Der Klinikarzt 2004; 33(7): 206-211
DOI: 10.1055/s-2004-831035
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Cholangiopathien - Therapeutische Implikationen aus neuen pathophysiologischen Erkenntnissen

Cholangiopathies - Therapeutic Implications out of New Pathophysiological KnowledgeChr. Elsing1 , Th. Schlenker2
  • 1Medizinische Klinik, Abteilung für Gastroenterologie und Stoffwechsel, St. Elisabeth-Krankenhaus Dorsten (Chefarzt: PD Dr. C. Elsing)
  • 2Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis am Park, Heidelberg
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Anschrift für die Verfasser

PD Dr. Chr. Elsing

Medizinische Klinik, St. Elisabeth-Krankenhaus

Pf.-W.-Schmitz-Str. 1

46282 Dorsten

Publication History

Publication Date:
27 July 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Cholangiopathien sind akute oder chronische biliäre Erkrankungen mit erheblicher Morbidität und Mortalität. Sie sind charakterisiert durch pathophysiologische Veränderungen an den Gallengangsepithelien (Cholangiozyten). Die Entwicklung neuer experimenteller Modelle hat in den letzten Jahren zu einem enormen Wissenszuwachs um diese Zellen geführt. Heute lassen sich die Cholangiopathien in verschiedene Untergruppen unterteilen. Dazu gehören hereditäre oder entwicklungsbedingte, immunologische, infektiöse, toxische, ischämische, neoplastische und unklassifizierte Erkrankungen. Die Erkenntnisse der letzten Jahre haben dazu beigetragen, dass wir die pathophysiologischen Zusammenhänge besser verstehen können (z.B. cholangiozelluläres Karzinom, polyzystische Leber- und Nierenerkrankung, AIDS-Cholangiopathie). Dies wiederum bietet die Möglichkeit, neue therapeutische Strategien zu entwickeln.

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Summary

Cholangiopathies are acute or chronic biliar diseases with substantial morbidity and mortality. They are characterized by pathophysiological changes at the cholangiocellular level. Due to the development of new experimental models our knowledge about physiology and pathophysiology of the biliary epithelial cells has grown enormously. Today, cholangiopathies are divided into several groups, for example hereditary, immunological, infectious, toxic, ischemic, neoplastic and unclassified diseases. We begin to understand the pathophysiology of several diseases (cholangiocellular carcinoma, polycystic kidney and liver disease, AIDS-cholangiopathy) and new therapeutic strategies can be developed from this knowledge.

Chronisch biliäre Erkrankungen (Cholangiopathien) weisen eine erhebliche Morbidität und Mortalität auf. Ein Drittel der Patienten, die zur Transplantation vorgestellt werden, leiden an Endstadien chronisch biliärer Zirrhosen. Cholangiopathien sind Erkrankungen der Gallenwege, die an jeder Stelle des biliären Systems zwischen dem Heringschen Kanal und der Ampulla Vateri auftreten können. Sie sind charakterisiert durch pathophysiologische Veränderungen der Gallengangsepithelien (Cholangiozyten). Cholangiopathien lassen sich in hereditäre oder entwicklungsbedingte, immunologische, infektiöse, toxische, ischämische, neoplastische und unklassifizierte Untergruppen einteilen [Tab. 1].

Cholangiozyten sind polarisiert wachsende Epithelzellen, die das Lumen der intra- und extrahepatischen Gallenwege auskleiden. Sie bilden etwa 3-5 % der Gesamtleberzellpopulation. Durch ihre sezernierenden und absorbierenden Eigenschaften tragen sie erheblich zu Produktion und Modifikation der Galleflüssigkeit bei. Beim Menschen produziert das biliäre Epithel etwa ein Drittel (das sind etwa 200 ml) des Gallesekrets, das pro Tag in das duodenale Lumen sezerniert wird. Die enge Verbindung zwischen biliärem Epithel und hepatischer Arterie legt zudem eine enge funktionelle Interaktion zwischen diesen beiden Strukturen nahe.

In den letzten Jahren ist unser Wissen über die Cholangiozyten enorm gewachsen, und verschiedene Mechanismen, die zur Zellschädigung und damit zur chronisch biliären Erkrankung mit Verlust der Gallenwege („vanishing bile ducts”) führen, konnten identifiziert werden [1] [5].

