Zentrale Bestimmungsstücke der Definition der Anpassungs- und Belastungsstörungen
sind die Begriffe der Anpassung und der Belastung. Unter Anpassung (Adaptation) versteht
man den Prozess, durch den Individuen oder Bevölkerungen biologische, verhaltensbezogene
oder psychologische Anpassungen entwickeln, um in einer speziellen Umwelt oder Kultur
zu überleben. Der Begriff Belastung (Stress) wird verwendet, um unterschiedliche aversive
Reize von starker Intensität zu beschreiben, ferner den Kontext, der die Begegnung
zwischen dem Einzelnen und den belasteten Reizen vermittelt [12]. Eine Störung entsteht dann, wenn der Prozess der Anpassung versagt und Reize von
starker Intensität (z.B. Traumata) die Schwelle der Belastungsfähigkeit bzw. Belastbarkeit
einer Person überschreiten.
Zur Charakterisierung dieses Zusammenhanges zwischen einer belastenden Situation oder
eines Ereignisses und einer überforderten Anpassung finden sich in den aktuellen Klassifikationssystemen
ICD-10 und DSM-IV zahlreiche Möglichkeiten der Kodierung, wenn ein bestimmter Schweregrad
der Beeinträchtigung erreicht bzw. überschritten wird.
Belastungen und Trauma
Belastungen und Trauma
Belastungen und Traumata werden individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen und
interpretiert. Folgende allgemeine Differenzierungen lassen sich treffen:
-
von sog. „daily hassels” als störende und frustrierende Ereignisse im Alltagsleben
über
-
Lebensereignisse (sog. Life Events z.B. Arbeitsplatzverlust) bis hin zu
-
Traumata (z.B. Katastrophen).
Derartige Belastungsfaktoren lassen sich nicht nur hinsichtlich des Schweregrades,
sondern auch hinsichtlich der Zeit, d.h. des zeitlichen Zusammenhangs der Symptomatik
mit Auftreten von Belastungen und deren Dauer differenzieren. In [Tabelle 1] finden sich, orientiert an den in der ICD-10 enthaltenen Differenzierungen, einige
Beispiele. Je nach Art der Belastungsfaktoren können sich dann entsprechend unterschiedliche
Störungen entwickeln, wie dies aus Abbildung 1 zu erkennen ist.
Möglichkeiten der Kodierung von Belastungen und Traumata in der ICD-10
Möglichkeiten der Kodierung von Belastungen und Traumata in der ICD-10
Die ICD-10 bietet mit der Möglichkeit eines multiaxialen Klassifikationssystems [9] die Beschreibung eines Patienten über die Störung hinaus auf so genannten Achsen.
Im Hinblick auf die Frage der Kodierung der Belastungsfaktoren und möglicher Traumata
ist v.a. die Achse III „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur
Beanspruchnahme des Gesundheitswesens führen” von besonderer Bedeutung. Die einzuschätzenden
umgebungs- und situationsabhängigen Einflüsse, Probleme der Lebensführung und Bewältigung
sind dann mit anzugeben, wenn sie von Relevanz für den aktuellen Zustand des Patienten
sind, d.h. wenn sie einen Einfluss auf das Erscheinungsbild, den Verlauf, die Prognose
und die Behandlung haben und den Zustand verursacht oder zumindest ausgelöst haben.
Die Angabe vermuteter Faktoren erfolgt mittels der sogenannten Z-Kodierungen, die
sich in den entsprechenden Bänden der ICD-10 finden. Beispiele für derartige Kodierungen
sind:
-
Z60 Probleme in Verbindung mit der sozialen Umgebung wie Z60.5 Zielscheibe feindlicher
Diskriminierung, Verfolgung
-
Z63 Andere Probleme mit Bezug auf die primäre Bezugsgruppe, einschließlich familiärer
Umstände wie Z63.0 Probleme in der Beziehung zum (Ehe-)Partner
-
Z65 Probleme in Bezug auf sonstige soziale Umstände wie Z65.5 betroffen sein von Katastrophen,
Krieg und sonstigen Feindseligkeiten.
Ein Beispiel für eine mögliche Z-Kodierung könnte dann wie folgt aussehen:
35jährige, berufstätige, verheiratete Patientin mit der Diagnose F43.20 Anpassungsstörung,
kurze depressive Reaktion und ergänzende Z-Diagnosen Z63.0 Probleme in der Beziehung
zum (Ehe-)Partner sowie Z56.2 drohender Arbeitsplatzverlust.
