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DOI: 10.1055/s-2004-828527
Ist Beziehung alles und ohne Beziehung alles nichts?
Publication History
Publication Date:
07 December 2004 (online)

PiD: Herr Lieb, wir würden von Ihnen gerne erfahren, was genau unter der therapeutischen Beziehung verstanden wird. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen vor und wie kann diese Beziehung beschrieben werden?
H. Lieb: Die Psychotherapieforschung bestätigt die Bedeutung der therapeutischen Beziehung für das Behandlungsergebnis. Nach einer Zusammenfassung von Asay und Lambert (2001) erklärt sie 30 % der Varianz therapeutischer Veränderungen (neben KlientInnenvariablen und extratherapeutischen Faktoren 40 %, Erwartung und Plazebo 15 %, Technik 15 %). Positive Therapieeffekte korrelieren demnach hoch damit, dass Patienten bei Therapeuten Unterstützung, Vermittlung von Hoffnung auf Veränderung, Verständnis, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit erfahren. Die Behandler fördern dies durch Etablierung einer therapeutischen Allianz mit transparenter Ausrichtung auf Ziele, über die Konsens besteht und die ggf. im Therapieprozess revidiert werden sowie durch Realisierung folgender Beziehungsaspekte:
die bekannten „GT-Variablen” von bedingungsfreiem Akzeptieren, einfühlendem Verstehen und Echtheit in ihrer Person; Transparenz ihrer Angebote und ihrer Erwartungen ebenso wie ihrer Begrenzungen (etwa hinsichtlich bestimmter Störungsbilder); Vermittlung von Respekt vor der Autonomie ihrer Patienten, von Neutralität, von Wertschätzung der Patientenressourcen; durch positives Feedback für Veränderungsschritte bei Klienten, auch durch gelegentliche Selbstoffenbarungen ihrerseits; durch ein wohlwollend-lösungsorientiertes Umgehen mit Krisen in der Therapiebeziehung, durch das Aufgreifen von Patientenerwartungen und durch Anpassung an die patientenseitig bevorzugten Interaktionsstile.
J. Kriz: So sehr ich aus gesprächpsychotherapeutischer Sicht - die ja immer die therapeutische Beziehung ins Zentrum gestellt hat - diese Aussagen von Herrn Lieb tendenziell begrüße und so sehr ich auch Michael Lambert schätze, verpflichtet mich doch meine Methodiker-Vergangenheit zum Widerspruch: Ich weiß leider nicht, was Aussagen über den Varianzanteil der therapeutischen Beziehung bedeuten sollen. Solche Aussagen sind mir viel zu reduktionistisch. Denn wir müssten uns doch hier nicht zu einem langen Symposium zusammenfinden und diskutieren, wenn sich „therapeutische Beziehung” so einfach und einhellig definieren und über wenige Variablen operationalisieren ließe! Wenn wir dem aber zustimmen, dass wir mit „therapeutischer Beziehung” etwas sehr Komplexes meinen, das dann je nach Perspektive, Ansatz, Prozessphase etc. unterschiedlich operational auf Variablen reduzieren, verliert eine Aussage wie „30 % Varianzanteil” für mich jeden Sinn. Ich würde fragen, welche Aspekte bzw. Variablen wurden denn in der betreffenden Studie gewählt, welche Operationalisierungen vorgenommen, welche weiteren Variablen erhoben (von denen dann ja die 30 % ein Anteil sind). Und je nach Antwort auf diese Fragen würde man sogar bei denselben Therapeuten und Patienten ganz unterschiedliche Varianzanteile für „die therapeutische Beziehung” finden.
Mir erscheinen solche Globalaussagen nicht sehr sinnvoll, zumal ich sicher bin, dass der Anteil, selbst wenn er denn in einer bestimmten Weise operationalisiert wird, nicht nur zwischen den Therapierichtungen deutlich unterschiedlich ist, sondern auch zwischen unterschiedlichen Therapiephasen und ebenso in Bezug auf unterschiedliche Patienten. Kurz: Ich plädiere dafür, die Frage viel komplexer zu belassen und zumindest solche Differenzierungen einzubeziehen, wie sie das „Allgemeine Modell von Psychotherapie” von Orlinsky und Howard (1987) plausibel macht: Dort werden unterschiedliche Aspekte der Passung genannt - nämlich neben der Passung zwischen Therapeut und Patient auch die Passung zwischen Patient und Behandlungsmodell des Therapeuten, die Passung zwischen Störung und Therapeut sowie die Passung zwischen Behandlungsmodell und Störung. Ich denke, es gibt gute Gründe und Befunde anzunehmen, dass sich zumindest diese vier Aspekte gravierend auf die Art und das Ausmaß der therapeutischen Beziehung auswirken. Und hier würde ich mir auch erheblich mehr Forschung wünschen - zu der wir hoffentlich dann kommen werden, wenn die Kapazitäten und Köpfe wieder frei sind von der gegenwärtigen Rechtfertigungsforschung nach dem Motto: Wie beweise ich, dass Therapieform X besser wirkt als Therapieform Y - was eine genauso undifferenzierte und daher weit gehend unsinnige Frage ist.
PiD: Können wir in jedem Fall die Qualität der therapeutischen Beziehung bestimmen oder gibt es darauf zu viele Einflussfaktoren?
H. Lieb: Angesichts dieser langen Liste von „GT-Variablen” können und sollten wir daraus den Schluss ziehen, uns in Therapien möglichst so zu verhalten, dass Patienten uns auf diesen Dimensionen entsprechend erleben. In Ausbildung und Supervision kann geübt und reflektiert werden, ob und wie das gelingt. Es wäre aber ein Irrtum, daraus auch den Schluss zu ziehen, es handle sich dabei um „beziehungsbezogene” Interventionen im Sinne einer Wirkvariable neben anderen therapeutischen Techniken und Interventionen. Die Realisierung solcher Beziehungsangebote durch Therapeuten schafft notwendige oder günstige Bedingungen dafür, dass Patienten die Therapie für Veränderungen nutzen können. Es wäre aber eine Kontrollillusion zu glauben, es läge in Therapeutenhand, die Beziehung nach solchen Kriterien gestalten und so das Erleben der Beziehung durch Patienten determinieren zu können. Wir übersähen dann die grundsätzliche Rekursivität von Interaktionsverhalten und das prinzipielle Unvermögen, Beziehungen - auch therapeutische - einseitig nach bewusster Zwecksetzung beeinflussen zu können. Im Grunde sagt uns die Empirie nur, dass Therapien im Durchschnitt erfolgreicher sind, wenn Patienten sie wie beschrieben erleben. Wir können aber nicht wissen und bestimmen, ob ein Patient etwa ein Lob als verstärkend oder degradierend erlebt.
Die therapeutische Beziehung selbst ist darüber hinaus auch von ihrem Kontext abhängig. Zu dieser Umwelt der Therapie als „System” gehören die institutionellen Rahmenbedingungen der Therapeuten, Erwartungen von außen an sie und ihre Patienten (Kostenträger, Partner, Arbeitgeber usw.) und schließlich - für viele ein fremder Gedanke - auch die Person des Therapeuten ebenso wie die des Patienten. Glauben Therapeuten, es läge allein an ihnen, ihre Beziehung zum Patienten im Sinne einer „guten”, gemessen an objektiven Außenkriterien, zielgerichtet zu gestalten, werden sie nicht nur blind für diese Kontextdeterminationen und deren bewusste Reflexion. Schwierig erlebte Beziehungen könnten sie einseitig selbstbeschuldigend als Ergebnis eigener Probleme bis hin zu therapeutischer Beziehungsunfähigkeit deuten, sich dann inkompetent fühlen oder, als letzten interaktionellen Schachzug, diese Probleme wiederum dem Unvermögen ihrer Patienten zuschreiben, etwa in Form des Konzeptes „widerständiger Patienten” mit daraus entstehenden weiteren Beziehungsproblemen. Oder sie könnten - unreflektiert - bei ausbleibendem Therapieerfolg in der Beziehung „mehr desselben” aus dem Katalog beziehungsorientierter Gebote tun, wenn sie sich etwa um eine noch tiefere bestätigend-empathische Haltung bemühen, wenn eine provokativ-humoristisch-konfrontierende Äußerung fruchtbarer wäre. Aus dieser Sicht können wir Beziehungen nicht einseitig „gestalten”, - wohl aber uns um günstige Bedingungen dafür bemühen, dass Patienten uns wie oben beschrieben erleben. Das schafft - in der Regel - günstige Voraussetzungen für Veränderungen - und manchmal, aber bei weitem nicht immer, auch schon diese.
