Zwischenmenschliche Informationen, welche Bestand haben, sind seit gut 30 000 Jahren
v. Chr. in Höhlen und an Felsen bekannt. Sie bestehen aus Zeichnungen und Symbolen
und sind dort angebracht, wo Menschen sich zu begegnen pflegten. Im 4. Jahrtausend
v. Chr. ist die Notwendigkeit dokumentiert, sprachlich getroffene Vereinbarungen in
Bild, Schrift und Zahlen festzuhalten. Diese werden durch Konvention allgemein gültig
und verbindlich. Diese Entwicklung lässt sich in verschiedenen Kulturräumen dokumentieren,
am frühesten wohl in Mesopotamien. Schrift und Bild werden in Stein gehauen, wo sie Jahrtausende überdauern, und bevorzugt an Heiligtümern, Tempeln, Palästen
und Gräbern, in Städten und Marktplätzen angebracht, eben da wo viele Menschen immer
wieder zusammenkommen. Die Menschen also kamen zur Information. Mit der Ausbreitung
von Handel und Gewerbe, mit der Eroberung von fremden Gebieten, mit Zöllen und Tributen
löste die Tontafel als Schriftträger das Problem, die Information zu den Menschen zu bringen. Diese
wurde im 3. Jahrtausend ergänzt und teilweise ersetzt durch Papyrus als Schriftträger, welches aus Mark und Stängel der Papyrusstaude in Lagen verlegt
und gepresst, ein beschreibbares Blatt ergibt, das trocken gehalten lange aufbewahrt
werden kann, gefaltet oder gerollt gut transportiert wird und auch leicht zu kopieren
ist. Dies hat sich bewährt, bis im 4. Jahrhundert n. Chr. in der kleinasiatischen
Stadt Pergamon die Technik zur Verwendung von Häuten als Schriftträger entwickelt
wurde. Es geht hier um Tierhäute von Rindern, Schafen, Ziegen und Eseln. Das Pergament, Papier aus Pergamon, entsteht durch Entfernen von Haaren, Fleischteilen und Fetten.
Die ungegerbten Felle werden dann einige Tage in Ätzkalk gelegt, aufgespannt, nochmals
gereinigt und gebleicht. Zuweilen werden sie zur besseren Geschmeidigkeit mit Ölen
behandelt. Pergament ist haltbarer als Papyrus, feuchtigkeitsbeständig und kann beidseitig,
auch farbig beschrieben werden. Es wird in Rollen oder zu Büchern gebunden transportiert
und aufbewahrt. Abgelöst wird Pergament als Schriftträger im 14. Jahrhundert n. Chr.
durch Papier, welches aus Pflanzenfasern durch Verfilzen, Verleimen und Pressen in vielfältigen
Arten und Formen gewonnen wird und sich insbesondere durch den Buchdruck als Schriftträger
durchgesetzt hat. Erst im 20. Jahrhundert erhält Papier durch die elektronische Erfassung
und Verbreitung von Daten eine echte Alternative (Tab. [1]).
Tab. 1 Die Träger der Schrift
Fels und Stein |
seit 30 000 Jahre vor Chr. |
Tontafel |
4000 |
Papyrus |
3000 |
Pergament
|
400 Jahre n. Chr. |
Papier |
1400 |
Elektronische Medien |
1950 |
Pergament, gefertigt aus tierischen Häuten, war also tausend Jahre lang der hauptsächliche
Schriftträger der Menschheit. Eine ganze Reihe von Prachtexemplaren menschlicher Kunst
und Kultur werden von Pergament dauerhaft getragen. Hervorragende Beispiele sind der
Codex Manesse (Abb. [1] u. [2]), ausschließlich auf Pergament gefertigt, und die Gutenbergbibel (Abb. [3]), die noch teilweise auf Pergament, größtenteils aber schon auf Papier gedruckt
wurde.
Abb. 1 (Cod. Pal. germ. 848, 6recto). Der Staufer-Kaiser Heinrich VI. (1165 - 1197), Sohn Friedrichs I. Barbarossa, wurde 1191 in Rom zum Kaiser gekrönt.
Seine Verse sind vermutlich in seiner Jugend entstanden, zur Zeit des Mainzer Hoffestes
1184. Die erste Miniatur der Handschrift ist in recht schlechtem Zustand, da sie ihrem
repräsentativen Charakter entsprechend sicher am häufigsten gezeigt wurde.
Abb. 2 (Cod. Pal. germ. 848, 184verso). Über das Leben des ersten großen Dichters der hochhöfischen
Zeit, Hartmann von Aue, ist wenig bekannt. Um 1160 geboren, stand er als Ministeriale im Dienst eines Herrn
von Aue, wohl bei Freiburg gelegen. Er nahm 1189 oder 1197 an einem Kreuzzug teil
und starb nach 1210. Seine „cristalînen wortelîn” rühmt Gottfried von Straßburg.