Klassifikation einzelner Anpassungs- und Belastungsstörungen in der ICD-10
Klassifikation einzelner Anpassungs- und Belastungsstörungen in der ICD-10
Der allgemeinen ICD-10-Logik folgend, Störungen mit gemeinsamen Merkmalen in einem
Abschnitt zusammenzufassen, finden sich im Abschnitt F4 Neurotische, Belastungs- und
Somatoforme Störungen solche Störungen, bei denen man annimmt, dass sie mit einem
hohen Anteil psychologischer Verursachung verbunden sind. Die Störungen werden untergliedert
hinsichtlich der Phänomenologie bzw. äußerer Belastungsfaktoren. In [Tabelle 1] sind die wichtigsten in der ICD-10 enthaltenen Störungen aufgelistet. Hinzu kommt
noch die Störung F62.2 der andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung,
die sich im Abschnitt F6 Persönlichkeits- und Verhaltensauffälligkeiten befindet.
Auf einige der in [Tabelle 1] aufgeführten Besonderheiten soll nachfolgend kurz eingegangen werden.
In der klinischen Praxis, vor allen Dingen im ambulanten Bereich, ist die Gruppe der
F43.2 Anpassungsstörungen von großer Wichtigkeit. Diese unterscheiden sich von den
meisten anderen Störungen der ICD-10 dadurch, dass sie phänomenologisch vom Schweregrad
her eher als subkategorial zu bewerten sind, es sich zum Teil um gemischte Störungskategorien
handelt und damit eine Art Widerspruch zu dem in der ICD-10 propagierten Komorbiditätskonzept,
d.h. das gemeinsame Auftreten verschiedener psychischer Störungen bei einem Patienten,
darstellt. Zu nennen sind zum Beispiel F43.22 Angst und depressive Reaktion gemischt
und F43.25 gemischte Störung von Gefühlen und Sozialverhalten. Typische Belastungsfaktoren,
die im Kontext derartiger Anpassungsstörungen oft zu finden sind, stellen z.B. Ehe-
und Beziehungsprobleme dar, Trennung oder Tod, Arbeitsplatzprobleme oder aber auch
größere finanzielle Probleme.
Zunehmend von großer Bedeutung werden die Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS;
engl. Posttraumatic Stress Disorder, PTSD). Die PTBS ist in der ICD-10 dadurch gekennzeichnet,
dass zunächst das Traumakriterium erfüllt sein muss sowie in Folge des Traumas bestimmte
Symptome resultieren (Symptomgruppen: Erinnern, Vermeidung und Arousal). Ein spezifisches
Zeitkriterium für die Dauer gibt es nicht.
Hinsichtlich der Traumata lassen sich verschiedene Systematisierungen treffen, differenziert
nach den Dimensionen wie menschlich verursacht versus zufällig, bzw. kurz- versus
langfristig wirkend. Als Beispiele für menschlich verursachte Traumata sind sexueller
Missbrauch, Vergewaltigung oder Folter zu nennen, eher als zufällig auftretend sind
in der Regel Naturkatastrophen einzustufen (z.B. Flutkatastrophen, Erdbeben). Hinsichtlich
der Schwere der Traumatisierung und der Differenzierung zwischen kurz- versus langfristig
findet man in der Literatur häufig eine Unterscheidung zwischen sog. Typ-I- und Typ-II-Traumata.
Zu den ersten zählen z.B. gravierende Unfälle, technische Katastrophen, Naturkatastrophen
oder kriminelle Gewalttaten. Zu Typ-II- Traumata zu zählen sind z.B. Geiselhaft, KZ-Haft,
Kriegsgefangenschaft, wiederholte Folterung oder sexueller Missbrauch. Versucht man
eine Systematik auf dem Zeitkontinuum hinsichtlich von Belastung und Traumata, bieten
sich die in Abbildung 2 aufgeführten Differenzierungen an.
Als Spezialfälle von traumabedingten Störungen zu nennen sind die Komplexe Posttraumatische
Belastungsstörung nach Herman (1993) sowie die andauernden Persönlichkeitsänderungen
nach Extrembelastung (ICD-10 F62.0). Die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung
(Komplexe PTBS) ist zwar offiziell noch keine diagnostische Kategorie, hat sich aber
in einer Reihe von Studien als nachweisbar erwiesen. Sie ist zu charakterisieren durch
ein längeres Ausgeliefertsein gegenüber traumatischen Situationen (Typ II) mit daraus
resultierenden spezifischen Veränderungen. Die Symptomatik lässt sich u.a. charakterisieren
durch eine gestörte Affekt- und Impulsregulation, dissoziative Tendenzen, eine Beeinträchtigung
des Identitätsgefühls, Reviktimierungstendenzen oder einen allgemeinen Sinnverlust.
