1. Sachverhalt
1. Sachverhalt
Vertragsärztlich tätige Radiologen können unter dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung
für ihre Leistungen keine Vergütung in bestimmter Höhe verlangen. Mit diesem Argument
hat das Bundessozialgericht (BSG) am 8. und 9. Dezember 2004 in über 14 Verfahren
die Revisionen von Radiologen zurückgewiesen, die gegen die Kassenärztliche Vereinigung
Hessen auf eine höhere Vergütung radiologischer Leistungen in dem Zeitraum der Quartale
III/1997 bis II/1998 geklagt hatten (Az.: B 6 KA 44/03 R, B 6 KA 50/02 R, B 6 KA 28/03
R, B 6 KA 36/03 R, B 6 KA 38/03 R, B 6 KA 40/03 R, B 6 KA 42/03 R, B 6 KA 4/04 R,
B 6 KA 9/04 R, B 6 KA 12/04 R, B 6 KA 13/04 R, B 6 KA 29/04 R, B 6 KA 30/04 R).
Im Zuge der Einführung von Praxis- und Zusatzbudgets durch den EBM-Ä zum 01.07.1997
beschloss die Vertretersammlung der KV Hessen zum 01.07.1997, in ihrem Honorarverteilungsmaßstab
(HVM) im Primär- und Ersatzkassenbereich Honorargruppen zu bilden, denen bestimmte
Anteile der Gesamtvergütung (Honorarkontingente) zugewiesen wurden. Der HVM sah für
die nicht durch den EBM-Ä budgetierten Fachgruppen wie die Radiologen neben Honorarbegrenzungsmaßnahmen
in Form von fallwert- und fallzahlabhängigen Budgetierungen auch Stützungs- und Härtefallregelungen
vor. Des Weiteren waren kurativ-ambulante computertomographische und kurativ-ambulante
kernspintomographische Leistungen nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl berechnungsfähig.
Ab dem Quartal III/1998 wurden die für Radiologen geltenden Bestimmungen des HVM wesentlichen
Änderungen unterzogen.
Die Kläger rügten mit ihrer Revision jeweils eine Verletzung ihrer Rechte auf angemessene
Vergütung aus Art. 12 Abs. 1 GG mit § 72 Abs. 2, § 85 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 1,
Abs. 4 Satz 3 SGB V und § 2 Abs. 1a der Satzung der Beklagten, auf Schutz des Eigentums
(Art 14 Abs. 1 GG), des Gebots der Honorarverteilungsgerechtigkeit aus Art 3 Abs.
1 GG, des Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs. 2, Art 38 Abs. 1 Satz 1 GG), des Demokratiegebots
(Art 20 Abs. 2, Art 28 Abs. 1 Satz 1, Art 38 Abs. 1 Satz 1 GG), des Anspruchs auf
effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs. 4 GG) sowie der §§ 103 und 128 Abs 1 SGG. Es
sei rechtswidrig, dass ihnen die KV Hessen in den 4 streitigen Quartalen aufgewandte
Praxiskosten nicht erstattet und keinerlei Arztlohn bezahlt habe. Die KV Hessen sei
verpflichtet, ihnen Nachzahlungen in angemessener, vom Gericht im Einzelnen festzulegender
Höhe zu leisten. Denn Vertragsärzte hätten aus Art 12 Abs. 1 GG iVm. § 72 Abs. 2,
§ 85 Abs. 3 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 3 SGB V sowie aus § 2 Abs. 1a der
Satzung der Beklagten Rechtsansprüche auf angemessene Vergütung gegen ihre KV. Selbst
nach der Rechtsprechung des BSG bestünden solche Rechtsansprüche ausnahmsweise dann,
wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche
Versorgungssystem und als deren Folge auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem
teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wäre.