Die Beziehung wird nicht zu Beginn einer Therapie „hergestellt”. Sie ist von ihrem Kontext her schon durch die hierzu vorgegebenen Rollen prädeterminiert und beginnt personal von Therapeutenseite spätestens mit der durch bestimmte Motive geprägten Entscheidung zur Wahl dieses Berufes und dann der für eine bestimmte Therapierichtung und bei Patienten mit der, sich professionelle Hilfe zu holen (oder sich von anderen dazu überreden zu lassen). Die bei Therapeuten und Patienten in diesen Vorentscheidungen enthaltenen Rollen und Motive prägen die Beziehung. Sie ist weiter unsererseits vorbestimmt durch eigene Erfahrungen dahingehend, was wir selbst positiv und was mit anderen wir aversiv erfahren haben und nun anderen Menschen vermitteln oder nicht antun wollen. Daraus folgt auch, dass es innerhalb einer therapeutischen Beziehung eine Metakommunikation über diese Beziehung gar nicht geben, sie von den daran Beteiligten auch nicht nach objektiven Kriterien bewertet werden kann: weil auch in Metakommunikation beide Seiten notwendig ein Stück weit blind bleiben für all die sie darin prägenden historischen und aktuellen Kontexte. Die Orientierung an Merkmalen „guter” Beziehungen (mit Verstehen, Loben, Transparenz, Zielklärung usw.) kann unterstützen und auch lähmen, wenn diese normativ als Ge- und Verbote (wiederum kontextbestimmt!) in ihren Köpfen spuken, deren Befolgung sie (psychoanalytisch gesprochen als „Über-Ich-Regeln”) von ihrer Intuition, ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung und von der Möglichkeit zu unkonventionellen, aber effektiveren Interventionen abhält.
Hierzu ein Fallbeispiel: Eine Therapeutin meint, mit ihrer Patientin deren sexuellen Missbrauch nicht bearbeiten zu können, weil sie von dieser Thematik selbst so berührt ist, dass sie in einer Mischung aus Entsetzen, Mitgefühl und Ohnmacht ihre professionelle Distanz (als in ihrer beruflichen Biografie erworbener hoher Wert der therapeutischen Beziehung) verliere und sich ihrer Tränen vor der Patientin und, viel schlimmer, vor Kollegen schäme. Im Supervisionsprozess erfährt sie, dass es sich dabei einerseits ja um den abgesicherten „Wirkfaktor” Echtheit handelt. Zum anderen wird sie mutiger, diese Distanzregel selbst infrage zu stellen: Warum z. B. sollten Therapeuten sich für ihre gezeigte Emotionalität rechtfertigen müssen und nicht solche, die in unberührter Distanz verweilen? Mit dieser Befreiung von einer früher verinnerlichten therapeutischen Beziehungsregel wird sie entspannter und freier in der therapeutischen Arbeit.
So dienlich es ist, „Beziehungskills” in der Ausbildung zu lernen, so befreiend ist es auch, Therapeuten in ihrem Mut zu unterstützen, Beziehungen so zu gestalten, wie es ihnen als Personen entspricht und sich in dem dazugehörigen Selbstreflexionsprozess kritisch-wohlwollend zu erforschen, vor allem im Hinblick auf die Auswirkung auf Patienten. Hinsichtlich der Bewertung, ob unser dabei erkanntes (inneres wie nach außen gezeigtes) Denken, Fühlen und Verhalten Patienten gegenüber den üblichen Kriterien „guter” Beziehungen entspricht, wäre diese Wertung sekundär gegenüber der, ob es Patienten zu Veränderungen verhilft oder nicht. Die Begegnung mit tabuisierten Emotionen auf Therapeutenseite wie Eifersucht, Angst, Neid, Zorn, Erfolgsdruck bedarf dann zunächst der Erlaubnis ihrer Existenz wie ihrer Erforschung und kann manchmal zu daraus abgeleiteten neuen Fragen und Intervention in der Therapie führen. Das Ziel dabei sollte für uns Therapeuten natürlich stets das bleiben, uns in der Beziehung zu Patienten so (neu) zu verhalten, dass für diese günstigere Bedingungen zu deren positiven Veränderungen geschaffen werden. Von dieser Verantwortung können wir nicht freigesprochen werden.
Fallbeispiel aus einer Ausbildungsgruppe: Ein Kollege zeigt in der Gruppe ein Videoband einer Therapie. Die Beobachter finden ihn darin „entsetzlich”: Seine Patientin berichtet über körperliche Beschwerden/Lähmungen (nach organischer Abklärung „psychisch bedingt”). Sie wolle sich wieder „freier bewegen” können und der Therapeut fragt nach einer konkreten Operationalisierung dieses Zieles (was würde sie dann tun, wem gegenüber, wie würde sie ihr Leben ändern usw.). Auf solche Fragen reagiert die Patientin einerseits um Antworten bemüht (verbal), anderseits gequält, leidend (nonverbal) - der Therapeut lässt aber trotz dieser nonverbalen Botschaft von seinen Fragen nicht ab. Hinsichtlich „Zielkonkretisierung” schneidet er gut ab, hinsichtlich der Gestaltung einer Beziehung, in der sich die Patientin wohl fühlt, nicht. Dieses Urteil der Gruppe hilft ihm nicht, weil sie ihn mit Blick auf beziehungsorientierte Gebote verurteilt.
Dienlicher war es, gemeinsam den Kontext dieser Therapiesitzung zu reflektieren und zu verstehen: Für wen wurde das Video gedreht? Was glaubte der Therapeut, nach welchen Kriterien er hier von Beobachtern beurteilt würde? In Bezug auf welche Moral oder Therapieschule ist es entsetzlich, einem Menschen quälende Fragen zu stellen? Welchen Kontext können wir uns ausdenken, in dem das widersprüchliche Verhalten der Patientin (einerseits leiden, stöhnen, weinen und anderseits die quälenden therapeutischen Fragen ohne offenen Protest hinnehmen) sinnvoll erscheint? Welchem Auftrag folgt der Therapeut hierbei: von ihm selbst, von seiner Therapieschule, vom institutionellen Kontext? Diese nicht urteilende Reflexion führt u. a. zur Hypothese, dass zwischen Therapeut und Patientin der gleiche Kampf stattfindet wie ihn diese evtl. mit ihrer eigenen Symptomatik oder mit anderen Menschen erfährt.
Es entstanden so neue Fragen des Therapeuten an die Patientin zu diesem Interaktionsmuster: Was getrauen Sie sich mir hier nicht zu sagen? Von wem in Ihrem Leben fühlten Sie sich gequält? Wer hat Ihr Leid überhört? Auf wen wären Sie bei entsprechender Erlaubnis wütend? Diese Fragen öffnen neue Perspektiven - allerdings wissen wir nicht, wohin ein sich so selbstreflektierendes System/sich reflektierender Therapeut kommen wird. Mit anderen Worten: Eine nicht zweckorientierte Selbstreflexion (der therapeutischen Beziehung) kann nicht zweckgerichtet gestaltet werden, ohne sich dadurch wiederum einzuengen.
Fazit: So dienlich (vermeintlich objektive) Kriterien einer „guten” Beziehung als Orientierung sind, so befreiend und kreativitätsfördernd ist es, von der Kontextdeterminiertheit jeder Beziehung auszugehen und diese ohne Ge- und Verbote zu beforschen (als permanente Möglichkeit, nicht als permanente Notwendigkeit).
J. Kriz: Lassen Sie mich gerade nach der letzten Äußerung von Herrn Lieb, der ich voll zustimme, einen ergänzenden Einwurf machen: Obwohl Herr Lieb den Begriff „gestalten” mehrfach sehr kritisch verwendet hat, bin ich ein ausgesprochener Liebhaber dieses Begriffs - nicht zuletzt, weil ich seit über einem Jahrzehnt Mitherausgeber der Zeitschrift „Gestalt Theory” bin: „Gestalt” ist nämlich ein Konzept, das gerade die Kontextabhängigkeit als einen zentralen Aspekt ins Zentrum rückt, diesem Aspekt aber einen zweiten gleichrangig zur Seite stellt, nämlich die inhärenten Strukturierungsmöglichkeiten. Als Gesprächspsychotherapeut würde man hier von „Aktualisierungstendenz” sprechen. „Beziehung gestalten” - wozu ich mich explizit bekenne - bedeutet demnach eben nicht, deterministisch von außen bestimmte Ordnungen und Strukturen einzuführen, sondern für solche Kontexte zu sorgen, die eine weitere Entfaltung brach liegender Strukturen oder die Umstrukturierung dysfunktionaler Muster ermöglichen. Das gilt auch für die Beziehung selbst: Ich kann sie nicht einseitig bestimmen, aber ich kann Angebote machen, und zwar patientenspezifisch differenzierte!, von denen ich hoffe, dass sie der Beziehung förderlich sind und tunlichst solche unterlassen, von denen ich zur recht vermute, dass sie eher hinderlich oder gar schädlich sind.
PiD: Was bedeutet die Gestaltung einer therapeutische Beziehung? Wo ist der Unterschied zu einer „normalen” Beziehung?
