Einleitung
Einleitung
In der aktuellen medizinischen Literatur wird unter dem Thema „pulmonale Hypertonie
und schlafbezogene Atmungsstörungen” im Allgemeinen die Entwicklung einer pulmonalarteriellen
Hypertonie im Rahmen der obstruktiven Schlaf-Apnoe (OSA) verstanden. So widmet sich
ein kürzlich veröffentlichter Guideline-Bericht des American College of Chest Physicians
fast ausschließlich diesem Aspekt der Interaktion zwischen Lungengefäßen und gestörter
Atmung im Schlaf [1]. Wir möchten in dem vorliegenden Essay aufzeigen, dass es noch andere Zusammenhänge
zwischen pulmonaler Hypertonie und schlafbezogenen Atmungsstörungen gibt, die bisher
noch wenig beachtet und untersucht worden sind. Hierbei handelt es sich um die Entstehung
der Cheyne-Stokes-Atmung (CSR) im Rahmen einer pulmonalvenösen Hypertonie bei schwerer
Linksherzinsuffizienz und das Phänomen der nächtlichen periodischen Atmung bei Patienten
mit idiopathischer pulmonalarterieller Hypertonie (IPAH; früher: primäre pulmonale
Hypertonie). Auf den Themenkomplex der pulmonalen Hypertonie bei OSA möchten wir hier
nur summarisch eingehen, da er an anderer Stelle schon ausführlicher behandelt wurde
[2]
[3].
Obstruktive Schlaf-Apnoe und pulmonale Hypertonie
Obstruktive Schlaf-Apnoe und pulmonale Hypertonie
Die OSA bewirkt während der Nacht repetitive Anstiege des pulmonalarteriellen (PA-)Druckes,
die während der post-apnoischen Hyperventilationsphasen ihr Maximum erreichen. Als
wesentliche Trigger dieser hämodynamischen Veränderungen werden Hypoxie und intrathorakale
Druckschwankungen angesehen [4]
[5].
Darüber hinaus kann die OSA auch eine am Tage anhaltende pulmonale Hypertonie hervorrufen
([6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
[16], s. Tab. [1]). Die ersten Kollektive, die bezüglich dieser Fragestellung untersucht wurden, wiesen
eine PA-Druckerhöhung bei 20 - 30 % der OSA-Patienten nach. Es handelte sich hierbei
vor allem um Patienten mit gleichzeitig vorhandener Ventilationsstörung (COPD, obesity
hypoventilation bzw. Pickwick-Syndrom) und konsekutiver Veränderung der Blutgase im
Sinne einer respiratorischen Partial- oder Globalinsuffizienz [7]
[8]
[9]
[10]
[13]. Deshalb wurden Zweifel geäußert, ob die OSA per se eine pulmonale Hypertonie am
Tage verursachen kann. Mittlerweile sind jedoch Studien durchgeführt worden, die nur
Patienten mit normaler Lungenfunktion einschlossen und ähnliche Prävalenzraten der
pulmonalen Hypertonie bei OSA nachweisen konnten [11]
[12]
[14]
[15]
[16].
Tab. 1 Studien zur Prävalenz einer am Tage vorhandenen pulmonalen Hypertonie bei obstruktiver
Schlaf-Apnoe
Autor/Jahr |
Prävalenz PH (Anzahl der Patienten mit PH/Gesamtzahl der untersuchten Patienten [%]) |
mittlerer PA-Druck (mmHg) |
Methodik zur Erfassung der PH |
Einschluss von Patienten mit COPD/OHS |
Podszus/1986
|
13/65 |
[20]
|
29 |
Katheter |
? |
Weitzenblum/1988
|
9/46 |
[20]
|
23 |
Katheter |
ja |
Krieger/1989
|
19/100 |
[19]
|
30 |
Katheter |
ja |
Laks/1995
|
42/100 |
[42] |
29 |
Katheter |
ja |
Chaouat/1996
|
37/220 |
[17]
|
26 |
Katheter |
ja |
Sanner/1997
|
18/92 |
[20]
|
22 |
Katheter |
nein |
Sajkov/1999
|
11/32 |
[34]
|
24 |
Doppler |
nein |
Niijima/1999
|
10/19 |
[53] |
29 |
Katheter |
ja |
Bady/2000
|
12/44 |
[27]
|
29 |
Katheter |
nein |
Alchanatis/2001
|
6/29 |
[21]
|
26 |
Doppler |
nein |
Yamakawa/2002
|
8/37 |
[22]
|
? |
Doppler |
nein |
|
Summe |
Mittelwert |
Mittelwert |
|
|
|
185/764 |
[24]
|
27 |
|
|
PH = pulmonale Hypertonie, PA-Druck = pulmonalarterieller Druck, COPD = chronisch-obstruktive
Lungenerkrankung, OHS = obesity hypoventilation-Syndrom |
Ein weiteres Argument für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein
einer OSA und der Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie ist, dass die PA-Drucke
unter einer effektiven CPAP-Therapie abnehmen [15]
[17]. Schließlich wurde tierexperimentell sowohl bei der Ratte als auch bei der Maus
gezeigt, dass der OSA-assoziierte Stimulus einer chronisch-intermittierenden Hypoxie
eine am Tage persistierende pulmonale Hypertonie auslösen kann [18]
[19].
