Klinische Neurophysiologie 2005; 36(2): 100-103
DOI: 10.1055/s-2005-866831
Kongressbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

4. Deutsch-Skandinavischer Kongress über Bewegungsstörungen, Göteburg und Kiel, 10. - 14.2.2005

4th German-Scandinavian Meeting on Movement Disorders, in Göteborg and Kiel, 10. - 14.2.2005P.  Odin1
  • 1Department of Neurology, Klinikum Bremerhaven
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Publication Date:
01 June 2005 (online)

Vom 10. - 14.2.2005 fand in Göteborg und Kiel der 4. Deutsch-Skandinavische Kongress über Bewegungsstörungen statt. Dies wird in Zusammenarbeit zwischen der Swedish Movement Disorder Society, SWEMODIS, Kompetenznetz-Parkinson, KNP und Danish Movement Disorder Society, DanModis, organisiert. Das Besondere an diesen Tagungen ist, dass sie in zwei Ländern, Deutschland und Schweden stattfinden. Die Eröffnung fand an zwei Kongresstagen in Göteborg statt und danach folgte ein Kongresstag in Kiel. Zwischen Göteborg und Kiel wurden die Teilnehmer mit der Stena-Line-Fähre über Nacht transportiert. Pfizer GmbH war Sponsor. Die früheren Tagungen dieser Art fanden 1999, 2001 und 2003 statt. Zum Organisationskomitee gehörten diesmal Prof. Deuschl, Prof. Odin und Prof. Oertel aus Deutschland, Prof. Aquilonius und Prof. Johnels aus Schweden, Dr. Dupont aus Dänemark, Prof. Dietrich aus Norwegen und Prof. Myllylä aus Finnland. 110 besonders eingeladene Bewegungsstörungsexperten aus Deutschland, Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland nahmen teil. 52 Vorträge fanden im Rahmen von 9 Sitzungen statt. Behandelt wurden sowohl experimentelle als auch klinische Bewegungsstörungsthemata, z. B. molekuläre und zelluläre Aspekte, Neuroprotektion und Neurogenese, klinische Symptome und Diagnose, Klinische Neurophysiologie, Dystonien, „Restless Legs”, Update - pharmakologische Therapien und Update - neurochirurgische Therapien.

Der folgende Bericht zu diesem Symposium legt nicht so viel Wert auf Vollständigkeit, sondern konzentriert sich auf die Bereiche, in denen wichtige Fortschritte erzielt wurden bzw. auf besonders wichtige Vorträge.

Der Kongress wurde mit einem Kurzvortrag des Nobelpreisträgers Arvid Carlsson eröffnet. Arvid Carlsson wohnt und arbeitet in Göteborg und ist noch im Alter von über 80 Jahren äußerst aktiv auf dem Gebiet Pharmakologie und Pharmakotherapie bei neuropsychiatrischen Erkrankungen. Er skizzierte in seinem Vortrag mögliche pharmakologische Neuentwicklungen mit Relevanz für diese Erkrankungen.

Danach folgten zwei molekulargenetisch orientierte Vorträge von Prof. Mizuno aus Tokyo und Prof. Gasser aus Tübingen, die die letzten Entwicklungen bezüglich Genetik bei M. Parkinson und anderen Bewegungsstörungen beleuchteten. Dies ist zurzeit ein Gebiet mit sehr schneller Entwicklung, und die Ergebnisse erhalten zunehmende Bedeutung auch für das Verständnis von pathophysiologischen Mechanismen der neurodegenerativen Erkrankungen. Bezüglich familiär vorkommenden M. Parkinson gibt es jetzt elf Varianten als PARK1 - 11 identifiziert. Es handelt sich sowohl um autosomal-rezessiven Parkinsonismus (z. B. PARK2, PARK6 und PARK7) als auch um autosomal-dominanten Parkinsonismus (z. B. PARK1 und PARK3). Diese familiären Formen von Parkinsonismus erklären möglicherweise 5 - 10 % aller Parkinson-Fälle. Eine wichtige Frage ist jetzt, was bedeuten genetische Faktoren für die große Mehrzahl „sporadischer” Fälle von Parkinsonismus - gibt es Suszeptibilitätsgene (z. B. für α-Synuklein) und wenn ja welche Rolle spielen diese?