R. Holm-Hadulla: Die therapeutische Beziehung ist ein schulenübergreifendes Wirkprinzip der Psychotherapie. In den derzeit gültigen Psychotherapierichtlinien wird zusammengefasst, dass „unabhängig von der Wahl des Therapieverfahrens, der systematischen Berücksichtigung und der kontinuierlichen Gestaltung der Therapeut-Patient-Beziehung eine zentrale Bedeutung” zukommt. Der Begriff der Gestaltung bedeutet in meinem Verständnis, dass es sich in der Psychotherapie nicht nur um Anwendung theoretisch begründeter Techniken handelt, sondern auch um einen kreativen Prozess. Da die Bezeichnung kreativ oft inflationär gebraucht wird, sei kurz daran erinnert, dass der Begriff zwei lateinische Wurzeln hat: creare - machen, erzeugen, schöpfen - und crescere - werden, wachsen, zulassen. In diesem Spannungsfeld wird in der therapeutischen Beziehung die Subjektivität der Patienten einerseits aktiv gefördert, indem sich die Therapeutinnen und Therapeuten als Koautoren verhalten, die den Patientinnen und Patienten zur Konstruktion ihrer Lebensgeschichte, aktuellen Lebensgestaltung und zukünftigen Entwicklung verhelfen. Andererseits stellen gelungene Psychotherapien einen Raum zur Verfügung, indem Potenziale im Sinne des crescere wachsen und zugelassen werden können. In meinem letzten Buch „The Art of Counselling and Psychotherapy” habe ich den Begriff einer „kreativen therapeutischen Haltung” geprägt, eine Haltung, die ein schulenübergreifendes Wirkprinzip der Psychotherapien darstellt (Holm-Hadulla 2004a). Eine reflektierte kreative Haltung begünstigt psychologische Grundbedürfnisse wie sichere Bindung, Kohärenzerleben, Selbstwirksamkeit, Lust- und Unlustregulation und Selbstwertgefühl. Dabei darf nicht vergessen werden, dass eine kreative therapeutische Beziehung immer in einem dialektischen Verhältnis mit der angewandten Therapietechnik steht. Die Gestaltung der therapeutischen Beziehung muss das gesamte Netzwerk der sozialen, emotionalen und kognitiven Beziehungen zwischen Patient und Therapeut reflektieren, sonst bleibt sie „kreativistisch”. Sie findet in einem sozial geregelten Ritual statt, wird durch kulturelle Herkunft, ethnische Zugehörigkeit, Alter, persönliche Erfahrungen u. v. m. beider Teilnehmer geprägt. Sie ist
kulturspezifisch persönlichkeitsspezifisch störungsspezifisch.
Unbewusste und bewusste Interaktionen bestimmen die jeweils besondere Gestaltung der therapeutischen Beziehung.
Die therapeutische ist eine professionelle Beziehung, die sich von der „normalen” durch vielfältige Aspekte unterscheidet, z. B. durch eine emotionale und kognitive Asymmetrie: Der Patient darf (fast) alle Emotionen und Kognitionen unkontrolliert äußern. Der Therapeut muss sich an die folgenden ethischen Grundsätzen halten (s. Beauchamp u. Childress 1989):
Schadensvermeidung Respekt vor der Autonomie des Patienten Verpflichtung zur Hilfe.
Die therapeutische Beziehung ist immer einzigartig und subjektiv, deswegen ist sie mit wissenschaftlichen Begriffen, die auf Wiederholbarkeit und Objektivität aufbauen, nicht umfassend zu beschreiben. Es ist eine hermeneutische Aufgabe die objektiven Erkenntnisse der Wissenschaft in der subjektiven therapeutischen Begegnung zu verflüssigen und im Einzelfall kreativ zu gestalten. Die Bedeutung der Hermeneutik, der Lehre des Verstehens und der Kommunikation, für die Psychotherapie habe ich in dem Buch „Die psychotherapeutische Kunst” (Holm-Hadulla 1997) beschrieben. Eine zusammenfassende Darstellung der verschiedenen Aspekte der therapeutischen Beziehung findet sich in dem Lehrbuch von W. Senf und M. Broda (2004).
In diesen Beiträgen werden Gemeinsamkeiten mit der „normalen Beziehung”, aber auch wesentliche Unterschiede beschrieben. Wenn ich noch einmal das Bild vom „Therapeuten als Koautor” verwenden darf: In der therapeutischen Beziehung schreiben Therapeutinnen und Therapeuten nicht ihre eigene Geschichte, sie malen nicht ihre eigenen Bilder, komponieren nicht ihre eigenen Stücke und inszenieren nicht ihre eigenen Dramen. Sie versuchen sich eher auf die Gestaltungen ihrer Patienten einzulassen und eröffnen Spielräume, in denen Patientinnen und Patienten ihr Leben reflektierend gestalten in Form von Sprache, bildhaften Vorstellungen und interaktionellen Inszenierungen. Unter Zurückhaltung eigener Konflikte und Schaffensimpulse ermuntern sie ihre Patientinnen und Patienten die Medien der Sprache, Fantasie und realen Lebensgestaltung kreativ zu nutzen, um sich als aktive und authentische Subjekte zu erfahren. Diese Zurückhaltung eigener Konflikte und daraus resultierender Schaffensimpulse macht die psychotherapeutische psychohygienisch anstrengender als die alltägliche Beziehung. So wie es emotional anstrengender ist, einem Kind stundenlang beim Spielen, Malen und kreativen Verlorensein in seinen Fantasien zuzuschauen als selbst zu spielen, zu malen und zu fantasieren. In der therapeutischen Beziehung ist ein besonderes Taktgefühl und eine kontinuierliche Selbstreflexion vonnöten, um zu entscheiden, wann aktives Engagement und wann gewähren lassende Zurückhaltung geboten ist.
H. Lieb: Meiner Ansicht nach ist im Unterschied zu anderen Beziehungsformen, in denen Menschen sich gegenseitig helfen, die therapeutische Beziehung eine professionell geregelte Dienstleistung zwischen Anbieter und Kunde. Ersterer erhält üblicherweise Geld dafür vom Kunden/Patienten oder von Dritten (Rentenversicherer, Kassen). Die Beziehung ist zeitbegrenzt und endet nach genehmigten Zeitschienen oder bei erreichter Zielsetzung bzw. bei dessen erkennbarer Nichterreichung. Sie ist, da stimme ich Herrn Holm-Hadulla zu, asymmetrisch, insofern der Fokus einseitig auf angestrebten Veränderungen des Patienten liegt. Verkehrt sich dies und der Patient erkundet Belange/Probleme des Therapeuten oder dieser stellt ohne Relevanz für Veränderungen bei Patienten seine Person innerhalb oder außerhalb der Therapie in den Mittelpunkt, werden therapierelevante Spielregeln verletzt. Die therapeutische Dienstleistung ist strukturell/formal geregelt durch ein äußeres Setting (feste Termine, Gespräche üblicherweise im Büro des Therapeuten, Rechnungsstellung oder Abrechnung mit Kostenträgern). Therapeuten unterliegen hierbei auch einem rechtlichen und moralischen Kodex (etwa keine Parallelität einer therapeutischen mit anderen Beziehungsformen: Liebesbeziehung, Freundschaft, hierarchische Beziehung). Verletzen Therapeuten diesen Kodex (extrem: sexuelle Beziehung), können Patienten diese vor Gericht oder vor beruflichen Kammern verklagen.
Hinsichtlich der binnentherapeutisch bearbeiteten Probleme ist die Therapie als Dienstleistung idealiter frei von Interessenskonflikten: Therapeuten sollten nach Möglichkeit kein persönliches Interesse daran haben, ob oder wie sich ihre Patienten verändern („Veränderungsneutralität”). Als bezahlte Experten für Kommunikation/hilfeanbietende Dienstleistung sind Therapeuten - mehr als unbezahlte nichtprofessionelle Helfer in anderen Beziehungsformen (etwa in Selbsthilfegruppen) - dafür verantwortlich, flexibel ein dem jeweiligen Klienten passendes „Beziehungsangebot” zu machen und nicht dessen Anpassung an das eigene Angebotsmuster zu erwarten. Das muss z. B. bei skeptisch-misstrauischen, um ihre Autonomie ringendend Patienten anders aussehen als bei autoritätsgläubigen, Ratschläge erwartenden, sich nach Führung sehnenden.
Sofern die Durchführung der Therapie von der Zustimmung/Finanzierung durch Dritte abhängig ist (Rentenversicherer, Kassen, Gutachterverfahren), werden Therapeuten potenzielle Anwälte ihrer Klienten vor diesen Instanzen (etwa in Form von Therapieanträgen) und auch Träger von Macht, wenn sie dabei Diagnosen oder Stellungnahmen Dritten gegenüber vergeben, die das Leben eines Menschen nachhaltig prägen können (z. B. durch die aktenkundige Diagnose einer „Persönlichkeitsstörung”). Die therapeutische Beziehung einer vom Patienten selbst bezahlten Therapie unterscheidet sich daher grundsätzlich von einer durch Dritte honorierten Dienstleistung und dies noch mehr, wenn die Behandlung mit einer Art gutachterlicher Stellungnahme gegenüber Dritten endet (z. B. hinsichtlich Arbeitsfähigkeit, Erziehungsfähigkeit oder etwa erfolgter oder misslungener Zielerreichung gegenüber einem Richter bei der Arbeit mit Tätern).
In ihrer in der Regel auch von Patientenseite zugesprochenen Expertenrolle (gesellschaftlich sanktioniert durch Titel [„Psychologischer Psychotherapeut” etc.]) entscheiden Therapeuten nicht nur darüber, worüber gesprochen und was erfragt wird, sondern auch darüber, was nicht besprochen, gefragt oder aufgegriffen wird. Zu den Merkmalen eines „guten” Beziehungsangebotes von Therapeuten gehört daher der transparente Umgang auch mit diesen Machtaspekten. Im binnentherapeutischen Geschehen können unter der Machtperspektive Patienten all ihre kommunikativen Skills einsetzen, um die Beziehung in ihrem Sinne zu „gestalten”; ihre objektive Macht liegt außerhalb der Therapie, insofern sie bei therapeutischem Machtmissbrauch andere Instanzen anrufen können. Auch wenn es üblich und nützlich ist, dass Therapeuten ihre Patienten auf deren eigene Verantwortung für Veränderungen oder Stagnationen verweisen, haben sie ihnen und ggf. auch Dritten gegenüber als Experten doch stets die Aufgabe, diesen Änderungsprozess zu verantworten und sachkundig zu leiten - mit allen Vor- und Nachteilen damit korrelierender Gewinne wie eventueller Rechtfertigungsnotstände.
J. Kriz: Der Unterschied zwischen einer therapeutischen Beziehung und einer „normalen” Beziehung liegt für mich ebenfalls primär darin, dass die therapeutische Beziehung durch eine professionelle Asymmetrie gekennzeichnet ist. In einer normalen Beziehung finden wir auf beiden Seiten ähnliche Bedürfnisse hinsichtlich der Art, des Ausmaßes, der Struktur und der Intensität der Zuwendung. Und auch Art und Ausmaß der persönlichen Befriedigung sind ebenso hinreichend symmetrisch verteilt. Im Gegensatz dazu ist dies alles in der therapeutischen Beziehung asymmetrisch verteilt. Der Patient soll beispielsweise ganz sicherlich nicht der persönlichen Befriedigung des Therapeuten dienen: Genau für diese Asymmetrie erhält der Therapeut eine finanzielle Entschädigung. Die Asymmetrie zeigt sich aber auch in der Reflexivität: Als Therapeut will ich mich nicht nur in die Beziehung einbringen, sondern vor allen Dingen jederzeit möglichst bewusst mitbekommen, wie die Beziehungsprozesse zwischen den Patienten und mir gerade ablaufen. Nur so kann ich dies angemessen zum Thema der Psychotherapie machen. Diese Asymmetrie gilt aber m. E. für jeden therapeutischen Ansatz.
Für mich selbst gilt darüber hinaus, eine sehr klare Unterscheidung zwischen „persönlich” und „privat” zu ziehen: So möchte ich in der Therapie so persönlich wie möglich sein - d. h. mich selbst mit meiner ganzen Person, meiner Biografie und auch meiner theoretisch-intellektuellen Perspektive einbringen, und den Prozess im therapeutischen Raum auch vor diesem Hintergrund mit reflektieren. Hierbei sollte aber - wieder ganz im Gegensatz zu einer „normalen” Beziehung - nichts Privates einfließen. Informationen beispielsweise über mein privates Familienleben, meine eigene politische Anschauung etc. haben somit in einer Therapie nichts zu suchen.
PiD: Was heißt, bei diesen doch großen Übereinstimmungen „Therapeutische Beziehung” aus der Sicht der von Ihnen vertretenen Therapierichtung?
R. Holm-Hadulla: Aus schulenübergreifender Sicht stellt die Trias von Rogers (1957) immer noch eine brauchbare Grundlage dar:
Empathy Unconditional Regard Congruency
Ich würde sie folgendermaßen modifizieren:
Respektvolle Akzeptanz Verständnisvolle Empathie Positive Wertschätzung
Diese Basis ist jedoch nicht hinreichend, um die therapeutische Beziehung umfassend zu charakterisieren. Insbesondere unbewusste Interaktionsprozesse bestimmen in wesentlichen Phasen das Therapiegeschehen. Sie sind auch dem Therapeuten oft unbewusst. Zum Verständnis und zur Handhabung dieser Interaktionsprozesse ist das psychoanalytische Übertragungs-Gegenübertragungskonzept hilfreich.
J. Kriz: Aus Sicht des Personzentrierten Ansatzes (eine Bezeichnung, die ich gern für die Konzeption verwende, während ich „Gesprächspsychotherapie” eher auf das heilkundliche Verfahren beziehe) ist der Aspekt der „Aktualisierungstendenz” besonders bedeutsam für die therapeutische Beziehung: Mit diesem oft missverstandenen Konzept ist schlicht gemeint, dass der Mensch entsprechend seinen evolutionär allgemeinen und genetisch spezifischen Anlagen und in Relation zu den konkreten Möglichkeiten seiner Umgebung - insbesondere auch der sozialen - in der realen Entwicklung eben nur bestimmte Aspekte aktualisiert. So kann jemand auch bei entsprechenden Anlagen im realen Leben eben nicht gleichzeitig ein hervorragender Zehnkämpfer, Geiger, Maler, Physiker, Psychologe etc. werden. Trotz seiner Anlagen, die ihn zu einem großen Läufer machen würden, entscheidet er sich vielleicht, Physiker zu werden, lässt gar seine läuferischen Anlagen verkümmern oder kann diese auch aufgrund einer körperlichen Traumatisierung (z. B. eines Fahrradunfalls) nicht entwickeln.
Typischer und bedeutsamer für therapeutische Prozesse sind allerdings die spezifischen Aktualisierungen der „Psyche”, wenn Sie mir diesen alten Begriff erlauben. Bei der Aktualisierung des Selbst - also im Wesentlichen dessen, was wir reflexives Bewusstsein nennen - sind bei der Geburt noch größere Teile nur potenziell, aber nicht faktisch realisiert. Dies geschieht erst in seiner Entwicklung danach. Der Mensch erwirbt somit seine grundlegenden Strukturierungsprinzipien, mit denen er später Beziehungen zur Welt, zu anderen Menschen und letztlich zu sich selbst aufnimmt, in hohem Maße in Interaktion mit seiner sozialen Umwelt. Dies wird heutzutage im Rahmen der Bindungstheorie und der Diskussion von Bindungstypen in Beziehung zu therapeutischen Prozessen eingehend diskutiert. Bei ungünstigen Entwicklungen werden somit bestimmte Bindungsmuster - Strukturen also, wie der Mensch Beziehung zur Welt und zu sich aufnimmt - und bestimmte, von der Norm abweichende Repräsentationen seiner körperlichen Vorgänge im Selbst leider nicht angemessen, sondern nur symptomatisch-leidvoll aktualisiert. In einer neu zu gestaltenden Beziehung - was aus Sicht des Patienten ja immer für eine therapeutische Beziehung gilt - kann er aus dieser Perspektive heraus diese neue Beziehung somit nur aufgrund seiner biografisch aktualisierten Strukturierungsprinzipien gestalten. Neue Situationen im Hier und Jetzt werden also aufgrund alter Strukturierungsprinzipien geformt. Man kann von einer Art „Re-Inszenierung” aktuellen Geschehens durch früh erworbene Strukturierungsprinzipien sprechen.
H. Lieb: Ich bin vor allem durch die Verhaltenstherapie und die Systemtherapie geprägt. Der VT verdanke ich eine Reihe fruchtbarer Beziehungsangebote für Patienten, v. a. die Transparenz hinsichtlich Zieldefinition und Interventionsplanung und die Akzeptanz der mir als Therapeut zugesprochenen Expertenrolle („medizinisches Modell” - z. B. in Form der Präsentation einer Diagnose und diesbezüglicher Erklärungs- und Behandlungsmodelle). Die Systemtherapie präferiert als ideales Beziehungsmodell heute eher den partnerschaftlichen Dialog, die Gleichheit von Therapeut und Patient hinsichtlich Macht und Verantwortung und empfiehlt, von defizit- und pathologieorientierten Konzepten und Diagnosen über Patienten aus der Expertenrolle heraus Abstand zu nehmen und den Fokus auf die Autonomie und die Ressourcen ihrer „Kunden” (der Begriff Patient passt eigentlich nicht in das systemische Denken) zu legen.
Ob und wie diese hier etwas zugespitzt einander gegenübergestellten Beziehungsangebote - Expertenrolle versus partnerschaftliche Kooperation - gelingen und wann sie hilfreich oder blockierend sind, können Therapeuten nicht einseitig bestimmen/kontrollieren. Das hängt davon ab, ob sie in den jeweiligen Kontext einer Therapie passen (z. B. in den einer von einem Klienten selbstbezahlten Therapie oder in den einer vom Rentenversicherungsträger dem Patienten auferlegten „psychosomatischen Kur” bei ihm zugeordneten Behandlern). Es dürfte zur hohen Kunst der „Beziehungsgestaltung” gehören, solche Beziehungsangebote mit dem Patienten zusammen daraufhin zu reflektieren, ob und wie sie zum jeweiligen Kontext und zum Patienten passen. Zu diesem Kontext gehört schließlich auch die Persönlichkeit und die Therapieschule des Therapeuten, der ja nicht jede beliebige Form „anbieten” kann, ohne sich dabei zu verleugnen.
PiD: Welche Dimensionen umfasst der Begriff der therapeutischen Beziehung in Ihrer praktischen Arbeit? Welches ist für Sie der wichtigste Aspekt?
J. Kriz: Als Dimensionen für die Beschreibung der praktischen Arbeit hat der Personzentrierte Ansatz bekanntlich die drei Aspekte „Empathie”, „unbedingte Wertschätzung” und „Kongruenz” ins Zentrum seiner Theorie gestellt. Dies wird in der Literatur oft versimplifiziert als „therapeutisches Basisverhalten” dargestellt - etwas, das auch Therapeuten anderer Richtungen sozusagen als Basisverhalten lernen müssten. Ich habe zunächst gar nichts gegen eine solche Sprechweise, zeigt sie doch den inzwischen hohen Verbreitungsgrad und die hohe Akzeptanz dieser grundlegenden Beziehungsaspekte des Personzentrierten Ansatzes.
Vehement muss ich aber der Ansicht entgegentreten, dass ein so verstandenes „Basisverhalten” alles sei, was der Personzentrierte Ansatz zu bieten habe. Denn natürlich gibt es auch andere „Basiserkenntnisse” von anderen Therapierichtungen, die ebenfalls bedeutsam und somit zu beachten sind, ohne dass sie diese Ansätze differenziert und angemessen beschreiben würden. So ist Verhaltenstherapie eben mehr, als die „Basis-Einsicht” dass viele Symptome mit Lerngeschichten einhergehen, und dass Patienten irgendetwas lernen und anderes verlernen müssen. Und psychodynamische Erfahrungen beinhalten deutlich Differenzierteres als die „Basiserkenntnis”, dass vieles unbewusst abläuft und bewusst gemacht werden muss, oder dass in der bereits erwähnten Beziehungsaufnahme zu anderen und zu sich selbst frühere Beziehungsmuster übertragen werden usw. Und auch der systemische Ansatz enthält wesentlich mehr, als die „Basiseinsicht”, dass soziale Interaktionsmuster einschließlich gemeinsamer narrativer Interpretationen oft symptomatisch-leidvolles Geschehen gegenüber Veränderung stabilisieren.
Sieht man sich nun ein Konzept wie „Unbedingte Wertschätzung” differenzierter an, so ist damit eben keineswegs nur eine „freundlich zugewandte Haltung” des Therapeuten gemeint, die dem Patienten Vertrauen gibt. Vielmehr ist speziell gemeint, dem Patienten durch unbedingte Wertschätzung erfahrbar zu machen, dass seine leidvollen Strukturierungsprinzipien sehr oft etwas mit nur bedingter Wertschätzung zu tun hatten. Therapeut und Patient arbeiten somit gemeinsam an der Herausarbeitung jener Strukturen, welche jene einschränkenden Bedingungen widerspiegeln, unter denen der Patient gelernt hat, Wertschätzung (oder ein Surrogat davon) zu erreichen: beispielsweise unter Verleugnung oder Umdeutung bestimmter eigener Affekte, unter schlechter Kompromissbildung bestimmter konfligierender Bedürfnisse und Tendenzen usw. Ich kann dies hier im Einzelnen jetzt nicht ausführen, aber es wird an diesem kleinen Beispiel wohl deutlich, dass in einer Therapieform, die in hohem Maße mit dem Beziehungsangebot arbeitet, wie der Personzentrierte Ansatz, diese so genannten „Basisvariablen” in Wirklichkeit und in der konkreten therapeutischen Arbeit sowohl theoretisch als vor allen Dingen auch praktisch hoch ausdifferenziert sind.
H. Lieb: Binnentherapeutisch wird das Beziehungsgeschehen durch die ständige Parallelität und die gegenseitige Beeinflussung der Inhalts- und der Beziehungsebenen im „System Therapie” geprägt. Auf der Inhaltsebene geht es mir, metaphorisch gesprochen, darum, als „Coach” an der Seite des Patienten mit diesem auf sein Problem, seine Symptomatik bzw. seine Ziele zu blicken, um diese zu verstehen bzw. zu erreichen. Auf der Beziehungsebene können wir beide uns darin wohlfühlen, gegenseitig bestärken und loben (tut auch mir als Therapeut gut!) oder auch in Probleme miteinander geraten, was dann immer mit Beziehungssymptomen beim Patienten, bei mir oder zwischen uns einhergeht (bei mir z. B. Ungeduld, Verwirrung, Langeweile, Veränderungsdruck, Ärger, Angst zu versagen usw.; beim Patienten vielleicht Schuldgefühle mir gegenüber, wenn er sich nicht verändert trotz meiner diesbezüglichen Bemühungen, Angst vor Entwertung, Enttäuschung, therapiezieluntaugliche Bewunderung meiner Person, Unpünktlichkeit, Termine vergessen usw.; in der Beziehung: Ja-aber-Kommunikation, unproduktive Themenwiederholungen, Expertenkillerdynamik, extreme Redezeitdifferenzen, symmetrische Eskalationen (etwa des Rechthabenwollens) oder lähmende Komplementarität (etwa in Form einer Helfer-Hilflosen-Interaktion) usw. Wichtig ist, dass es immer beide Ebenen (Inhalt, Beziehung) gibt und diese sich gegenseitig beeinflussen.
Beide Ebenen wiederum sind in einem die Möglichkeiten der diesbezüglichen bewussten Reflexion prinzipiell übersteigendem Maße kontextdeterminiert. Die aus meinen Therapieschulen stammenden Techniken formen das binnentherapeutische Beziehungsgefüge (in der VT z. B. die Durchführung einer Exposition „vor Ort”, die eine sonst selten realisierte Beziehungsform von Vertrauen, Beistand und Intimität schafft; in der Systemtherapie z. B. die zirkulären Fragen, die eine immer wieder verfremdende Form von Nähe und Distanz zugleich etablieren). Und schließlich sind beide Ebenen (Inhalt/Beziehung) von Kontexterwartungen mitgeprägt (etwa von Zuweisern, Kostenträgern, Supervisoren), die mich ebenso wie meinen Patienten beflügeln, unter Druck setzen oder zur inneren Rebellion dagegen verführen können. Es sitzt ja auch immer mindestens eine Therapieschule mit im Raum mit ihren inhalts- und beziehungsbezogenen do's und dont's. Im Selfmonitoring oder in der Supervision bemühe ich mich dann um eine Reflexion/ggf. Veränderung dieser Inhalts- und Beziehungsebene, wenn es darin jeweils therapiezielhindernde Symptome bei mir, auf Patientenseite oder in der Beziehung gibt (ausbleibende Veränderungen oder o. g. Beziehungssymptome).
R. Holm-Hadulla: Ich denke, die verschiedenen Elemente der therapeutischen Beziehung sind je nach Kultur, Person, Störung und Therapiephase von enorm unterschiedlicher Bedeutung (Holm-Hadulla 2004c).
PiD: Ist denn das von Herrn Holm-Hadulla vorhin eingebrachte„Übertragungs- Gegenübertragungskonzept” der Psychoanalyse auch für die anderen therapeutischen Richtungen ein hilfreiches Arbeitsmittel? Inwieweit spielt es in Ihren Therapien eine Rolle und wird von Ihnen bewusst eingesetzt?
H. Lieb: Als permanente Notwendigkeit: Nein. Als permanente Möglichkeit: Ja. Da ich konzeptuell ein „Coaching”-Modell bevorzuge (Patient und Therapeut Seite an Seite mit Blick auf Problem/Ziel/Weg dorthin), erscheint mir eine ständige Beziehungsreflexion oder gar der primäre Fokus auf die binnentherapeutische Beziehung untauglich, weil es der Beziehung Vorrang gibt vor der am Problem des Patienten orientierten inhaltlichen Arbeit. Reflektiere ich mit mir selbst, mit Supervisoren oder auch einmal mit dem Patienten meine Beziehung zu diesem/von ihm zu mir, gehe ich (systemisch) davon aus, dass beide „übertragen und gegenübertragen”: Für meine Gefühle und Projektionen bin ich selbst verantwortlich und nicht mein Gegenüber.
R. Holm-Hadulla: Ein durchaus hilfreiches Arbeitsmittel, aber mit Vorsicht einzusetzen! In der Regel arbeiten systemische Therapeuten, Gesprächstherapeuten und auch kognitive Verhaltenstherapeuten - bewusst oder unbewusst - mit Übertragungsmanifestationen. Auch die psychotherapeutischen Beratungen und psychodynamische Kurztherapien sowie die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie arbeiten „mit der Übertragung”, aber nicht „in der Übertragung”. D. h. Übertragungs- und Gegenübertragungsmanifestationen werden beachtet, aber es wird keine Übertragungsneurose durch Fokussierung der Deutungen auf die - unbewusste - Beziehung zwischen Patient und Therapeut begünstigt.
J. Kriz: Auch wenn das „Übertragungs- und Gegenübertragungskonzept” der Psychoanalyse nicht so explizit im Personzentrierten Ansatz vorkommt, so ist aus dem Vorausgegangenen wohl deutlich geworden, dass ich damit keinerlei Schwierigkeiten habe: Die Gestaltung der Beziehung im Hier und Jetzt aufgrund früh erworbener Strukturierungsprinzipien ist, soweit ich sehe, ziemlich genau das, was Analytiker auch mit Übertragung meinen. Und es ist auch leicht einzusehen, dass diese Strukturierungsprinzipien etwa im Setting der Analyse - aber auch dem der GT - deutlicher werden, weil wenig vorstrukturiert ist, als etwa in der von außen bereits stark vorstrukturierten Situation der Abgabe einer Steuererklärung beim Finanzamt.
Ebenso wird die „Gegenübertragung” - also die möglichst nicht-neurotische Reaktion des Therapeuten auf die Übertragung - m. E. recht gut in dem Aspekt der „Kongruenz” des Therapeuten im Personzentrierten Ansatz thematisiert: Im Personzentrierten Ansatz wird in diesem Zusammenhang von reaktiver Inkongruenz des Therapeuten gesprochen, die dessen Fähigkeit zur Empathie und der bedingungsfreien Wertschätzung in spezifischer Weise und situationsbezogen beeinträchtigt. Im Verstehen dieser reaktiven Inkongruenz liegt dann in der Regel auch der Schlüssel zu einem besseren Verstehen des Patienten.
