Z Orthop Ihre Grenzgeb 2004; 142(6): 644-647
DOI: 10.1055/s-2005-862204
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deutsches Endoprothesen-Register e.V. - Ergebnisse der Dokumentation des Knie-Registers der Dokumentationsjahrgänge 1997 bis 2002

Further Information

Dr. Ingeborg Lang

Deutsches Endoprothesen-Register e.V.

Datenzentrale c/o Orthop. Uni-Klinik Göttingen

Robert-Koch-Straße 40

D-37075 Göttingen

Publication History

Publication Date:
26 January 2005 (online)

 
Table of Contents

Das Deutsche Endoprothesen-Register hat seit 1997 Implantationen von künstlichen Gelenken und deren Revisionen dokumentiert. Die Teilnahme auf freiwilliger Basis war offen für alle daran interessierten Kliniken.

1997 hatten sich 26 Kliniken an der Dokumentation beteiligt. Seit 1998 sind es 39 bis 42 Kliniken, die über den gesamten Dokumentationszeitraum an der Dokumentation teilgenommen haben, so dass die Daten der Jahre 1998 bis 2002 weit gehend miteinander vergleichbar sind.

Das Register ist im Prinzip prospektiv angelegt: Aus der Zusammenführung der Dokumentation der Daten der später erfolgten Revisionsoperation mit den Daten der Jahre zuvor dokumentierten Primärimplantation sollen die Überlebenszeiten der jeweiligen Prothesen bestimmt und die Revisionsraten des jeweiligen Prothesen-Fabrikates berechnet werden. Dieses Prinzip kann nur funktionieren, wenn alle Krankenhäuser in Deutschland an der Dokumentation teilnehmen und die Fluktuation ins Ausland nicht groß ist. Bei der hier vorliegenden freiwilligen Dokumentation ist jedoch mit einem großen Anteil von nicht erfassten Operationen zu rechnen, weshalb der vorliegende Bericht nur als Stichprobe zu werten ist.

Das Deutsche Endoprothesen-Register enthält auch einen so genannten "retrospektiven Anteil", in dem Aussagen über die revidierten bzw. explantierten Prothesen, deren Implantationsjahr und das implantierende Krankenhaus erfasst werden. Diese Angaben werden bei der Revision vom behandelnden Arzt nach bestem Wissen gemacht. Da für diese Prothesen zumeist die Daten zur Primärimplantation fehlen, können oftmals zwar Funktionszeiten aber keine Revisionsraten berechnet werden. Diese Dokumentation gibt jedoch - besonders in den Anfangsjahren, in denen noch keine prospektiven Revisionen vorliegen - einen Einblick in das aktuelle Revisionsgeschehen.

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Hersteller und Katalog-Nummer

Die Dokumentation erfolgte in den Krankenhäusern mit Papier und Stift auf vorgegebenen Fragebögen für Primär- und Wechseloperationen. Handschriftliche Eintragungen waren zulässig. Die bei Primärimplantationen und Revisionen eingesetzten Implantate werden durch die Angabe des Namens des Herstellers oder des Vertreibers sowie durch die Katalog-Nummer identifiziert. In den meisten Fällen wurden dazu die vom Hersteller den Implantaten beigefügten Aufkleber (Labels) verwendet. Die handschriftlichen Eintragungen erlauben nicht in allen Fällen eine eindeutige Spezifizierung der implantierten Prothese. Besondere Schwierigkeiten bei der Auswertung bereiten die Angaben im retrospektiven Teil der Dokumentation zu den explantierten Prothesen. Diese Angaben müssen in allen Fällen handschriftlich erfolgen und werden zudem sehr pauschaliert und im jeweiligen Klinikjargon vorgenommen, so dass hier eine Spezifizierung der Explantate über pauschale Angaben wie PFC, LCS oder Schlittenprothese hinaus kaum vorgenommen werden kann.

Die Patienten wurden nach einem vom Bundesbeauftragten für Datenschutz vorgeschlagenen Verfahren verschlüsselt registriert. Alle Daten wurden sodann per Daten-Typistin in eine relationale Daten-Bank (MS-Access) eingegeben.

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Statistische Beschreibung der Operationshäufigkeit und der Patientencharakteristika

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Abb. 1

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Abb. 2

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In den 6 Jahren des Dokumentationszeitraumes sind zuletzt von 42 Kliniken insgesamt 23091 Implantationen oder Revisionen von Kniegelenks-Endoprothesen dokumentiert worden, davon 1882 Revisionen. Der Anteil der Revisionen schwankt um 8% und hat sich im Dokumentationszeitraum nicht wesentlich verändert (Tabelle [1]).

Kniegelenkbeschwerden sind ein Frauenleiden. Durchschnittlich 71% der Primäroperationen und 69% der Revisionen wurden an Frauen durchgeführt (Abb. [1]). Bei fast allen Operationen ist die rechte Seite geringfügig stärker betroffen als die linke Seite (Abb. [2]).