Das BSG hat in allen Verfahren die Revisionen zurückgewiesen. Die Hauptfrage, ob die
Kläger in den betroffenen Quartalen III/1997 bis II/1998 unter dem Gesichtspunkt angemessener
Vergütung höheres Honorar beanspruchen konnten, sei - auch unter Einbeziehung des
Art. 12 Abs. 1 GG - zu verneinen. Die Überprüfung der normativen Regelungen, die den
Honoraransprüchen zu Grunde lagen, und ihrer Auswirkungen habe ergeben, dass kein
Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vorlag. Das Gericht
ist der Auffassung, dass radiologische Praxen bei durchschnittlicher Ausstattung auch
unter der Geltung der angegriffenen Bestimmungen wirtschaftlich tragfähig betrieben
werden konnten. Soweit diese Voraussetzungen in Einzelfällen möglicherweise nicht
mehr vorgelegen haben sollten, werde zu prüfen sein, ob die beklagte KV in Anwendung
der einschlägigen Vorschriften ihres HVM verpflichtet sei, aus Gründen der Sicherstellung
der vertragsärztlichen Versorgung bzw. unter Härtefallgesichtspunkten auf Antrag Ausgleichszahlungen
zu leisten.
Das Bundessozialgericht hat damit die in seinem Urteil vom 03.03.1999 (Az.: B 6 KA
8/98 R) begonnene Rechtsprechung fortgesetzt, wonach aus dem Grundsatz der "Angemessenheit
der Vergütung" nach § 72 Abs. 2 SGB V und dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
(Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG) kein Anspruch des einzelnen Arztes oder
einer Arztgruppe besteht, Leistungen mit einem höheren Punktwert vergütet zu bekommen,
als dies bei anderen Arztgruppen der Fall ist (vgl. BSG NJW 1995, S. 375).
Die nachfolgende Darstellung soll einen Überblick über die Grundlagen der Honorarverteilung
in der vertragsärztlichen Versorgung geben und die Frage beleuchten, ob und unter
welchen Voraussetzungen der Anspruch auf eine "angemessene Vergütung" unter Berücksichtigung
der Vorgaben des Bundessozialgerichts durchsetzbar ist.
2. Anspruch auf "angemessene Vergütung"
2. Anspruch auf "angemessene Vergütung"
Soweit gesetzliche Vorgaben und Regelungen im Bewertungsmaßstab sowie den Honorarverteilungsmaßstäben
dazu führen, dass ärztliche Leistungen nicht mehr kostendeckend vergütet werden, stellt
sich die Frage, ob ein Anspruch auf eine "angemessene" Vergütung niedergelassener
Vertragsärzte besteht, die die Kosten der Leistung deckt und die Möglichkeit des Gewinns
offenhält.
Der Honoraranspruch des einzelnen Vertragsarztes ergibt sich gem. § 85 Abs. 4 S. 1
und 2 SGB V aus dem von der Kassenärztlichen Vereinigung als Satzung zu beschließenden
Honorarverteilungsmaßstab. Grundsätzlich gilt, dass der Vertragsarzt gegenüber seiner
KV keinen Rechtsanspruch auf die Auszahlung eines bestimmten Geldbetrages für die
von ihm abgerechneten Leistungen, sondern lediglich einen Anspruch auf Teilnahme an
der Honorarverteilung auf der Grundlage des Honorarverteilungsmaßstabes hat (vgl.
BSG NJW 1995, S. 3075; Hess, VSSR 1995, S. 367, 369). Gem. § 85 Abs. 4 S. 3 SGB V
sind bei der Verteilung der Gesamtvergütung (§ 83 Abs. 1 SGB V) Art und Umfang der
Leistungen des Vertragsarztes zugrunde zu legen. Dieses Verteilungsprinzip berücksichtigen
die Kassenärztlichen Vereinigungen, indem sie grundsätzlich für die Honorarverteilung
auf den EBM und die dazu ergänzend ergangenen Abrechnungsbestimmungen rekurrieren
(vgl. Axer NZS 1995, S. 536, 537). Die Frage nach der Angemessenheit des dem einzelnen
Vertragsarzt zufließenden Honorars stellt sich daher primär auf dieser Ebene der Honorarverteilung.