PiD: Ein Standardsatz in Therapieanträgen heißt: „Herstellen einer guten therapeutischen Beziehung”, was heißt das?
J. Kriz: Gemäß dem bisher Gesagten geht es vor allen Dingen um die Beachtung der bedingungslosen Wertschätzung. Das bedeutet konkret, dass sich der Therapeut insbesondere nicht unreflektiert in das Bedingungsgefüge einspannen lässt, das der Patient aufgrund seiner bisherigen Erfahrung anbietet, um eben bedingte Wertschätzung zu erhalten. Vielmehr geht es darum, dieses Beziehungsangebot des Patienten in seiner Struktur und in seinen Einschränkungen verstehbar und bewusst zu machen. Entsprechend der spezifischen Struktur der Symptome kann dabei das Beziehungsangebot des Therapeuten sehr unterschiedlich aussehen: So ist etwa bei psychosomatischen Patienten zu beachten, dass man den Patienten - bei dessen mangelnder Bezugnahme auf die eigenen Vorgänge (und oft nicht mal das Vorhandensein einer Einsicht in diese Defizite) - nicht mit einer zu „engen” Beziehung und einem zu tief gehenden Verständnis quasi „überfährt”. Bei einem Borderline-Patienten geht es beispielsweise in der Art der Beziehungsgestaltung darum, dem Aspekt Rechnung zu tragen, dass sinngemäß oft zunächst vom Patienten geäußert wird „ich höre, was Sie sagen, aber ich merke, dass ich das irgendwie nicht wirklich annehmen und glauben kann”. Bei einem psychotischen Patienten wäre beispielsweise zu beachten, dass ein hohes Ausmaß an Verstehen zwischen Therapeut und Patient, das gewissermaßen Züge einer „Privat-Verstehens-Welt” annehmen kann, zwar über einen langen Zeitraum der Therapie sehr hilfreich sein kann, dass es aber gegen Ende der Therapie wesentlich darauf ankommt, dass der Patient auch lernt, sich nicht nur dem Therapeuten gegenüber, sondern auch der Allgemeinheit gegenüber verstehbar „zur Sprache zu bringen”.
Ich habe diese drei (stark verkürzten und übertypisierten) Beispiele gewählt, um deutlich zu machen, dass das Verstehen je nach Patient sehr unterschiedlich sein kann - bzw. wenn man es bevorzugt, in Patienten-Klassen zu denken: dass es „störungsspezifisch” zu gestalten ist.
R. Holm-Hadulla: Der Patient auf der einen Seite fühlt sich respektiert, empathisch begleitet und wert geschätzt. Er findet einen vertrauensvollen Raum zur Aussprache, der sukzessive zu einem „Spielraum” für persönliche Entwicklung wird. Auf der anderen Seite hat der Therapeut das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und innerlich lebendig zu sein.
H. Lieb: Ich halte die konzeptuelle/zeitliche Trennung zwischen der „Herstellung einer guten Beziehung” und der „eigentlichen” therapeutischen Arbeit vor eingangs geschildertem Hintergrund für nicht möglich und letztlich für hinderlich. Die Beziehung kann nicht zuerst hergestellt werden, um sie dann für die Veränderungsarbeit zu nutzen. Die therapeutische Orientierung auf Möglichkeiten der Veränderung ist für mich die primäre Form der Beziehung. Sie ist als „therapeutische” schon vor der ersten Begegnung gegeben: durch die verschiedenen Rollen von Patient und Therapeut mit den darin enthaltenen Motiven, Hoffnungen und Befürchtungen, durch die gegenseitigen dadurch geprägten Erwartungen und auch durch personspezifische Vorinformationen übereinander. (Auf Patientenseite macht es z. B. einen „Beziehungs”-Unterschied, ob er über mich denkt: „Sie sind mir sehr empfohlen worden” oder „Man hat mich vor Ihnen gewarnt”; für mich einen ebensolchen, ob ich über einen Patienten denke „Da kommt ein typischer ,Agoraphobiker‘” oder „Da kommt ein schwer gestörter und bisher erfolglos ,therapierter Borderliner‘”.)
Die Therapie sollte sich meines Erachtens nach Möglichkeit vom ersten Moment an primär der Inhaltsebene dieser Beziehung zuwenden: Problemerfassung, Zielfindung, Evaluation bisheriger Lösungsversuche, Suche nach neuen Problemlösemöglichkeiten. Alles, was diese problem- und zielorientierte therapeutische Allianz fördert, ist dann „gut”. Die Orientierung an vermeintlich objektiven, universal gültigen Beziehungsregeln ist in der Regel hilfreich: Rollenklärung, Zielabsprache, Transparenz, Klärung von Erwartungen, Schaffen von Vertrauen und von Bereitschaft, Neues zu erproben, wohlwollend-bedingungsfreies Akzeptieren des Patienten. Richtet aber ein Therapeut sein Verhalten zuerst nur danach aus, diese Kriterien einer guten Beziehung zu erfüllen, kann ihn dies von seiner inhaltlichen Hauptaufgabe ablenken - der Arbeit mit dem Patienten am Problem und dessen Veränderung. Das kann ihn lähmen - im Extrem fühlen sich dann beide wohl in der Beziehung, aber „es tut sich nichts”.
Fallbeispiel: Ein Patient befindet sich wegen depressiver Zustände und Libidoverlust bei mir in Behandlung. Alle therapeutische Arbeit verläuft nach dem gleichen Muster: Zuerst eine lebendige fruchtbringende Problemanalyse mit Ideen zur Veränderung - und dann „versandet” das Thema (zuletzt bezogen auf seine sexuellen Ängste und seine diesbezüglichen Aversionen). Mein Patient zeigt sich - trotzdem - zufrieden mit unserer Arbeit, ich bin es nicht. Ich „verschlechtere” unser Wohlbefinden, indem ich meine Unzufriedenheit mit diesem Prozess zum Ausdruck bringe, was ihn zunächst irritiert und hinsichtlich des Fortbestandes unserer therapeutischen Beziehung auch ängstigt. Dem Ziel, ihm bei mir Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln, arbeite ich also zunächst entgegen. Die Analyse unseres „Versandungsprozesses” erweist sich aber als fruchtbar: Er stimmt dieser Beschreibung dann zu und wir finden den Sinn dafür (seine Abneigung gegen eigentlich von anderen von ihm erwartete, in der Therapie bisher verfolgte Veränderungen), entwickeln alternative Therapieziele (sich etwa in Sachen Sex dazu zu bekennen, dass er das [zumindest im Moment] nicht wolle und sich so seiner Partnerin zumuten möchte). Dieser Ansatz energetisiert ihn (und mich) neu - er versandet in den nächsten Stunden nicht.
Weiteres Fallbeispiel: Eine 45-jährige Patientin kommt auf Empfehlung einer Kollegin, die deren Ehemann behandelt. Sie leidet an ihrer Ehe, da er sich seit längerer Zeit eine Geliebte und ihren Protest dagegen für „krankhaft eifersüchtig” hält. Meine Klientin beklagt sich bei mir über ihn vor allem vor dem Hintergrund, dass sie damit in ihrer Partnerschaftsgeschichte zum dritten Mal verlassen oder betrogen worden sei. In der dritten Sitzung konfrontiere ich sie damit, dass dieses Klagen (das sie auch ihm ständig vortrage) bei allem Verständnis meinerseits dafür im Grunde zu nichts neuem führe (da es ihn ja nicht ändere) und wir aus meiner Sicht, damit sie am Ende von der Therapie profitiere, eines neuen Elementes in der Therapie bedürfen. Sie ist darüber erstaunt und verwirrt, stimmt dann aber (nach Verständnisäußerung meinerseits für ihr Klagen) zu. Wir finden dann auch ein für sie (wie mich) hoffnungsgenerierendes neues Element: die Suche nach dem ihr verlorengegangenen „Stolz” („Den habe ich mir von Männern abkaufen lassen.”). Daraus leitet sie dann von ihr allein erreichbare Ziele ab, in deren Verfolgung sie nicht mehr vom Partner abhängig ist („Ich richte mir jetzt zuallererst mein eigenes Zimmer in unserem Haus ein und kaufe mir dafür ein ganz besonderes Sofa!”). Auch hier war diese Wende zu von der Patientin machbaren Veränderungen eingeleitet durch eine das Wohlbefinden in der Therapiebeziehung riskierende Konfrontation meinerseits. Hätte ich das vermieden mit Blick auf beziehungsorientierte Wohlbefindenskriterien, hätte ich mich angesichts ihrer persistierenden Klagen vielleicht innerlich davon zurückgezogen und vor allem meine Verantwortung, ihr zu machbaren Veränderungen zu verhelfen, zurückgestellt. Ich weiß aber nie, wie ein Patient solche interaktionellen „Verstörungen” beantwortet!