Abb. 3 (Blatt 5recto). Beginn des ersten Buches Mose, der Genesis: In principio creavit deus
celum et terram … Am Textanfang steht eine große, mit Blattgold verzierte Initiale,
in deren Buchstabenstamm ornamental herausgearbeitetes Blattwerk zu sehen ist. Der
Schriftspiegel ist an drei Seiten von einer Ranke mit Blüten und lappigen Blättern
eingefasst, die zusammen mit der Initiale nach dem Druck von einem Illuminator ausgeführt
wurde.
Codex Manesse
Der „Codex Manesse”, auch die „Große Heidelberger Liederhandschrift” genannt, gehört
ohne Zweifel zu den berühmtesten Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg.
Sie besteht aus 426 Pergamentblättern - also 852 Seiten - im Großfolioformat von ca.
25 x 35,5 cm. Mit fast 6000 Strophen von 140 Dichtern enthält sie die umfangreichste
Sammlung mittelhochdeutscher Lied- und Spruchdichtung aus der Zeit zwischen 1160/70
und 1330. Seinen Ruhm als eine der schönsten und wertvollsten Handschriften des europäischen
Mittelalters verdankt der Codex Manesse vor allem seinen 137 ganzseitigen „Autorbildern”,
die die Liedersammlungen fast jedes der einzelnen Minnesänger einleiten (Abb. [1] u. [2]). Die Miniaturen gehen auf vier Maler und deren Gehilfen zurück. Der mit 110 Abbildungen
größte Teil wurde vom so genannten Grundstockmaler zwischen ca. 1300 und 1315 erstellt.
Seine Bilder stellen Mode und Rüsttechnik dar, wie sie seit ca. 1230 üblich war und
sind durch eine besondere Einheitlichkeit und die typischen kräftigen, unvermischten
Farben gekennzeichnet. Die drei ihrem Stil nach „moderneren” Nachtragsmaler fertigten
bis ca. 1330 die restlichen 27 Miniaturen.
Die Handschrift entstand im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts in oder um Zürich.
Ihren Namen „Codex Manesse” trägt sie nach dem Züricher Adelsgeschlecht der Manesse,
deren Sammlung alter Liedtexte als eine der Vorlagen verwendet wurde. Auf welchen
Wegen die Handschrift in den Besitz der Heidelberger Kurfürsten kam und somit zum
Bestandteil der berühmten „Bibliotheca Palatina” wurde ist bislang nicht genau geklärt.
Nach 1596 ist sie jedenfalls als Eigentum Kurfürst Friedrichs IV. von der Pfalz nachweisbar.
Von seinem Nachfolger, Kurfürst Friedrich V., wurde der Codex vor der Eroberung der
Stadt Heidelberg durch die Truppen der katholischen Liga unter dem Feldherrn Tilly
(1622) in Sicherheit gebracht und auf der Flucht mitgeführt. Nach Friedrichs Tod im
Exil wurde das Manuskript sehr wahrscheinlich von seiner Witwe in einer finanziellen
Notlage verkauft. Seit 1657 war der Codex dann im Besitz der königlichen Bibliothek,
der späteren Bibliothèque Nationale in Paris, wo sie rund 230 Jahre verbleiben sollte.
1888 konnte sie durch Vermittlung des Straßburger Buchhändlers Karl Ignaz Trübner
und mit finanziellen Mitteln des deutschen Kaiserhauses im Rahmen eines komplizierten
Ringtausches zurückerworben werden und kehrte so nach Heidelberg zurück.
Die Gutenbergbibel
Die 42-zeilige Bibel (B 42) gilt als Krönung der Druckkunst Johannes Gutenbergs (†1468).
Das zweibändige Werk mit insgesamt 1282 Seiten entstand in der Blüte seines Schaffens
unter Mitwirkung von etwa 20 Mitarbeitern. Gutenberg, dessen eigentlicher Familienname
Gensfleisch zur Laden lautete, wurde um das Jahr 1400 vermutlich in Mainz geboren.
Um 1438 unternahm er in Straßburg, wo sich seine Familie niedergelassen hatte und
wo er sich als Goldschmied und Spiegelmacher nachweisen lässt, erste Versuche mit
dem Drucken. Zurückgekehrt nach Mainz etablierte er um 1450 mit finanzieller Hilfe
des Kaufmanns Johannes Fust eine Presse, in der er wenig später mit dem Druck der
großen nach ihm benannten lateinischen Bibel begann. Fertiggestellt wurde sie zwischen
1452 und 1455.