Vor allem die so genannten Typ-II-Traumata sind auch Voraussetzung für die Diagnostizierung
einer andauernden Persönlichkeitsänderung. Zu nennen sind hier vor allem Extrembelastungen
wie Konzentrationslager, Folter, Katastrophen oder anhaltende lebensbedrohliche Situationen.
Resultierende Symptomatiken sind gekennzeichnet durch eine der Umwelt gegenüber misstrauische
Haltung, sozialen Rückzug, ein überdauerndes Gefühl von Leere und/ oder Hoffnungslosigkeit,
ein überdauerndes Gefühl von Nervosität und Bedrohung ohne äußere Anlässe sowie das
Gefühl, verändert oder anders zu sein als andere Menschen.
Instrumente zur Erfassung
Instrumente zur Erfassung
In der Forschung, jedoch zunehmend auch in der klinischen Praxis, hat sich der Einsatz
diagnostischer Instrumente bei der Diagnosestellung als hilfreich erwiesen, da klinische
Interviews ohne entsprechende Systematisierung der Informationserhebung und -bewertung
oft zu weniger zuverlässigen Einschätzungen kommen. In der Literatur finden sich verschiedene
Systematisierungen von Untersuchungsverfahren, die im Kontext psychiatrischer Diagnostik
Anwendung finden können (vgl. im Überblick 10). Zu nennen sind Checklisten sowie strukturierte
und standardisierte Interviews. Exemplarisch zu erwähnen sind das Strukturierte Klinische
Interview für DSM-IV (SKID) oder das Composite International Diagnostic Interview
(CIDI), ein strukturiertes bzw. standardisiertes Interview (vgl. im Überblick 10).
Im Hinblick auf Anpassungs- und Belastungsstörungen muss darauf hingewiesen werden,
dass es bisher kein Instrument gibt, das alle Anpassungs- und Belastungsstörungen
erfasst. Mit den strukturierten und standardisierten Interviews lassen sich vor allen
Dingen die PTBS hinreichend zuverlässig erfassen. Die PTBS ist generell der Störungsbereich,
zu dem zwischenzeitlich am meisten publizierte Verfahren vorliegen. Es existiert eine
Vielzahl von Fremdbeurteilungsverfahren und Selbstbeurteilungsverfahren, die eine
hinreichend zuverlässige Einschätzung des Vorliegens erlauben (vgl. im Überblick 10).
Die meisten Verfahren orientieren sich an den diagnostischen Kriterien des DSM-IV
und ermöglichen neben einer diagnostischen Einordnung oft auch eine Schweregradbestimmung
der vorliegenden Symptomatik. Bezüglich der Anpassungsstörung besteht gegenwärtig
noch ein Defizit, da keine expliziten diagnostischen Kriterien vorliegen, sondern
es sich bei den Anpassungsstörungen lediglich um subkategorielle Schweregrade von
anderen Störungen handelt (z.B. depressive Episode). Es stehen daher zu ihrer Erfassung
keine expliziten Instrumente zur Verfügung bzw. die Störungskategorien sind in Interviews
meist nicht enthalten.
Bezüglich des Einsatzes von Instrumenten, vor allem den strukturierten und standardisierten
Interviews, ist auf einen wichtigen Aspekt hinzuweisen: die Möglichkeit der Erfassung
komorbider Störungen. Anpassungs- und Belastungsstörungen treten oft in Komorbidität
mit anderen Störungen auf (u.a. affektive Störungen, Angststörungen, Störungen durch
psychotrope Substanzen). Diagnostische Interviews gewähren, auch diese mit zu erfassen.
Diagnostische Probleme
Diagnostische Probleme
Wie bei kaum einer anderen Störungsgruppe ergeben sich in der Diagnostik von Störungen
aus dem Bereich der Anpassungs- und Belastungsstörungen Schwierigkeiten, die schon
damit beginnen, zu bewerten, was als belastendes Ereignis oder Trauma anzusehen ist.
