Pneumologie 2005; 59(3): 157
DOI: 10.1055/s-2005-865039
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Tuberkulose - Auch bei negativer Ziehl-Neelson-Färbung besteht Infektionsgefahr

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Publication Date:
10 March 2005 (online)

 
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Bei Patienten mit florider Tuberkulose (TB) wird meist der Sputumbefund herangezogen, um die Infektiosität zu beurteilen. Eine negativer Befund der Färbung nach Ziehl-Neelson soll ein Übertragungsrisiko weitgehend ausschließen. Neuere gentechnische Diagnosemethoden erlauben nun, diese Annahme epidemiologisch zu überprüfen. E. Hernández-Garduno et al., Vancouver/Kanada, rekonstruierten bei 791 TB-Erkrankten den Ansteckungsweg (Thorax 2004; 59: 286-290).

Dies war möglich, weil alle weiteren TB-Fälle im Umfeld bekannt waren. Den Weg der Infektion konnte man durch Identifizierung von Subtypen des Mycobacterium tuberculosis klären. Die dazu eingesetzte Methode "standard restriction fragment length polymorphism" liefert einen genetischen Fingerabdruck der Erregerstämme. Von allen Teilnehmern der Studie standen die Ergebnisse der aktuellen Sputumtestungen auf TB zur Verfügung. Die entscheidende Frage war: In welchem Umfang hatte es Folgeinfektionen gegeben, die auf Ziehl-Neelson negative Patienten zurückzuführen waren. Bei 31% der Patienten war die Sputumfärbung positiv ausgefallen. Ein eindeutig negatives Ergebnis hatten 18%. Beim Rest musste auf Grund fehlender Befunde ein negatives Sputumergebnis angenommen werden. Die Umfeldanalyse ergab, dass bei einem Sechstel aller TB-Fälle ein Patient mit negativem Sputumbefund die Infektion ausgelöst hatte. Ein Grund hierfür könnte sein, dass sich diese Patienten klinisch eher unauffällig zeigten. Häufig wurden extrapulmonale Manifestationen nachgewiesen. Bei Patienten mit positivem Sputumbefund lag eher ein Alkoholabusus oder ein intravenöser Drogengebrauch vor, und sie wurden häufiger stationär behandelt

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Disseminierte, exsudativ-kavernöse Lungentuberkulose (Bild: Checkliste Pneumologie, Thieme 1998)

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Fazit

TB-Erkrankte sind wahrscheinlich auch dann infektiös, wenn im Sputum kein Erreger nachgewiesen werden kann. Die übliche Praxis, solche Patienten nur abhängig vom Sputumbefund als kontagiös zu klassifizieren, sollte kritisch überdacht werden, so die Autoren.

Dr. Horst Gross, Berlin

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Kommentar zur Studie

P. D. O. Davies merkt in seinem Editorial an, dass in der Praxis bei rund der Hälfte aller TB-Fälle keine Quelle identifiziert werden kann. Eine mögliche Erklärung hierfür liefert nun diese neue Studie. Ob die Gefährdung durch TB-Erkrankte mit negativem Sputumbefund allerdings wirklich so hoch ist, wird bezweifelt. Oft ist eine pulmonale TB bereits ausgeheilt, wenn das Sputum überprüft wird. Der Ansteckungszeitpunkt datiert vielleicht in diese frühe Phase, aus der keine Proben vorliegen.

H. G.

 
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Disseminierte, exsudativ-kavernöse Lungentuberkulose (Bild: Checkliste Pneumologie, Thieme 1998)