Ich „demonstriere” meine Haltung des Primates der Inhaltsebene einer Therapie als Entwicklung von Optionen zu Veränderungen nach Möglichkeit schon sehr früh und präge dadurch auch die Beziehung: Ich frage sehr konkret nach Problemen, Verhalten, Zielen usw. Ich unterbreche auch, wenn mir ein Patient zu unkonkret oder zu ausschweifend wird (und erkundige mich ggf. auf der Beziehungsebene, ob ihn diese Unterbrechung stört). Ich nehme dabei eine aktive Rolle ein und scheue mich nicht, konkrete Ratschläge zu geben oder Patienten damit zu konfrontieren, dass bestimmte Verhaltensweisen dem von ihnen angestrebten Ziel entgegenstehen (Beispiel: Einen Mann damit zu konfrontieren, dass er mit seinem Verhalten seiner Frau gegenüber das verhindert, was er bei ihr und für sich erreichen möchte.) Da ich in dieser Orientierung auf Veränderungen für manche Patienten zu schnell bin, frage ich gelegentlich nach, ob sie bei mir unter „Veränderungsdruck” stehen und „erlaube” mir und dem Patienten dann, auf ein anderes Tempo umzuschalten. Natürlich gibt es auch eine Reihe von Problemlagen, bei denen die Frage nach Veränderungen gar nicht oder zunächst nicht passt, etwa bei aktuellen Krisen oder traumatischen Ereignissen: Erfragen - Zuhören - Verstehen - Bestätigen („Validieren”) stehen dann im Vordergrund. Veränderung und Bewahren sind keine Gegensätze: Oft geht es darum, Veränderungen dadurch zu ermöglichen, dass ich mich auf die Seite der Nichtveränderung stelle (vor allem wenn Patienten sich selbst schon unter Veränderungsdruck stellen oder von anderen gestellt werden). Dann ist Erlaubnis zu oder Verschreibung von Nichtänderung eine Änderung.
PiD: Wann sprechen Sie dann von einer „guten” therapeutischen Beziehung, wann von einer „schlechten”?
J. Kriz: Eine gute Beziehung soll vor allen Dingen gewährleisten, dass der Patient Sicherheit in den Prozessen der Destabilisierung empfindet. Die strukturelle Veränderung der symptomatischen Prozesse bedeutet ja immer eine Destabilisierung der leidvollen, aber eben auch bekannten und damit Sicherheit bietenden Muster. Auf eine solche Destabilisierung kann sich der Patient nur in einem gleichzeitig stabilen, sicheren und vertrauensvollen Rahmen einlassen. Ist dies nicht gewährleistet, so würde ich von einer schlechten therapeutischen Beziehung reden - für die es im Detail aber viele aufzuzählende Varianten gibt.
R. Holm-Hadulla: Eine gute therapeutische Beziehung vermittelt das Gefühl von Lebendigkeit und Kreativität. Sie lässt sich an der positiven Entwicklung der Patientinnen und Patienten verifzieren. Aber Lebendigkeit und Kreativität bedeuten nicht Leichtigkeit und Spaß. Ganz im Gegenteil sind häufig fruchtbare therapeutische Begegnungen emotional fordernd und können Therapeutinnen und Therapeuten auch entleeren. Deswegen ist es so wichtig ein adäquates Honorar zu erhalten und die eigenen kreativen Ressourcen zu pflegen.
Eine schlechte therapeutische Beziehung lässt sich an Entwicklungsstillstand, maligner Regression und Zunahme der Vermeidungshaltung der Patientinnen und Patienten und an der emotionalen und kognitiven Lähmung der Therapeuten ablesen.
PiD: Wie stellen Sie diese Therapiebeziehung her? Welche Elemente verwenden Sie im verbalen und nonverbalen Ausdruck?
R. Holm-Hadulla: Auf der Basis einer freundlich-respektvollen, präsent-empathischen und positiv wertschätzenden Haltung versuche ich den Patientinnen und Patienten sicheres Bindungserleben, Kohärenzgefühl, Selbstwirksamkeitserleben, Lust-Unlustregulation und Authentizität zu ermöglichen. Die Reflexion der nonverbalen Kommunikation und der therapeutischen Rituale ist dabei von großer Bedeutung. Dies gilt insbesondere in eher aggressive und destruktive Emotionen und Kognitionen bearbeitenden Therapiephasen.
J. Kriz: Wichtig für das Herstellen einer therapeutischen Beziehung sind zunächst einmal äußere Rahmenbedingungen, wie etwa eine genaue Klärung des Auftrages, der gewünschten Veränderung etc. Sehr wichtig scheint mir auch der Unterschied zu sein zwischen „echt sein” und sich „echt verhalten”. Ich meine damit, dass eine therapeutische Beziehung weit über erlernbare Technik hinausgeht - sie hat, zumindest aus Personzentrierter Sicht, sehr viel mit der durch eine Eigentherapie erreichten Selbstreflexion des Therapeuten zu tun.
PiD: Wie gestalten Sie Ihr Interaktionsverhalten in Bezug auf Nachfragen, Präzisieren oder Verstehen am Anfang der Therapie? Wie viel Platz und Raum lassen Sie dem/r PatientIn? Worauf legen Sie besonderen Wert in der Initialphase einer therapeutischen Beziehung?
J. Kriz: Vieles im Interaktionsverhalten lässt sich bereits durch ein „Merkblatt” von vornherein klären. Dass der Personzentrierte Ansatz „nicht-direktiv” ist, bezieht sich ja nur auf die Vorgabe von inhaltlichen Zielen (selbst wenn diese vielleicht gemeinsam erarbeitet wurden). Ansonsten ist der Personzentrierte Ansatz ja recht direktiv: Es geht weit weniger um die konkreten Inhalte in der Aussage des Patienten, als vielmehr darum, „wie es jemandem geht, dass er das sagt, was er sagt”. Das heißt, es geht um die Gefühle, um Bewertungen, die mit seinen Äußerungen und seiner Beziehungsgestaltung im Zusammenhang stehen. Nach meiner Erfahrung schadet es nichts, dem Patienten diese Arbeitsweise zu Beginn der Therapie explizit klar zu machen.
In der Initialphase einer Therapie wird besonders deutlich, ob ein Arbeitsbündnis zwischen Therapeut und Patient möglich ist. Dazu gehört auch, dass beispielsweise das Bemühen um Verstehen seitens des Therapeuten vom Patienten zumindest partiell wahrgenommen werden kann. Wird der Therapeut beispielsweise aufgrund der biografischen Vergangenheit des Patienten als „feindselig” erlebt, ohne dass dieses Erleben selbst zum Gegenstand gemacht werden und vom Patienten verstanden werden kann, so wäre beispielsweise eine Personzentrierte Psychotherapie nicht indiziert.
R. Holm-Hadulla: Zu Beginn einer Therapie ermutige ich zum Sprechen durch einladendes Fragen und aufmerksames Interesse: „Den Patienten dort abholen, wo er sich befindet”. Die oben genannte Trias von respektvoller Akzeptanz, verständnisvoller Empathie und positiver Wertschätzung versuche durch eine konsequente Förderung der Ressourcen und Entwicklungspotenziale der Patientinnen und Patienten zu ergänzen. Wichtig ist die Etablierung eines Spielraum zur Selbstinszenierung und -aktualisierung.
H. Lieb: Ich bemühe mich - in meinem ambulanten Setting - vom ersten Moment an, mich als den Therapeuten zu zeigen, den meine Patienten im Falle einer Fortführung der Therapie haben werden (aktiv, Veränderungsmöglichkeiten auslotend, günstige oder ungünstige therapeutische Vorerfahrungen des Patienten einbeziehend). Ich lege Wert darauf, dass auch Patienten mich zu Beginn der Therapie befragen, um herauszufinden, mit wem und mit welcher Art von Psychotherapie sie es zu tun haben werden. Ich betone, dass wir uns nach der ersten Sitzung entscheiden dürfen und müssen, ob wir die Zusammenarbeit aufnehmen und Hoffnung in den Nutzen weiterer Sitzungen haben oder was dem ggf. noch entgegensteht. Ich stelle Therapie als gemeinsames Unternehmen (Coaching-Modell) dar, dessen Ausgang von einer gelungenen Kooperation abhängt. Manchmal frage ich, was ich tun müsste, damit mein Patient abbricht oder sich hier unwohl fühlt; ich vereinbare in der Regel (Cave: nicht immer, da dies Patienten auch unter Druck setzen kann) bilanzierende Sitzungen. Ich versuche von Anfang an, das Beziehungsverhalten meiner Patienten positiv zu deuten (etwa den mir oder der Therapie gegenüber geäußerten Zweifel als Zeichen kritischer Mitarbeit). Oft wage ich schon in der ersten Sitzung kleine Interventionen wie z. B. Umdeutungen oder Beobachtungsaufgaben. Nach jeder ersten Sitzung frage ich, wie es meinem Patienten mit mir und meinem therapeutischen Stil geht.
PiD: Wie beenden Sie auf der anderen Seite therapeutische Beziehungen? Wie endgültig ist die Beendigung? Welches sind die Gründe, die das eigene Loslassen von einer therapeutischen Beziehung erschweren?
