Frühe Abbildungen hautkranker Menschen
Frühe Abbildungen hautkranker Menschen
Skulpturen der Inkas, Mexiko
Dominique D. Vérut hat in einem Bildband die präkolumbianische Dermatologie und Kosmetologie
in Mexiko zusammen gestellt [1]. Diese Dokumentation lässt aufgrund der dargestellten Skulpturen aus der präkolumbianischen
Zeit eine Fülle von Hautveränderungen erkennen, die das gesamte Spektrum vom Krankhaften
(Dermatologie) bis zum ästhetischen (Kosmetologie) erkennen lassen. Ein Problem dieser
figürlichen Darstellungen liegt offenbar in der Authentizität der Funde, die nur zum
geringsten Teil aus der Sammlung des mexikanischen Museums für Anthropologie stammen.
Zum grösseren Teil stammen sie aus privaten Sammlungen, deren Echtheit zwar in vielen
Fällen vermutet werden kann, aber nicht gesichert ist.
Auch die Interpretation der dargestellten Hautveränderungen eröffnet ein weites Spektrum
und ergibt sich allenfalls aus Vermutungen unserer heutigen Sicht dermatologischer
Krankheitsbilder. Der Sinn und die Interpretation der dargestellten Veränderungen
vor mehr als 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung bleibt uns verschlossen und bietet
allenfalls Stoff für Spekulationen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass
gerade die Haut und gewollte (Tatoos) oder ungewollte Veränderungen dieses Organs
schon immer Objekt künstlerischer Darstellungen waren (Abb. [1] und [2]).
Abb. 1 Präkolumbianische Skulptur eines Mannes mit Hautknoten, die dem Tumorstadium einer
Mycosis fungoides entsprechen könnten (aus DD Verut 1973).
Abb. 2 Präkolumbianische Skulptur. Steatopygia ist eine ungewöhnliche Fettansammlung im Bereich
des Stammes, die dem Bild einer diffusen Lipomatose (Launois-Bensaude-Syndrom) entspricht
(aus DD Verut 1973).
Ikonen
Ikonen, die „Fenster zur Ewigkeit”, sind auf Holztafeln gemalte Bilder religiöser
Verehrung, deren Ursprung im Katharinen Kloster auf dem Sinai im 6. Jahrhundert nach
Christus gesehen wird. In der orthodoxen Kirche sind sie sicht- und fassbare Fleischwerdung
Gottes in dieser Welt. Ihre symbolhaft- abstrahierenden Darstellungen sind meist anonym.
Die Darstellungen reichen häufig über eine eng begrenzte christlich-religiöse Thematik
hinaus und symbolisieren unter anderem Christus als heilender einer leidenden Menschheit
und macht ihn damit zum Leitbild des Arztes. Eine Fülle medizinischer Themen in der
Ikonenmalerei sind in dem Buch von Jörgen Schmidt-Voigt [2] dargestellt; darunter auch einige wenige entfernt dermatologische Themen, wie z.
B. die Haltung der segnenden Hand des Pantokrators, die an einen Morbus Dupuytren
denken lässt. Dermatologisch Relevante Krankheitsbilder finden sich selbst bei grosszügiger
Interpretation in diesen religiösen Darstellungen kaum, wenn man einmal absieht von
Darstellungen der zahlreichen Varianten alopezischer Haartrachten bei Aposteln und
Heiligen.
Daneben Abbildungen der Apotheken-Heiligen Kosmas und Damian mit Salben und Salbenspatel
oder des Arzt- und Apothekenheiligen Panteleimon , der einem Salbenspatel in der rechten
und ein Arzneikästchen in der linken Hand hält. Berühmt und allgemeinmedizinisch interessant
ist auch die Abbildung auf der Innenseite der Flügeltür des in der Michaelis Kirche
in München zu sehenden Reliquien-Schreins, die Kosmas und Damian bei einer Allotransplantation
eines Beines - ein transplantations- immunologisch interessantes Thema - darstellt.
Eine der bekanntesten ikonografischen Abbildungen ist das Schweisstuch der Veronica,
das seit dem späten 12. Jahrhundert in der Basilika San Pietro in Rom verehrt wird.
Die zahlreichen Kopien werden durch die Legende legitimiert, die besagt, dass Christus
auf seinem Weg zum Berg Golgata Blut und Schweiss aus seinem Gesicht in dem von der
mitleidvollen Veronica gereichten Schleier „abgedruckt” hat. Bei grosszügiger Interpretation
könnte man hierin einen zweidimensionalen Vorläufer der späteren Moulagen-Technik
sehen.
Im System der Humoralpathologie konnten Abbildungen nicht die gleiche Bedeutung haben,
wie in einer morphologisch orientierten Dermatologie. Einerseits ist es schwierig
die Säftestörungen in Bildern darzustellen [3], andererseits hatten Bilder generell eine andere Funktion.
In Büchern hatten sie vor allem den Zweck diese zu schmücken und allenfalls religiöse
Aspekte anzudeuten. So sind in der Buchmalerei des Mittelalters die Hautkrankheiten
(seien es nun „Aussatz” oder „Geschwüre”) als gleichmässig über den Körper verteilte
rote Flecken dargestellt. Die Illustrationen veranschaulichen symbolisch den Textinhalt.
Miniaturen sollen keine Nachahmung des äusseren, der Natur sein, sondern die christlichen
Heilslehren aufzeigen und deuten [4].
Darin unterschieden sich Miniaturen zu Bibeltexten nicht von weltlicher Literatur,
wie z. B. der Vergleich von bekannten Abbildungen von Aussätzigen in Bibelillustrationen
mit Abbildungen zur göttlichen Komödie von Dante aus dem Mittelalter zeigt [5] (Abb. [3]).
Abb. 3 Illustration der göttlichen Komödie aus einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert.
Die Zwietrachtstifter und Glaubensspalter sind über und über mit ekelerregenden Geschwüren
bedeckt.
Hautveränderungen in Kunstwerken können gemäss Mittag in drei Darstellungstypen unterschieden
werden [6]:
-
das Bemühen des Künstlers um die genaue, detaillierte und wirklichkeitsgetreue Wiedergabe
der Struktur der Haut
-
Darstellung der Haut oder von Hauterscheinungen in ihrem emblematischen und allegorischen
Sinn, z. B. als Hinweis auf das Lebensalter oder im Gegensatz schön/hässlich
-
Darstellung von signifikanten Hautveränderungen als Kennzeichnung oder Charakterisierung
einer Person oder Personengruppe (Muttermale, Hexenwarzen)
Bei der wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe, z. B. Portraits von Persönlichkeiten, lassen
sich Hauterscheinungen entdecken, die nach heutigem Krankheitsverständnis retrospektiv
diagnostiziert werden können. Dies ermöglicht das Vorkommen einzelner Hautveränderungen
in eine frühere Zeit rückzudatieren, eine weitere medizinische Interpretation ist
aber anachronistisch und würde das heutige Krankheitsverständnis in eine andere Gesellschaft
und andere medizinische Anschauung hineininterpretieren. Natürlich fragt man sich,
inwieweit Hautbefunde als mögliche Makel oder Kennzeichen auch wirklich wahrheitsgetreu
dargestellt oder „retouchiert” wurden und ob in Szenenbildern nicht doch allegorische
oder kennzeichnende Bedeutungen im Sinne der obigen zwei letzten Punkte beabsichtigt
waren.