Vor allem im Hinblick auf die Definition von Traumata besteht die Gefahr einer zunehmend
inflationären Verwendung, da oft zu wenig auf die Definition des Traumas selbst geachtet
wird.
Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass natürlich auch bei anderen psychischen
Störungen Belastungen vorkommen, d.h. auch dort Belastungsfaktoren beim Auftreten
eine wichtige Rolle spielen können. Exemplarisch sind die dissoziativen Störungen
oder die affektiven Störungen zu nennen. So findet sich zum Beispiel bei den dissoziativen
Störungen der ICD-10 (F44) der Hinweis, dass ein überzeugender zeitlicher Zusammenhang
zwischen dem dissoziativen Syndrom und belastenden Ereignissen oder Bedürfnissen bestehen
muss. Aber auch bei den affektiven Störungen der ICD-10 (Abschnitt F3) können im Vorfeld
Belastungen und Lebensereignisse eine wichtige Rolle spielen. Dabei ist zu beachten,
dass, wenn eine Belastung auftritt und zumindest die Diagnose einer leichten depressiven
Episode gestellt werden muss, dann die Diagnose einer Anpassungsstörung nicht mehr
möglich ist!
Gerade im Kontext der Diagnostik von Belastung und Traumata spielt die Gefahr einer
möglichen Verfälschung eine wichtige Rolle. Zentrale Begriffe in diesem Zusammenhang
sind die Simulation und Aggravation. Unter Simulation versteht man eine bewusste,
zielgerichtete Vortäuschung von Sachverhalten bzw. gezielte Nachahmung von Beschwerden,
um als krank zu gelten und bestimmte Absichten dabei in den Vordergrund zu stellen
(ICD-10 Z76.5 Simulation). Unter Aggravation wird die Verstärkung bzw. Übertreibung
tatsächlich vorhandener, aber in der Regel nicht schwerwiegender Krankheitssymptome
verstanden. Der Unterschied zur Simulation besteht darin, dass hier wirkliche Beschwerden
und Befunde vorliegen.
Als ein spezieller Aspekt zu nennen sind die sogenannten Pseudoerinnerungen (false
memory syndrome). So weisen Stoffels und Ernst [11] auf das so genannte Suggestivpotential im Trauma hin, unter anderem durch die Reduktion
der komplexen Wirklichkeit durch die Aufteilung der Welt in Gut und Böse/Opfer und
Täter sowie das Ziel, Aufmerksamkeit, Zuwendung, Trost und Mitleid zu bekommen.
Epidemiologie
Epidemiologie
Bezüglich der Abschätzung von Prävalenzraten zu den Anpassungsstörungen gibt es zwischenzeitlich
immer noch keine zuverlässigen Angaben, da in den meisten Studien aufgrund der fehlenden
bzw. schwierigen Operationalisierung derartige Störungen nicht mit erfasst werden.
Nach Frommberger et al. [5] liegt die Anpassungsstörung mit einer depressiven Symptomatik bei einer Punktprävalenz
von 0,6 % für Frauen, 0,3 % für Männer, wenn man die DSM-IV-Kriterien zugrunde legt
und 0,3 %, wenn man die ICD-10-Kriterien zugrunde legt. Im DSM-IV-TR [2] werden Angaben von 10-30 % aller psychiatrischen Patienten gemacht, bzw. 8-12 %
von Patienten im Konsil-Liaison-Dienst. Henriksson et al. [6] kommen zu Schätzungen von 13 bis zu 63 % nach einem Suizidversuch, bzw. 5 % nach
einem vollendeten Suizid. Flatten et al. [3] fassen verschiedene Studien zusammen und weisen darauf hin, dass man von einer Lebenszeitprävalenz
von 0,6-9,2 % ausgehen kann.
Freyberger, Stieglitz und Dilling [4] fanden in der Feldstudie zur Einführung der ICD-10, dass fast die Hälfte aller gestellten
Diagnosen aus dem Abschnitt F4 in die Gruppe der Reaktionen auf schwere Belastungen
und Anpassungsstörungen (F43) entfielen, was insgesamt 7,6 % aller untersuchten Patienten
in der multizentrischen Studie betraf.
