Z Gastroenterol 2005; 43(2): 179-182
DOI: 10.1055/s-2005-857874
Leitlinie

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Themenkomplex IV: Erosive Refluxkrankheit (ERD)

A. Madisch, J. Hotz †, W. Longdong, R. Arnold, R. Gugler, M. L. Hermans, P. Layer
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Publication History

Publication Date:
07 February 2005 (online)

Table of Contents

Akuttherapie

Therapieziele

Konsens

Die primären therapeutischen Ziele der Akuttherapie der ERD sind die Beschwerdefreiheit des Patienten und die Abheilung der Läsionen. Die medikamentöse Therapie orientiert sich in erster Linie am Beschwerdebild und nicht am endoskopischen Stadium (C).

Kommentar

Da eine Korrelation zwischen der Schwere der Symptomatik und dem Ausmaß der Läsionen nicht besteht [1] [2], der Leidensdruck aber im Wesentlichen durch die Beschwerden bestimmt wird [3], orientieren sich Art und Dauer der Therapie vorwiegend an den Symptomen.

Die Geschwindigkeit der Abheilung der Läsionen korreliert mit der Stärke und Dauer der pharmakologischen Säuresuppression. Die Abheilungsraten betragen innerhalb von 4 - 8 Wochen 70 - 100 % [4] [5] [6].

Medikamentenwahl, Behandlungsstrategie und Einfluss der Therapie auf den natürlichen Verlauf

Konsens

Die Akutbehandlung der ERD sollte mit einem Protonenpumpenblocker (PPI) begonnen werden. Eine Dosissteigerung kann erforderlich sein, wenn unter der Anfangsdosierung keine Beschwerdefreiheit eintritt. Nach einigen Wochen wird bei Nachlassen der Beschwerden die Intensität der Behandlung durch Dosisreduktion versuchsweise abgebaut (sog. Step-down-Therapie) (B).

H2-Blocker werden in der Primärtherapie der ERD nicht empfohlen, weil sie in der Standarddosierung bei nur etwa 50 % der Patienten zur Beschwerdefreiheit führen (A).

Antazida, Protektiva (z. B. Sucralfat, Alginsäure) und Prokinetika werden als Monotherapie bei ERD nicht empfohlen (A).

Kommentar

Die Reduktion der Säurekonzentration im Refluat ist zurzeit die einzige wirksame Maßnahme in der GERD-Behandlung. PPI werden hierbei als Mittel der Wahl bei GERD angesehen [1] [3] [9]. In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass bei endoskopisch dokumentierter erosiver oder ulzeröser Refluxösophagitis mit PPI im Vergleich zu H2-RA nicht nur die prozentuale vollständige Abheilung innerhalb von 12 Wochen höher, sondern auch die Geschwindigkeit der Abheilung doppelt so hoch lag [5]. Antazida haben aufgrund ihrer kurzen neutralisierenden Wirkung nur einen schwachen Effekt auf die intragastrale Azidität und auf die Beschwerden [7]. Verfügbare Prokinetika (Metoclopramid, Domperidon u. a.) sind in der Behandlung der ERD wirkungslos.

Die Behandlungsstrategie der Wahl ist die Step-down-Therapie, bei der im Gegensatz zur Step-up-Therapie (primär Antazida, H2-RA, Prokinetika) das wirksamste Medikament in der zu erwartenden optimalen Wirkdosis primär eingesetzt und nach promptem Ansprechen in der Folgezeit die Dosis auf Bedarf abgebaut wird. Hierdurch werden nachweislich 1. schnellere Beschwerdefreiheit und Abheilung der Läsionen erreicht, es wird 2. die Therapiegesamtdauer verkürzt und es werden dadurch 3. die Patientenzufriedenheit sowie 4. auch die Wirtschaftlichkeit erhöht [11] [14] [15]. Die Dauer der Akuttherapie erstreckt sich je nach Ausgangsstadium und Beschwerdeverlauf über 4 - 8 Wochen. Bei anhaltender Beschwerdefreiheit wird die Akuttherapie beendet mit nachfolgendem Auslassversuch.

Kombinationstherapie

Konsens

Prinzipiell werden Kombinationen von PPI mit anderen Antirefluxtherapeutika nicht empfohlen (B).

Kommentar

Kontrollierte Studien zeigen keinen Vorteil einer Kombinationstherapie gegenüber einer beschwerdeadaptierten Monotherapie mit einem Protonenpumpenhemmer [1] [11].

