Einleitung
Einleitung
Die eingehende Beschäftigung mit der Pathogenese maligner Erkrankungen hat insbesondere
in den letzten zehn Jahren zu einer rasant ansteigenden Anzahl wissenschaftlicher
Beiträge zur Identifizierung zellulärer und humoraler Tumormarker geführt, die einerseits
wie die Onkogene an der Kanzerogenese maßgeblich beteiligt sind und andererseits geeignet
erscheinen, als Marker unsere Möglichkeiten zur Diagnose und Prognose insbesondere
solider Tumoren entscheidend zu verbessern. Solche molekularen Marker sollten bestenfalls
nicht nur Aussagen zum Krankheitsverlauf und zum zu erwartenden Überleben liefern,
sondern darüber hinaus auch den behandelnden Arzt bei seiner Therapieentscheidung
unterstützen.
Der epidermale Wachstumsfaktorsrezeptor (EGFR bzw. synonym HER1) gehört zu den HER-Rezeptorproteinen
[1]. Die Identifizierung molekularer Targets (Zielgene) und Pathways (Signalketten)
innerhalb der zellulär bedeutenden HER-Signalübertragungskaskade hat inzwischen zur
Zulassung neuartiger Wirkstoffe geführt, die wesentlich zur onkologisch-therapeutischen
Innovation der letzten Jahre beigetragen haben (Abb. [1]). In vielen humanen soliden Tumoren, darunter das Mamma-, Kolon-, Ovarialkarzinom
und NSCLC, wird HER1 stark überexprimiert und ist mit einem schlechten klinischen
Verlauf und ungünstiger Überlebensprognose assoziiert [2], wenngleich die Bedeutung dieses prognostischen Faktors für NSCLC als eher gering
eingestuft wird [3].
Abb. 1 Neue ‘Targeted Drugs’, die in den Signalübertragungs-Mechanismus der HER-Familie eingreifen.
Im Gegensatz zu beiden monoklonalen Antikörpern Trastuzumab und Cetuximab hemmt Gefitinib
intrazellulär die Tyrosin-Kinase-Domäne.
Von Bedeutung sind diese Therapeutika über ihren positiven Beitrag für die Patientenversorgung
hinaus dadurch, dass parallel zu ihrer pharmazeutisch-klinischen Entwicklung durch
intensive pharmakologische und molekularbiologische Arbeiten wie im Fall von Trastuzumab
die in-vivo-Expression des molekularen Targets in Form eines etablierten Tests nachgewiesen
werden kann und somit als Tumormarker zur histopathologischen Beurteilung zur Verfügung
steht. So ist Trastuzumab (Herceptin™) für Patienten mit einem metastasierten Mammakarzinom
empfohlen und zugelassen, deren Tumor HER2 deutlich überexprimiert (HER2 3+). Die
Biologie von HER2 unterscheidet sich jedoch deutlich von HER1 - ein spezifischer Ligand
konnte bei HER2 bisher nicht identifiziert werden, die Aktivierung der nachgeschalteten
Signalkaskade erfolgt durch eine Homodimerisierung beziehungsweise Heterodimerisierungen
mit anderen HER-Rezeptoren. Das Ausmaß der Rezeptorexpression dient im Fall von HER2
als prognostischer und therapeutischer Marker.
Obgleich in verschiedenen soliden Tumoren stark überexprimiert [4], konnte bisher kein gesicherter Zusammenhang zwischen der HER1/EGFR-Überexpression
und dem Ansprechen auf eine anti-EGFR-Therapie gezeigt werden. Dies gilt sowohl für
den monoklonalen Antikörper Cetuximab (Erbitux™), in diesem Jahr als Inhibitor der
extrazellulären HER1/EGFR-Domäne in Europa zur Behandlung des metastasierten kolorektalen
Karzinoms zugelassen, wie auch für das Quinazolinderivat Gefitinib (Iressa™), mit
dem nun erstmalig ein intrazellulär angreifender Inhibitor der Tyrosin-Kinase-Domäne
des EGF-Rezeptors zur Behandlung des metastasierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms
zur Verfügung steht [3].
Gefitinib wurde aufgrund seiner in klinischen Phase-II-Studien gezeigten Aktivität
und der beeindruckenden Therapieerfolge bei Subgruppen von Patienten als Single-Agent
bei der Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC bisher in über 20 Ländern einschließlich
der USA, Japan, Australien und Kanada zugelassen [5]
[6]
[7]. Mit dem strukturell eng verwandten Erlotinib wurde kürzlich in den USA der zweite
Tyrosinkinaseinhibitor zur Rezidivtherapie des fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms
zugelassen, aufbauend auf überzeugenden Phase-III-Daten, die eine hoch signifikante
Überlebenszeitverlängerung aufzeigen konnten [8]. Die Ergebnisse zur Primärtherapie in der Kombination mit Chemotherapie waren für
Gefitinib [9]
[10] und gleichfalls für Erlotinib [11]
[12] enttäuschend. In keiner der vier großen randomisierten Phase-III-Studien (INTACT-1
und -2, TALENT und TRIBUTE) konnte ein signifikanter Überlebensvorteil für die Gesamtpopulation
gezeigt werden.
Diese Ergebnisse haben - auch hinsichtlich der in vivo beeindruckenden additiven Wirkung
von Gefitinib in Kombination mit Chemotherapeutika [13] und der fehlenden klinischen Korrelation zwischen Rezeptorstatus und beobachteten
Ansprechraten - für Gefitinib die Frage aufgeworfen, inwieweit diese Targeted-Therapy
die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen kann [14]. Zugleich wurde, auch im Hinblick auf die mit Erlotinib erhaltenen Ergebnisse, erkennbar,
dass entscheidende Hinweise zur Deutung der klinischen Aktivität durch ein besseres
Verständnis der Struktur des pharmakologischen Rezeptors gefunden werden können.
Neben den bekannten vier unterschiedlichen Rezeptortypen (HER1 - HER4), die durch
Homo- wie auch Heterodimerisierung eine Aktivierung der nachgeschalteten Signaltransduktionswege
ermöglichen, existieren innerhalb der HER-Rezeptorfamilie weitere Rezeptortypen, von
denen die 1998 erstmals beschriebene und ausschließlich in verschiedenen Tumorzelltypen
gefundene Variante III (EGFRvIII) die bekannteste ist [15].
Zwei neue Arbeiten von Lynch [16] und Paez [17] tragen äußerst bedeutsame Hinweise zu Struktur-Aktivitäts-Beziehungen von Tyrosin-Kinasen
bei. Beide Arbeiten aus dem Bereich der translationellen Forschung konnten durch Mutationsanalyse
der EGFR-kodierenden Sequenz aus dem Tumormaterial von Gefitinib-Respondern durch
nachfolgende PCR-Amplifikation und Sequenzierung aufzeigen, dass das EGFR-Gen bei
diesen Patienten gehäuft somatische Mutationen in zwei Exons (19 und 21) aufweist,
die zu einer Veränderung der ATP- und Gefitinib-Bindungsstelle im Bereich der Tyrosin-Kinase-Domäne
des Rezeptorproteins führt. Funktionelle Untersuchungen des exprimierten, veränderten
EGFR mit entweder einer In-frame-Deletion (Exon 19) oder einer Punktmutation (Exon
21) zeigten eine erhöhte und länger anhaltende Aktivität nach Stimulation mit EGF
sowie eine gesteigerte Sensitivität dieser aberranten EGFR-Formen gegenüber Gefitinib-Inhibition.
Folgende Schlussfolgerungen beider Gruppen sind von enormer Bedeutung:
-
Die gesteigerte Sensitivität gegenüber Gefitinib trägt zu den klinisch teils sehr
ausgeprägten Remissionen bei.
-
Der Nachweis dieser EGFR-Mutationen zeigt prädiktiv Gefitinib-Sensitivität auf. Patienten
mit Mutationen profitieren demzufolge mehr von einer Behandlung mit Gefitinib als
von einer Kombinationschemotherapie.
-
Mutationen traten bei bisher 25 bzw. 119 untersuchten NSCLC-Tumorproben in Adenokarzinomen
und bronchioalveolären Karzinomen der Lunge häufiger auf als bei anderen Histologien,
bei Frauen häufiger auf als bei Männern.
-
Ex- und Nichtraucher überwiegen bei Patienten mit ausgeprägten Remissionen [16].
-
Die beschriebenen Charakteristika korrelieren mit dem beobachteten Ansprechen in klinischen
Studien [7].
Eine nachfolgend veröffentlichte Arbeit der Arbeitsgruppe um Settleman konnte nachweisen,
dass Gefitinib-sensitive Tumoren eine potenziell unterschiedliche Signaltransduktion
aufzeigen [18]. Das Ansprechen resultiert aus der entstandenen Abhängigkeit der Tumoren vom anti-apoptotischen
Akt-Pathway, die EGFR-Inhibierung durch Gefitinib führt zur Aufhebung der das Zellüberleben
sichernden Signalübertragung.
Unsere Klinik konnte ca. seit 18 Monaten am Expanded access programm mit Gefitinib
teilnehmen. Im Rahmen dieses Compassionate-use-Programms, das den Zeitraum der laufenden
Beantragung der europäischen Zulassung abdeckt, konnten wir erste eigene Erfahrungen
mit diesem Wirkstoff an über 20 Patienten mit vorbehandelten, metastasierten Bronchialkarzinomen
sammeln. Die zuvor beschriebenen Ergebnisse haben uns veranlasst, drei Patienten,
die ein signifikantes klinisches Ansprechen aufzeigten, retrospektiv zu analysieren.
Kasuistiken
Kasuistiken
Fall 1
Bei Patientin A, einer 59-jährigen Nichtraucherin, wurde radiologisch im August 2002
ein mäßig ausdifferenziertes Adenokarzinom mit geringer Schleimbildung (G2) der rechten
Lunge diagnostiziert, nachdem der behandelnde Hausarzt im Rahmen einer Abklärung fibromyalgischer
Syndrome einen CEA-Tumormarkeranstieg auf 17 ng/ml beobachtet hatte. Der Tumor erstreckte
sich vom Unter- bis zum Oberlappen und war dort mit der mediastinalen Pleura verwachsen.
Weitere Tumorknoten fanden sich in der gesamten rechten Lunge, dem Zwerchfell und
der Pleura parietalis. Aufgrund der festgestellten Pleuritis carcinomatosa und der
Verwachsung wurde die Erkrankung nach Teilpleurektomie als inoperabel eingestuft (T4N0M1).
Vom September 2002 an wurden begleitend Maßnahmen durchgeführt, um den Krankheitsverlauf
bestmöglich zu kontrollieren (Tab. [1]).
Tab. 1 Übersicht zu den durchgeführten therapeutischen Maßnahmen bei Patientin A
| August 2002 |
- Thorakotomie rechts mit atypischer Tumorresektion aus ML und UL, PE Zwerchfell und
Teilpleurektomie |
| September 2002 |
- 3 Zyklen Chemotherapie mit Gemcitabin und Carboplatin |
| November 2002 |
- Einleitung 2nd-line Therapie mit Docetaxel (q3w × 6) nach Progress |
| Mai 2003 |
- 6 Wochen nach Absetzen 2nd-line erneute retrosternale Progression, nachfolgend palliative Radiatio des Bereichs
mit 33 Gy Gesamtdosis |
| Januar 2004 |
- erneute pulmonale Progression, Indikation zu 3rd-line Therapie |
| Februar 2004 |
- Beginn der EGFR-TKI-Therapie mit Gefitinib (250 mg o. d.) |
| September 2004 |
- Fortführung der anti-EGFR-Therapie mit Gefitinib |
Die erneute Progression im Januar 2004 fiel mit einer deutlichen Zunahme der Dyspnoe
als wesentlicher krankheitsbedingter Symptomatik zusammen, sodass eine Sauerstofflangzeittherapie
erforderlich wurde. Aufgrund der beschränkten Behandlungs-Optionen erfolgte im Februar
2004 die Entscheidung zur Einleitung einer Drittlinientherapie mit täglich 250 mg
Gefitinib. Die Patientin berichtete innerhalb der ersten Behandlungswochen über eine
deutliche Abnahme der belastenden Dyspnoe, gleichzeitig fiel der CEA-Wert von 15,0
ng/ml innerhalb von 10 Behandlungswochen auf 5,8 ng/ml ab, einem Werte nahe des Normalbereiches
für Nichtraucher (zu 99 % < 5.0 ng/ml) ab.
Die radiologischen Kontrollen unterstrichen das klinische Bild einer nahezu kompletten
Remission (Abb. [2]). Als therapiebekannte Nebenwirkungen traten leichte Diarrhöen und Erbrechen innerhalb
der ersten zwei Behandlungswochen sowie Pusteln im Bereich der Nase auf. Bei verbesserter
Lebensqualität stabilisierte sich die beobachtete Remission mit weiterer Rückbildungstendenz
über den Sommer 2004, sodass die Therapie bisher fortgeführt werden konnte.
Abb. 2 Vergleich der Vorher-Nachher-Aufnahmen der Patientin A im CT während des initialen
dreimonatigen Behandlungszeitraums.
Fall 2
Diese 79-jährige Patientin hatte im Januar 2003 ihren behandelnden Arzt konsultiert
aufgrund von Schmerzen im Bereich des Brustkorbes. Diagnostisch ließ sich ein großer
rechtsseitiger Pleuraerguss nachweisen. Röntgenologisch zeigte sich eine vermehrte
Lungenzeichnung wie bei einer Lymphangiosis Carcinomatosa üblich, mehrere parenchymale
Knoten in beiden Lungen waren erkennbar. Die TNM-Klassifikation nach der 5. Auflage
von 1997 [19] erfolgte als cT2cNXM1. Histologisch wurde ein Adenokarzinom bestimmt. Nachfolgend
wurde videoendoskopisch eine rechtsseitige Teilpleurektomie zwecks Pleurodese durchgeführt.
In Betracht des Alters der Patientin wurde die Primärtherapie vom Frühjahr 2003 an
mit Gemcitabin mono durchgeführt. Eine erneute Tumorprogression im Herbst 2003 einbezüglich
pulmonaler Lymphangiosis veranlasste zur Einleitung der Zweitlinientherapie mit Docetaxel,
insgesamt drei Zyklen wurden von Dezember 2003 bis Februar 2004 appliziert.
Aufgrund des sich verschlechternden Performance Status (ECOG 4) und Zeichen zunehmender
Komorbidität (Grad IV Asthenie und Kachexie) wurde die Therapie schlussendlich gestoppt.
Der CEA-Wert stieg zugleich innerhalb von wenigen Wochen deutlich an (20,3 auf 29,4
ng/ml), die spirometrischen Untersuchungen zeigten eine zunehmend schwere und vorwiegend
restriktive Ventilationsstörung auf (Rtot 0.5 kPA *s/l, Tiffeneau 99,5 %, FEV 0,79 l, ITGV 52,8 %, TLC 42,9 %).
Die Angehörigen der Patientin setzten sich in starkem Maße für weitere therapeutische
Maßnahmen ein, für die aufgrund der vorangegangenen Therapien und Vorerkrankungen
(Aortenklappen- und Mitralinsuffizienz) wenig Alternativen zur Auswahl standen. Die
Verordnung von Gefitinib (250 mg/dies p. o.) vom Februar 2004 an führte zu einer außerordentlichen
Verbesserung des Allgemeinzustandes (ECOG 1) bei gleichzeitiger Halbierung des CEA-Wertes,
einem Anstieg der Sauerstoffsättigung von 80 auf 93 - 94 % und einer bildgebend klar
erkennbaren Remission (Abb. [3]). Gelegentliche Übelkeit (NCI-CTC Grad 1 - 2) wurde als einzige Therapie-induzierte
Nebenwirkung berichtet.
Abb. 3 Darstellung zweier Schnitte aus dem CT der Patientin C vom Oktober 2003 (nach Primärtherapie)
und nach 8-wöchiger EGFR-TKI-Therapie. Zu Beginn der Drittlinientherapie wurden aufgrund
des schlechten Allgemeinzustandes der Patientin keine gesonderten Aufnahmen angefertigt.
Fall 3
Im September 2003 wurde bei einer 47-jährigen ehemaligen Raucherin, die zur diagnostischen
Abklärung von Schmerzen in Brustwand und Nacken, einem trockenen, anhaltenden Husten
und Belastungsdyspnoe hospitalisiert worden war, ein linksseitiges Adenokarzinom festgestellt.
Im Rahmen der weiteren Untersuchungen wurden neben dem in Ober-, Unterlappen und Lingula
infiltrierenden Primärtumor multiple, beidseitige Läsionen gefunden sowie Metastasen
in Leber und Nebennieren (T4N2M1). Aufgrund der umfassenden Metastasierung wurde sofort
mit einer systemischen Chemotherapie begonnen. Die Erst- und Zweitlinientherapie sowie
begleitende und radiotherapeutische Maßnahmen führten nur zu kurzzeitigen bzw. keinen
Behandlungserfolgen, wie das Auftreten weiterer metastatischer Absiedlungen in Knochen
und in beiden Großhirnhemisphären zeigte (Abb. [4]). Anfang April 2004 wurde die Chemotherapie nach Infektion und resistierendem Fieber
trotz kurzfristiger i. v. Antibiotika-Behandlung (Abbruch aufgrund von Diarrhöen),
Gewichtsverlust (NCI-CTC Grad 2), Tumoranämie (Gabe von Erythrozytenkonzentraten)
und abfallendem Karnofsky-Index abgesetzt.
Abb. 4 Zusammenfassende Darstellung des klinischen Verlaufs 2003 - 04 sowie durchgeführter
Maßnahmen bei Patientin C.
Die nachfolgend begonnene Gefitinib-Therapie mit der Standarddosis von 250 mg täglich
musste nach wenigen Tagen unterbrochen werden, da moderate Diarrhöen, insbesondere
aber starke Bauchkrämpfe auftraten, die jedoch mit Hilfe von Buscopan beseitigt werden
konnten. Nach Wiederaufnahme bei gleichzeitigem Ausschleichen von Kortison wurde die
anti-EGFR-Therapie besser vertragen. Die erste Verlaufskontrolle nach vier Wochen
mittels Röntgenthorax zeigte eine eindrucksvolle Rückbildung der massiven beidseitigen
Lungenmetastasierung (Abb. [5]), sodass die Therapie seitdem fortgesetzt wurde. Die erzielte Remission stellte
sich im September 2004, fünf Monate nach Therapiebeginn, weiterhin als stabil dar.
Die im Zusammenhang mit der Lebermetastasierung zu sehenden initial pathologisch veränderten
Leberwerte (°II Toxizität γ-GT und AP) haben sich unter Therapie weitgehend normalisiert.
Abb. 5 Röntgen-Thoraxaufnahme der 47-jährigen Patientin C. In der rechts dargestellten Verlaufskontrolle
ist die schnelle Rückbildung der massiven multiplen beidseitigen pulmonalen Metastasierung
gut zu erkennen.
Ergebnisse
Ergebnisse
Alle drei Patientinnen sind vortherapiert mit mindestens einem Progress unter Therapie,
weisen Adenokarzinome auf und sind Nicht- (⅔) bzw. Ex-Raucher. Eine Nachbetrachtung
der morphologischen Befunde zeigte, dass in allen drei Fällen eine eindeutige Zuordnung
zum Adenotyp als führender histologischer Ausprägung möglich war. Alle drei Patientinnen
stehen weiterhin unter Behandlung, aus diesem Grund sind Aussagen zur progressionsfreien
Zeit noch verfrüht. CEA erwies sich bei zwei der Patientinnen als geeigneter Marker
zur Verlaufskontrolle in Übereinstimmung mit den klinischen und radiologischen Befunden.
Eine Erklärung des fulminanten klinischen Ansprechens bei diesen drei Patientinnen
ist aufgrund der vorliegenden immunochemischen, histologischen und klinischen Fakten
vordergründig soweit nicht möglich.
Festzuhalten ist aber in jedem Fall, dass die Rate der unspezifischen Nebenwirkungen
- unter Berücksichtigung der Beobachtungen in über 20 Patienten - im Vergleich zu
etablierten Chemotherapieregimen bemerkenswert gering ist. Unter den drei beschriebenen
Patientinnen ist ein einziges Ereignis (spastische Bauchkrämpfe) zu vermerken, das
zu einer Unterbrechung der Therapie führte. Bei den Blutwerten und der Klinischen
Chemie setzt sich diese Beobachtung fort, Abweichungen vom Normalbereich sind in erster
Linie durch die Erkrankung bedingt.
Diskussion
Diskussion
Die Ergebnisse der intensiven Forschung der letzten Jahre zur molekularen Biologie
des HER-Rezeptors helfen weiter, das Wirkprinzip dieser Molecular Targeted Therapy
(MTT) inzwischen in Ansätzen zu verstehen und im Fall von Gefitinib erste Voraussagen
zur Selektion, zur Prognose und zum Ansprechen von NSCLC-Patienten zu erhalten. Vor
diesem Hintergrund ist eine retrospektive Neubewertung vorliegender Daten zur klinischen
Aktivität von Gefitinib geboten. Erst das Verständnis des Zusammenspiels aus Rezeptorhäufigkeit
in normalen und malignen Zellen, Regulation der Rezeptorexpression, Rezeptoraktivierung
oder -inhibition sowie der Identifizierung von somatischen Rezeptormutationen erlaubt
es, den therapeutischen Wert und das Einsatzgebiet dieser Therapie zu bestimmen. Hierzu
gehört auch die Bewertung histopathologischer Unterschiede in Bezug auf den Rezeptorstatus.
Die Aussagen der beiden Bostoner Arbeitsgruppen sind eindeutig: Lynch [16] konnte in 8 von 9 zugänglichen Histologien signifikanter Responder, bei denen ein
Ansprechen zwischen 4,3 und 33,5 Monaten beobachtet wurde, Mutationen der Tyrosin-Kinase-Domäne
feststellen. In einer entsprechenden Vergleichsgruppe von Gefitinib-refraktären Patienten
wurde keine einzige Mutation festgestellt (p < 0.001 in Fischer's two-sided exact
test). Ähnliche Ergebnisse berichtet Paez [17] mit 5/5 Mutationen bei Respondern versus 0/4 bei Nichtrespondern (p < 0.003). Alle
Mutationen wurden in Adenokarzinomen zuzüglich Bronchioalveolären Karzinomen (BAK)
nachgewiesen und stammten zu einem hohen Anteil von nichtrauchenden Frauen. Als weitere
Kontrolle wurden Histologien von 119 NSCLC-Patienten aus Japan und den USA untersucht,
die keine Gefitinib-Behandlung erhalten hatten: 15/70 Adenokarzinomen (21 %) wiesen
EGFR-TK-Mutationen auf, in anderen Histologien konnte nur eine Mutation (2 %; 1/49)
nachgewiesen werden; Mutationen waren ausgeprägter bei Frauen (20 %; 9/45) als bei
Männern (9 %; 7/74) zu finden. Die Ergebnisse beider Gruppen stimmen zudem überein
mit den Aussagen von Miller [20], der retrospektiv die Daten von 139 im Memorial Sloan-Kettering Cancer Center mit
Gefitinib behandelten Patienten auf prädiktive Faktoren überprüft hat. Das Vorhandensein
eines Adenokarzinoms vom bronchioalveolären Subtyp und Nikotinkarenz konnten als unabhängige
prädiktive Faktoren für das Ansprechen auf Gefitinib bestätigt werden. Miller und
Pao konnten in einer weiteren Arbeit aufzeigen, dass EGFR-Mutationen in Adenokarzinomen
von chemonaiven Nichtrauchern im Gegensatz zu Adenokarzinomen nicht vorbehandelter
Raucher in signifikant höherem Maße auftreten [21]; die Adenokarzinome von Nichtrauchern werden von den Autoren demzufolge als eine
neue „distinkte Subgruppe” von Bronchialkarzinomen beschrieben.
Bei dem als Meilenstein in der Behandlung der Chronischen-Myeloischen Leukämie angesehenen
Imatinib (Glivec™), das den BCR-ABL-Signalweg in Philadelphia-Chromosom-positiven
Patienten inhibiert, konnte das Konzept der Inhibition von Tyrosin-Kinasen inzwischen
gleichfalls bei komplexen, soliden Tumoren bestätigt werden. Imatinib wirkt bei metastasierten
gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) über die Inhibition von KIT-Mutationen im
Bereich der Tyrosin-Kinase-Domäne und führt bei solch CD117-positiven Patienten zu
exzellenten Behandlungsergebnissen. Die bisherigen Ergebnisse beider Substanzen, Imatinib
bei GIST und Gefitinib bei Adenokarzinomen der Lunge, unterstreichen die Eignung der
Tyrosine-Kinase-Inhibition als onkologisches Therapieprinzip.
Vor diesem Hintergrund ist das Fazit zu ziehen, dass nach unserer eigenen Erfahrung
bei der Drittlinientherapie mit Gefitinib bei einzelnen Patienten beeindruckende und
mitteilenswerte Behandlungserfolge erzielt werden können. Leider stehen uns zur Zeit
für die klinische Routine EGFR-TK-Mutationstests noch nicht zur Verfügung, an denen
wir Behandlungserfolge überprüfen bzw. Patienten vor Therapiebeginn auf Ihre genotypische
Eignung überprüfen können. Es ist zudem davon auszugehen, dass auch chemotherapeutisch
nicht-vorbehandelte Patienten von dieser Therapieform profitieren, unter Umständen
sogar in noch stärkerem Maße. Die Beobachtung signifikanter Therapieerfolge innerhalb
des eigenen Patientengutes sollte insbesondere beim Einsatz neuer Therapien Ansporn
sein, Responder kasuistisch-retrospektiv einer genauen Überprüfung zu unterziehen
- wie durch diese Arbeit dargestellt - um in Übereinstimmung mit neuen Ergebnissen
der translationellen Forschung im therapeutischen Alltag neue oder adaptierte Therapieentscheidungen
zu treffen.