Z Gastroenterol 2005; 43(12): 1279-1280
DOI: 10.1055/s-2005-858893
Editorial

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Perspektiven der Gastroenterologie

The Future of GastroenterologyG. Adler1
  • 1Universitätsklinikum Ulm, Abteilung Innere Medizin I
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Publication Date:
29 November 2005 (online)

In allen Bereichen der Medizin dominieren derzeit strukturelle, personelle und finanzielle Änderungen und Belastungen die Diskussion. Davon ist kein Versorgungsbereich ausgenommen. Mit einer beeindruckenden und eher an Intensität zunehmenden Streikbereitschaft für bessere finanzielle Arbeitsbedingungen von mehr als 5000 Krankenhausärzten und inzwischen auch niedergelassenen Kollegen hat keiner gerechnet. Die Ärzte in freier Niederlassung sehen voraus, dass eine weitere heckenschnittartige Herabsetzung des Vergütungsniveaus zu einer existenziellen Bedrohung von Arztpraxen führt. Seit einiger Zeit wird darauf hingewiesen, dass die Zahl der fehlenden Ärzte in Krankenhäusern und Praxen gleich hoch ist wie die Zahl der im Ausland tätigen, aber in Deutschland ausgebildeten Ärzte. Unwirtschaftlichkeit wird als Grund für die angekündigte Schließung jedes vierten Krankenhauses angeführt. Die fehlenden Investitionsmittel des Bundes und der Länder verstärken die strukturellen Probleme der Krankenhäuser. Die Hochschulmedizin sieht im DRG-System ihre Leistungen in der Maximalversorgung und der Weiterentwicklung von Diagnostik und Therapie nicht angemessen berücksichtigt. Da Kommunen und Länder nicht mehr die Verluste ihrer Kliniken tragen können, steigt das Angebot der zum Verkauf stehenden Häuser und der Markt für Krankenhäuser ist zum Käufermarkt geworden. Nicht nur Filetstücke der Hochschulmedizin, z. B. die Herzchirurgie, sind für private Klinikbetreiber interessant, sondern ganze Universitätsklinika.

Das Gesundheitssystem befindet sich in einem Dilemma. Einerseits soll allen Patienten das angeboten werden, was ihrer Gesundheit und Lebensverlängerung dient. Andererseits müssen die finanziellen Ressourcen, die zur Verfügung stehen, sparsam und verantwortungsvoll eingesetzt werden. Dies ist nicht einfach, da es kein absolutes und in jedem Fall gültiges Kriterium dafür gibt, was wirklich medizinisch erforderlich ist. Auch die evidenzbasierte Medizin enthebt niemanden der Verantwortung für sorgfältige Entscheidungen im Einzelfall. Unter den derzeitigen Vorgaben der Gesundheitspolitik und angesichts des Dilemmas von Machbarkeit und Finanzierbarkeit kann nicht alles umgesetzt werden, was die moderne Medizin anbietet. Es ist nicht zu erwarten, dass man sich in absehbarer Zeit auf eine sinnvolle Verteilung der Ressourcen im Gesundheitssystem wird einigen können, eher wird das Hin-und-her-Geschiebe von Verantwortlichkeiten fortgesetzt werden.

Dies kann nur durchbrochen werden, wenn die Bezahlung von erbrachten Leistungen im Gesundheitssystem viel stärker als bisher von der überprüfbaren Notwendigkeit und Qualität der Leistungen abhängig ist. Es wird schwer zu widerlegen sein, dass auch im Bereich der Gastroenterologie eine Vielzahl von diagnostischen und therapeutischen Verfahren ohne Berücksichtigung von Kosteneffizienz und Qualität eingesetzt wird. Balfour Sartor schlussfolgerte kürzlich in einem Editorial in „Gastroenterology”, dass letztendlich die Ärzte die Konsequenzen unkontrollierter Gesundheitskosten tragen werden (Gastroenterology 2005; 129: 1149).

Mit diesen auch für die Gastroenterologie in Deutschland grundsätzlichen und überlebenswichtigen Fragestellungen beschäftigen sich im vorliegenden Heft zwei Übersichtsarbeiten von W. Kruis (S. 1281) und B. Birkner (S. 1285). Beide Autoren sehen aus der Sicht des Krankenhausarztes bzw. des niedergelassenen Internisten für die Gastroenterologie das Problem der kritischen Masse aufkommen und fordern dringend Verbesserungen in der Weiterbildung. Zum einen ist die Gastroenterologie nicht an allen Universitäten mit einem Lehrstuhl vertreten, zum anderen werden an den Krankenhäusern insbesondere Betten gastroenterologischer Abteilungen abgebaut. Ein Grund dafür ist, dass im aktuell gültigen G-DRG-System Teilbereiche gastroenterologischer Leistungen noch nicht sachgerecht abgebildet sind. Im Bereich der ambulanten Gastroenterologie wird eine zu starke Ausrichtung und Beschränkung auf die Endoskopie befürchtet und eine Korrektur des EBM2000plus in Richtung auf einen Versorgungsauftrag für eine umfassende gastroenterologische Betreuung gefordert.

Mit der Reduktion der Abteilungen wird es aber auch schwieriger, bestimmte Inhalte der Weiterbildung auf hohem Niveau zu vermitteln und zu erwerben. Daneben berücksichtigt die Weiterbildung viel zu wenig die unterschiedlichen Versorgungsstufen. M. Kirsch hat dies kürzlich folgendermaßen beschrieben: „Office medicine, I soon learned, requires different skills than those needed in manging hospitalized patients” (Am J Gastroenterol 2005; 100: 1912). Es wird eine zentrale Aufgabe der neugegründeten Akademie von DGVS und BVGD sein, hohe Qualitätsstandards in der Fort- und Weiterbildung der Gastroenterologen einzuführen und zu sichern.

Die beiden in diesem Heft veröffentlichten Arbeiten weisen darauf hin, wie wichtig die Befassung mit Rechts- und Strukturfragen des Gesundheitssystems, mit berufsgruppenspezifischen Themen für in der Klinik oder der Praxis Tätige und mit den Inhalten der Fort- und Weiterbildung in der Gastroenterologie ist. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass DGVS und BVGD sowohl im Bereich der zertifizierten Fortbildung als auch der berufspolitischen Informationen eine strukturierte Kooperation eingegangen sind. DGVS und BVGD geben gemeinsam das inzwischen erfolgreich etablierte Fortbildungsjournal „Gastroenterologie up2date” heraus. Ab Januar 2006 wird der BVGD in einer regelmäßigen Beilage zu der Zeitschrift für Gastroenterologie verstärkt redaktionell präsent sein.

Mit dieser Kombination aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen in der Zeitschrift für Gastroenterologie, zertifizierter Fortbildung in Gastroenterologie up2 date und berufspolitischen Nachrichten in den Mitteilungen des BVGD werden Sie aktuell und umfassend über alle Bereiche der Gastroenterologie informiert.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen friedliche und erholsame Weihnachtstage und ein gutes und erfolgreiches neues Jahr! Mit besten GrüßenIhr Guido Adler

Prof. Dr. Guido Adler

Universitätsklinikum Ulm, Abteilung Innere Medizin I

Robert-Koch-Straße 8

89081 Ulm

Email: Guido.Adler@medizin.uni-ulm.de

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