Prof. Björklund aus Lund, Schweden, präsentierte Daten bezüglich der Gentherapie bei Modellen für M. Parkinson. Es gibt hier zurzeit zwei Hauptstrategien: Gentransfer für potenziell neuroprotektive Substanzen und Gentransfer bezüglich der Enzyme, die für die L-Dopa- oder Dopaminsynthese zur Erhöhung der Dopaminkonzentration im Striatum verantwortlich sind. Vor allem arbeitet man hier mit Glial Cell Line Derived Neurotrophic Factor, GDNF und Tyrosinhydroxylase, TH. GDNF schützt die dopaminergen Neurone und stimuliert die Verbesserung der Funktion. TH induziert nahezu vollständige funktionelle Verbesserung bei Tiermodellen für M. Parkinson. Prof. Björklund war optimistisch bezüglich der Möglichkeit, dass diese Ergebnisse in den nächsten Jahren auch klinische Relevanz bekommen.

Dr. Winkler aus Hannover berichtete über die aktuelle Lage der Nervenzelltransplantation. Mehrere offene klinische Studien haben nachgewiesen, dass fetale Dopaminneurone, die intrastriatal implantiert werden, erhebliche und lang andauernde klinische Verbesserungen bei Patienten mit einer avancierten Parkinson-Erkrankung induzieren können. Zwei Sham-kontrollierte amerikanische Studien sind jetzt publiziert, bei denen man aber nur sehr begrenzte klinische Effekte gesehen hat. Außerdem zeigten in beiden dieser Studien mehrere Patienten sog. „Off”-Dyskinesien. Diese Studien spiegeln wider, dass es noch viel zu verbessern gibt, bevor die Neurotransplantation eventuell zu einer klinisch nutzbaren Therapie entwickelt werden kann. Die Transplantationsmethode, die Immunsuppression und Patientselektion müssen verbessert und standardisiert werden. Wie viele Zellen implantiert werden und wo diese implantiert werden sollen, muss eventuell, abhängig vom Degenerationsmuster, individuell entschieden werden. Dr. Winkler hatte aber wenig Zweifel daran, dass dies gelingen wird und dass die Neurotransplantation ein „Come-back” erleben und sich zu einer sicheren und effektiven Therapie für M. Parkinson entwickeln kann.

Prof. Riederer, Würzburg, hat Evidenz für eine physiologische Bedeutung von Neuromelanin für gewisse Subtypen von dopaminergen und noradrenergen Nervenzellen in der Substantia nigra und dem Locus coeruleus präsentiert. Aus Aarhus, Dänemark, kam ein „Update” bezüglich Ursachen und Effekte der α-Synuklein-Aggregation bei neurodegenerativen Erkrankungen.

Aus Lund, Schweden, wurden sehr interessante Ergebnisse zu der molekularen Pathophysiologie der L-Dopa-induzierten Dyskinesien vorgetragen. Die Ergebnisse basierten auf einem neu entwickelten Rattenmodell für L-Dopa-induzierte Dyskinesien. Auch Prof. Fuxe vom Karolinska-Institut in Stockholm interessiert sich für Dyskinesien und schlug vor, dass A2A/D2-Rezeptor-Interaktionen dafür eine Bedeutung haben können.

Von der Universität Marburg konnte Dr. Liss über Experimente berichten, die die Bedeutung der K-ATP-Kanäle für die Empfindlichkeit der DA-Neuron bei neurodegenerativen Prozessen illustrierte. Dies könnte neue Wege für die Entwicklung von neuroprotektiven Strategien öffnen. Von der Universität Göteborg (Dr. Bergquist) wurde über ein Experiment berichtet, bei dem man die Bedeutung der Dopaminfreisetzung in der Substantia nigra für motorische Funktionen untersucht hat. Dr. Bergquist schlug vor, dass diese nigrale Dopaminfreisetzung eine verstärkende Funktion für die Basalganglien-„output”-Aktivität hat.

Dr. Baier aus Göttingen berichtete über die Entwicklung eines möglichen Rattenmodells für „Restless Legs”. Mit einem selektiven Dopamin-D3-Rezeptorantagonist erzielt man vermehrte motorische Aktivität - ein mögliches Korrelat zum Bewegungsdrang und den Schlafproblemen bei RLS-Patienten.

In der Sitzung über Neuroprotektion und Neurogenese hat Prof. Schulz eine Übersicht über die Mechanismen des neuronalen Zelltodes und mögliche Strategien diesen zu verhindern oder zu bremsen gegeben. Dr. Höglinger aus Marburg beschrieb Ergebnisse von Studien, die nachweisen konnten, dass dopaminerge Stimulation (z. B. mit L-Dopa oder Dopaminagonisten) die Produktion von neuronalen Präkursorzellen stimuliert. Umgekehrt konnte man im Gehirn von verstorbenen Parkinson-Patienten reduzierte adulte Neurogenese nachweisen. Er schlug vor, dass diese reduzierte Neurogenese ein Grund sein könnte für die nicht-motorischen Symptome, die oft erst im Verlauf der Erkrankung auftreten.

