Der Klinikarzt 2004; 33(11): XIII
DOI: 10.1055/s-2004-836982
Im Gespräch

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Fortgeschrittenes Pankreaskarzinom - Gemzar-Monotherapie erneut als Standard bestätigt

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Publication Date:
02 December 2004 (online)

 
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    Lange Zeit galt das fortgeschrittene Pankreaskarzinom weitestgehend als chemotherapieresistent. Mit Gemcitabin (Gemzar®) kann nicht nur die Lebenszeit der Patienten verlängert, sondern auch deren Lebensqualität verbessert werden. Auch nach der diesjährigen Tagung der "American Society of Clinical Oncolcogy" (ASCO) bleibt die Monotherapie mit Gemcitabin beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom der Standard in der klinischen Praxis, bestätigte PD Dr. Helmut Oettle, Berlin, im Rahmen eines Interviews. Denn noch immer ist keine andere Substanz weder als Monotherapie noch in der Kombination dem Pyrimidinanalogon überlegen.

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    klinikarzt: Auf der diesjährigen ASCO-Tagung wurden mehrere Studien mit Gemcitabin (Gemzar®) plus einem weiteren Zytostatikum vorgestellt. Wie beurteilen sie die Ergebnisse dieser Studien?

    PD Dr. H. Oettle: Vorgestellt wurden drei Studien zu Kombinationen mit Gemcitabin sowie eine Untersuchung, die Gemcitabin mit dem Topoisomerase-I-Inhibitor Exatecan verglich. Obwohl Exatecan in der Phase II gewisse Hoffnungen geweckt hatte, brachte die große Phase-III-Vergleichsstudie an 340 Patienten versus Gemcitabin dann ein negatives Ergebnis: Die mediane Überlebenszeit war für Exatecan mit fünf Monaten kürzer als für Gemcitabin mit 6,5 Monaten, das progressionsfreie Überleben war mit 2,8 bzw. 2,4 Monaten vergleichbar.

    Auch einer weiteren Phase-III-Studie mit rund 350 Patienten gelang es nicht, einen Überlebensvorteil der Kombination Exatecan/Gemcitabin im Vergleich zur Gemcitabin-Monotherapie nachzuweisen. Das zeigen die medianen Überlebenszeiten von 6,7 Monaten für die Kombination und von 6,2 Monaten für die Gemcitabin-Monotherapie sowie die Ein-Jahres-Überlebensraten von 23 bzw. 21%.

    Pemetrexed hat sich in der Phase II in der Monotherapie als ebenso aktiv wie Gemcitabin erwiesen. Bei der anschließenden Phase-III-Studie mit 565 Patienten, welche die Kombination beider Substanzen testete, wiesen 90% der Teilnehmer ein metastasiertes Pankreaskarzinom im Stadium IV auf, nur 10% hatten einen lokal fortgeschrittenen Tumor im Stadium II/III. Interessanterweise zeigte sich für die Kombination beim progressionsfreien Überleben mit 5,2 Monaten ein signifikanter Vorteil im Vergleich zur Gemcitabin-Monotherapie mit lediglich 3,6 Monaten. Auch bei der Ein-Jahres-Rate für das progressionsfreie Überleben war die Kombination mit 32% der Monotherapie (24%) überlegen. Besonders stark von Pemetrexed/Gemcitabin profitierten Patienten im Stadium II/III, deren Ein-Jahres-Überlebensrate mit 42% signifikant über der unter Gemcitabin-Monotherapie mit nur 28% lag.

    Nur auf den ersten Blick scheinen die Ergebnisse einer Kombinationsstudie mit Gemcitabin/Oxaliplatin an gut 300 Patienten im lokal fortgeschrittenen Stadium positiv. Zwar konnte die Acht-Monats-Überlebensrate von 45% unter der alleinigen Gemcitabin-Gabe mit der Kombination auf 56% gesteigert werden, letztlich resultierte daraus jedoch kein signifikanter Überlebensvorteil. Es handelt sich daher bei dieser Untersuchung um eine Negativstudie. Ungünstig ist außerdem, dass man den Effekt der zusätzlichen Oxaliplatin-Gabe nicht beurteilen kann, da Gemcitabin in der unüblichen Kombination mit einer so genannten "fixed dose rate" verabreicht wurde.

    klinikarzt: Wie sieht derzeit die optimale Therapiestrategie für Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom aus?

    Oettle: Außerhalb von Studien bleibt die Gemcitabin-Monotherapie der Standard. Ganz wichtig ist es, die Patienten sofort nach Diagnosestellung zu behandeln. Nach unserer Schätzung wird bislang weniger als die Hälfte aller Pankreaskarzinompatienten überhaupt therapiert. Man sollte jedoch die bislang erzielten Fortschritte durchaus würdigen: Während die Ein-Jahres-Überlebensrate unter einer Therapie mit 5-Fluorouracil bei 2% liegt, überleben unter einer Gemcitabin-Monotherapie 25% der behandelten Patienten ein Jahr. Außerdem profitieren 22% der Patienten mit einem klinischen Benefit oder Response.

    Potenziell operable Patienten sollten auf jeden Fall einem chirurgischen Zentrum zugeführt werden - auch im Zweifelsfall, denn hier ist die Chance auf Heilung am größten. Mehr als 20% der Patienten überleben dank chirurgischer Maßnahmen fünf Jahre.

    klinikarzt: Mit Ausnahme von Gemcitabin haben praktisch alle Zytostatika beim fortgeschrittenen Pankreaskrebs versagt. Wo sehen sie neue Ansätze, um die Therapie weiter zu verbessern?

    Oettle: Wir prüfen derzeit bei Patienten mit gutem Karnofsky-Index ein sequenzielles Therapiekonzept. Die Patienten erhalten eine intensive Chemotherapie und werden dann bis zum Progress mit einer Gemcitabin-Monotherapie weiterbehandelt. In dieser Studie wird auch der Stellenwert einer Therapie mit einem niedermolekularen Heparin geprüft. Des weiteren untersuchen wir den Stellenwert einer Zweitlinientherapie beim Pankreaskarzinom. Die adjuvante Therapie bei diesem Tumor ist bislang nicht geklärt - ein Grund für uns, dies ebenfalls im Rahmen einer Phase-III-Studie zu prüfen.

    Herr Dr. Oettle, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

     
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