Zusammenfassung
Ziel der Studie: Krankengeld wird gezahlt, wenn eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit länger
andauert als die Entgeltfortzahlung. Im Mittelpunkt stehen hier zwei bisher kaum untersuchte
Fragen: Bei welchen Einkommensgruppen ist der Unterschied zwischen Nettolohn bzw.
-gehalt und ausgezahltem Krankengeld besonders groß? Welche Einkommensgruppen gelangen
durch das Krankengeld unter die Armutsgrenze? Methode: Für verschiedene Steuerklassen und Einkommensgruppen wird berechnet, wie viel Krankengeld
tatsächlich ausgezahlt wird. Vorgestellt wird auch der Algorithmus zur Berechnung
der Armutsgrenze. Aus methodischen Gründen kann sich der Vergleich zwischen ausgezahltem
Krankengeld und Armutsgrenze nur auf die 1-Personen-Haushalte beziehen. Ergebnisse: Bei den hier einbezogenen Bruttoeinkommen (bis zu 4000 Euro pro Monat) basiert das
ausgezahlte Krankengeld fast ausschließlich auf der Berechnungsgröße „90 % des täglichen
Nettoeinkommens”. Alle Versicherten erhalten daher einen nahezu identischen Anteil
am zuvor erzielten Nettolohn/-gehalt als Krankengeld ausgezahlt (ca. 77 %). Vor allem
die oberen und die unteren Einkommensgruppen werden durch den Erhalt von Krankengeld
in erheblichem Maße finanziell belastet. Gemessen in absoluten Euro-Beträgen müssen
die oberen Einkommensgruppen relativ große Einbußen hinnehmen. Die unteren Einkommensgruppen
kommen in die Nähe der Armutsgrenze oder unterschreiten diese sogar. Schlussfolgerungen: Erwerbstätige GKV-Versicherte sind im Krankheitsfall weitgehend finanziell abgesichert.
Dies ist eine große soziale Errungenschaft. Es sollte jedoch der Frage nachgegangen
werden, wann krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu empfindlichen finanziellen Einbußen
führen kann. Weitergehende Analysen sind nur auf Basis bisher nicht verfügbarer Daten
möglich (z. B. über die Anzahl der GKV-Versicherten pro Einkommensgruppe und das Einkommen
weiterer Haushaltsmitglieder). Schon die hier vorgestellten Berechnungen verdeutlichen
jedoch, dass das Krankengeld für einige Versicherte zu erheblichen finanziellen Problemen
führen kann. Eine vertiefte Analyse dieser Thematik erscheint daher dringend geboten.
Abstract
Purpose: When absent from work due to sickness, most employees in Germany receive continued
pay from their employer for six weeks. After this period, sick employees receive sickness
benefits from their Statutory Sickness Fund. These sickness benefits are calculated
in a rather complicated way as a percentage of gross and net salary. The paper focuses
on two questions that have rarely been studied: Which income groups show a particularly
large difference between net salary and net sickness benefits? Which income groups
move below the poverty line after receiving sickness benefits? Methods: We calculated how much sickness benefit is actually paid to the insured, for different
income and tax groups. The definition for the poverty line is outlined as well. Due
to methodological difficulties, the comparison between sickness benefits and poverty
must be confined to single-person households. Results: In the income groups chosen here (gross salary up to 4000 Euro per month), net sickness
benefits amount to about 77 % of net salary, for all insured. Financial problems can
mainly be expected for the lower and the upper income groups. Expressed in absolute
terms, the upper income groups experience a large reduction in net income. The lower
income groups come close to the poverty line or fall below it. Conclusions: Sickness benefits provide income in case of sickness; this is an important achievement
of social policy. However, we should study the financial burden which sickness benefits
could have for the insured. More in-depth analyses would require data that are not
yet available (e. g. on the number of insured per income group and the income of other
household members). The analyses presented here already show that sickness benefits
could lead to severe financial problems for at least some insured. They point to the
need for more studies in this neglected field.
Schlüsselwörter
Krankengeld - Krankenkasse - Einkommensverlust
Key words
Sickness benefits - statutory sickness funds - income reduction
Literatur
- 1
Helmert U, Braun B, Beck R. et al .
Die Auswirkungen von Krankengeldkürzungen – Ergebnisse einer Befragung von GKV-Mitgliedern.
Gesundheitswesen.
1997;
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- 2 Mielck A. Soziale Ungleichheit und Gesundheit: Empirische Ergebnisse, Erklärungsansätze,
Interventionsmöglichkeiten. Bern; Verlag Hans Huber 2000
- 3 Hanesch W, Adamy W, Martens R. et al .Armut in Deutschland. Reinbek bei Hamburg;
Rowohlt Taschenbuch Verlag 1994
- 4 Statistisches Bundesamt .Datenreport 2004. Bonn; Bundeszentrale für politische
Bildung 2004
Dr. phil. Andreas Mielck M.P.H.
GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Gesundheitsökonomie
und Management im Gesundheitswesen
Ingolstädter Landstr. 1
85764 Neuherberg
Email: mielck@gsf.de