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Hereditäre oder entwicklungsbedingte Cholangiopathien

Die Entwicklungsanomalien des biliären Systems bilden - abhängig vom genetischen Hintergrund (autosomal dominant oder rezessiv) - ein Kontinuum verschiedener Ausprägungsgrade: von-Meyenburg-Komplexe (Hamartome) oder polyzystische Nieren-/Leber-Erkrankungen mit ihren unterschiedlichen Manifestationen, zum Beispiel die kongenitale hepatische Fibrose und das Caroli-Syndrom. Das Alagille-Syndrom (arterio-hepatische Dysplasie) zeigt eine schwere, nahezu vollständige Verminderung der terminalen Gallengänge.

Hereditäre Cholangiopathien sind insgesamt selten, sie sind jedoch ein ideales Modell zum Verständnis der pathophysiologischen Zusammenhänge. Dies um so mehr, seit viele Gendefekte, die zu angeborenen Veränderungen der Gallenwege führen, lokalisiert werden konnten. Damit bietet sich die Chance, die molekularen Mechanismen zu erfassen, welche der phänotypischen Krankheit zugrunde liegen.

Die autosomal rezessiv erbliche polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD) - synonym spricht man auch von der polyzystischen Nieren- und Lebererkrankung Typ I (PKHD1) - ist eine schwere angeborene Erkrankung mit einer vermutlichen Inzidenz von 1 auf 2000 Lebendgeburten und einem weiten klinischen Spektrum. 30-50 % der betroffenen Neugeborenen sterben kurz nach der Geburt an respiratorischer Insuffizienz, verursacht durch eine Lungenhypoplasie. Wird die neonatale Phase überlebt, ist die Prognose zumeist günstiger. Häufige spätere Komplikationen sind eine arterielle Hypertonie, chronisches Nierenversagen und eine kongenitale hepatische Fibrose mit portaler Hypertonie.

Erst vor kurzem konnte der verantwortliche Gendefekt identifiziert werden: Das Gen kodiert für Fibrozystin (oder Polyduktin). Dieses Protein aus 4074 Aminosäuren konnte in Zilien der apikalen Membran biliärer Epithelien nachgewiesen werden. Bei der polyzystischen Nieren- und Lebererkrankung fehlt Fibrozystin in den Zilien. Daraus resultieren morphologische Veränderungen der Zilien, was wiederum eine Funktionseinschränkung derselben mit der Folge der Ausbildung von Zysten bedingt, die das umgebende Lebergewebe komprimieren.

In Gallengangsepithelien spielen intrazelluläre Kalziumsignale eine wichtige Rolle bei der Modulation der Sekretionsantwort. Da Fibrozystin auch als mechanosensitiver Kalziumkanal wirkt, wird klar, warum Veränderungen in diesem intrazellulären Signaltransduktionsweg zu Funktionseinschränkungen der Gallengangsepithelien führen. Möglicherweise lassen sich über Alterationen der Zilienfunktion eine Reihe von Gallengangserkrankungen mit verminderter duktulärer Gallebildung und damit Cholestase erklären. Außerdem öffnen sich hierdurch völlig neue Möglichkeiten therapeutischer Strategien - zum Beispiel die Stimulation alternativer Kalziumsignaltransduktionswege ([Abb. 1]; [10] [12]).

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Immunologische Cholangiopathien

Die meisten Cholangiopathien gehen mit einer deutlichen portalen Entzündungsreaktion einher. Gallengangsepithelien sind dabei Hauptziele immunologischer Prozesse, können aber auch Effektoren sein und sich als antigenpräsentierende Zellen darstellen [11]. Die primär biliäre Zirrhose, eine chronisch cholestatische Erkrankung, ist charakterisiert durch eine granulomatöse Infiltration des Portaltraktes und eine Zerstörung der kleinen interlobulären Gallengänge.

Ätiologie und Pathogenese dieser Erkrankung sind bisher noch nicht bekannt. Das häufigere Auftreten beim weiblichen Geschlecht, die Präsenz hochtitriger krankheitsspezifischer Antikörper, die Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen und die Art der portalen Infiltration lassen eher auf eine autoimmune Pathogenese schließen. Andere Besonderheiten, wie die familiäre Häufung, die Assoziation mit bestimmtem Wasser und das Wiederauftreten nach Lebertransplantation mit einem sogar fulminanteren Verlauf - trotz hoher Immunsuppression -, deuten mehr auf ein toxisches oder infektiöses Agens in der Pathogenese hin.

Das Hauptepitop, das sowohl im Serum als auch in Lymphozyten betroffener Patienten nachgewiesen werden kann (antimitochondriale Antikörper), liegt in der inneren lipophilen Domäne des E2-Komplexes der Pyruvat-Dehydrogenase. Diese lipophilen Domänen können durch den Xenobiotika-Metabolismus modifiziert werden. So kann deren immunlogisches Potenzial erhöht werden. Dies würde erklären, warum bei der Entstehung der Erkrankung Umwelteinflüsse eine so große Rolle spielen [15].

Studien bei Patienten mit primär biliärer Zirrhose weisen eine vermehrte Produktion Th1- und Th2- spezifischer Zytokine nach (Th1-Antwort: Interleukin(IL)-2, Interferon (IFN)-γ; Th2-Antwort: IL-4, IL-5, IL-6). Die Th1-Antwort der T-Helferzellen wird vornehmlich in späteren Stadien der Erkrankung beobachtet.

Dass Gallengangsepithelien unter pathologischen Bedingungen proinflammatorische und zytotaktische Zytokine sezernieren, wird heute nicht mehr bezweifelt. Zu diesen Zytokinen zählen IL-6, TNF-α, IL-8 und MCP-1 („monocyte chemoattractant protein”). Zusammen mit Wachstumsfaktoren führen diese zur Aktivierung mesenchymaler Zellen und zur Matrix-Produktion. Zudem haben diese Zytokine, die entweder von immunkompetenten Zellen oder den Gallengangsepithelien selbst im Portaltrakt freigesetzt werden, profunde Effekte auf die epitheliale Zellfunktion. So vermittelt INF-α die Expression von MHC Klasse II auf den Gallengangsepithelien zur Alteration der Transportfunktion und zur vermehrten Synthese von Stickstoffmonoxid. IL-6 dagegen ist ein potenter Wachstumsfaktor für Cholangiozyten. Bei septischen Patienten ist die häufig zu beobachtende Cholestase assoziiert mit dem histologischen Bild einer Cholangitis lenta. Hier proliferieren die marginalen Ductuli und Gallezylinder in den duktulären Strukturen an den Rändern des Portaltraktes.

Eine weitere immunolgisch interessante Krankheit der Gallenwege ist die Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD), welche die Leber vornehmlich in chronischen Stadien nach Knochenmarkstransplantation befällt. Ähnlich wie bei der primär biliären Zirrhose sind die kleinen Gallenwege betroffen, es entwickelt sich eine chronische cholestatische Lebererkrankung. In einem Tiermodell (GvHD-Mäuse) lässt sich nachweisen, dass es auf den Cholangiozyten zur Fas-Rezeptor-Expression kommt. Die resultierende Cholangiopathie ist induziert durch eine Fas-assoziierte Apoptose und kann durch die Blockade des Fas-Rezeptors mittels geeigneter Fusionsproteine gehemmt werden. Dabei spielen die Leber infiltrierende Lymphozyten eine wichtige Rolle [9].

Die molekulare Basis der Cholestase bei immunvermittelten Cholangiopathien bleibt unklar. Sie könnte bedingt sein durch eine Obliteration der Galleduktuli. Allerdings geht die Cholangiopathie dieser zeitlich voraus - und sie kann auch dann beobachtet werden, wenn noch keine Gallezylinder entstanden sind oder bevor es zur einer kanalikulären Dilatation gekommen ist.

Studien der letzten Jahre haben das Wissen über cholangiozelluläre Transportmechanismen erheblich erweitert. Vermutlich tragen Veränderungen im biliären Elektrolyttransport zur Pathogenese der Cholestase bei. Beispielsweise konnte bei Patienten mit primär biliärer Zirrhose eine verminderte Expression eines apikalen Chloridbikarbonataustauschers (AE-2) nachgewiesen werden. Mithilfe einer Therapie mit Ursodeoxycholsäure ließ sich dieser veränderte Transport wieder herstellen.

