Ende Februar 2003 kam es auf mehreren holländischen Geflügelfarmen zu einer Epidemie
mit dem Vogelgrippevirus H7N7. Das Übertragungsrisiko des Erregers auf den Menschen
wurde anfänglich für niedrig erachtet. Trotzdem brachten M. Koopmanns und Kollegen,
Bilthoven/Niederlande, zu diesem Zeitpunkt eine große epidemiologische Studie auf
den Weg, in der sie die Möglichkeit einer Übertragung des Virus von Geflügel auf den
Menschen untersuchten (Lancet 2004; 363: 587-593).
Die Autoren befragten dazu alle Arbeiter der Geflügelbetriebe und deren Angehörige
zu Symptomen einer Konjunktivitis sowie zu grippeähnlichen Beschwerden. Verdächtige
Personen wurden dann auf eine Infektion mit dem Vogelgrippevirus Typ A Subtyp H7 (A/H7)
untersucht und mussten einen Fragebogen beantworten über Art und Dauer der Beschwerden
sowie die Möglichkeit einer Exposition mit infiziertem Geflügel.
Nach Schätzungen der Autoren hatten zum Untersuchungszeitpunkt in den Niederlanden
rund 4500 Personen Kontakt zu infiziertem Geflügel. 453 von ihnen hatten über gesundheitliche
Probleme geklagt: 349 litten an einer Konjunktivitis, 90 hatten grippeähnliche Beschwerden
und 67 andere Symptome. Die Autoren konnten bei 78 Personen mit alleiniger Konjunktivitis
(26,4%), bei 5 (9,4%) mit Konjunktivitis und grippeähnlichen Symptomen, bei 2 (5,4%)
mit nur grippeähnlichen Symptomen und bei 4 (6%) mit anderen Beschwerden in Bindehaut-
bzw. Nasen-Rachen-Abstrichen das Virus A/H7 nachweisen. Auch 3 von 83 getesteten Kontaktpersonen
waren für den Erreger positiv, einer davon entwickelte entsprechende Beschwerden.
Nachdem bei 19 Personen eine Infektion diagnostiziert worden war, erhielten alle Farmarbeiter
eine Grippeimpfung sowie eine prophylaktische Behandlung mit Oseltamivir.
Die Übertragungsrate des Vogelgrippevirus auf den Menschen ist höher als bisher angenommen (Bild: Archiv).
Die Autoren beobachteten eine unerwartet hohe Übertragungsrate des Vogelgrippevirus
H7N7 auf Menschen, die Kontakt zu infiziertem Geflügel hatten. Auch für eine Infektion
von Mensch zu Mensch gab es ihrer Ansicht nach Beweise.
Dr. Johannes Weiß, Bad Kissingen
Kommentar zur Studie
M. Zambon unterstreicht die Notwendigkeit experimenteller Studien, um die Interaktionen
zwischen Viren und Wirtszellen aufzuklären, wenn es einem Vogelgrippevirus gelingt,
die Barriere zwischen den Spezies zu überspringen und Säugetiere zu befallen (Lancet 2004; 363: 582-583). Dabei ließen sich Beobachtungen bei einem Subtyp des Erregers aber nicht ohne weiteres
auf einen anderen übertragen. Gleiches gelte auch für Ergebnisse bei verschiedenen
Säugetieren, da unterschiedliche Arten auf das gleiche Virus mit unterschiedlichen
Symptomen reagierten. Nach ihren Worten muss es das Ziel sein, die Möglichkeit einer
Rekombination mit bereits an den Menschen adaptierten Erregern zu reduzieren, indem
man die Übertragung des Vogelgrippevirus auf den Menschen möglichst eindämmt.
JW