DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2005; 3(01): 1
DOI: 10.1055/s-2005-862598
Editorial
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Stuttgart

Was uns eint, das zählt

N. N.
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Publication Date:
26 January 2005 (online)

 

    Auf dem VOD-Kongress 2004 ließ Prof. Dr. Edzard Ernst darüber abstimmen, ob man die Zulassung eines rezeptfrei erhältlichen Medikamentes befürworte, das folgende Kriterien erfüllt:

    1. Seit Jahren wird es in anderen Ländern benutzt

    2. Es gibt nur wenige klinische Studien

    3. Diese sind von schlechter methodologischer Qualität

    4. Die meisten Ergebnisse belegen eine Effektivität

    5. Die toxikologischen Daten sind unvollständig, führten aber zu keinen größeren Vorbehalten

    6. Es gibt keine Überwachungsstudien nach Markteinführung oder andere schlüssige Unbedenklichkeitsnachweise für Menschen.

    Die meisten Zuhörer votierten dagegen. Dann machte Prof. Ernst deutlich, was einige schon geargwöhnt hatten: diese Kriterien beschreiben den Zustand der Osteopathie.

    Für den Osteopathen erscheint es absurd, unsere Heilmethode mit einem rezeptfrei verkäuflichen Medikament zu vergleichen. Schließlich verabreichen wir eine speziell auf jeden Patienten zugeschnittene Behandlung. Man muss sich jedoch vergegenwärtigen: sollte die neu gegründete Bundesarbeitsgemeinschaft Osteopathie (BAO) Erfolg mit ihrer Absicht haben, den Osteopathen als medizinischen Primärversorger in Deutschland zu etablieren, so wird dieser auf einen Markt drängen, der bisher ausschließlich von Ärzten und Heilpraktikern beherrscht wird. Die Ärzte jedoch werden die Osteopathie genau unter den Gesichtspunkten beurteilten, wie sie Prof. Ernst beschreibt.

    Die Erfahrungen der Mehrzahl der Ärzte mit der Osteopathie dürfte überwiegend anekdotisch sein: man hat über Patienten oder gar selbst erfahren, dass die Osteopathie bei bestimmten Beschwerden wirksam sein kann. Aber auch abfällige Stellungnahmen von Kollegen tragen zur Meinungsbildung bei. Für eine umfassende Information fehlt die Zeit und oft ein Ansprechpartner.

    Selbst wer sich über die medizinische Datenbank Medline Informationen über die Osteopathie verschaffen will, wird auf nur wenige positive Ergebnisse stoßen, wie Prof. Karl-Ludwig Resch und Torsten Liem am Beispiel des Begriffs “Kraniosakral” aufgezeigt haben (DO 4/2004). Für die meisten Mediziner wird die Osteopathie also eine Black Box darstellen. Und wenn diese in den eigenen Bereich eindringt, fordert das zur Stellungnahme heraus. Dass diese in den meisten Fällen eher negativ ausfallen dürfte, kann nach dem bisher Gesagten nicht verwundern.

    Osteopathie und Osteopathen werden sich also im Fall einer Legitimierung wohl scharfen Attacken ausgesetzt sehen. Diesen wird man sicher auf den verschiedensten Ebenen begegnen müssen. Wir sollten uns im Vorfeld Gedanken dazu machen, welche unserer Grundvorstellungen mit denen der herkömmlichen Medizin identisch sind; wo das Übereinstimmende liegt, nicht das Trennende. Kein Mediziner wird die Selbstheilungskräfte der Natur bestreiten, oder die Wichtigkeit genauer anatomischer Kenntnisse. Dass man mit den Händen viel mehr palpieren kann, als es heute üblich geworden ist, haben frühere Ärztegenerationen bewiesen. Es ist das Gebot der Stunde, die Osteopathie als Komplementärmedizin darzustellen, nicht als Alternativmedizin.

    Die Herausgeber


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