Ein neuer Tumormarker könnte künftig die Früherkennung von Prostatakarzinomen erleichtern.
Der immunhistochemische Nachweis eines für Prostatakarzinomzellen charakteristischen
Proteins besitzt eine hohe Sensitivität und Spezifität, berichten US-Wissenschaftler,
auch bei Patienten mit negativen Biopsien.
Der bisherige Standard-Laborparameter zum Screening auf Prostatakrebs ist das prostataspezifische
Antigen (PSA) im Serum. Die Spezifität dieses Wertes ist allerdings gering. Bei vielen
Patienten mit anomal hohen PSA-Werten erfolgen Biopsien, deren Befund negativ ist.
Der neue Tumormarker könnte bei diesen Patienten zur frühzeitigen Diagnose eines Prostatakarzinoms
genutzt werden, berichten Dr. Robert Getzenberg und seine Kollegen aus Seattle im
US-Bundesstaat Washington (J Urol 2004; 171: 1419-1423).
In ersten Untersuchungen haben die Wissenschaftler nachweisen können, dass sich der
immunhistochemische Nachweis des Proteins EPCA zur Prostatakarzinomdiagnostik eignet.
EPCA ist ein nukleäres Matrixprotein, dass in Prostatakarzinomzellen überexprimiert
wird. Belegt wurde dies durch Untersuchungen von Prostatagewebeproben von 25 Patienten,
bei denen radikale Prostatektomien erfolgt waren. Initiale Biopsien der Patienten
waren negativ und erst Folgeuntersuchungen positiv gewesen. Zum Vergleich wurden Prostatagewebeproben
von 27 Organspendern untersucht, bei denen es keine Hinweise auf eine Prostataerkrankung
gab.
Wie die Wissenschaftler berichten, konnte in 21 der 25 negativen Biopsie-Proben (84
%) eine Überexpression von EPCA anhand der deutlichen Färbung beim Nachweisverfahren
erkannt werden. Das Markerprotein war in den negativen Proben ähnlich häufig überexprimiert
wie in Proben von positiven Biopsien und nach Prostatektomie, und zwar unäbhängig
davon, ob normale oder Karzinomzellen untersucht worden waren. Im Gegensatz dazu fiel
der Test in 23 der 27 Proben von Organspendern negativ aus oder es zeigte sich nur
eine geringe Färbung. Die Sensitivität des Tests geben die Wissenschaftler mit 84
% und die Spezifität mit 85 % an.
Zwar müssen die Ergebnisse noch in größeren Studien bestätigt werden, schreiben die
Autoren. Aber der neue Tumormarker könnte es ermöglichen, die Diagnose Prostatakrebs
5 oder sogar mehr Jahre früher als bisher zu stellen, und dazu beitragen, die Zahl
von Biopsien wegen erhöhter PSA-Werte zu begrenzen.
Kommentar zur Studie
Das Prostatakarzinom ist der häufigste maligne Tumor des Mannes und im organbegrenzten
Stadium heilbar. Die Früherkennung ist Grundvoraussetzung für eine kurative Therapie
und ist grundsätzlich durch Bestimmung des PSA möglich. Dies wird u. a. durch die
SEER-Daten des NCI zweifelsfrei belegt, insbesondere durch die Abnahme der tumorbedingten
Mortalität in den Vereinigten Staaten. Betrachtet man die Situation bei anderen Tumorentitäten,
so ist die Situation dort wesentlich trostloser, die Früherkennung wesentlich schwieriger
und das Risiko einer Übertherapie wesentlich höher.
Trotz dieser nicht ungünstigen und für den Patienten durchaus akzeptablen diagnostischen
Situation birgt die Bestimmung des PSA verschiedene Nachteile aufgrund der unbefriedigenden
Spezifität dieses Testes; daran haben auch verschiedene Methoden der Testoptimierung
wenig geändert. Dies kann zu wiederholten Biopsien mit dem Risiko einer Überdiagnostik
führen - andererseits schließen normale PSA-Werte das Vorliegen eines Prostatakarzinoms
nicht unbedingt aus.
Die sehr sinnvoll konzipierte Studie hebt sich von ähnlich zielgerichteten wissenschaftlichen
Bemühungen deutlich ab
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Um vor allem diese Lücke im Bereich der Spezifität zu schließen, wäre ein komplettierender
Biomarker durchaus wünschenswert. Ausgehend von der Überlegung, dass abnormale Zellkerne
in der Regel histologische Fingerabdrücke von Tumorzellen darstellen und intranukleäre
Vorgänge und Veränderungen reflektieren, identifizierten R. Getzenberg und seine Mitarbeiter
(Pittsburgh) unter 14 verschiedenen Matrixproteinen eines, nämlich EPCA, welches in
Prostatakarzinomzellen immer überexprimiert wurde, aber im normalen Prostatagewebe
nicht nachweisbar war. EPCA wurde zudem nicht nur im Tumor selbst überexprimiert,
sondern war im gesamten restlichen - histologisch allerdings unauffälligen - Prostatagewebe
immunhistochemisch nachweisbar. Bei retrospektiver Aufarbeitung von 25 Prostatektomiepräparaten
(RPx) gelang dieser Nachweis selbst dann, wenn histologisch unauffällige Biopsien
dem definitiven Tumornachweis bis zu 5 Jahre vorausgingen. Als Kontrollen dienten
Prostatagewebsproben von 27 Organspendern
Der Blickwinkel dieser Studie und die vorgelegten Daten sind auf den ersten Blick
beeindruckend und machen neugierig. So wäre dieser Test - allerdings auf der Basis
einer Biopsie - der PSA-Bestimmung bei vergleichbarer Sensitivität nicht nur hinsichtlich
der Spezifität deutlich überlegen, sondern EPCA wäre zudem in der gesamten Prostata
- also auch außerhalb des Tumors nachweisbar. Darüber hinaus könnte das Aufspüren
von Tumorzellen bereits zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem histologisch noch keine
Veränderungen sichtbar sind. Trotz dieser nicht unrealistischen Aussichten schrauben
die Autoren selbst unsere Erwartungen etwas herab, nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt
der noch geringen Fall- bzw. Organzahlen und entsprechender Kontrollen. Zweifelsohne
müssen die genannten Daten und Ergebnisse prospektiv und retrospektiv durch Multicenterstudien
erhärtet und bestätigt werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nur ein einziger
Pathologe sämtliche immunhistochemischen Analysen durchführte und nicht verblindet
war. Auch die Definition und Zusammensetzung der non-neoplastischen Organspendergruppe,
also der gesunden Vergleichsgruppe, wird von den Autoren kritisch hinterfragt.
Die obigen Einwände sollten diesen äußerst interessanten diagnostischen Ansatz jedoch
nicht schmälern: Bei Bestätigung der bislang vorliegenden Daten könnten sich PSA und
EPCA sinnvoll ergänzen, die Früherkennung nachhaltig verbessern und die Rate von Prostatabiopsien
deutlich reduzieren. Die sehr sinnvoll konzipierte Studie hebt sich von ähnlich zielgerichteten
wissenschaftlichen Bemühungen deutlich ab. Auf weitere Ergebnisse darf man gespannt
sein.
Dr. Uwe Ikinger, Heidelberg