Von besonderer Bedeutung ist die Epidemiologie der PTBS. Wichtige Informationen zum
Zusammenhang zwischen der Häufigkeit einer PTBS und verschiedenen Traumata kann man
der Studie von Kessler et al. [8] entnehmen, deren wichtigste Ergebnisse in [Tabelle 2] zusammengefasst sind. Daraus kann man erkennen, dass die Häufigkeit von Traumata
in umgekehrter Relation zum Auftreten einer PTBS zu sehen ist. So werden zwar 25 %
von Menschen irgendwann im Leben Zeuge eines Unfalls oder einer Gewalttat, aber „nur”
7 % davon entwickeln infolge dessen ein Trauma, während 5,5 % z.B. Opfer einer Vergewaltigung
werden, aber davon über die Hälfte eine PTBS entwickelt.
Im Hinblick auf die Anwendung unterschiedlicher klassifikatorischer Systeme ist auf
die Arbeit von Andrews et al. [1] hinzuweisen, welche die Häufigkeit einer PTBS in der ICD-10 und im DSM-IV verglichen.
In einer Normalpopulation ergaben sich unter Anwendung des Composite International
Diagnostic Interview (CIDI; s.o.) deutliche Unterschiede zwischen beiden Systemen.
In der ICD-10 bekamen 6,9 % eine PTBS-Diagnose, im DSM-IV dagegen nur 3,2 %, wobei
die Konkordanz lediglich bei 35 % lag. Mögliche Erklärungen für diese doch deutlichen
Diskrepanzen sind u.a. darin zu sehen, dass im ICD-10 kein Zeitkriterium vorliegt
und die Symptom- und Traumakriterien doch etwas divergieren.
Fazit und Empfehlungen
Fazit und Empfehlungen
Belastungsstörungen stellen klinisch wichtige Störungskategorien mit zunehmender Bedeutung
in Forschung und Praxis dar, bedingt z.B. durch sich verschlechternde soziale Rahmenbedingungen
als mögliche Belastungsfaktoren sowie ein weites Spektrum möglicher Traumata (vgl.
Gewalt, Naturkatastrophen, Unfälle). Fallstricke in der Diagnostik liegen vor allen
Dingen im Hinblick auf die PTBS im Zusammenhang mit dem Traumakriterium, bei der Anpassungsstörung,
dass sie schlecht operationalisiert ist, oft nur eine Verlegenheitsdiagnose darstellt.
Allein die Existenz der Operationalisierung psychischer Störungen besagt nichts über
die Reliabilität der Diagnose in der Praxis. Hier ist explizit darauf hin zu weisen,
dass die Manuale der Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV und/oder Instrumente
zu benutzen sind, vor allem auch bei diagnostisch schwierigen Personen.
Bei allen Störungen ist das Eingangskriterium zu beachten, d.h. zunächst zu prüfen,
ob eine Belastung oder ein Trauma überhaupt vorliegt, und dann erst gilt es, die Symptomkriterien
zu prüfen. Oft übersehen, jedoch von großer Bedeutung ist auch hier das Komorbiditätsprinzip,
da oft verschiedene Störungen gemeinsam auftreten. Auch die Z-Kodierung als zusätzliche
Möglichkeit der Beschreibung von Belastungen und Traumata muss stärker genutzt werden.
Im Hinblick auf eine zuverlässige Diagnosenstellung ist oft erst nach Beendigung einer
Behandlung sowohl im stationären wie auch im ambulanten Bereich eine zuverlässige
Entlassungsdiagnose unter Berücksichtigung von Anamnese und Verlauf möglich. Bei bestimmten
Störungen, wozu vor allem die PTBS gehört, sollte auch in Zukunft eher „konservativ”
vorgegangen werden.
Abb. 1
Abb. 2
Tab. 2
Tab. 1 Diagnostische Kategorien der ICD-10: Unterschiede
Kategorie
|
Belastung
|
Beginn der Symptomatik
|
Dauer der Symptomatik
|
F43.
Akute Belastungsreaktion |
Außergewöhnliche psychische oder physische Belastung |
Wenige Minuten nach Ereignis |
Wenige Stunden bis Tage |
F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung |
Kurz- oder langandauerndes Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung
oder mit katastrophalem Ausmaß |
Innerhalb von 6 Monaten (ev. auch später) |
Keine Angaben |
F43.
Anpassungsstörungen |
Psychosoziale Belastung von einem nicht außergewöhnlichen oder katastrophalen Ausmaß |
Innerhalb eines Monats |
1 Monat bis 2 Jahre |
F62.
Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung |
Extrembelastung (Konzentrationslager, Folter, Katastrophen, anhaltende lebensbedrohliche
Situationen) |
Keine Angaben |
Mindestens 2 Jahre |