Bezüglich Neurogenese der Dopaminneurone gibt es jetzt ganz unterschiedliche Ergebnisse. Die Forschungsgruppe um Dr. Jansson in Stockholm haben Studien publiziert, die zeigen, dass es eine aktive dopaminerge Neurogenese in der Substantia nigra gibt, und dass die Menge überlebender Dopaminneurone in der Substantia nigra ein Ergebnis des kontinuierlich verlaufenden Zelltodes und der Neurogenese ist. Dr. Paul der Universität Lund berichtete über Ergebnisse von Studien, die die Ergebnisse von Stockholm diesbezüglich zum wesentlichen Teil widerlegten. Es gab keinen Anhalt für eine aktivere Neurogenese in der Substantia nigra.

In der Sitzung zum Thema klinische Symptome und Diagnose hat Prof. Reichmann aus Dresden über autonome Störungen bei M. Parkinson berichtet. Bis 80 % der Parkinson-Patienten haben autonome Abnormitäten und bei 50 % sind diese so ausgeprägt, dass die Lebensqualität beeinträchtigt wird. Dies beinhaltet gastrointestinale, kardiovaskuläre und urogenitale Störungen. Prof. Reichmanns Forschungsgruppe hat ein autonomes Funktionslabor aufgebaut und machte detaillierte quantitative Studien zur Phänomenologie, Pathogenese und Therapie dieser Störungen. Dr. Winge aus Kopenhagen studiert spezifisch die urologischen Symptome bei M. Parkinson und atypische Parkinson-Syndrome. Er findet eine gute Korrelation zwischen Erkrankungsschweregrad und Ausprägung der urologischen Symptome. Auf Basis seiner Ergebnisse schlägt er vor, dass der Grad der dopaminergen Denervation im Striatum mit dem Grad der urologischen Symptome korreliert, und dass besonders die Degeneration des Nucleus caudatus mit einer urologischen Problematik gut korreliert.

Prof. Dengler von der Medizinischen Hochschule Hannover, MHH, berichtete über ganz neue Ergebnisse bezüglich der Kapazität von Parkinson-Patienten Emotionen zu vermitteln und zu verstehen. Man konnte feststellen, dass sowohl Perzeption wie Expression von Emotionen beeinträchtigt ist - die „emotionelle Prosodie” ist subnormal. Diese Ergebnisse wurden mit ereigniskorrelierten Hirnpotenzialen und z. T. mit funktioneller Kernspintomographie gewonnen.

Dr. Bergquist von der Universität Uppsala, Schweden, ist „Proteonics”-Experte und arbeitet mit sehr avancierten physikalisch-chemischen Methoden, die benutzt werden, um Proteine voneinander zu differenzieren. Man macht einen „Fingerabdruck” - „Fingerprint” - der Gewebeproben bezüglich Proteinexpression. So hat man jetzt einige Proteine identifiziert, die unterschiedlich stark im Liquor von ALS-Patienten im Vergleich zu Normalpersonen vorhanden sind. Man hofft jetzt, dass durch weitere Analyse dieser Proteine Information erzielt werden kann, was z. B. für das Verständnis von pathophysiologischen Mechanismen wichtig sein kann.

Prof. Granerus arbeitet in Linköping, Schweden, mit Parkinson-Patienten in der Geriatrie. Sie berichtete über besondere Charakteristika der Erkrankung bei älteren Menschen, auch über Erfahrungen und Ergebnisse bezüglich geeigneter Therapiestrategien für diese Patientengruppe. Sie zeigte, dass die Lebenserwartung bei M. Parkinson nur leicht reduziert ist, und dass Atemwegserkrankungen häufiger, aber Krebs und kardiovaskuläre Erkrankungen weniger häufig sind als Todesursache bei dieser Patientengruppe im Vergleich zu einer Normalpopulation.