Therapierefraktäres Verhalten - Vorgehen bei Non-Respondern

Konsens

Bleiben die typischen Refluxsymptome unter der Standard-PPI-Therapie über 4 Wochen unbeeinflusst, wird im ersten Schritt die Dosis verdoppelt und dann in einem weiteren Schritt bei Bedarf verdreifacht. Bei weiterem Nichtansprechen sollte eine Langzeit-pH-Metrie durchgeführt und die Diagnose überprüft werden. Bei hierbei in den Abend- und Nachtstunden erhöht gefundenen Säurewerten kann eine abendliche Dosis verabreicht werden (B).

Kommentar

Die verschiedenen PPI weisen in ihrer auf Milligrammbasis bezogenen säurehemmenden Wirkung eine relativ hohe Streubreite auf, die bei schlechtem Ansprechen durch Verdoppelung der Dosis oder durch Wechsel auf ein anderes PPI-Präparat überwunden werden kann [16].

Ein Abfall des nächtlichen pH auf Werte um pH 1 (gastric acid breakthrough) ist ein häufiges Phänomen und auch bei beschwerdefreien Refluxpatienten zu finden [36]. Es konnte jedoch in Studien gezeigt werden, dass durch abendliche additive Gabe eines H2-RA in hoher Dosierung oder durch Aufteilung der PPI-Dosis auf zwei Gaben ein Teil der Patienten behandelt werden kann [17] [37].

Endoskopische Verlaufskontrollen

Konsens

Bei sicherem Ausschluss eines Barrett-Ösophagus oder einer GERD-Komplikation im Rahmen der Index-Endoskopie ist die endoskopische Kontrolle der Abheilung von Erosionen nicht erforderlich. Auch im Langzeitverlauf sind bei unkomplizierter GERD und unveränderter Symptomatik keine endoskopischen Kontrollen notwendig (C).

Kommentar

Unter einer adäquat dosierten PPI-Therapie werden ca. 90 % aller Patienten innerhalb von 2 Wochen beschwerdefrei. Dies ist bei Fortführung der PPI-Therapie ein guter Indikator für eine Abheilung der Läsionen innerhalb von 4 - 8 Wochen je nach endoskopischem Ausgangsbefund [18].

Langzeittherapie

Medikamentenwahl, Dosierung und Dauer der Langzeittherapie

Konsens

Die Langzeittherapie sollte mit der letzten effektiven Dosis der Akutphase beginnen. Sie kann im Verlauf symptomabhängig angepasst werden (step-down oder on-demand). Sie wird nach klinischen und nicht nach endoskopischen Kriterien kontrolliert. Eine Langzeittherapie ist in den meisten Fällen über viele Jahre notwendig (B).

Kommentar

Die Überlegenheit der PPI in der Langzeitbehandlung im Vergleich zu den H2-RA wurde in zahlreichen Studien gezeigt [1] [24] [25] [29] [30]. Zur Langzeittherapie reichen häufig die niedrigeren Dosierungen der PPI (Esomeprazol 20 mg; Lansoprazol 15 mg; Omeprazol 20 mg; Pantoprazol 20 mg; Rabeprazol 10 mg).[1] In den meisten kontrollierten Langzeitstudien erwies sich das Step-down-Prinzip der Akuttherapie auch für die Langzeittherapie am günstigsten [21] [24] [28] [29] [30]. Die symptomatischen und endoskopischen Rezidivraten sind nach Absetzen der Akuttherapie in den Schweregraden (LA-Klassifikation) C und D höher als unter den geringen Schweregraden A und B und treten schneller nach Absetzen der PPI auf [11] [28]. Die Literaturdaten und die Erfahrungen des Panels zeigen, dass bei vielen Patienten, besonders mit höheren ERD-Stadien, eine medikamentöse Prophylaxe über viele Jahre und Jahrzehnte notwendig ist. Hierbei ist das wichtigste Entscheidungskriterium für eine Langzeittherapie das Intervall, nach dem nach Beendigung einer Akuttherapie wieder Refluxbeschwerden auftreten.

Bei der Langzeittherapie sollte in 1- bis 2-Jahres-Abständen ein Auslassversuch gemacht werden [1].

Risiko der Langzeittherapie unter PPI

Konsens

Es gibt keine Hinweise auf relevante Risiken einer PPI-Dauertherapie (A).

Kommentar

Es besteht Übereinstimmung, dass die verfügbaren PPI sämtlich auch in der Langzeittherapie sicher und frei von ernsteren unerwünschten Wirkungen sind [1] [21] [29] [30] [32]. Mögliche Risiken einer Langzeittherapie mit PPI beziehen sich auf die Sicherheit der verschiedenen PPI wie auch auf die Folgen einer anhaltenden Unterdrückung der Säuresekretion.