Gedruckt wurde schon vor Gutenberg und zwar mithilfe des Holzdrucks, bei dem auf einen
mit Farbe versehenen Holzstock Papier gelegt und abgerieben wurde. Dieses Verfahren
war verhältnismäßig aufwändig; jeder Druckstock musste neu geschnitzt werden, Korrekturen
und Veränderungen der Druckseite waren so gut wie unmöglich. Das Neue an Gutenbergs
Erfindung der beweglichen Lettern war die Zerlegung des Textes in seine Einzelelemente
wie Klein- und Großbuchstaben, Satzzeichen, Ligaturen und Abkürzungen. Diese einzelnen
Teile konnten als seitenverkehrte Lettern mithilfe eines Handgießinstruments in beliebiger
Anzahl gegossen und anschließend zu Wörtern, Zeilen und Seiten zusammengefügt werden.
Für die 42-zeilige Bibel hatte Gutenberg 290 verschiedene Figuren und Lettern gießen
lassen. Das zum Gießen verwendete Metall bestand aus einer Legierung aus Blei, Zinn
und weiteren Beimischungen, die ein schnelles Erkalten und eine ausreichende Dauerhaftigkeit
unter dem hohen Druck der Presse gewährleistete. Farbige Initialen und Zeichen wurden
nach dem eigentlichen Druck von einem Illuminator und einem Rubrikator eingefügt.
Von den insgesamt 180 Exemplaren der Gutenbergbibel waren vermutlich 150 auf Papier
und die restlichen 30 auf Pergament gedruckt. Heute existieren auf der ganzen Welt
nur noch knapp 50, zum Teil unvollständig erhaltene Stücke. Als im Jahr 1987 eine
der noch erhaltenen Bibeln in den Handel kam, lag der Kaufpreis bei knapp 10 Millionen
DM. Damals der höchste Preis, der je für ein Druckwerk bezahlt worden war.
Die Gutenbergbibel gehört bis heute zu den schönsten gedruckten Büchern der Welt.
Das Verhältnis von Höhe und Breite der Seiten entspricht dem Goldenen Schnitt, der
Satzspiegel ist genau so hoch, wie die Buchseite breit ist. Dadurch entsteht das als
sehr harmonisch empfundene Aussehen der einzelnen Buchseiten (Abb. [3]). Gutenberg hat bewiesen, dass die „Schwarze Kunst” den Handschriften ästhetisch
Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte, seine Erfindung brachte einen Umbruch in der
Welt der Schriftlichkeit. Die hierdurch beförderte Verbreitung von Wissen und wissenschaftlichen
Erkenntnissen wurde zu einem Meilenstein in Richtung Neuzeit.
Pergament ist seit fast 600 Jahren als Schriftträger weitgehend durch Papier und neuerdings
durch die elektronischen Medien ersetzt worden. Zuweilen wird es noch verwendet für
Urkunden, Chroniken und bibliophile Bucheinbände. Dies soll dem Unterfangen Alter,
Tradition, Würde und Bestand verleihen.
Um solche Aussage im Falle von grundsätzlichen Regeln und Gesetzen, denen unabhängig
von Ort und Zeit ewige und unverrückbare Geltung zukommt, noch zu steigern, hat Dr.
Fritz Bauer (1903 - 1968, hessischer Generalstaatsanwalt 1956 - 1968, verantwortlich
für den Auschwitz-Prozess in Frankfurt a. Main 1963 - 1965) von menschlichen Grundrechten
ausgesagt, „sie sollen nicht auf Pergament, sondern auf empfindliche Menschenhaut
geschrieben werden” [1]. Diese würzige, ja markige Metapher meint im übertragenen Sinne, besonders bedeutungsträchtiger
menschlicher Grundaussage kann nur die wertvolle und sensible Menschenhaut als Schriftträger
gerecht werden. So mag man das hinnehmen. Ernst und wörtlich genommen, wie es gelegentlich
durch die Historie geistert, würde ein scheußlicher Verrat an den Menschenrechten
erst zu deren Verewigung führen. Es müsste ja der ungeheuerliche Frevel des Schinden
eines Menschen zur Gewinnung seiner Haut vorweg geschehen. Also eine schreckliche
Verhöhnung eben der festzuhaltenden Menschenrechte. So darf es nicht gehen. Und ebenso
gehört der häutige Schirm der Leselampe als Gräuel der Zeitgeschichte begraben.
Es bleibt dabei, Pergament wird aus tierischen Häuten gefertigt und ist weitgehend
überholt, obschon es in der Redewendung noch anklingt, wenn von einem Schreiber gemeint
wird: „mit seiner Feder zieht er vom Leder”. Abgelöst wurde Pergament vom Papier,
ebenfalls unbelastet, von dem es heißt: „Papier ist geduldig und nimmt alles an”.
Es bleibt dabei, der Schriftträger kann keine Verantwortung tragen für das, was auf
ihm drauf geschrieben steht. Der Autor ist verantwortlich!