Abbildungen in naturwissenschaftlichen/medizinischen Werken
Abbildungen in naturwissenschaftlichen/medizinischen Werken
Auch in medizinischen Werken hatten die Bilder zuerst die Aufgabe den Text symbolisch
zu veranschaulichen und , in Lehrbüchern der Anatomie oder bei der Beschreibung technischer
Hilfsmittel, die Beschreibung bereits zu illustrieren. So findet man im „Feldtbuch
der wundtartzney” von Hans von Gerssdorff (1517) grobe schematische Zeichnungen zur
Anatomie und zum Gebrauch verschiedener chirurgischer Werkzeuge, Holzschnitte mit
religiösem Inhalt (Darstellung des heiligen Antonius) und auch zweimal eine Darstellung
des Aussatzes. Sowohl Hiob, als auch der von den Ärzten in der Lepra-Gschau besehene
(beurteilte) Patient weisen symbolisch auf der Haut disseminierte Knoten auf. Es handelt
sich also noch keineswegs um eine getreue Abbildung von Hautveränderungen, welche
z. B. als Diagnosehilfe hätten eingesetzt werden können (Abb. [4]).
Abb. 4 Besehung der Ussetzige, Hans von Gerssdorff, Holzschnitt 1517. Blut, Harn, Knollen,
Drüsen, faule Glieder und Gestank sind einige der vielen Zeichen, nach denen das Untersuchergremium
die Diagnose „Malzey” (Lepra) zu stellen oder auszuschliessen sucht.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts finden sich in naturwissenschaftlichen Büchern und
Monographien Kupferstiche, welche die Aussage des Textes zusätzlich belegen sollen.
Sie illustrieren Beobachtungen, sind jedoch nur von geringer Bedeutung im Vergleich
zum oft sehr ausführlichen, aus heutiger Sicht fast umständlich wirkenden Text. Als
Beispiel sei hier die Abbildung am Ende der 176-seitigen Monographie zur Aetiologie
der Krätzmilbe von Johann Ernst Wichmann aus dem Jahre 1791 gezeigt, in der er die
Milbe als Ursache der Krätze beschreibt (Abb. [5]).
Abb. 5 Krätzmilben: In Kupfer gestochene frühe Milbendarstellungen. Abbildung 1: von Moufet
1634, Abbildung 2 und 3 von Wichmann 1791 und Abbildung 4 von Bonomo1682.
Wichmann zeigt neben zwei eigenen Milbendarstellungen auch die erste Zeichnung einer
Mölbe [sic!] von Moufet aus dem Jahr 1634 der diese Insekten durch das Mikroskop beobachtet
hat. „Er ist der erste, der eine Zeichnung von diesen Krätzmilben, mit 6 Füssen, freylich
durch damalige Micrroscope vergrössert, mit 4 Widerhaken versehen liefert.”
Auch die Abbildung von Bonomo wird kopiert und kommentiert: „Ich habe oben gesagt,
dass dem Italiäner [sic!] Bonomo die Ehre zukomme, die Krätzmilben zuerst gut gezeichnet
und genau beschreiben zu haben. […] Ich habe sie aber auch hier Fig. 4. wieder copiieren
lassen, um zu beweisen, wie sehr der Natur getreu dieser Naturforscher schon vor 100
Jahren sie abgebildet habe, da sie mit der unter meinem Microscope gezeichneten, hier
gleichfalls in Kupfer gestochenen Fig. 2 und 3 so sehr genau übereinkommt, und sich
überhaupt das, was Bonomo damals gesagt hat, noch jetzt nach dem Buchstaben bestätigt.”[7]
Auch die aus Zürich stammende, im Archiv von Johann Müller 1839 publizierte Abbildung
des Favuserregers von Johann Lucas Schönlein - eine vielzitierte, historisch bedeutsame
kurze Mitteilung, die als erste Publikation gilt, in der ein Pilz für eine Hautkrankheit
beim Menschen verantwortlich gemacht wird - darf als „beweisende” Illustration angesehen
werden, der wohl keine diagnostische Bedeutung zugesprochen werden kann (Abb. [6]).
Abb. 6 Kupferdarstellung einer Scutula bestehend aus Pilzfäden des später nach dem Erstbeschreiber
benannten Pilzes Achorion Schönleinii (heute Trichophyton Schönleinii) aus der Publikation
von Schönlein 1839.
Abbildungen von Hautkrankheiten in medizinischen Werken
Abbildungen von Hautkrankheiten in medizinischen Werken
Im 18. Jahrhundert wandelt sich das medizinische Verständnis vom Sitz der Krankheiten.
Werke von Giovanni Battista Morgagni und von Marie François Xavier Bichat begründen
den ärztlichen „Lokalismus”, der die Krankheiten in den Organen und Geweben lokalisiert.
Die Haut ist nicht mehr nur eine Hülle, die bestenfalls der Ausscheidung dient, sondern
wird als multifunktionales vielseitiges Organ anerkannt, das auch eigenständig erkranken
kann.
Zur Illustration von Hautbefunden wurden die ersten detaillierten Bilder mit den Texten
mitgeliefert. Die publizierten Kasuistiken von Tilesius und der von Martens 1804 herausgegebene
Atlas zu den venerischen Krankheiten gehören zu diesen frühen Werken im deutschsprachigen
Raum. Franz Heinrich Martens und Wilhelm Gottlieb Tilesius stehen am Beginn einer
Entwicklung die zum engen Kontakt zwischen Kunst und Medizin geführt hat. Sie hatten
beide mit der Abbildung kranker Individuen in ihren Publikationen begonnen und sind
dann weiter zur plastischen Darstellung übergegangen, indem sie Wachsbilder über Abgüsse
von erkrankter Körperoberfläche, die späteren Moulagen, herzustellen begannen. Die
Moulagen venerischer Krankheiten von Martens sind nicht mehr erhalten, doch zeigen
die Abbildungen im von Martens publizierten Atlas der Geschlechtskrankheiten („Icones
symptomatum veneri morbi” ) nachweislich die gleichen Befunde, die auch in Wachs abgeformt
wurden [8].