In der Dystoniesitzung wurde sowohl Genetik, Prävalenz sowie neue Therapieentwicklungen besprochen. Dr. Skogseid von Oslo, Norwegen, zeigte, dass zervikale Dystonie zu signifikant verschlechterter Lebensqualität („Health-related quality of Life”) führt, und dass dies signifikant verbessert wird mit einer Botulinumtoxintherapie. Prof. Naumann vom Klinikum Augsburg gab eine Übersicht zur Therapie. Er zeigte, dass es bezüglich peroraler Pharmakotherapie hauptsächlich vier Möglichkeiten gibt: Anticholinergika, dopaminerge und antidopaminerge Pharmaka sowie Baclofen. Davon ist nur der Effekt der Anticholinergika in guten kontrollierten Studien nachgewiesen. Außer peroraler Therapie gibt es drei sehr wirkungsvolle Optionen: Botulinumtoxin (für fokale Dystonie), intrathekales Baclofen und Tiefenhirnstimulation (für generalisierte und segmentelle Dystonie). Dass die Ergebnisse mit Tiefenhirnstimulation überzeugend sind, wurde auch von Dr. Kupsch, Berlin, und Dr. Volkmann, Kiel, bestätigt. Sie summierten die bisherigen deutschen Erfahrungen auf diesem Gebiet auf.

In der Restless-Legs(RLS)-Sitzung wurden vor allem Pathophysiologie und Therapie umfassend diskutiert. Dr. Widner aus Lund, Schweden, Dr. Palhagen, Stockholm, Schweden, und Dr. Schattschneider, Kiel, haben unterschiedliche Aspekte bezüglich Pathophysiologie beleuchtet. Es scheint klar, dass dopaminerge Mechanismen eine wichtige Rolle spielen. Sonst ist noch viel unklar - es wird aber postuliert, dass sowohl periphere wie zentrale Mechanismen involviert sind. Prof. Oertel, Universität Marburg, hat aktuelle Ergebnisse zur Therapie vorgestellt. Es scheint immer eindeutiger, dass Dopaminagonistentherapie Vorteile gegenüber der L-Dopa-Therapie hat, vor allem darin, dass es mit Dopaminagonisten ein geringeres Risiko für Langzeitkomplikationen in Form von Augmentation (Augmentation: Symptome werden schwerer, kommen in anderen Körperteilen und zu anderen Tageszeiten vor) gibt. Besonders mit lang wirkenden Dopaminagonisten scheint die Augmentation erheblich seltener zu sein. Gut dokumentiert sind vor allem Pergolid, Ropinirol, Pramipexol und Cabergolin. Es wird erwartet, dass Ropinirol und Pramipexol die Zulassung für die RLS-Therapie in diesem oder nächsten Jahr bekommen wird. Interessante Ergebnisse liegen auch mit Dopaminagonistentherapie über „Pflaster” vor. L-Dopa wird weiter eine Option sein, vor allem für Patienten die nur ab und zu eine Therapie brauchen. Gabapentin kann auch eine Alternative sein, besonders für Patienten mit schmerzhaftem RLS. Auch Opioide kommen zur Nutzung, sind aber deutlich schlechter dokumentiert.

Prof. Chaudhuri, vom King's College Hospital, London, war speziell eingeladen. Er berichtete über die Entwicklung von neuen Auswertungsinstrumenten für nichtmotorische Parkinson-symptome. Es handelt sich um einen Fragebogen (Non-Motor Screening Questionaire, NMSQ) und eine Skala (Non-Motor Parkinson's disease Rating Scale). Beide sind bereits zusammengestellt und werden jetzt in internationalen Untersuchungen validiert. Es wird beabsichtigt die nichtmotorischen Symptome mehr in den Fokus zu stellen, auch wenn neue Therapien entwickelt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass nichtmotorische Symptome ein entscheidender Faktor für die Lebensqualität bei M. Parkinson sind. Die nichtmotorischen Symptome haben auch eine entscheidende Bedeutung, ob und wann der Patient im Pflegeheim untergebracht werden muss, damit sind sie auch ein entscheidender Kostenfaktor.

In der Therapiesitzung hat Prof. Aquilonius, Universität Uppsala, Schweden, über die Entwicklung eines Systems für die intraduodenale Gabe von L-Dopa + Carbidopa berichtet. Dies ist gerade (Okt. 2004) in Deutschland zugelassen. Durch eine PEG und einen Duodenalkatheter wird Duodopa mit tragbaren Infusionspumpen kontinuierlich intraduodenal infundiert. Dies führt zu reduzierten Wirkungsfluktuationen (weniger Zeit in „off”) und reduzierten Dyskinesien. Die Methode ist sicher und effektiv, häufigstes Problem sind technische Schwierigkeiten mit der Infusionsausstattung.