Der Schweregrad der pulmonalen Hypertonie bei OSA ist in der Regel nur gering; die
zitierten Studien beschreiben mittlere PA-Drucke, die nicht höher als 30 mm Hg liegen.
Folglich leiden im Gegensatz zur teilweise immer noch verbreiteten Lehrmeinung auch
nur wenige OSA-Patienten an einem klinisch manifesten Cor pulmonale.
Eine Korrelation zwischen OSA-Schweregrad (ausgedrückt als Apnoe-Hypopnoe-Index [AHI]
oder Ausmaß der nächtlichen Entsättigungen) und PA-Druck ist bisher nicht gefunden
worden.
Dies könnte dadurch bedingt sein, dass die genannten polysomnographischen Parameter
das Ausmaß der OSA nur unzureichend widerspiegeln und/oder von Nacht zu Nacht signifikanten
Schwankungen unterworfen sein können. Ein weiterer Grund für die fehlende Korrelation
zwischen OSA-Schweregrad und PA-Druck könnte sein, dass das Ausmaß der OSA-assoziierten
pulmonalen Hypertonie von der individuellen Stärke der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion
beeinflusst wird. Dies legt eine Studie nahe, bei der die PA-Drucke bei OSA-Patienten
echokardiographisch nach Inspiration von Gasgemischen mit unterschiedlichen O2-Konzentrationen gemessen wurden [12].
Cheyne-Stokes-Atmung und pulmonale Hypertonie
Cheyne-Stokes-Atmung und pulmonale Hypertonie
Die CSR wird zu den schlafbezogenen Atmungsstörungen ohne Obstruktion der oberen Atemwege
gezählt. Sie wird bei 40 - 50 % der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und
einer linksventrikulären Ejektionsfraktion < 40 % beobachtet [20]
[21]. Die Pathophysiologie der CSR ist bis heute im Detail noch nicht verstanden, wesentliche
Rollen werden allerdings verlängerten Zirkulationszeiten und einer Hypokapnie zugeschrieben.
Eine Verlängerung der Zirkulationszeiten im Rahmen der eingeschränkten linksventrikulären
Funktion führt zu einer verzögerten Weitergabe von chemischen Atemstimuli an die entsprechenden
Rezeptoren, wodurch das Feedback-System der Atmungssteuerung in Oszillationen versetzt
wird [22]. Dies findet ihren Ausdruck in den typischen Crescendo-Decrescendo-Hyperventilationsphasen
der CSR. Für das Auftreten der Apnoen ist nach heutiger Meinung hingegen eine Hypokapnie
verantwortlich [23]
[24]. Dabei wird folgende pathophysiologische Sequenz angenommen (s. Abb. [1]).
Im Rahmen der Funktionsstörung des linken Ventrikels kommt es durch Rückstau von Blut
in das pulmonale Gefäßbett zur Stimulation von sog. „stretch”- und „irritant”-Rezeptoren.
Dies bewirkt eine Hyperventilation mit Absinken des pCO2-Wertes unter die Apnoeschwelle und damit das Auftreten zentraler Apnoen.
Abb. 1 Hypothese zur Entstehung der Cheyne-Stokes-Atmung im Rahmen einer pulmonalvenösen
Hypertonie.
Diese Hypothese wird durch mehrere Arbeiten gestützt. So konnte von unterschiedlichen
Arbeitsgruppen gezeigt werden, dass Herzinsuffizienz-Patienten mit CSR höhere pulmonalkapilläre
Verschlussdrucke (PCWP) als solche ohne CSR aufweisen [25]
[26]
[27]
[28]
[29]. Zudem wurde eine lineare Korrelation des PCWP mit dem AHI festgestellt [30]. Weiterhin wurde gefunden, dass die pCO2-Werte bei diesen Patienten umso niedriger sind, je höher der PCWP ist [30]. Schließlich konnte in einer echokardiographischen Studie demonstriert werden, dass
CSR-Patienten vergrößerte rechtsventrikuläre Dimensionen und eine reduzierte RV-Funktion
im Vergleich zu Herzinsuffizienz-Patienten ohne nächtliche Atmungsstörung haben [31]. Auch dies sind Hinweise für die Bedeutung einer pulmonalvenösen Hypertonie in der
Pathogenese der CSR.