Demgegenüber kann aus dem SGB V ein Anspruch auf eine "angemessene" Vergütung nicht
hergeleitet werden. Zwar bestimmt die seit dem 1. Januar 1989 geltende Vorschrift
des § 72 Abs. 2 SGB V:
"..., dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten
unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse
gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden."
Aus dieser Vorschrift kann jedoch nach Auffassung des Bundessozialgerichts kein Anspruch
des einzelnen Vertragsarztes auf eine höhere als ihm nach dem Honorarverteilungsmaßstab
zustehende Vergütung oder die Gewährung von Ausgleichs- oder Sonderzahlungen hergeleitet
werden (BSG SozR 3-2500 § 72 SGB V Nr. 5, S. 5, 6 = NJW 1995, S. 375). Zwar hat das
BSG im Rahmen der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ("Angemessenheit der
Vergütung") festgestellt, dass davon ausgegangen werden kann, dass damit eine Vergütung
gewährleistet sein soll, die jedenfalls nicht wesentlich unter den üblichen Vergütungen
vergleichbarer Tätigkeiten liegen darf (vgl. BSG NJW 1991, S. 2089, 2091). Auf diese
Vergütungsvorschrift kann sich nach Auffassung des BSG der einzelne Vertragsarzt jedoch
deshalb nicht berufen, weil mit ihr nicht die Angemessenheit der Vergütung einzelner
Leistungen oder eines einzelnen Arztes gewährleistet werden soll, sondern über die
Gewährung einer angemessenen Vergütung insgesamt die im öffentlichen Interesse liegende
Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erreicht werden soll. Die Norm gebe
den Partnern der über die kassenärztliche Versorgung zu schließenden Verträge auf,
die ärztlichen Leistungen in der Art und Weise zu vergüten, dass ein funktionierendes
Versorgungssystem ermöglicht wird, indem es den Ärzten ausreichende Anreize bietet,
sich für die Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit wirtschaftlich zu interessieren
(vgl. BSG NJW 1991, S. 2989, 2991; BSG NJW 1995, S. 3075, 3076; BSG, Urt. v. 07.02.1996
- 6 RKa 6/95 -).
Lediglich ausnahmsweise beim Hinzutreten besonderer, das Gebot der angemessenen Vergütung
qualifizierender und individualisierender Umstände könne diese Vorschrift auch dem
Schutz individueller Rechte dienen. Dies komme jedoch nur dann in Betracht, wenn durch
eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das kassenärztliche Versorgungssystem
als Ganzes und als deren Folge auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem
teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wäre. Nur in diesem eingeschränkten
Umfang können sich Ärzte nach Auffassung des Gerichts zu ihren Gunsten auf einen Verstoß
gegen das Gebot der angemessenen Vergütung berufen (vgl. BSG, a. a. O., S. 3076).
Lediglich in einem Urteil vom 20. November 1986 hat das BSG implizit festgestellt,
dass eine fehlende Kostendeckung dem Grundsatz der angemessenen Vergütung widerspricht
und somit zumindest eine Kostendeckung die untere Grenze der Angemessenheit markiert
(vgl. BSG SozR 2200, § 368 g, RVO Nr. 16, S. 40).
Allerdings stellt das BSG bei der Feststellung der Zumutbarkeitsgrenze unter Berufung
auf das BVerfG eine generalisierende Betrachtungsweise an. Im Zusammenhang mit der
Beurteilung der 10%igen Absenkung für kieferorthopädische Leistungen gemäß § 85 Abs.