Abb. 7 Farblithographien von Tilesius zum Fall von J. G. Rheinhardts Hautkrankheit aus dem
Jahre 1793.
Die Tafeln über Johann Gottfried Rheinhardts Hautkrankheit von Tilesius zeigen die
ersten medizinischen Abbildungen anhand denen retrospektiv eine Neurofibromatose diagnostiziert
werden kann (Abb. [7]).
Die Effloreszenzenlehre
Im Wandel von der Säftelehre und Theorien der Irritabilität, denen auch Martens anhing,
hin zu einer anatomisch-pathologisch begründeten Lehre von Organerkrankungen, gefolgt
von einer Zellularpathologie und schliesslich der Infektiologie gewannen Bilder eine
grundlegend neue Bedeutung. Bereits Carl von Linné versuchte die Krankheiten nach
einem ähnlichen visuellen Schema, wie er es wegbereitend für die Botanik getan hatte,
einzuteilen. Die Ansicht, dass sich Krankheiten der Haut am besten nach „Ausblühungen”
beschreiben und kategorisieren liessen hat sich in allen nachfolgenden Klassifikationsversuchen
niedergeschlagen.
Das nach Effloreszenzen systematisierende Werk von Josef Jacob Plenck aus Wien („Doctrina
de morbis cutaneis”, 1776), mit dessen Erscheinung oft der Beginn der heutigen Epoche
der Dermatologie gleichgesetzt wird, kommt noch ganz ohne Abbildungen aus.
Der englische Arzt Robert Willan griff die Einteilung von Plenck und Lorry auf und
gehörte zu den ersten, die ein besonderes Gewicht auf die bildliche Darstellung legten.
Willan wurde im deutschsprachigen Raum oft gelesen und war für die nachfolgenden Autoren
eine wichtige Referenz. Die Klassifikation von Willan ist ausgesprochen schnell bekannt
geworden. Offenbar waren seine Schriften überzeugend und vielleicht war auch die neuartige
Gewichtung der Bilder für die gute Verbreitung mitverantwortlich.
Im Vorwort der deutschen Ausgabe von 1799 schrieb der Übersetzer D. Friese: „Lobenswürdig
ist daher die Absicht des Verfassers, diese Krankheiten in einer systematischen Ordnung
und Verbindung abzuhandeln, und die oft selbst für geübte Aerzte so schwürige Erkenntnis
und Unterscheidung ihrer verschiedenen Geschlechter, Arten und Abarten durch genaue
Definitionen und erläuternde, mit natürlichen Farben abgedruckte Kupfertafeln, zu
erleichtern. [...] Der Herr Verleger hat mir versprochen, für die möglichst sorgfältige
und genaue Copie der Kupfertafeln des englischen Originals Sorge zu tragen.”
Auch Willan selbst betonte, dass ihm die Bilder wichtig waren und dass deren Herstellung
mit einem sehr grossen Aufwand verbunden war (Abb. [8]).
Abb. 8 Farblithographie einer Kupfertafel aus dem Standardwerk von Robert Willan (Die Hautkrankheiten
und ihre Behandlung. Zweiter Band 1803): sehr schematisiert dargestellte Psoriasis
gyrata.
So wie Willan als der Begründer der Dermatologie in England angesehen werden kann,
gilt dies für Jean Louis Alibert in Frankreich. Auch seine berühmten Werke aus dem
Hôpital St. Louis (Paris) mit dem Arbre des Dermatoses, einer Systematik bei der besonders
die Ursachen und der klinische Verlauf der Krankheiten berücksichtigt wurde, definieren
sich über die Effloreszenzenlehre, indem er das Aussehen der Hautkrankheiten auf dem
Höhepunkt ihrer Entwicklung betrachtete und sie nach diesem klinischen Aussehen benannte.
In England wurde die Schule von Willan durch Thomas Bateman weitergeführt und ausgebaut.
Auch Bateman publizierte ab 1815 eine Übersicht über die Effloreszenzen. Die technischen
Möglichkeiten (Lithographie eines Aquarells) waren für diesen Zweck nur knapp ausreichend,
denn ohne Legende ist auch für den erfahrenen Dermatologen eine Zuordnung der Bilder
kaum möglich. Ein Vergleich der gleichen Darstellung aus verschiedenen Auflagen zeigt
zudem, wie gross die drucktechnisch bedingten Farbunterschiede waren. Den Bildern
darf noch keine allzu grosse Bedeutung zugeschrieben werden. Es gilt auch zu bedenken,
dass wir heute den täglichen Umgang mit Bildern gewohnt sind, während die damaligen
Autoren und Leser Neuland betraten. Vilém Flusser hat die Entwicklung der technischen
Bilder (Fotografien), die unser gesamtes heutiges Denken mitprägen, als den zweiten
tiefen Einschnitt in unserer Kultur nach der Erfindung der linearen Schrift bezeichnet
[9] (Abb. [9] und [10]).
Abb. 9 (links) Nach der Vorlage von Willan durch Thomas Bateman weiterentwickelte Übersicht
über die Effloreszenzen. Die Abbildung stammt aus der ersten deutschen Auflage 1815.
Abb. 10 (rechts) Die gleiche Darstellung wie Abb. 9, aber aus der zweiten deutschen Auflage des Werkes von Bateman 1841. Im Vergleich
wird deutlich, wie sehr die farbliche Darstellung von der Qualität des Druckverfahrens
beeinflusst wurde.
Die Atlanten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts kennzeichnen einen Wendepunkt in der
Geschichte der Dermatologie. Besonders zwei aufwändige, grossformatige Werke seien
hier kurz vorgestellt: Der Atlas von D.F.W. Nolte zu Ehren von Conrad Heinrich Fuchs
und der Hautatlas von Ferdinand von Hebra.
1840/41 veröffentlichte Fuchs, ein Schüler von Johann Lucas Schönlein, ein humoralpathologisch
ausgerichtetes Werk über Hautkrankheiten, das von der damaligen Entwicklung in der
deutschsprachigen Dermatologie, geprägt durch die Systematik von Hebra, eigentlich
bereits überholt war[10]. Nolte gab enthusiastisch einen Atlas zur Illustration dieses Systems heraus. Die
Bilder wurden unter seinen Augen hergestellt. Lücken füllte er mit Abbildungen von
Pierre-François-Olive Rayer, Thomas Batman und anderen international bekannten Dermatologen.