Idiopathische pulmonalarterielle Hypertonie und nächtliche periodische Atmung
Idiopathische pulmonalarterielle Hypertonie und nächtliche periodische Atmung
Die idiopathische pulmonalarterielle Hypertonie (IPAH) ist eine seltene Erkrankung
ungeklärter Ätiologie, bei der es zu einer Widerstandserhöhung präkapillärer pulmonaler
Arteriolen mit der Folge einer Druckbelastung des rechten Herzens kommt [32]. Die IPAH betrifft überwiegend jüngere Frauen und führt unbehandelt innerhalb weniger
Monate bzw. Jahre zum progredienten Rechtsherzversagen.
Durch eine Reduktion der rechtsventrikulären Ejektionsfraktion sowie des Herzzeitvolumens
führt die IPAH zur Verlängerung der Zirkulationszeiten. Weiterhin findet man blutgasanalytisch
oft eine Hypoxämie und eine Hypokapnie. Ursache der Hypoxämie ist in erster Linie
eine Reduktion der Gasaustauschfläche, während die Hypokapnie durch eine kompensatorische
Hyperventilation hervorgerufen wird. Insofern liegen also bei der IPAH ähnliche Faktoren
vor, wie sie für die Entstehung der CSR bei Linksherzinsuffizienz verantwortlich gemacht
werden. Bisher war die nächtliche Atmung jedoch bei IPAH-Patienten noch nicht polysomnographisch
untersucht worden. Bekannt war lediglich, dass diese Patienten im Schlaf Desaturationen
aufweisen können [33].
Wir haben in einer Pilotstudie 20 konsekutive IPAH-Patienten, die zu einer Rechtsherzkatheter-Untersuchung
mit pharmakologischer Testung aufgenommen worden waren, polysomnographisch untersucht
[34]. Sechs der 20 Patienten (30 %) zeigten eine nächtliche periodische Atmung, wobei
hiervon diejenigen Patienten mit schwerer IPAH betroffen waren. Patienten mit periodischer
Atmung hatten höhere mittlere PA-Drucke, höhere pulmonalvaskuläre Widerstände und
niedrigere Herzzeitvolumina. In Abb. [2] ist die polysomnographische Registrierung bei einer Patientin mit IPAH und periodischer
Atmung beispielhaft dargestellt.
Abb. 2 Nächtliche periodische Atmung bei einer Patientin mit idiopathischer pulmonaler Hypertonie
(Polysomnographische Registrierung, 5 min.-Ausschnitt; C3A2/C4A1 = EEG-Kanäle, EOG1/2
= Elektrookulogramm, EMG1/2 = submentales und Bein-Elektromyogramm, NAF = oronasaler
Atemfluss, THO/ABD = Thorax- und Abdomenexkursionen, SaO2 = O2-Sättigung).
Bei 4 der 6 Patienten konnte die periodische Atmung durch O2-Gabe via Nasensonde fast vollständig zur Rückbildung gebracht werden. Bei einer Patientin
mit periodischer Atmung wurde eine Normalisierung des Atemmusters nach erfolgreicher
Lungentransplantation festgestellt [35]. Diese kasuistischen Beobachtungen sind mit Daten zur CSR bei Linksherzinsuffizienz
vergleichbar, die durch O2-Gabe oder nach Herztransplantation reversibel sein kann [36]
[37]
[38]. Der therapeutische Effekt der O2-Gabe kommt hierbei vermutlich durch eine Hemmung des hypoxischen Atemantiebes mit
konsekutiver Anhebung der pCO2-Werte über die Apnoeschwelle zustande.
Zukünftige Untersuchungen an größeren Patientenkollektiven müssen klären, wie häufig
die periodische Atmung bei IPAH ist und welche klinische und prognostische Bedeutung
ihr zukommt. So könnte u. a. vermutet werden, dass die pulmonale Hämodynamik durch
das Bestehen einer nächtlichen Atmungsstörung weiter verschlechtert wird. Weiterhin
könnte die periodische Atmung zur Entwicklung einer Tagesmüdigkeit bei IPAH beitragen,
die bekanntermaßen ein häufiges Symptom bei diesen Patienten darstellt [39].
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die OSA führt im Schlaf zu repetitiven, Apnoe-synchronen Anstiegen des PA-Druckes.
Am Tage ist bei 20 - 30 % der OSA-Patienten eine pulmonale Hypertonie nachweisbar,
deren Ausprägungsgrad meistens nur gering ist. Ein wesentlicher pathogenetischer Faktor
für die Entstehung der CSR bei Linksherzinsuffizienz ist das Vorliegen einer pulmonalvenösen
Hypertonie. Das Krankheitsbild der IPAH kann zu einer nächtlichen periodischen Atmung
führen, die der CSR sehr ähnlich sieht. Die verschiedenen Beziehungen zwischen pulmonaler
Hypertonie und schlafbezogenen Atmungsstörungen sind in Abb. [3] noch einmal graphisch dargestellt.
Abb. 3 Beziehungen zwischen pulmonaler Hypertonie und schlafbezogenen Atmungsstörungen.