Das durchschnittliche Alter bei Primäroperationen schwankt bei Frauen um 70 Lebensjahre und bei Männern um 68 Lebensjahre (Abb. [3]), die weitaus meisten Patienten (75%) werden zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr operiert, wobei der Anteil der bis 90-Jährigen im letzten Dokumentationsjahr leicht zugenommen hat (Abb. [4]).

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Abb. 3

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Abb. 4

Mit mehr als 80% ist die Gonarthrose die weitaus häufigste Indikation für eine Prothesenimplantation. Abgesehen vom Dokumentationsjahrgang 1997, der mit sehr viel geringeren Zahlen dokumentiert wurde, haben hier keine großen Veränderungen stattgefunden, wohl aber bei der Indikation Rheumatische Arthritis, wo der Anteil auf nur 1,6 bis 1,4% gesunken ist (Tabelle [2]).

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Die Vielfalt der verwendeten Endoprothesen-Modelle

Auffallend ist sowohl bei der Primärimplantation als auch bei den Revisionen die große Implantatevielfalt bei gleichzeitig geringer Fallzahl pro Implantat-Variante.

Von 163 spezifisch erfassten Femur-Varianten bei der Primärimplantation sind 85 % mit Stückzahlen unter 200 Exemplaren pro Variante vertreten; nur 6 Femur-Varianten weisen Stückzahlen von mehr als 900 Exemplaren pro Variante auf.

Bei den prospektiv erfassten Revisionen sind 96% der dokumentierten Modelle nur mit bis zu 7 Exemplaren vertreten, 34% sogar nur mit einem Exemplar. Es versteht sich von selbst, dass die Aufstellung von Überlebenskurven nach Kaplan-Meyer mit diesen Zahlen nicht möglich und auch ein statistischer Vergleich der Revisionsraten einzelner Implantatmodelle nicht statthaft ist, zumal die in Tabelle [4] und [5] dargestellten Modell-Varianten sich noch weiter vielfach untergliedern, ganz besonders vielfältig bei den Inserts.

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Prospektive und retrospektive Revisionen

Insgesamt wurden im Register 1882 Revisionen dokumentiert. Bei 356 (als prospektiv erfasste Revisionen) waren die Primärimplantation schon im Register erfasst. Davon wiederum waren 77 als zweite Revisionen notwendig geworden (Abb. [5]). Die prospektiven Revisionen wurden an 66 der 163 bei den Primärimplantationen erfassten Implantatmodellen vorgenommen. Das bedeutet, dass von 97 Implantatmodellen (60%) keine Informationen über eine Revision vorliegen. Ob tatsächlich keines dieser Implantat-Modelle revidiert wurde, sei dahingestellt.

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Abb. 5

42% der Revisionen wurden als Totalrevision vorgenommen, in 7% der Fälle wurde nur eine Patella hinzugefügt. Die Verteilung der modularen Komponenten bei den prospektiv erfassten Knierevisionen zeigt die Abbildung [6].

Die 66 als prospektive Revision erfassten Implantat-Varianten lassen sich nach ihrem Konstruktionsprinzip in folgenden Gruppierungen zusammenfassen: Bikondylär Cruciate Retaining (Bi CR), Bikondylär Cruciate Substituting (Bi CS), Bikondylär Posterior Stabilized (Bi PS), Unikondylär (Uni) und achsgeführte Implantate (Hinge). Obwohl die erste Gruppierung unter den revidierten Prothesen mit ihren absoluten Zahlen am häufigsten vertreten ist, bleibt ihre Revisionsrate in den ersten 6 Jahren unterhalb von 1%.

Sowohl die retrospektiv erhobenen Daten zu den Funktionszeiten als auch die prospektiv erhobenen Daten weisen einen Gipfel innerhalb der ersten beiden Jahre nach Implantation auf.

Die Hälfte der Endoprothesen, die revidiert werden mussten, wurde innerhalb der ersten 5 Jahre revidiert. In den nächsten 5 Jahren kam ein weiteres Viertel hinzu. 7% der Revisionen wurden nach Funktionszeiten von bis zu 15 Jahren durchgeführt und nur 3% nach Funktionszeiten von über 15 Jahren. Einzelne Exemplare wurden auch nach 36 Jahren revidiert. Diese Zahlen sind nun keinesfalls so zu lesen, dass 75% der Knie-Endoprothesen innerhalb von 10 Jahren revidiert werden müssen, sondern sie besagen, dass wenn überhaupt revidiert werden muss, dann wird die überwiegende Zahl der Revisionen innerhalb dieses Zeitraumes vorgenommen.

Es versteht sich von selbst, dass die prospektiv erfassten Revisionen in einem 6 Jahre bestehenden Register nur Frührevisionen sein können und keine längeren Funktionszeiten als 6 Jahre erfasst worden sind. Der Vergleich beider Abbildungen (Abb. [8] und [9]) ist nur statthaft, weil er ein ähnliches Muster sowohl für die Vielzahl der Revisionen als auch für eine relativ kleine Gruppe zeigt. Zum Vergleich sind in der Abb ildung der Funktionszeiten der prospektiven Revisionen (Abb. [9]) die beiden einzigen Knie-Endoprothesen aufgeführt, deren Revisionen mit mehr als 10 Exemplaren erfasst wurden.