Ferdinand von Hebra, der das Spezialfach in Wien in die institutionelle Selbständigkeit
führte, versuchte mit seinem Atlas der Hautkrankheiten durch „objective Darstellungen”
etwas zeitlos Gültiges zu schaffen, das sich keiner „vergänglichen” Systematik zu
unterwerfen braucht. Die erste Lieferung wurde 1856 in Wien gedruckt und enthält Bilder
des Hautarztes und Künstlers Anton Elfinger. Ab 1859 wird der Arzt und Künstler Carl
Heitzmann ebenfalls in das Projekt eingebunden [11] (Abb. [11]).
Abb. 11 Künstlerisch aufwändige Lithographie (Band 6, Tafel 7) aus dem grossformatigen Atlas
von Hebra aus dem Jahr 1866.
Diese Atlanten, wie auch ältere französische Werke im gleichen Stil, z.B: von Rayer
oder Ricord, waren kaum für ein breites Publikum bestimmt, sondern ergänzten wohl
eher den Unterricht in Kliniken und Universitäten und wurden in Bibliotheken angeschaut
[12]. Auch das Werk von Ferdinand von Hebra ist eher als langlebiges Zeugnis und Prunkstück
geschaffen worden, denn als Hilfe im Praxisalltag [13]. Diese Vermutung wird durch die teilweise traurige buchhändlerisch Geschichte vieler
Atlanten gestützt. Auch der Hebrasche Atlas ist nur einmal aufgelegt worden und dies
unter allergrössten Schwierigkeiten [14]. Auch die physischen Masse des Hautatlas von Hebra stützen diese These: Der Atlas
besteht aus 8 Büchern mit je einem Gewicht von über 2 kg, die Bildtafeln messen 58
× 45 cm.
Später publizierte Hebra auch im Namen des unerwartet früh verstorbenen Felix von
Baerensprung einen weiteren Atlas der Hautkrankheiten. Der Verleger Ferdinand Enke
schreibt im Vorwort: „Indem ich weder Mühe noch Kosten bei der Anfertigung des Farbendruckes
scheute, und sich Kenner günstig über die vorliegenden technischen Leistungen aussprachen,
so glaube ich in diesem Atlas dem ärztlichen Publikum ein erwünschtes Hilfsmittel
an die Hand zu geben, durch welches dasselbe in dem dermatologischen Studium auch
dort sich die nothwendige Anschauung verschaffen kann, wo diese wegen Mangels an klinischem
Materiale nur spärlich geboten ist” [15].
Das Buch ist zwar bereits etwas handlicher - aber mit den Maßen: 29 × 38 cm (1,3 kg)
immer noch nicht als Nachschlagewerk in der Praxis geeignet.
Bilder im Stile derjenigen aus diesen Atlanten wurden aber sehr wohl auch den praktizierenden
Hautärzten verfügbar gemacht, wenn auch nur in geringer Zahl. Man findet in den Ausgaben
des seit 1869 erscheinenden „Archiv für Dermatologie und Syphilis” ab 1874 einzelne
Aquarelle, im Jahr 1887 auch Bilder von Karl Heitzmann.
Die Bilder von Karl Heitzmann und Anton Elfinger aus der Sammlung von Hebra findet
man auch wieder im Handatlas der Hautkrankheiten von Moritz Kaposi, der nicht nur
diese Bilder, sondern auch die Tochter Hebras als Ehefrau und die Klinikdirektion
und Privatpraxis von diesem übernommen hat (Abb. [12]).
Abb. 12 Lithographie aus der Zeitschrift „Archiv für Dermatologie und Syphilis” zum Beitrag
„Impetigo herpetiformis” von Moritz Kaposi (1887). Die gleiche Abbildung ist auch
im Handbuch von Kaposi zu finden, dort allerdings in deutlich gröberer Zeichnung.
Kaposi hatte das Ziel einen Atlas für Studierende und praktische Ärzte als „Vergleichs-
und Controlobjekt” bei der Diagnose von Hautkrankheiten anzubieten. Der 1898 erschienene
dreibändige „Handatlas der Hautkrankheiten” ist umfassend, beinhaltet auf 760 Seiten
376 Farbtafeln mit Diagnose und teilweise einigen wenigen Worten zum Patienten und
ist relativ handlich. Kaposi schreibt im Vorwort: „Es müssen in dem Handatlas nicht
nur alle vulgären und auch seltenen Krankheitsformen enthalten sein, sondern auch
in allen Modificationen dargestellt erscheinen, welche viele wichtigste derselben
nach Localisation, Ausbreitung, Entwicklungs- und Rückbildungsphasen darbieten.” Als
Text ist nur der Name der abgebildeten Krankheit angegeben. Das Werk erschien allerdings
nur in einer ersten Auflage. Vielleicht war es doch zu detailiert und daher zu unübersichtlich,
und ohne Begleittext zu spezialisiert, als dass es, bei vermutlich damals schon recht
hohem Kaufpreis, eine grosse Verbreitung hätte finden können.
Schaustellungen dermatologischer Befunde
Schaustellungen dermatologischer Befunde
Leibhaftige Darstellungen dermatologischer Befunde haben in der Vergangenheit verschiedenen
Anliegen gedient.
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Weiter- und Fortbildung
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Bis in die Siebziger Jahre waren Vorstellungen von Patienten mit interessanten, unklaren
oder didaktisch aufschlussreichen Hautbefunden bestbesuchter Bestandteil eines jeden
grösseren Fachkongresses. Wenngleich hieraus kein Geschäft gemacht wurde - „Patienten-Agenturen”
gab es Gott sei Dank nicht - so kann nicht verleugnet werden, dass das Betrachten
und „Betouchen” Krankheits-geplagter Patienten durch hunderte, wissensbedürftige anonyme
Dermatologen, für den „zur Schau gestellten” Patienten, eine Tortur war. Bei darauffolgenden
Kongressen wurde hierauf zu Gunsten der neuen Präsentationsform der „Dia-Klinik” verzichtet,
zumal die didaktische Aufbereitung der Kasuistiken und die Archivierbarkeit der Darstellungen
Vorteile bot, die mit einer Live-Patientenvorstellung nicht gegeben waren.
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Unterhaltung: Löwenmenschen, Schlangenmenschen, Stachelmenschen und andere bedauerliche
Träger absurder Dermatosen waren attraktive Objekte von Schaustellern und Zirkusbuden,
die versucht haben, aus dem leidvollen Dasein der so geplagten Mitmenschen Kapital
zu schlagen.
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Mythen, Sagen und Märchen: Das Thema Hässlichkeit des Erscheinungsbildes, das sich
meist auch in der Darstellung des Hautbefundes niederschlägt, findet sich in klassischen
Themen wie „Die Schöne und das Biest”, „Froschkönig”, „Hans mein Igel”. Das Märchen
der Gebrüder Grimm „Hans mein Igel” schildert das erbarmungswerte Schicksal eines
Jungen, der halb Igel (Stachelmensch? Ichthyosis), halb normaler Mensch war.
Aus ethischen Gründen und aus Gründen der Praktikabilität musste vom lebenden „Schauobjekt”
auf bildhafte oder 3-dimensionale Darstellungen ausgewichen werden.
Der erste deutschsprachige Atlas der breit abgesetzt wurde, war der „Atlas der Haut-
und Geschlechtskrankheiten” von Eduard Jacobi aus Freiburg i.Br.. Er erschien in den
Jahren 1903 - 1920 in 7 Auflagen. Das ein- bis zweibändige (je nach Auflage) Werk
war umfassend, aber noch nicht unübersichtlich, hatte einen Lehrbuchtext und zeigte
die typischen Hautveränderungen anhand qualitativ ausgezeichneter Farbbilder. Möglich
wurde dies durch zwei technische Fortschritte: Die Moulagentechnik und die Farbfotografie
(Abb. [13]).
Abb. 13 Die Farbfotografie einer Moulage von einer Patientin mit Psoriasis gyrata aus dem
Atlas von Jacobi lässt deutlich mehr diagnostische Einzelheiten erkennen, als dies
mit vergleichbaren Zeichnungen oder Aquarellen zur erreichen gewesen wäre. Rötung,
Schuppung, sogar die Infiltration ist erkennbar.
Moulagen
Moulagen
Der klinische Dermatologieunterricht mit Krankendemonstrationen wurde bereits von
Alibert mit grossformatigen Bildern ergänzt[16]. Wie oben dargelegt, boten Atlanten eine Möglichkeit, klinische Bilder zu studieren,
auch wenn gerade keine Patienten mit diesen Krankheiten in der Klinik verfügbar waren.
Im Deutschsprachigen Raum beschäftigten sich Martens und Tilesius mit der Herstellung
dreidimensionaler Wachsnachbildungen von Geschlechtskrankheiten, in England gilt Joseph
Town als Pionier der Moulagenherstellung, und in Paris konnte Jules Baretta am ersten
internationalen Dermatologenkongress im Jahr 1889 den Moulagen zum weltweiten Durchbruch
verhelfen. Weltweit entstanden an vielen grösseren Hautkliniken Sammlungen von Moulagen,
die von Ärzten oder nicht ärztlichen Moulageuren nach unterschiedlichen Rezepten von
Befunden aus der eigenen Klinik hergestellt wurden. Bis in die 1950er Jahre hinein
blieb die Moulage ein wichtiges Kernstück in der dermatologischen Ausbildung und wurde
zeitweise auch als Diskussionsgrundlage an Kongressen und sogar zur Dokumentation
von Forschungsresultaten eingesetzt. Auf die Möglichkeit, trotz langer Belichtungszeiten
und je nach Technik notwendiger mehrfacher Belichtung, bereits früh Farbfotografien
herzustellen, über den Umweg der Fotografie von Moulagen, wurde bereits hingewiesen.
Die im Vergleich mit Lithographien von Aquarellen einfacher und günstiger herzustellenden
Bilder überzeugen sowohl farblich wie auch bezüglich der erkennbaren Details.
Die oft von Einzelpersonen erarbeiteten Moulagentechniken wurde leider in der Regel
als Berufsgeheimnis bewahrt und ging so im Laufe der Zeit verloren. 1956 organisierte
Alfred Stühmer in Freiburg i.Br. eine Arbeitstagung für dermatologische Bildkunst,
mit den Zweck, den Austausch unter den Moulageuren und Fotografen zu fördern, und
insbesondere dem Untergang der Moulagenherstellung entgegenzuwirken[17]. Die Bemühungen Stühmers konnten allerdings die bereits eingesetzte Entwicklung
nicht aufhalten, und zunehmend gerieten die dreidimensionalen Wachsobjekte in Vergessenheit,
wurden achtlos aufbewahrt oder zerstört. Erst die in den letzten 20 Jahren erkannte
Bedeutung als medizinhistorische Dokumente hat die Moulagen zurück in die Vitrinen
und in das Bewusstsein der Dermatologen geholt. In vielen Sammlungen sind die noch
erhaltenen Moulagen „gealtert” und haben massiv an Qualität eingebüsst. Die Moulagensammlung
der Dermatologischen Klinik des früheren Kantonsspitals Zürich stellt eine beeindruckende
Ausnahme dar. Die nach dem in Zürich verwendete Rezept hergestellten Moulagen sind
von aussergewöhnlicher farblicher Stabilität. 1800 Objekte haben die Zeit fast schadlos
überstanden und auch die Technik der Moulagenherstellung wurde weitergegeben. Die
dreidimensionalen Nachbildungen wirken so beeindruckend real und überzeugend, dass
die im modern eingerichteten Museum ausgestellten Moulagen wieder als wertvolle Lehrmittel
von den Staatsexamenskandidaten in der Prüfungsvorbereitung eingesetzt werden (Abb.
[14] und [15]).
Abb. 14 Die Moulage aus dem Jahr 1921 zeigt eine Betroffene der letzten Pockenpepidemie in
Zürich. Das realistische Bild wird durch Nasensekret, halbgeöffneten Mund und besonders
durch die eingesetzten Glasaugen zusätzlich verstärkt.
Abb. 15 Diese Detailaufnahme einer Moulage mit der Diagnose Onychomykose demonstriert die
Exaktheit bis ins feinste Detail. Ohne die sichtbare klassische Begrenzung mit weißem
Leinentuch, wäre eine Verwechslung mit einem direkt vom Patienten abgelichteten Befund
nicht ausgeschlossen.
Fotografie
Fotografie
Mit der Erfindung und Bekanntmachung der Fotografie im Jahre 1839 brach ein neues
Zeitalter der Illustration an. Die Fotografie wurde als Abbildung der Wirklichkeit
gepriesen, Henry Fox Talbot nannte sein erstes Buch mit Bildern nach dem von ihm verbesserten
Verfahren, der Kalotypie, „The Pencil of Nature” („Zeichenstift der Natur”) [18] - obwohl besonders in den Anfängen kaum gute Bilder ohne tatkräftige Retouche herzustellen
waren. Medizinhistoriker vertreten auch die Ansicht, dass sich wissenschaftliche Theorien
dank der neuen, glaubhaften Präsentationsmöglichkeit mit Hilfe von Fotografien schneller
durchsetzen liessen, als es aufgrund der eigentlichen Experimente möglich gewesen
wäre [19]. Diese Tendenz, Neues, das mit fotografischen Bildern „belegt” wird, eher als der
Wirklichkeit entsprechend zu akzeptieren, prägt heute unseren gesamten Umgang mit
den Medien und in weiten Teilen unseren Alltag. Diesen scheinbar hohen Wahrheitsgehalt
haben die Fotografien auch heute nicht verloren, obwohl die meisten Betrachter unterdessen
bereits selbst die digitalen Möglichkeiten haben, Fotografien ohne grosses Spezialwissen
ausgezeichnet retouchieren und verfälschen zu können.
In der Medizin wurde die Fotografie bereits 1845 bei mikroskopischen Präparaten eingesetzt.
Hier waren die langen Belichtungszeiten kein Problem. Schon wenig später wurde die
Daguerrotypie und die Fotografie als Vorlage für die Herstellung von Lithographien
genutzt, um diese in ihren Proportionen exakter zu machen. Um das technische Problem
des Druckes zu umgehen, konnte als Kompromiss eine Fotografie als direkte Vorlage
für eine Zeichnung benützt werden. Dabei wurden ergänzenden und schematisierende künstlerische
„Korrekturen” gezielt vorgenommen, wie die Legende zu Abb. [16] zeigt [20].
Abb. 16 Die Originallegende zu dieser Illustration einer „akuten multiplen Hautgangrän” aus
dem Archiv für Dermatologie und Syphilis von 1886 lautet: „… nach einem nach der Natur
gemalten Bilder der Patientin, dem eine Photographie vom Anfang Juli 1885 als Grundlage
diente, lithographiert. Ich habe im Gesicht, welches auf Wunsch der Patientin kein
Portrait ist, einige Pigmentflecke hinzufügen lassen, wie sich nach dem Auftreten
der Erkrankung im Gesicht zurückblieben, ebenso in der Gegend der rechten Clavicula
zwei Plaques, welche Mitte November, als der Zeichner das Bild noch einmal nach der
Natur verbesserte, frisch aufgetreten waren.”
Mikroskopie
Die Geschichte der Dermatopathologie begann mit Gustav Simon (1848) vor über 150 Jahren
und hat sich über Paul Gerson Unna, dem „Vater der Dermatohistologie”, Lever, Pinkus,
Gans, Steigleder, Schnyder und vielen zur Zeit noch aktive Dermato-Histopathologen
fortgesetzt. Die mikroskopische Betrachtung von Hautveränderungen hat eine zur Makroskopie
komplementäre neue Dimension geschaffen, die über die Jahrzehnte auch von einer verbesserten
Technik zur Einbettung, zum Schneiden und Färben der Präparate, sowie einer Verbesserung
der Mikroskope profitiert hat. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch Artefakte
(Schrumpfung des Präparates, Veränderung durch Fixierung) sofern sie standardisiert
entstehen, wichtige Kriterien für die Befundinterpretation sein können. Ein makroskopischer
Befund beinhaltet automatisch ein mikroskopisches Korrelat und umgekehrt. Erst die
Synthese dieser so unterschiedlich perzipierten Bilder - einerseits die makroskopische
Aufsicht, andererseits der mikroskopische Querschnitt - gibt die maximale Information
zur korrekten Interpretation eines Hautbefundes.
Unna hat den Satz geprägt: „Der Dermatologe sollte nicht aufhören das klinische Bild
mit einem histologisch-geübten Auge zu betrachten und das histologische Bild mit dem
Blick des Klinikers zu analysieren”. Eine solche „kinisch-pathologische Korrelation”
ist nur dann optimal, wenn auch die dahinterstehende Technik und Logistik adäquat
ist.
„Hat die Histologie der Haut noch Aufgaben zu lösen?” Ist die rhetorische Frage von
Stühmer (Hautarzt 1953) mit der im Wesentlichen Fragen der Technik zur Vermeidung
von Schrumpfungsartefakten angesprochen werden. Die Dermatopathologie hatte und hat
jedoch zahlreiche weitere Fragen zu lösen, die insbesondere mit den neuen Entwicklungen
der Histochemie der Immunzytologie und damit der Darstellung von „funktionellen Strukturen” verbunden waren. Diese neuen
Einblicke über das Färbeverhalten und über die Darstellung von funktionellen Markern
von Zellen und Geweben haben eine neue Interpretation morphologischer Befunde, insbesondere
in der Tumordiagnostik gebracht. Ergänzt wurden diese Befunde durch Einblicke in eine
funktionsorientierte Morphologie auf elektronmikroskopischer Ebene. Die Technologie der Laser- Scanning-Mikroskopie liefert Bilder von virtuell- dreidimensionalen Oberflächenstrukturen, die ästhetisch
ansprechend, im Übrigen jedoch wenig informativ sind. Die konfokale Laser-Mikroskopie hingegen erlaubt in Kombination mit der digitalen Aufarbeitung der schichtweise gewonnenen
Bilddaten eine echte dreidimensionale Rekonstruktion von Gewebsstrukturen.
„Mit den Ohren sehen” heisst das Prinzip der Ultraschall-Mikroskopie. Hochauflösende Ultraschallbildgebung ist eine nicht invasive Methode zur Darstellung
von Strukturen mit unterschiedlichen Absorptionsspektren. Diese Technik steht - soweit
es die bildhafte Wiedergabe feinstruktureller Elemente betrifft - noch im Experimentier-Stadium
und liefert noch keine verlässlichen Bilder zum Beispiel zur Unterscheidung entzündlicher
Zellen von Tumorzellen.
1865 tauchten die ersten eingeklebten Fotos im Lehrbuch von Alexander John Balmanno
Squire aus London auf [21]. Die Technik ermöglichte allerdings nur eine geringe Tiefenschärfe und verlangte
bei Belichtungszeiten von bis zu einer Minute ein absolutes Stillhalten der Patienten,
das mit Hilfe von Kopfhalter, Bindenzügel und Sandsäcken erreicht wurde [22]. Im Archiv für Dermatologie und Syphilis erschienen die ersten zwei Fotografien
im Jahr 1883. Die eine ist gedruckt, die andere eingeklebt [23] (Abb. [17]).
Abb. 17 Erste noch separat eingeklebte Fotografie im Archiv für Dermatologie und Syphilis
aus dem Jahr 1883. Die relative Nahaufnahme lässt deutlich erkenne, wie in Fotografien
die Tiefenschärfe verloren geht und die Qualität des Bildes darunter leidet.
Die Technik der Stereophotographie schien für medizinische Zwecke geeignet und viele
Autoren sahen in ihr eine Technik der Zukunft. In Zürich veröffentlichte der Chirurgieprofessor
Theodor Billroth bereits 1867 ein Werk mit 12 auf Karton aufgezogenen Stereofotografien
einer Schachtel. Darunter findet sich die dermatologisch interessante Abbildung eines
Patienten mit „multipler circumscripter Hypertrophie der Cutis”, einer Neurofibromatose
nach heutiger Nomenklatur. Doch recht rasch wurde die Stereofotografie, die auch eine
angepasste Betrachtungsbrille voraussetzt, wieder verlassen.
Den Nachteil der fehlenden Farbe versuchte man durch Handkoloration auszugleichen.
Das Beispiel von George Henry Fox [24] zeigt, dass diese Technik keinen Gewinn brachte. Wegen einer dunklen Farbe bereits
im Schwarzweissbild geschwärzte Region kann durch Zufügen von Farbe nicht mehr aufgehellt
werden. Die Farbe überdeckt zudem Details und führt zu einem Qualitätsverlust. Das
Bemalen von Fotografien wirkt unecht und führt dem Leser direkt vor Augen, dass auch
eine Fotografie keine unverfälschte Nachbildung der Wirklichkeit sein muss. Handkolorierte
Schwarzweissbilder, wie sie z. B. Fox in seinem Atlas von 1886 verwendet hatte, konnten
sich nicht durchsetzen (Abb. [18]).
Abb. 18 Abbildung aus dem Hautatlas von George Henry Fox, 1886. Die von Hand zugefügte Rötung
bei einer Fotografie eines Ekzemes im Gesicht wirkt in erster Linie künstlich. Bei
stärkerer Färbung überdeckt diese zudem die Details der Fotografie.
Farbfotografie
Ab1907 konnten Fotografen mit den „Autochromplatten” der Gebrüder Lumière Farbfotografien
machen. Die anfänglich langen Belichtungszeiten und je nach Verfahren die Tatsache,
das ein Gegenstand dreimal fotografiert werden musste (für jede Primärfarbe des Lichtes,
Rot, Grün und Blau,) machten die Abbildung von lebenden, sich bewegenden Personen
schwierig. Eine Möglichkeit, das Problem zu Umgehen bestand in der fotografischen
Abbildung von Moulagen, wie sie sich z. B. ab 1906 regelmässig im Archiv für Dermatologie
und Syphilis finden. Viele Autoren von Lehrbüchern und Atlanten bedienten sich dieser
Methode, am bekanntesten ist sicher der oben erwähnte Atlas von Eduard Jacobi und
der Atlas über Syphilis und syphilisähnlich Erkrankungen des Mundes von Ferdinand
Zinsser [25]. Auch eine Vielzahl der farbigen Abbildungen im grossen Standardwerk beginnend im
Jahre 1928, dem Handbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten von Joseph Jadassohn,
zeigen fotografierte Moulagen.
Die Farbfotografie von Patienten mit Hautkrankheiten hat zu Beginn noch keine entscheidende
qualitative Verbesserung gebracht, wie Abbildungen aus dem Fotografie-Handbuch von
Jaiser zeigen [26] (Abb. [19]).
Abb. 19 Dermatologischen Farbfotografie aus einem Photographie-Ratgeber aus dem Jahr 1914:
Patientin mit Urtikaria. Besonderen Wert wurde auf die künstlerisch-ästhetische Gesamtdarstellung
gelegt. Die erkennbaren Hautveränderungen sind nicht im Detail zu erkennen, schwer
zuzuordnen und lassen ohne Legende keine Diagnose zu.
Diese Bilder werden in der Literatur als die wohl ersten publizierten dermatologischen
Farbbilder erwähnt [21]. Die Portrait - Lumière - Aufnahme eines Patienten mit Sporotrichose wurde allerdings
bereits 1909 von Bruno Bloch in Basel publiziert [27]. Die Abbildung ist qualitativ sehr gut und im Vergleich mit einer Schwarzweiss-Kopie
profitiert der betrachtende Facharzt tatsächlich von der Möglichkeit, gelblich-rötliche
Knoten von livid-bläulichen unterschieden zu können (Abb. [20]).
Abb. 20 Lumière-Aufnahme eines Patienten mit Sporotrichose, publiziert im Jahr 1909 von Bruno
Bloch. Vermutlich eine der ersten publizierten Farbfotografien eines dermatologischen
Patienten.
Beim Studium des obenerwähnten Buches „Farbenfotografie in der Medizin” von Jaiser
wird dem heutigen Leser klar, warum die Farbfotografie von damals nicht mit der von
heute verglichen werden kann. Der Aufwand war sehr gross! Eindrücklich auch, wie im
Text klar wird, dass an das Bild nicht nur „dermatologische” Ansprüche für eine korrekte
Wiedergabe des Befundes sondern auch künstlerisch - ästhetische Ansprüche gestellt
wurden. So schreibt Jaiser zum Problem des Persönlichkeitsschutzes: „Ich habe allerdings
Aufnahmen schon gesehen, bei denen der betreffende Operateur durch Weglassen des Kopfes,
indem er die Platte mit dem Hals abschneiden liess, Diskretion gewahrt hat.
Wie solche „geköpften” Bilder wirken, will ich nicht ausführen, viel lieber lasse
man, wenn sich irgendwie Bedenken zeigen, die Aufnahme überhaupt fallen.” [28]
Riehl und Zumbusch gaben 1926 den ersten Atlas mit Farbfotografien heraus [29]. Die Bilder sind von sehr guter Qualität, dennoch ist auch hier ist ein gutes dermatologisches
Wissen Voraussetzung, um die Bilder richtig interpretieren zu können (Abb. [21]).
Abb. 21 Tafel VII aus dem Atlas von Riehl und Zumbusch (1926): „Vaccinatio fortuita: Die abgebildete
Kranke, seit langem nicht vakziniert, hat ihren eben vakzinierten Enkel gepflegt.
Das Kind hat sie zufällig unterhalb des äußeren rechten Augenwinkels gekratzt. Die
Gegend ist gerötet, geschwollen, an der Stelle der Exkoriation hat sich eine typische
Impfblatter entwickelt, die in der Mitte abzutrocknen beginnt. Die zerstreuten roten
Herde im Gesicht entsprechen einer Acne rosacea.”
Die (additive oder substraktive) Technik der Farbfotografie beruht auf dem Prinzip
der drei Primärfarben des sichtbaren Lichtes (rot, grün, blau). Zur Problematik der
Farbfotografie allgemein schreibt Beaumont: Der Unterschied zwischen Photograph und
Maler wird nirgendwo deutlicher als in der Farbphotographie. Jede Imitation erweist
sich hier als fatal. Aufgrund der Eigenart seines Mediums muss die Sehweise des Photographen
in der Realität verwurzelt sein; wenn er versucht, eine eigene, selbständige Farbenwelt
zu erzeugen, so steht er vor einer doppelten Schwierigkeit: Seine Bilder besitzen
nicht mehr jene unverwechselbare Qualität, die wir nur als „photographisch” bezeichnen
können, und er muss sehr bald feststellen, dass er mit nur drei Primärfarben, deren
Intensität durch drei, sensitometischen Gesetzen folgende Emulsionen moduliert wird,
hoffnungslos hinter den Möglichkeiten des Malers zurückbleibt, der auf seiner Leinwand
ganz nach Belieben eine Vielzahl unterschiedlicher Pigmente verwenden kann. Andererseits
kann es der Maler nicht mit der Genauigkeit, der Feinheit der Zeichnung und vor allem
der Authentizität der Photographie aufnehmen [30].
