Über den Nutzen von Kortikosteroiden beim ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome)
wird kontrovers diskutiert. In Studien brachte eine kurzfristige, hoch dosierte Kortikosteroid-Therapie
bei Patienten mit einem ARDS-Risiko oder in einem frühen Stadium des akuten Lungenversagens
keine Verbesserung in der Mortalität.
Hyun-Sung Lee und Mitarbeiter vom Nationalen Krebszentrum in Goyang/Korea verglichen
die konventionelle Behandlung mit einer früh einsetzenden niedrig dosierten Kortikosteroid-Therapie
bei Patienten mit postoperativem ARDS. Sie erhielten alle 6 Stunden Methylprednisolon
intravenös 2 mg/kg, anschließend oral in einer Einzeldosis von 2 mg/kg täglich oder
die Therapie wurde abgesetzt (Ann Thorac Surg 2005; 79: 405-410).
Über einen Zeitraum von 2,5 Jahren wurden 523 große Thoraxoperationen vorgenommen,
bei 20 Patienten (3,8%) entwickelte sich ein ARDS. 8 erhielten die konventionelle
und 12 eine Kortikosteroid-Behandlung. Im Median wurde nach 9,5 Tagen die intravenöse
Therapie beendet oder auf eine einmal tägliche orale Dosis umgestellt.
Von den 12 Patienten benötigten 7 (58,3%) keine mechanische Beatmung, sondern lediglich
eine Sauerstoffmaske. 9 von ihnen (75%) konnten im Median nach 21 Tagen mit einem
normalen Lungenbefund aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Mortalität betrug
in der Gruppe mit der konventionellen Therapie 87,5% und in der Kortikosteroid-Gruppe
8,3%. Der eine Todesfall in dieser Gruppe stand nicht in direktem Zusammenhang mit
dem ARDS.
In der unmittelbar nach dem Röntgen-Thorax vorgenommenen Computertomographie der ARDS-Patienten
zeigten sich ausgedehntere Infiltrationen als im Röntgenbild. Diese Befunde unterstützen
den Einsatz von Kortikosteroiden in der frühen Phase des ARDS, bemerken die Autoren.
Bei den während der Nachbeobachtungszeit angefertigten Computertomographien waren
bei 9 der 12 Patienten keinen Infiltrationen mehr nachzuweisen.
ARDS nach Rauschgasinhalation, proliferative Phase. Eine Lungenschädigung kann durch
frühzeitige Gabe von Kortikosteroiden verhindert werden (Bild: Checkliste Pneumologie, Thieme 1998).
Die häufigste Nebenwirkung der Kortikosteroid-Therapie bestand in Tachyarrhythmien,
die bei allen 12 Patienten auftraten. 4 Patienten in der Methylprednisolon-Gruppe
entwickelten eine Psychose, die sich bei 3 Patienten spontan zurückbildete.
Fazit
Die frühzeitige Gabe von niedrig dosiertem Methylprednisolon verringerte in der Studie
die Mortalität an einem ARDS nach einer Thoraxoperation wegen Lungenkrebs oder einem
Ösophaguskarzinom signifikant. Die Ergebnisse untermauern die Hypothese, dass bei
einer Lungenschädigung frühzeitig eine Fibroproliferation auftritt. Dies kann durch
Kortikosteroide verhindert werden, ohne die Wundheilung zu beeinträchtigen, so die
Autoren.
Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt