilization. Myth or Reality?. New York; Academic Press 1974
  • 2 Knußmann R. Vergleichende Biologie des Menschen. Suttgart, Jena; G. Fischer 1996
  • 3 Schwidetzky I. Grundlagen der Rassensystematik. Mannheim, Wien; Bibliograph. Institut 1974
  • 4 Reitz M. Alltag im alten Ägypten. Augsburg; Battenberg 1999
  • 5 Olson S. Mapping Human History. Discovering the Past Through Our Genes. Boston, New York; Houghton Mifflin Co 2002
  • 6 Cavalli-Sforza L L. Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation. München, Wien; Carl Hanser 1999
  • 7 Herrmann J, Ullrich H. Menschwerdung. Millionen Jahre Menschheitsentwicklung. Berlin; Akademie Verlag 1991

Dr. Manfred Reitz

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eMail: mreitz@imb-jena.de

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Abb. 1 Prinz Rahotep und seine Ehefrau Nofret (4. Dynastie, um 2500 v. Chr.); Ausschnitt aus einer bemalten Statuengruppe aus Kalkstein, gefunden in einer Grabanlage in Medum. Aus symbolischen Gründen ist die Haut des Mannes dunkel und die der Frau hell. (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Abb. 2 Fayence-Wandkacheln, gefunden in Medinet Habu, Palastruine von Pharao Ramses III. (1195 - 1162 v. Chr.), Höhe 25 cm. Dargestellt ist von links nach rechts ein Nubier, ein Syrer und ein Libyer. (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Abb. 3 Griff eines Zeremonienstabes aus dem Grab von Pharao Tut-anch-Amun, dargestellt ist ein Mensch aus Mesopotamien (Asien) und aus Nubien (Schwarzafrika). (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Abb. 4 Kolonne von nubischen Bogenschützen, die als Söldner in der ägyptischen Armee dienten, die Soldaten werden als Schwarze dargestellt. Fund aus einem Grab des Mesehti (11. Dynastie, um 2000 v. Chr.). (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Abb. 5 Kolonne von ägyptischen Fußsoldaten mit Lanze und Schild, die Soldaten werden als Ägypter dargestellt. Fund aus dem Grab des Mesehti (11. Dynastie). (Ägyptisches Nationalmuseum, Kairo).

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Abb. 6 Künstlerisch anspruchsvolle Steinritzung von zwei menschlichen Figuren aus der Steinzeit in Frankreich, gefunden in La Marche. Beide Menschen sind nicht schematisch dargestellt. Es gibt Ähnlichkeiten mit der altägyptischen Malerei: Kopf im Profil und Auge frontal (nach D. Vialou und D. Ferembach, 1981).