Eine Wende im Umgang mit Bildern in der Dermatologie fand schliesslich in den 1950er
Jahren statt. Die Schwarzweiss-Fotografie und die Farbfotografie von Moulagen hatten
bereits zuvor die Aquarelle in den Atlanten ersetzt und die wissenschaftlichen Publikationen
in Zeitschriften erobert. Farbfotografien von Patienten erreichten langsam eine hervorragende
Qualität und die Bilder übertrafen die Schwarzweissdarstellungen in ihren diagnostischen
Möglichkeiten, auch wenn das Problem der „Farb-Stichigkeit” bestehen blieb. Die Farbfotographie
mit Projektionsmöglichkeiten von Farbdiapositiven und neue direkte Projektionsmöglichkeiten
im Hörsaal (Episkop) begannen die Moulagen aus dem Hörsaal und aus den Publikationen
zu verdrängen [31].
Der Atlas der Dermatologie von de Graciansky und Boulle aus dem Hôpital St. Louis
in Paris, Erstausgabe 1952, illustrieren diese Wende hervorragend [32]. Die 476 meist ganzseitigen Farbfotografien umfassen praktisch alle Haut- und Geschlechtskrankheiten,
oft mit mehreren Beispielen. Sie sind sehr scharf und recht farbgetreu. Gemäss der
Meinung von Ehring sind die besten je in einem dermatologischen Atlas veröffentlichten
Farbfotografien [21]. Auf Karton aufgezogen können sie im Studentenunterricht direkt eingesetzt werden.
Walther Burckhardt aus Zürich verfasste die weitverbreiteten Folia Dermatologica,
die von der Firma Geigy in Basel herausgegeben wurden, und gab ab 1955 ein handliches
Buch „Atlas und Praktikum der Dermatologie und Venerologie” heraus, das kurz nach
seinem Tod 1972 in der 10. Auflage erschien [33]. Es war gezielt kurz gehalten und mit Angaben zur Diagnose und Therapie für den
praktischen Gebrauch im Sinne eines Nachschlagewerkes und Lehrbuches für Nicht-Dermatologen
und Studenten bestimmt. Eine Vielzahl ausgezeichneter Farbfotografien aus den „Folia
Dermatologica” ergänzten die kurzen morphologischen Beschreibungen der Krankheitsbilder.
Das Verhältnis der Seiten mit Bildern zum Text hat sich im Laufe der Zeit auch bei
praktischen Lehrbüchern zugunsten der Bilder verschoben, z. B. bei Burckhardt Verhältnis
Textseiten:Bildseiten = 2 : 3, und prägt seither das Erscheinungsbild der dermatologischen
Publikationen (Abb. [22]).
Abb. 22 Abbildung 89 aus dem Atlas und Praktikum für Dermatologie (1955) von Walther Burckhardt,
Spezialist auf dem Gebiet der berufsbedingten Ekzeme: „Berufsekzem bei einem Haarschneider.
Überempfindlichkeit auf Nickel. Ekzemauslösung durch die vernickelte Schere.”
Befundwiedergabe und Archivierung im digitalen Zeitalter
Befundwiedergabe und Archivierung im digitalen Zeitalter
Makroskopie
Im Zeitalter der Computertechnologie werden Digitale Dokumentationstechnologien die
klassische Fotografie mit Zelluloid-Film weitgehend ablösen. Die zur Zeit noch bestehenden
Qualitätsunterschiede im Detail werden mit zunehmender Verbesserung digitaler Bildtechnologien
und Erweiterungen von Datenspeichern diese Entwicklung unterstützen. Die grösseren
Möglichkeiten der elektronischen Bildverarbeitung, der Projektionsmöglichkeiten und
der Möglichkeiten zur Animation und nahezu beliebigen Kombination haben bereits heute
dazugeführt, dass Vortragpräsentationen mit Diapositiven die Ausnahme geworden sind.
Elektronische Bilddatenbanken auf dem Internet
(www.dermatlas.org;www.dermis.multimedica.de; und andere)bieten nahezu unerschöpfliche
Ressourcen.
Auflichtmikroskopie
Bei der Entwicklung der Auflichtmikroskopie hat die Diaphanoskopie Pate gestanden.
Mit Hilfe einer Leuchtlupe können nach Verbesserung der Transparenz der Hornschicht
durch ein entsprechendes Medium (Öl) Farbstrukturen, Vaskularisation, Pigmentverteilung
und andere Strukturen in den oberen Koriumanteilen und der Epidermis beurteilt werden.
Durch Einsatz digitaler Kameras mit einer erweiterten Bildbearbeitungs-Technologie
können digitale Bilder erfasst, gespeichert und ihre mögliche Strukturänderungen im
Verlaufe der Zeit monitorisiert werden.
Diese modernen Technologien haben wesentlich dazu beigetragen, die optische „Informations-Lücke”
zwischen Mikroskopie und Makroskopie zu schliessen . Hierdurch ist eine völlig neue
Dimension der bildhaften Diagnostik und Archivierung, insbesondere pigmentierter Hautveränderungen
entstanden.
Elektronischer Bildtransfer
Die Nutzung von durch digitale Bilder fernübertragenen Befunden zur primären Beurteilung
oder zum Einholen einer Zweitmeinung ist ein wichtiger Inhalt der Teledermatologie,
die sich in den letzten Jahren, wenngleich zögerlich, so doch stetig entwickelt hat
[34]
[35]. Die digitale Erfassung, Speicherung und der Transfer bildhafter Befunde schafft
völlig neue Möglichkeiten sowohl im Bereich des Consulting und der Patientenversorgung
als auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung (www.cyberderm.net;dermaNT). Seit Mitte
2002 steht mit DermaNT ein Web-basiertes System zur einfachen und sicheren Übermittlung
von Bildinhalten zur Verfügung, das besonders in der deutschsprachigen Schweiz (Kliniken
Basel, Bern und Zürich) als elektronische Plattform für regelmäßige Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen
genutzt wird.
So hat die Entwicklung der Computertechnologie zu einer enormen Aufwertung und Verbreiterung
bildhafter Befunde in den letzten Jahren geführt.
Nicht nur die Makroskopie, sondern auch die Mikroskopie hat mit diesen neuen elektronischen
Träger- und Verbreitungsmedien enorm an Bedeutung gewonnen (www.muni.czatlas; www.skinscope.com)
[36].