Prof. Odin, Bremen, hat die Möglichkeit peroraler Dopaminagonisten in höheren Dosen, als normalerweise empfohlen, sog. Hochdosistherapie, beleuchtet. Eine Studie mit Hochdosistherapie mit dem Dopaminagonisten Cabergolin wurde vorgestellt. Die Erhöhung der Cabergolindosen von durchschnittlich 6 mg tgl. bis auf 13 mg tgl. führte zu Verbesserungen bezüglich der Dyskinesien, Zeit in „off”, „Off”-Symptomatologie und der Lebensqualität. Die Hochsdosistherapie wurde gut toleriert. Ähnliche Ergebnisse liegen bei den anderen peroralen Dopaminagonisten vor. Die Hochdosistherapie mit Dopaminagonisten (sowie die Kombinationstherapie mit zwei oder mehr Dopaminagonisten) könnte eine Option für Patienten mit komplizierten Wirkungsfluktuationen, besonders für Patienten mit Kontraindikation für Tiefenhirnstimulation und Pumpentherapie sein. Eine Schwierigkeit ist, dass es sich hier um „Off-Label”-Therapien handelt.

Prof. Oertel, Marburg, berichtete über erwartete Neuentwicklungen bezüglich pharmakologischer Parkinson-Therapie. Er betonte, dass es prinzipiell drei Therapieebenen gibt: symptomatische Therapie, neuroprotektive Therapie und Therapie direkt gegen die pathogenetischen Prozesse (z. B. Proteinaggregation). Die symptomatische Therapie entwickelt sich sehr erfolgreich. Bezüglich Neuroprotektion scheint der Schritt vom Laborergebnis zur Klinik sehr schwierig - bisher gibt es keinen ganz einwandfreien Nachweis einer Neuroprotektion klinisch. Die letzten Entwicklungen der symptomatischen Therapie wurden erwähnt: Die Zulassung von Apomorphin als Injektionstherapie mit Injektionspens und Infusionstherapie mit tragbaren Pumpen, die Zulassung von intraduodenaler Infusion von L-Dopa + Carbidopa, die Neuzulassung des COMT-Hemmers Tolcapon. In Kürze zu erwarten ist die Zulassung des irreversiblen MAO-B-Hemmers Rasagilin sowie die Zulassung von Pflastertherapie mit dem Dopaminagonisten Rotigotine.

In der Sitzung über chirurgische Therapien berichteten Prof. Deuschl, Dr. Volkmann, Dr. Herzog und Dr. Steigerwald aus Kiel, sowie Dr. Gerdts aus Oslo, Norwegen und Dr. Widner aus Lund, Schweden. Es wurde deutlich, dass besonders die Tiefenhirnstimulation im Nucl. subthalamicus bds. sich sehr gut in der Parkinson-Therapie etabliert. Man erreicht damit Verbesserungen bezüglich sowohl Tremor, Rigidität, Akinese und Dyskinesien als auch Lebensqualität. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Gewichtszunahme, neuropsychologische/psychiatrische Störungen (Hypomanie, Manie, Hypersexualität, Depression, Abulie, Apathie), Sprach-/Schluckstörungen und okulomotorische Störungen. Wichtigste Parameter für den Erfolg einer Operation sind ein guter L-Dopa-Effekt, guter Apomorphineffekt und jüngere Patienten. Bisher wurden diese Operationen meistens relativ spät im Verlauf der Erkrankung durchgeführt. Es werden jetzt Studien vorbereitet, bei denen früher im Verlauf (kurz nach dem Auftreten von Wirkungsfluktuationen) operiert werden soll.

Als letzter Vortragender hat Prof. Nikkhah, Universität Freiburg, über eine zurzeit laufende Studie zur Nervenzelltransplantation bei Patienten mit M. Huntington berichtet. Dies ist eine internationale Studie, in der Freiburg als deutsches Zentrum repräsentiert ist.

Zusammenfassend illustrierte diese Tagung noch einmal, dass die meisten für Bewegungsstörungen wesentlichen Forschungsgebiete in Nordeuropa gut abgedeckt sind, und dass die Forschung hier sehr hohen internationalen Standard hält. Die Ergebnisse, die vorgetragen wurden, zeigten auch, dass die Forschung schnell vorangeht und dass wir in den nächsten Jahren deutlich verbesserte Kenntnisse bezüglich Äthiopathogenese und deutlich verbesserte therapeutische Möglichkeiten für viele dieser Erkrankungen erwarten können. Wir hoffen, dass die Tagung zu nordeuropäischen Kooperationen diesbezüglich stimuliert hat. Die nächste Deutsch-Skandinavische Movement-Disorder-Tagung ist für 2007 vorgesehen.
Per Odin, Bremerhaven

Prof. Per OdinMD, PhD 

Chairman, Department of Neurology · Klinikum Bremerhaven

Postbrookstraße 103

27574 Bremerhaven

Email: per.odin@klinikum-bremerhaven.de

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