Mögliche Nebenwirkungen einer Langzeittherapie sind eine Hypergastrinämie und ein Fortschreiten einer chronischen Korpusgastritis und als deren Folge eine ECL-Zell-Hyperplasie [34]. Daneben werden eine intragastrale Nitrosaminbildung, ein Vitamin-B12-Mangel und intestinale bakterielle Fehlbesiedlung beobachtet, die aber klinisch nicht relevant sind. Auch eine Malabsorption für Nahrungsfette, Eisen, Kalzium und Magnesium oder fettlösliche Vitamine wurde in zahlreichen Studien nicht gefunden [31].

Intermittierende Therapie (= on demand = Bedarfstherapie) bei ERD

Konsens

Die „on demand”-Therapie ist die bevorzugte Form der Langzeittherapie (B).

Kommentar

In der Regel bietet sich die „on demand”-Strategie bei leichteren symptomatischen und endoskopischen Schweregraden der ERD an [20] [25]. Die Bedarfstherapie ist immer dann sinnvoll, wenn nach Absetzen der PPI-Medikation längere beschwerdefreie Intervalle auftreten [19]. Gegen das Risiko einer latenten Progression und Auftreten von Komplikationen wie Striktur, Barrett-Ösophagus oder Adenokarzinom unter einer „on demand”-Therapie spricht die wissenschaftlich belegte Tatsache, dass auch ohne Therapie, d. h. im natürlichen Verlauf, das jeweilige Stadium und der Schweregrad der GERD in der überwiegenden Mehrzahl über viele Jahre stabil bleiben und keine Progression zeigen [12].

Strikturen

Konsens

Nach erfolgreich bougierter Striktur ist eine adäquat dosierte Langzeitbehandlung mit PPI indiziert (A).

Kommentar

Die Inzidenz einer Ösophagusstriktur bei Patienten mit GERD liegt bei 1 - 1,5 % [35] und scheint insgesamt abzunehmen, wahrscheinlich aufgrund der besseren Therapiemöglichkeiten. ERD-Patienten mit peptischen Strikturen sollten auch nach einer meist notwendigen Bougierung mit PPI in voller Dosierung behandelt werden [36] [37].

Indikation zur H.-p.-Therapie bei ERD

Empfehlung

Die Indikation zur H.-p.-Eradikation wird durch das Vorliegen einer Refluxösophagitis nicht beeinflusst (B). Ob die Notwendigkeit einer Langzeittherapie mit säurehemmenden Pharmaka eine Indikation zur H.-p.-Eradikation darstellt, wird kontrovers beurteilt.

Kommentar

Wichtigstes Argument gegen eine H.-pylori-Eradikation war bislang die Beobachtung, dass nach H.-pylori-Sanierung und Besserung der Korpusgastritis die Säuresekretion des Magens ansteigt und so als Folge eine Refluxkrankheit neu auftritt. Dem widersprechen aber andere Studien. Viele Autoren befürworten eine H.-pylori-Sanierung, da andernfalls unter einer PPI-Therapie die Korpusgastritis fortschreitet mit einer möglichen Gefährdung hinsichtlich eines Magenkarzinoms [38] [39] [42]. Andererseits werden bei H.-p.-Gastritis unter PPI-Therapie höhere intragastrale pH-Werte erreicht [40] und daher auch höhere Heilungsraten als bei H.-p.-negativen Individuen erzielt [41]; dennoch kann durch H.-p.-Rx keine Medikamenteneinsparung erzielt werden [43].

Es gibt auch keinen Hinweis, dass bei Patienten ohne Barrett-Ösophagus sich dieser nach einer H.-p.-Rx entwickelt oder bei vorhandenem Barrett-Ösophagus das Karzinomrisiko unter PPI-Therapie erhöht ist, wenn der H. pylori belassen wird [44] [45].

In der Abwägung dieser Argumente spricht sich der überwiegende Anteil der internationalen Reviews und Empfehlungen dafür aus, vor einer jahrelangen notwendigen PPI-Langzeittherapie besonders bei jungen Patienten unter 50 Jahren eine H.-p.-Rx durchzuführen [44]. Aktuelle verfügbare Daten belegen eine solche Empfehlung aber bisher nicht.

Literatur

1 zugelassene Langzeitdosierungen

Literatur

1 zugelassene Langzeitdosierungen