2 b) SGB V hat das BSG in einer Entscheidung vom 8. Mai 1996 (BSG NZS 1997, S. 93,
95) folgendes ausgeführt:
"Bei der Prüfung gesetzlicher Preis- und Vergütungsregelungen innerhalb des Systems
der gesetzlichen Krankenversicherung ist stets zu beachten, dass solche Regelungen
nicht Preise für Güter oder Leistungen festsetzen, die Gegenstand freien Aushandelns
im Rahmen eines freien Marktes sind. Vielmehr betrifft die Regelung der Vergütung
vertragszahnärztlicher Leistungen die Teilnahme von Zahnärzten an einem von anderen
finanzierten Leistungssystem, welche wegen der sozialstaatlichen Verantwortung für
ein funktionsfähiges Krankenversorgungssystem dem staatlichen Zugriff leichter zugänglich
ist. Die Vertragszahnärzte unterliegen im Rahmen ihrer Einbeziehung in das öffentlich-rechtliche
Vertragssystem des Vertragsarztrechtes in erhöhtem Maße sozialstaatlicher Gesetzgebung."
Bei der Bemessung der Grenze, bis zu der der Gesetzgeber zulässigerweise zur Anpassung
der Ausgaben an die Einnahmen der GKV die Höhe der ärztlichen Vergütungen regulieren
dürfe, könne dies nicht unberücksichtigt bleiben, wie dies das BVerfG bereits für
die zahntechnischen Leistungen entschieden habe (vgl. BVerfGE 68, 193, 220).
Daraus resultiert nach Ansicht des BSG, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit
von Vergütungsregelungen grundsätzlich nicht die Individualinteressen einzelner Ärzte,
sondern nur der gesamten Gruppe maßgeblich sind:
"Im übrigen steht das BVerfG bei der verfassungsrechtlichen Prüfung von Vergütungsregelungen
innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Standpunkt, dass
bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer wirtschaftsordnenden gesetzlichen Regelung
im Bereich der Berufsausübung nicht die Interessenlage eines Einzelnen maßgebend ist,
sondern eine generalisierende Betrachtungsweise geboten ist, die auf den betreffenden
Wirtschaftszweig insgesamt abstellt, so dass eine Vergütungsregelung selbst dann nicht
verfassungswidrig ist, wenn sie im Einzelfall tatsächlich zur Existenzgefährdung einzelner
Praxen oder Betriebe führen sollte (vgl. BVerfGE 68, 193, 219 f.)."
Darüber hinaus würde selbst im Falle einer für die gesamte Arztgruppe existenzbedrohenden
Honorarsituation nach Auffassung des BSG keine Nachschusspflicht seitens der die Gesamtvergütung
entrichtenden Krankenkassen bestehen. Die KVen können danach nur die auf der Grundlage
des § 85 Abs. 4 SGB V vereinbarte Gesamtvergütung an die Vertragsärzte verteilen.
Nachforderungen der KVen im Hinblick etwa auf einen Anstieg der erbrachten Leistungen
oder der zugelassenen Ärzte sind danach grundsätzlich ausgeschlossen. Sie müssten
in einem beitragsfinanzierten Krankenversicherungssystem ausgeschlossen sein, weil
die Kassen ihrerseits von den Versicherten nachträglich keine höheren Beiträge einziehen
könnten (vgl. BSG, Urt. 3.03.1999, Az.: B 6 KA 8/98 R).
Der in §§ 71 Abs. 1, 141 Abs. 2 SGB V normierte Grundsatz der Beitragssatzstabilität
ist jedoch keine Dogma, sondern schon nach dem Wortlaut des § 141 Abs. 2 SGB V eine
Richtschnur, die nicht um jeden Preis eingehalten werden muss:
"In den Empfehlungen sind die inhaltlichen Vorgaben so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen
vermieden werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch unter
Ausschöpfen von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten
(Grundsatz der Beitragssatzstabilität)."
Für den Fall einer existenzbedrohenden Honorarentwicklung in dem Bereich einer Arztgruppe
ist jedoch der gemeinsame Sicherstellungsauftrag der KVen und der Krankenkassen nach
§ 72 Abs. 1 und 2 SGB V partiell gefährdet, so dass von den Kassen verlangt werden
kann, dass sie durch Beitragssatzerhöhungen dazu beitragen ihren gesetzlichen Auftrag
zu erfüllen. Zu diesem Zielkonflikt schweigt jedoch die Rechtsprechung des BSG bisher
offenbar weil noch keine derart bedrohende Situation für eine ganze Gruppe von Ärzten
zu verzeichnen ist.
