Z Orthop Ihre Grenzgeb 2004; 142(5): 515-516
DOI: 10.1055/s-2004-835152
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Belastungsoptimierte Operationsplanung von Hüftendoprothesen

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Oktober 2004 (online)

 
Inhaltsübersicht

Die auf das Hüftgelenk wirkenden Kräfte werden durch die komplexe Geometrie dieses Gelenkes beeinflusst und spielen eine wichtige Rolle für den Langzeiterfolg einer Hüftgelenkendoprothese. Die Hüftkontaktkräfte betragen bereits bei den Aktivitäten des täglichen Lebens infolge der Anspannung der umgebenden Muskulatur mehr als das Dreifache des Körpergewichtes [1]. Überdurchschnittlich hohe Kontaktkräfte können zu einem verstärkten Abrieb und damit zur Lockerung der Endoprothese führen [3].

Obwohl generell akzeptiert ist, dass die muskuloskeletale Belastungen einen wichtigen Faktor für den Erfolg einer Endoprothese darstellen, fehlen dem Operateur bei der Planung und Durchführung eines solchen Eingriffes bisher weitest gehend die entsprechenden Informationen. Es ist zu postulieren, das durch die Kenntnis der individuellen muskuloskeletalen Belastung des jeweiligen Patienten bereits bei der präoperativen Planung erhöhte Hüftkontaktkräfte vermieden werden können.

Ziel war es, ein Planungstool zu entwickeln, das den Operateur durch eine muskuloskeletale Belastungsanalyse in der Wahl der Implantate und deren Positionierung unterstützt, um hierdurch die auftretenden Hüftkontaktkräfte zu minimieren.

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Plattformunabhängiges Planungstool

Als Grundlage zur Etablierung und Validierung des muskuloskeletalen Modells dienten CT-Daten der unteren Extremität des Visible Human-Projektes (NLM, USA) und Daten von Hüftkontaktkräften, die durch In-vivo-Messungen bei Patienten mittels instrumentierten Hüftendoprothesen gewonnen wurden [1]. Zur Gewinnung dieser In-vivo-Daten wurden klinische Ganganalysen mit simultaner Messung der Hüftkontaktkräfte im Gehen und Treppensteigen durchgeführt. Ein optisches System (Vicon, UK), bestehend aus sechs Infrarotkameras, wurde zur Erfassung der Bewegungen der unteren Extremität verwendet. Das komplette muskuloskeletale Modell wurde inviduell an die Anatomie der Patienten angepasst, indem zunächst eine Skalierung über knöcherne Landmarken erfolgte und dann eine weitere Individualisierung durch Abbildung der spezifischen Gelenkparameter wie dem femoralen Offset, dem CCD-Winkel, der femoralen Antetorsion und der Position der Pfanne durchgeführt wurde. Dann wurden die intersegmentalen resultieren Kräfte, die Muskelkräfte und schließlich die Hüftgelenkkontaktkräfte berechnet. Die gemessenen und berechneten Hüftkontaktkräfte zeigten für alle Patienten bei allen Aktivitäten ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den in vivo gemessenen Daten [2].

Diese validierte Analyse der Muskel- und Gelenkkräfte der unteren Extremität diente als Grundlage für die Entwicklung eines plattformunabhängigen Operationsplanungstools für die Implantation von Hüftgelenkendoprothesen (Abb. [2]). Die aus einem muskuloskeletalen Analysemodul und einem präoperativen Planungstool bestehende Software wurde in Java mit Java Swing, JDBC und der Java 2D API programmiert. Die Software berechnet und visualisiert aus dem kalibrierten Röntgenbild eines Patienten, dem femoralen Offset, dem CCD-Winkel, der femoralen Antetorsion und der Pfannenpositionierung die individuell auftretenden Hüftkontaktkräfte und die entstehende Beinlängendifferenz.

Um diese Planungssoftware für den endoprothetischen Ersatz des Hüftgelenkes zu evaluieren, führen wir eine retrospektive Studie durch, bei der zunächst die präoperative Anatomie und die dazugehörige muskuloskeletale Belastungssituation erfasst und dann mithilfe der Software eine individuelle Operationsplanung durchgeführt wird. Hierbei werden die Veränderungen in der Gelenkgeometrie und den resultierenden Kräften zwischen prä-operativer Situation, der mit Unterstützung des neuen Planungstools geplanten Situation und der durch die Implantation der Endoprothese geschaffenen postoperativen Situation verglichen. Wir präsentieren hier die Ergebnisse der ersten 16 Fälle dieser Studie.