Modifikationen im cholangiozellulären Transport entstehen als Folge von Entzündungsprozessen. Verschiedene proinflammatorische Zytokine (IL-6, IFN-γ, und TNF-α) hemmen die cAMP-abhängige Flüssigkeitssekretion und die Aktivität des Chloridbikarbonattransporters in der apikalen Membran der Cholangiozyten [13]. Diese Daten sind von Interesse, da sie zeigen, dass die sekretorische Funktion der Cholangiozyten von dem Ausmaß der Begleitentzündungsreaktion abhängt und der Einsatz entzündungshemmender Medikamente bei cholestatischen Lebererkrankungen sinnvoll sein kann.

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Infektiöse Cholangiopathien

Infektionen der Gallenwege sind ein weltweit beobachtetes bedeutsames Problem und können auch ein ätiologischer Faktor in der Krebsentstehung sein.

Bei der chronischen Hepatitis C zum Beispiel ist die Zerstörung der intrahepatischen Gallenwege ein charakteristisches histopathologisches Merkmal. Häufig finden sich lymphozytäre Infiltrate in der periportalen Region mit angegriffenen Gallengangsepithelien. Bei der Entzündungsreaktion spielt das Leukozyten-Antigen DR eine wichtige Rolle und die Zerstörung der kleinen Gallenwege ist Folge der Wirtsreaktion auf die mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infizierten Gallengangsepithelien. Darüber hinaus konnte HCV auch in der Galle in ähnlich hohen Konzentrationen wie im Serum nachgewiesen werden. Somit könnte sich das Hepatitis-C-Virus nach Freisetzung aus Hepatozyten und Cholangiozyten über die Galle in der Leber verbreiten. Die Galle von Patienten mit chronischer Hepatitis C muss als ebenso infektiös wie Serum dieser Patienten angesehen werden [8].

Neben Bakterien und Viren spielen für infektiöse Cholangiopathien auch Protozoen (Cryptosporidien) eine Rolle. So ist Cryptosporidium parvum für die AIDS-Cholangiopathie verantwortlich. Der Mechanismus der Epithelschädigung wurde an einer nichtmalignen biliären Epithelzellline aufgeklärt. Demnach kommt es nach zellulärer Aufnahme von Cryptosporidien zu einer Aktivierung von NF-κB (Nekrosefaktor κB). Dies führt in den betroffenen Zellen zu einer apoptotischen Resistenz und zur Exkretion von IL-8, einem starken Entzündungsmediator, der für die entstehende entzündliche Reaktion mitverantwortlich ist. Zudem bewirkt eine vermehrte Sekretion von löslichem Fas-Liganden, die Apoptose benachbarter Zellen [3].

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Toxische Cholangiopathien

Toxische Cholangiopathien sind pathologisch charakterisiert als akute Cholangitis oder als Cholangiolitis. Bei einer Cholangitis findet sich ein Ödem und eine akute Entzündungsreaktion in und um die portalen Gallengänge. Bei stärkeren Reaktionen sind die Gallenwege dilatiert, es finden sich cholangiozelluläre Nekrosen. Das inflammatorische Infiltrat ist polymorph und besteht aus Lymphozyten, Neutrophilen und Eosinophilen.

Charakteristisches Symptom einer Cholangiolitis - einer Entzündung der Ductuli - sind duktuläre Proliferationen mit Ödem und Infiltration durch polymorphkernige Leukozyten. Die Assoziation mit hepatischen Granulomen und das häufige Auftreten einer Hypersensitivitätsreaktion machen das Vorliegen eines immunallergischen Mechanismus wahrscheinlich [4].

Zu den Medikamenten, die eine Cholangitis und Duktopenie auslösen können, zählen:

  • Acetaminophen (Paracetamol)

  • Amytryptilin

  • Amoxicillin

  • Ampicillin

  • Carbamazepin

  • Chlorpromazin

  • Diazepam

  • Erythromycin

  • Haloperidol

  • Imipramin

  • Methyltestosteron

  • Phenylbutazon

  • Thiabendazol.

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Ischämische Cholangiopathien

Ein chirurgisches Trauma, Anastomosenstrikturen an der Arteria hepatica, arterielle Thrombosen und Arteriosklerose in transplantierten Lebern können eine vaskuläre Cholangiopathie verursachen. Die geringe Perfusion des biliären Plexus kann zur duktalen Entzündung mit Fibrose oder zu einer segmentalen Degeneration der Cholangiozyten führen. Überwiegen inflammatorische Prozesse, können diese Veränderungen auch als ischämische Cholangitis bezeichnet werden [2].

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Neoplastische Cholangiopathien

Beide Endothelzelltypen der Leber - die Hepatozyten und die Cholangiozyten - können Ziel einer malignen Transformation sein und damit hepatozelluläre- oder Gallengangskarzinome bilden. Obwohl die exakte molekulare Pathogenese der Entstehung cholangiozellulärer Karzinome noch nicht vollständig aufgeklärt ist, mehren sich die Hinweise, dass Änderungen im Metabolismus bestimmter Wachstumsfaktoren eine Rolle spielen.

So kommt es zu einer Überexpression der Tyrosinkinasen-gekoppelten Wachstumsfaktorrezeptoren cErbB-2/c-Neu und c-Met. Zusätzlich findet eine autokrine Expression des Hepatozytenwachstumsfaktors (HGF) statt, der selbst Ligand für c-Met ist und die Proliferation noch weiter stimuliert. Dies konnte sowohl in tierexperimentellen Untersuchungen als auch in humanen Systemen nachgewiesen werden.

Die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) geht mit einem erhöhten Risiko cholangiozellulärer Karzinome einher und könnte sich daher als Modell der Gallengangskarzinogenese eignen. Ein möglicher pathophysiologischer Weg ist über eine Induktion von iNOS (induzierbare NO-Synthetase) bei chronischen Entzündungen zu vermuten. Die Induktion dieses Enzyms führt zu einer vermehrten Synthese von Stickstoffmonoxid mit konsekutiver oxidativer Schädigung der DNA. Tatsächlich konnten in Cholangiozyten von Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis vermehrt iNOS und gleichzeitig 8-Oxodeoxy-Guanin, die häufigste oxidative Läsion der DNA, nachgewiesen werden.

Solche oxidativen DNA-Läsionen führen zu Basendeletionen und -ver-schiebungen und damit letztlich zu Punktmutationen in verschiedenen Genen. Bei Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis und cholangiozellulärem Karzinom sind Punktmutationen auch in der Promotorregion zweier Tumorsuppressorgene bekannt. Diese Mutationen waren krankheitsspezifisch, sie waren also nur bei Patienten mit PSC sowie bei Patienten mit gleichzeitig vorliegendem cholangiozellulären Karzinom nachzuweisen. Bei Patienten mit primär biliärer Zirrhose dagegen wurde diese Mutation in den Gallengangsepithelien nicht gefunden [Abb. 2]; [14]). Möglicherweise lässt sich also durch eine Hemmung der Stickstoffmonoxid-Synthese oder der Gabe von Radikalfängern das Risiko für gastrointestinale Tumoren bei chronischen Entzündungen reduzieren.

NO und iNOS spielen auch bei der Apoptose der Gallengangsepithelien eine wichtige Rolle. Stickstoffmonoxid vermag die cholangiozelluläre Apoptose durch eine Hemmung der entsprechenden mitochondrialen Signalkettenprozessierung zu unterbrechen. Dies wäre ein Hinweis für die Kanzerogenität dieser Substanz in diesen Zellen. Während chronisch entzündlicher Prozesse wird das intrahepatische Gallengangsepithel verschiedenen Entzündungsmediatoren ausgesetzt (Lipopolysaccharide (LPS), bakterielle Endotoxine). Auch dies verursacht eine cholangiozelluläre Proliferation, und letztlich ist eine maligne Transformation ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Die gegenwärtigen Therapiestrategien für cholangiozelluläre Karzinome richten sich nach dem Ausmaß der Ausbreitung. Primär sollten Patienten mit dieser Erkrankung in einem interdisziplinären hepatobiliären Zentrum evaluiert und in entsprechende Therapiestudien aufgenommen werden, um so auch neuere Ansätze zu beurteilen. Erscheint der Tumor resektabel, sollte ein chirurgischer Behandlungsversuch unternommen werden. Die Fünf-Jahres-Überlebensraten liegen in diesem Fall bei 20-40 %, Lokalrezidive sind jedoch häufig.

Patienten mit lokalisierten, nichtresektablen, perihilären Cholangiokarzinomen sowie Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis und cholangiozellulären Karzinomen (< 3 cm) können wohl auch wieder für eine Lebertransplantation evaluiert werden. Denn obwohl frühere Resultate der Lebertransplantation bei cholangiozellulärem Karzinom enttäuschend waren, führen jetzt mehrere Zentren erfolgreich zuerst eine neoadjuvante Radiochemotherapie durch, gefolgt von einer Lebertransplantation.