3. Honorarverteilungsgerechtigkeit
3. Honorarverteilungsgerechtigkeit
Der Vertragsarzt kann einen Anspruch auf eine höhere Vergütung (bzw. Höherbewertung)
der von ihm erbrachten Leistungen nach Auffassung des BSG grds. auch nicht auf den
sich aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
stützen. Zwar ist nach der Rechtsprechung anerkannt, dass Vergütungsregelungen durch
Honorarverteilungsmaßstäbe jedenfalls dann, wenn es sich nicht nur um Bagatelländerungen
handelt, als normativer Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit angesehen werden
können mit der Folge, dass ihre Verfassungsmäßigkeit an den genannten grundgesetzlichen
Vorschriften zu prüfen ist (vgl. BSG NJW 1995, S. 3075, 3076; BSG NZS 1996, S. 636,
638). Eine Verletzung dieses Grundsatzes liegt vor, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen
Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Zahnärzten bzw. Zahnarztgruppen
keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine ungleiche
Behandlung gerechtfertigt ist (vgl. BSG, a. a. O., S. 638).
Auch aus diesem Grundsatz kann nach Auffassung des BSG nicht abgeleitet werden, dass
außerhalb der Bildung von Teilbudgets die Leistungen einer Arztgruppe mit einem höheren
Punktwert vergütet werden müssen, als dies bei anderen Arztgruppen der Fall ist (vgl.
BSG, a. a. O., S. 3076). Die Kassenärztlichen Vereinigungen genügten dem gesetzlichen
Gebot des § 85 Abs. 1 S. 3 SGB V, bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang
der Leistungen des Kassenarztes zugrunde zu legen, dadurch, dass sie die zur Verfügung
stehende Gesamtvergütung nach Einzelleistungen aufgrund der Punktzahlen des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabes verteilten.
In der zitierten Entscheidung, die sich mit dem Absinken des Punktwertes für radiologische
Leistungen aufgrund einer allgemeinen Leistungsmengenerhöhung im Rahmen des EBM 1987
beschäftigt, stellt das BSG folgende grundlegenden Überlegungen heraus:
"Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht verpflichtet, den mit einer Punktwertminderung
einhergehenden Honorarrückgängen durch Anhebung des Punktwertes für einzelne Arztgruppen
oder durch die Leistung von Ausgleichszahlungen entgegenzutreten. Dagegen spricht
bereits, dass dies ein - weiteres - Herabsinken des Punktwertes bei den übrigen Arztgruppen
nach sich zöge mit der Folge, dass diese wiederum Ansprüche auf Vergütung nach einem
höheren Punktwert geltend machen könnten."
Einen derartigen Rechtsanspruch will das BSG nur zulassen, "wenn ohne die Leistung
von Ausgleichszahlungen oder die Anhebung des Punktwertes bei einer Arztgruppe die
Versorgung der Versicherten in einem Teilbereich der kassenärztlichen Versorgung gefährdet
wäre" (vgl. BSG, a. a. O., S. 3077).
In einer Entscheidung vom 25.08.1998 (Az.: B 6 KA 14/98) hat das Gericht einen konkreten
Rechtsanspruch auf sog. Stützungsmaßnahmen der KV bei ausschließlich psychotherapeutisch
tätigen Ärzten mit dem Argument bejaht, dass diese Ärzte wegen der Zeitgebundenheit
und Genehmigungsbedürftigkeit dieser Leistungen (Abschnitt G IV EBM) durch ein Absinken
des Punktwertes besonders betroffen seien, weil sie einen Punktwertverfall - im Gegensatz
zu anderen Arztgruppen - nicht durch eine Steigerung des Leistungsumfanges zumindest
teilweise ausgleichen könnten.