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Günstigere Biomechanik

Der Vergleich von präoperativer Situation zur geplanten und durchgeführten Rekonstruktion der Hüftgelenkgeometrie zeigt eine generelle Tendenz zu einer Vergrößerung des femoralen Offsets. Das femorale Offset wurde von präoperativ im Mittel 35,6 mm im Rahmen der softwaregestützten Operationsplanung auf im Mittel 40,1 mm und durch die Operation auf im Mittel 39,8 mm vergrößert. Der CCD-Winkel wurde von einem präoperativen Mittel von 137,7° auf den implantatspezifischen Winkel von 131° verkleinert. Das Hüftgelenkszentrum wurde generell medialisiert, wobei die geplante Medialisierung durchschnittlich 13 mm gegenüber einer intraoperativ erreichten Medialisierung von im Mittel 11,2 mm betrug.

Diese Veränderungen bewirkten eine generelle Verminderung der Hüftkontaktkräfte sowohl im Rahmung der Planung (? 2,97 BW) als auch bei der operativ erzielten Rekonstruktion (? 2,81 BW) gegenüber den präoperativen Werten (? 3,06 BW). Bei der Analyse der einzelnen Planungen zeigte sich, das sich durch die Kenntnis der Kontaktkräfte im Rahmen der softwaregestützten Planung günstigere Rekonstruktionen erzielt werden konnten: während bei 3 der 16 Patienten (19%) die postoperative Belastungsanalyse höhere Kontaktkräfte als präoperativ offenbarte, ließ sich bei der Rekonstruktion mithilfe des vorgestellten Operationsplanungstools in allen Fällen eine günstigere biomechanische Situation gegenüber der präoperativ vorliegenden erreichen.

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Minimierung der Hüftgelenkkontaktkräfte

Die Arbeit stellt eine neue Software für die Operationsplanung von Hüftgelenksendoprothesen vor. Erste Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der Software eine Optimierung der Kräfte im Sinne einer Minimierung der auftretenden Hüftgelenkkontaktkräfte möglich erscheint.

Durch die Kombination dieses interaktiven muskuloskeletalen Analysemoduls mit den intraoperativen Daten von Navigationssystemen erscheint eine intraoperative Bestimmung und Darstellung der aktuellen biomechanischen Situation möglich. Damit könnte die vorgestellte Software helfen, reproduzierbar ein optimales Ergebnis des endoprothetischen Ersatzes individuell für jeden Patienten zu erreichen und das Risiko von verstärktem Abrieb und früher Lockerung zu reduzieren.

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Abb. 1: Muskuloskeletales Modell der unteren Extremität zur Berechnung der Muskel- und Gelenkkontaktkräfte. Die Geometrie des Skeletts basiert auf den Daten des Visible Human-Projekts (NLM, Bethesda, USA) und wird an jeden Patienten individuell angepasst. Die Linien repräsentieren die Kraftvektoren der auf jedes Segment einwirkenden Muskeln.

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Abb. 2: Planungstool zur Optimierung der Hüftgelenkkontaktkräfte. Basierend auf einer muskuloskeletalen Analyse berechnet die Software unter Berücksichtigung des femoralen Offsets, des CCD-Winkels, der femoralen Antetorsion und der Pfannenpositionierung die resultierende Hüftkontaktkraft.

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Minimierung der Hüftgelenkkontaktkräfte

Die Arbeit stellt eine neue Software für die Operationsplanung von Hüftgelenksendoprothesen vor. Erste Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der Software eine Optimierung der Kräfte im Sinne einer Minimierung der auftretenden Hüftgelenkkontaktkräfte möglich erscheint.

Durch die Kombination dieses interaktiven muskuloskeletalen Analysemoduls mit den intraoperativen Daten von Navigationssystemen erscheint eine intraoperative Bestimmung und Darstellung der aktuellen biomechanischen Situation möglich. Damit könnte die vorgestellte Software helfen, reproduzierbar ein optimales Ergebnis des endoprothetischen Ersatzes individuell für jeden Patienten zu erreichen und das Risiko von verstärktem Abrieb und früher Lockerung zu reduzieren.

Literatur beim Verfasser.

Dres. Schröder JH, Heller MO, Matziolis G, Taylor WR, Sharenkov A, Wulsch P, Duda GN, Perka C

Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité-Universitätsmedizin Berlin

 
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Abb. 1: Muskuloskeletales Modell der unteren Extremität zur Berechnung der Muskel- und Gelenkkontaktkräfte. Die Geometrie des Skeletts basiert auf den Daten des Visible Human-Projekts (NLM, Bethesda, USA) und wird an jeden Patienten individuell angepasst. Die Linien repräsentieren die Kraftvektoren der auf jedes Segment einwirkenden Muskeln.

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Abb. 2: Planungstool zur Optimierung der Hüftgelenkkontaktkräfte. Basierend auf einer muskuloskeletalen Analyse berechnet die Software unter Berücksichtigung des femoralen Offsets, des CCD-Winkels, der femoralen Antetorsion und der Pfannenpositionierung die resultierende Hüftkontaktkraft.