Ist der Tumor nicht resektabel oder eignen sich die Patienten nicht für eine Transplantation, besteht mit der photodynamischen Therapie eine palliative Behandlungsoption. Diese verbessert die Lebensqualität bei solchen Patienten, deren Cholestaseparameter sich auch durch ein Gallengangsstenting nicht ausreichend reduzieren lassen. Solche Therapieoptionen sind jedoch nur lokal und haben keinen Einfluss auf die Ausbreitung von Metastasen. Eine alleinige Chemo- oder Strahlentherapie hat keinen wesentlichen Erfolg.

Durch die oben geschilderten pathophysiologischen Zusammenhänge lassen sich neue Therapiestrategien entwickeln. Dazu zählen die Applikationen von mit Chemotherapeutika beschichteten Stents, die Applikation von Wachstumsfaktoreninhibitoren und Cyklooxygenase-2-Hemmern [7].

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Unklassifizierte Cholangiopathien

Die sekundär sklerosierende Cholangitis (SSC) ist eine fortschreitende Erkrankung, die zu einer sekundären biliären Zirrhose führt. Die SSC mit Verlust der Gallenwege („vanishing bile duct syndrome” ) tritt auf nach einem septischen Schock, hervorgerufen durch Verbrennungen, Polytrauma oder extensiven Operationen mit lang dauernder Intensivtherapie.

Dabei können verschiedene pathophysiologische Mechanismen eine Rolle spielen: Neben infektiösen Ursachen werden direkt toxische oder ischämische Effekte diskutiert. Möglich sind auch immunologische Prozesse mit einer Kreuzreaktion zwischen Haut- und Gallengangsepithelien. Ist es noch nicht zum Vollbild einer Zirrhose gekommen, bestehen therapeutische Möglichkeiten in der endoskopischen Therapie von Gallengangstrikturen sowie in der Gabe von Ursodeoxycholsäure [Abb. 3]. Bei kompletter Ausbildung einer Zirrhose ist die Lebertransplantation dann die einzige therapeutische Option [6].

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Abb. 1 In den Cholangiozyten existieren eine Vielzahl von Kanälen und Ionentransportern. Diese modifizieren unter humoraler Kontrolle die duktuläre Galle (Primärgalle oder direkt von den Hepatozyten gebildete Galle). Aber auch der Gallefluss selbst aktiviert mechanosensitive Kalziumkanäle, die multiple Effekte in den Zellen bewirken

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Abb. 2 Die chronische Inflammation führt zur vermehrten Stickstoffmonoxid-Synthese (NO). Dieses wiederum induziert über verschiedene Mechanismen eine Karzinogenese, unter anderem auch durch eine Hemmung verschiedener Tumorsuppressorgene

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Abb. 3 43-jähriger Patient mit Zustand nach Polytrauma und Langzeitbeatmung. In der ERC ist eine deutliche Rarefizierung der intrahepatischen Gallenwege zu sehen (a). Durch Dilatation und Stenting lassen sich auch peripherere Gallengänge wieder an die zentralen Gallenwege anschließen (b). Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung der Leberfunktion

Tab. 1 Systematik der Cholangiopathien

hereditäre oder entwicklungsbedingte Cholangiopathien

biliäre Atresie, zystische Fibrose, polyzystische Leber- und Nierenerkrankung, Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, Alagille-Syndrom, progressive familiäre intrahepatische Cholestase

immunologische Cholangiopathien

primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis, chronische Graft-versus-Host-Erkrankung (GVHD), Lebertransplantatabstoßung, Sarkoidose, autoimmune Cholangitis

infektiöse Cholangiopathien

bakteriell aszendierende Cholangitis, Zytomegalievirus, Hepatitis-C-Virus, HIV, Retrovirus Typ 3, Kryptosporidien, Protozoen, Parasiten, Pilze

toxische Cholangiopathien

Paraquat, Chlorpromazin, Floxuridin nach intraarterieller Infusion, Formaldehyd/20 %-Kochsalzlösung injiziert in Echinococcus-Zysten, Antibiotika

ischämische Cholangiopathien

intraarterielle Infusion oder Embolisation, chronische Transplantatabsto0ung, hochgradige Stenose (v.a. im Anastomosenbereich) der Arteria hepatica nach Transplantation

neoplastische Cholangiopathien

cholangiozelluläres Karzinom, Histiocytosis X, Morbus Hodgkin

unklassifizierte Cholangiopathien

idiopathische Duktopenie des Erwachsenen, sekundär sklerosierende Cholangitis (Cholangiopathie nach Verbrennungen)