Demgegenüber hat das BSG ein entsprechendes Eingreifen der KVen bei sog. überweisungsabhängigen
Fächern wie der Radiologie, Labormedizin oder Pathologie (vgl. § 13 Abs. 4 BMV-Ä;
§ 7 Abs. 4 EKV) abgelehnt, da bei diesen Fachgruppen trotz der Tatsache, dass sie
wegen der Auftragsgebundenheit der Leistungen keinen unmittelbaren Einfluss auf Mengenausweitungen
nehmen könnten, derartige Mengenausweitungen stattfinden würden (vgl. BSG, Urt. v.
3.03.1999, Az.: B 6 KA 8/98 R). In anderen Entscheidung hat es das BSG allerdings
als zulässig erachtet, wenn die KVen für bestimmte überweisungsabhängige Leistungen
(hier: CT- und MRT-Leistungen) eigene Honorarkontingente festgesetzt werden und die
KVen zugleich verpflichtet diese "Honorartöpfe" zu ändern bzw. weiterzuentwickeln,
wenn sich herausstellt, dass der Zweck der Regelung ganz oder teilweise nicht erreicht
oder verfehlt wird, oder wenn die vorgenommene Einteilung in Teilbudgets dazu führt,
dass der Punktwert in einzelnen Bereichen deutlich stärker abfällt als bei dem größten
Teil der sonstigen Leistungen und als Grund dafür keine von den jeweiligen Leistungserbringern
erkennbar sind. Es muss sich schließlich um einen dauerhaften und schwerwiegenden
Punktwertabfalll handeln. Insbesondere muss ein vom Umsatz her wesentlicher Leistungsbereich
der Arztgruppe betroffen sein (vgl. BSG NZS 1999, S. 366, 368).
Nach der bisher ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist daher davon
auszugehen, dass der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit durch die Kassenärztlichen
Vereinigungen (im Rahmen der ihnen obliegenden Verteilung der Gesamtvergütung gem.
§ 85 Abs. 4 S. 1 und 2 SGB V) grundsätzlich erst dann verletzt wird, wenn aufgrund
sinkender Arzthonorare bei der ärztlichen Versorgung allgemein die Einkommenssituation
existenzbedrohende Züge angenommen hat oder auf der Honorarverteilungsebene Ärzte
oder Arztgruppen in sachwidriger und damit gleichheitswidriger Form gleich oder ungleich
hinsichtlich der ihnen zugestandenen Honoraranteile behandelt werden. Dabei wird aufgrund
der vorliegenden Rechtsprechung des BSG nicht deutlich, wie im Falle einer tatsächlichen
Existenzgefährdung einer Arztgruppe der Zielkonflikt zu der als starr angesehenen
Gesamtvergütung aufgelöst werden könnte.
Schließlich ist hinsichtlich des zuletzt genannten Aspektes festzustellen, dass sich
das BSG bisher nicht zu einer grundsätzlichen Aussage hat durchringen können, welche
Faktoren generell geeignet sind, einen Anspruch auf "angemessene Honorierung" gegenüber
den KVen im Verhältnis zu anderen Arztgruppen auszulösen.
Zusammenfassend muss der Anspruch eines Vertragsarztes und damit auch eines niedergelassenen
Radiologen auf eine höhere Vergütung gegen die zuständige Kassenärztliche Vereinigung
aufgrund der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich zurückhaltend
bewertet werden. Es bedarf daher der Prüfung, ob die von der Rechtsprechung genannten
Kriterien innerhalb der Fachgruppe oder der Vergütungsregelung erfüllt werden. Andererseits
sind angesichts der fehlenden Grundsätzlichkeit der bisherigen Entscheidungen Fallkonstellationen
denkbar, die bisher nicht überprüft worden sind und einen entsprechenden Anspruch
der Vertragsärzte rechtfertigen könnten.