Auch die retrospektiv erfassten explantierten Prothesen weisen eine große Implantatevielfalt bei jeweils geringer Stückzahl auf. 91% der genannten 291 verschiedenen Prothesenvarianten wurden mit Stückzahlen bis maximal 10 Exemplaren revidiert, 50% sogar nur mit einem Exemplar. Nur 4 Prothesen-Fabrikate wurden mit Stückzahlen um die 40 Exemplare revidiert. Diese Zahlen besagen auch, dass, obwohl mit 1882 Revisionen schon eine beachtliche Anzahl erfasst wurde, zu über 50% der revidierten Fabrikate keine statistisch relevanten Aussagen gemacht werden können (Abb. [10]).

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Abb. 6

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Abb. 7

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Abb. 8

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Abb. 9

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Abb. 10

Die Daten zu den bei Primäroperation und Revision verwendeten Implantaten sowie zu den Explantaten werden in der nächsten Zeit im Einzelnen analysiert und die Ergebnisse in einer ausführlichen Publikation vorgestellt.

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Ausblick

Die Dokumentation des Deutschen Endoprothesen-Registers für Implantationen von Kniegelenks-Endoprothesen unterstützt eindeutig die These, dass für die Qualitätssicherung des Ergebnisses von Gelenkimplantationen die Führung eines flächendeckenden, prospektiven Langzeitregisters notwendig ist, das alle Primärimplantationen von Endoprothesen und deren Revisionen erfasst.

Einer der Gründe ist die überaus große Implantatevielfalt, die dazu führt, dass für viele Endoprothesen-Fabrikate nur statistisch relevante Fallzahlen erhalten werden können, wenn sie bundesweit und vollständig erfasst werden. Weiterhin hat es sich gezeigt, dass retrospektiv erhobene Angaben zu den revidierten Prothesen wegen des unzureichenden Informationsaustausches nur unvollständig und äußerst ungenau sein können, so dass sie nicht für eine statistisch relevante Auswertung verwendet werden können.

Die dokumentierte Fallzahl ist mit 21235 Primärimplantationen innerhalb von sechs Jahren schon dreimal so groß wie die gesamte Fallzahl des norwegischen Knie-Registers mit 7174 Primärimplantationen innerhalb von 5 Jahren. Dennoch kann das Deutsche Endoprothesen-Register zu mehr als der Hälfte der implantierten Modelle keine statistisch relevante Aussage machen.

Ein Vergleich dieser Daten mit denen der skandinavischen Register ist wegen der unterschiedlichen Prothesenprofile in den Ländern nur bei einigen wenigen (4!) Fabrikaten möglich.

Auch die skandinavischen Register können nur für einige wenige Fabrikate genügend Fallzahlen rekrutieren, wobei diese Register schon annähernd flächendeckend erfasst sind und damit ihr Pozential nicht mehr ausweiten können.

Um so bedauerlicher ist es, dass das Register nicht die notwendigen Mittel für eine Dokumentation mit zeitgemäßen Mitteln und vor allem mit der notwendigen Zeit rekrutieren konnte. Aus der daraus resultierenden fehlenden Bereitschaft der Krankenhäuser, sich an der Registrierung zu beteiligen, ergibt sich auch die schwindende Bereitschaft der Industrie, diese Arbeiten weiterhin finanziell zu unterstützen. Das Deutsche Endoprothesen-Register e.V. befand sich auf dem richtigen Weg, es musste seine Dokumentation aber einstellen.

Wenn wir die Qualitätssicherung bei der endoprothetischen Versorgung ernst nehmen, dann bleibt unseres Erachtens nur der Weg über die flächendeckende prospektive Dokumentation in einem nationalen Endoprothesen-Register. Um den Kliniken und ihrem Personal die zeitraubende Verwaltungsarbeit für mehrfache Dokumentationen zu ersparen, muss die Dokumentation für ein solches Register in bereits bestehende computer-basierte Dokumentationen für andere Zielgruppen integriert werden. Herr Dr. Klima von der Orthopädischen Universitätsklinik Halle hat mit großzügiger Unterstützung durch das Land Sachsen-Anhalt ein Verfahren entwickelt, welches diesen Datentransfer erlaubt. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Ansatz eine ausreichende personelle Unterstützung seitens der Krankenversicherer erhält und in Zukunft zu entsprechenden Ergebnissen führen wird.

Dr. Ingeborg Lang

Deutsches Endoprothesen-Register e.V.

Datenzentrale c/o Orthop. Uni-Klinik Göttingen

Robert-Koch-Straße 40

D-37075 Göttingen

Dr. Ingeborg Lang

Deutsches Endoprothesen-Register e.V.

Datenzentrale c/o Orthop. Uni-Klinik Göttingen

Robert-Koch-Straße 40

D-37075 Göttingen

 
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Abb. 1

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Abb. 2

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Abb. 3

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Abb. 4

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Abb. 5

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Abb. 6

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Abb. 7

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Abb. 8

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Abb. 9

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Abb. 10