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Literatur

  • 1 Alpini G, McGill JM, LaRusso NF. The pathobiology of biliary epithelia.  Hepatology. 2002;  35 1256-1268
  • 2 Batts KP. Ischemic cholangitis.  Mayo Clin Proc. 1988;  73 380-385
  • 3 Chen XM, Keithly JS, Paya CV, LaRusso N. Cryptosporidiosis.  N Engl J Med. 2002;  346 1723-1731
  • 4 Degott C. Drug-induced liver injury.  Pathology Oncology Research. 1997;  3 260-263
  • 5 Elsing C, Schlenker T, Stremmel W. Diagnostik der Cholangiopathien.  Dtsch Arztebl. 2003;  100 2955-2959
  • 6 Engler S, Elsing C, Flechtenmacher C. et al. . Progressive sclerosing cholangitis after septic shock: a new variant of vanishing bile duct disorders.  Gut. 2003;  52 688-693
  • 7 Gores GJ. A spotlight on cholangiocarcinoma.  Gastroenterol. 2003;  125 1536-1537
  • 8 Haruna Y, Kanda T, Honda M. et al. . Detection of Hepatitis C in the bile and bile duct epithelial cells of Hepatitis C virus-infected patients.  Hepatology. 2001;  33 977-980
  • 9 Howell CD, Yoder T, Claman HN, Vierling JM. Hepatic homing of mononuclear cells isolated during murine chronic graft-vs-host disease.  J Immunol. 1989;  143 476-483
  • 10 Masyuk TV, Huang BQ, Ward CJ. et al. . Defects in cholangiocyte fibrocystin expression and ciliary structure in the PCK rat.  Gastroenterol. 2003;  125 1303-1310
  • 11 Reynoso-Paz S, Coppel RL, Mackay IR. et al. . The immunobiology of bile and biliary epithelium.  Hepatology. 1999;  30 351-357
  • 12 Schlenker T, Fitz JG. Ca(2+) activated Cl-channels in a human biliary cell line: regulation by Ca2+/calmodulin-dependent protein kinase.  Am J Physiol. 1996;  271 G304-G310
  • 13 Spirli C, Nathanson MH, Fiorotto R. et al. . Proinflammatory cytokines inhibit secretion in rat bile duct epithelium.  Gastroenterol. 2001;  121 156-169
  • 14 Taniai M, Higuchi H, Burgart U, Gores GJ. P16INK4a promotor mutations are frequent in primary sclerosing cholangitis (PSC) and PSC-associated cholangiocarcinoma.  Gastroenterol. 2002;  123 1090-1098
  • 15 Van de Water J, Ishibashi H, Coppel RL, Gershwin ME. Molecular mimicry and primary biliary cirrhosis: premises not promises.  Hepatology. 2001;  33 771-775
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Anschrift für die Verfasser

PD Dr. Chr. Elsing

Medizinische Klinik, St. Elisabeth-Krankenhaus

Pf.-W.-Schmitz-Str. 1

46282 Dorsten

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Literatur

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Anschrift für die Verfasser

PD Dr. Chr. Elsing

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Abb. 1 In den Cholangiozyten existieren eine Vielzahl von Kanälen und Ionentransportern. Diese modifizieren unter humoraler Kontrolle die duktuläre Galle (Primärgalle oder direkt von den Hepatozyten gebildete Galle). Aber auch der Gallefluss selbst aktiviert mechanosensitive Kalziumkanäle, die multiple Effekte in den Zellen bewirken

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Abb. 2 Die chronische Inflammation führt zur vermehrten Stickstoffmonoxid-Synthese (NO). Dieses wiederum induziert über verschiedene Mechanismen eine Karzinogenese, unter anderem auch durch eine Hemmung verschiedener Tumorsuppressorgene

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Abb. 3 43-jähriger Patient mit Zustand nach Polytrauma und Langzeitbeatmung. In der ERC ist eine deutliche Rarefizierung der intrahepatischen Gallenwege zu sehen (a). Durch Dilatation und Stenting lassen sich auch peripherere Gallengänge wieder an die zentralen Gallenwege anschließen (b). Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung der Leberfunktion