H. Lieb: Das Ende der Therapie steht von Anfang an mit im Raum und wird von mir immer wieder angesprochen: Wie viele Stunden haben wir noch (bei kassenseitig bewilligten Kontingenten) bzw. werden wir wohl noch benötigen? Wie viel Prozent der Therapieziele sind erreicht, was fehlt noch? Was haben wir bisher vielleicht übersehen? Ich beende eine therapeutische Beziehung heute selten „endgültig” - viele Patienten sind froh, zu wissen, dass sie sich ggf. in Not wieder melden können. Eine „kassenseitig finanzierte Therapie” beendige ich manchmal vor Ablauf des offiziellen Kontingentes, wenn keine „krankheitswertige Symptomatik” mehr vorliegt mit dem Verweis auf die Möglichkeit, dass der Patient auf eigene Kosten die Beratung fortsetzen kann. Ebenso schwierig (vor allem wenn der Patient anders darüber denkt) wie wichtig ist es mir, die Möglichkeit der Beendigung einer Therapie anzusprechen oder vorzuschlagen, wenn ich selbst nicht mehr daran glaube, weiter hilfreich sein zu können. Ich habe in den letzten Jahren (als veränderungsorientierter, manchmal ungeduldiger Therapeut) gelernt, dass bestimmte Patienten eine lange Therapie, manchmal auch über 80 Stunden hinaus benötigen.
Wenn Patienten die Therapie abbrechen (wollen), lege ich Wert auf ein „abschließendes Gespräch” und lade ggf. nochmals dazu ein. Mir ist es wichtig, dass wir in diesem Falle beide in Würde voneinander loslassen können. Dabei sollte Kritik („Was hat Ihnen bei mir gefehlt - was habe ich vielleicht nicht verstanden”) ebenso Platz haben wie eine Würdigung beider Seiten für das jeweilige Bemühen um Zusammenarbeit und um Ausloten von Veränderungsoptionen. Wenn das nicht gelingt, muss ich einseitig loslassen. Den Extremfall einer Beendigung durch Suizid auf Patientenseite musste ich bisher noch nicht erfahren.
R. Holm-Hadulla: Ein gut vorbereiteter und dosierter „Abnabelungsprozess” ist immer von großer Bedeutung. Dabei sollten das Erreichte bzw. nicht Erreichte zusammengefasst werden und Anspruch und Realitität abgeglichen werden. Idealerweise sollte man mit einem Gefühl von Respekt und positiver Wertschätzung, aber nicht von Idealisierung auseinander gehen. Die Reflexion etwaiger Unklarheiten in der therapeutischen Beziehung dient dazu, die Beziehung wieder zu versachlichen, zu entidealisieren bzw. zu entemotionalisieren, um eine klare Trennung zu ermöglichen. Oft bleiben Therapeutinnen und Therapeuten als Dialogpartner, stabilisierende „innere Objekte” und unterstützende Begleiter im Innenleben der Patientinnen und Patienten lange Zeit erhalten. Auch die reale Trennung muss nicht endgültig sein. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit katamnestischen Gesprächen und einigen wenigen therapeutischen Sitzungen in besonderen Lebens- und Konfliktsituationen, oft viele Jahre nach Abschluss der eigentlichen Therapie. Wichtig ist dabei die Botschaft, dass es nicht erst „brennen muss”, damit die Patientinnen und Patienten sich wieder an die Therapeutin oder den Therapeuten wenden dürfen. Dennoch ist eine Bearbeitung der Trennung immer bedeutsam, besonders wenn Patientinnen und Patienten die therapeutische Beziehung idealisieren und die realen Beziehungen entwerten. Aber dies sollte man ohnedies nicht zulassen.
J. Kriz: Zur Beendigung von Therapien hatten wir gerade in Osnabrück eine Dissertation laufen, die gezeigt hat, dass es über diesen wichtigen Punkt erstaunlich wenig Forschung gibt. Es gibt bei unterschiedlichen Therapeuten ganz unterschiedliche Erfahrungen und Bilder davon, wie eine Therapie beendet werden sollte. Vielleicht wird dies - ähnlich wie der Tod und andere bedeutsame Abschiede im realen Leben - allzu sehr auch aus den theoretischen Erörterungen über Psychotherapie „verdrängt”. Typischerweise - und so geht es mir auch - wird die Therapie neben der Bearbeitung der Bedeutung des Themas „Abschied” für den Patienten durch eine Art „Ausdünnen” der Sitzungsfrequenz beendet. Gerade was die Beendigung von Psychotherapien betrifft, scheint mir noch viel Forschungsarbeit notwendig zu sein.
PiD: Welche Rolle spielen Alter, Geschlecht und sozialer Status in der therapeutischen Beziehung? Wie wirken sich hier deutliche Unterschiede zwischen TherapeutIn und PatientIn oder starke Ähnlichkeiten aus?
R. Holm-Hadulla: Alles hat seine Vor- und Nachteile. Effekte des Altersunterschieds, Geschlechts, sozialen Status müssen zumindest vom Therapeuten immer reflektiert werden, können jedoch auch häufig mit dem Patienten thematisiert werden. Auch große Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten zwischen Patient und Therapeut können wesentliche Ingredienzien der Arbeit sein, müssen jedoch immer bedacht werden und bestimmen auch die Therapietechnik. Zu große Unterschiede, die zu Missverständnissen und verzerrten Wahrnehmungen führen, sollten die Therapeutinnen und Therapeuten zu frühzeitigen Überweisungen an Kolleginnen und Kollegen veranlassen.
J. Kriz: Gerade das Geschlecht spielt in der therapeutischen Beziehung eine große Rolle. Da dies aber relativ differenziert wirkt, lassen sich nicht einfach Klassifikationen bilden - etwa nach dem Muster: „Für eine Frau ist prinzipiell eine Frau die beste Therapeutin”. Auch hier würde mehr differenzierte Forschung dringend erforderlich sein - um den manchmal plakativen Einfachlösungen, wem was und wer gut tut, die Komplexität der realen Therapie auch in dieser Hinsicht entgegenzuhalten.
H. Lieb: Der Dialog zwischen Menschen, auch der therapeutische, lebt von Unterschieden. Andererseits bedeutet m. E. Verstehen des anderen immer, dass dieser vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen gesehen wird. Wird der Unterschied im Erfahrungshorizont zu groß, wird Verstehen deshalb schwierig. Eine ca. 22-jährige Patientin hat die Therapie bei mir beendet, nachdem ich mich kritisch ihrem Drogenkonsum (Cannabis und Extacy) gegenüber geäußert hatte, während sie diesen heute normal und mich zu konservativ fand. Ich habe Probleme mit alten Menschen, wenn diese, ihr Leben negativ bilanzierend, keine Hoffnung mehr sehen, die Therapie allein zum verbitterten Klagen über ihr Leben oder ihre Angehörigen wird und mein Versuch, das zu verstehen und zu würdigen, zu keinerlei Veränderung in ihrem Denken, ihrer Verbitterung und vor allem ihrem Leiden innerhalb oder außerhalb der Therapie führt. Ich bin vermutlich bei jugendlichen/jüngeren Patienten und deutlich älteren zu gehemmt, empathisches Verstehen mit konfrontierender Herausforderung zu verbinden.
Hinsichtlich des „Gender”-Unterschiedes gehe ich von der These aus, dass Männer und Frauen sich in ihren geschlechtsspezifischen Erfahrungen letztlich gar nicht verstehen können, weil sie in diesen „Rollen” nie auf gemeinsame Erfahrungen zurückgreifen können. Ich verdanke dieser These die „Erkenntnis”, dass ich als Mann nur männlich denken kann und dies auch vertreten darf und muss. Das macht mich freier, Gender-Fragen in der Therapie aktiv anzusprechen - sowohl in der binnentherapeutischen Beziehung wie im Klientensystem: „Welche Rolle spielt es, dass Sie es hier mit mir als Mann zu tun haben?” Oder im Paarsystem: „Ich sehe das bei Ihnen so, dass der Mann das Geld verdient und im Falle einer Trennung besser dastünde und die Frau die Macht der Anklägerin (oder der sexuellen Unlust) hat. Stellen Sie sich mal vor, es wäre genau andersherum …” Ich stelle keine intimen Fragen zur Sexualität bei Frauen, wohl aber an Männer, wenn es zur Therapie gehört. Ich werde innerlich „hellhörig”, wenn ich in der Arbeit mit Männern bei deren Konflikten mit ihren Frauen zum „Kumpel” zu werden Gefahr laufe und sie darin weder mit ihrer Art von Gewalt in der Beziehung konfrontiere noch in Kontakt komme mit ihren tiefen Sehnsüchten, auch von einem Mann geliebt zu werden. Meine „Gender-Glocken” läuten auch, wenn ich mich in der Arbeit mit einer sich über ihren Partner beklagenden Frau in der Rolle des Konkurrenten zu ihrem Mann sehe oder von dieser gesehen wähne, der sie besser verstehe als dieser. Spätestens dann schlage ich vor, diesen in die Therapie mit einzuladen.
PiD: Mit welchen PatientInnen lehnen Sie eine Arbeit aus Gründen, die in der therapeutischen Beziehung liegen, ab?
R. Holm-Hadulla: Wenn sich in den ersten Sitzungen eine feindliche und entwertende Atmosphäre breit macht und diese durch eine respektvolle, empathische und kreative Haltung sowie durch ressourcenorientierte Interventionen und Deutungen auch nicht ansatzweise zu beheben ist, würde ich an eine Überweisung denken.
J. Kriz: Wie oben schon gesagt, wäre es für mich ein klarer Ablehnungsgrund, wenn in den ersten probatorischen Sitzungen deutlich wird, dass die unbedingte Wertschätzung und das Bemühen um Verstehen seitens des Therapeuten vom Patienten, aus welchen Gründen auch immer, nicht erfahren werden kann. Überhaupt scheinen mir die probatorischen Sitzungen eine gute und wichtige Einrichtung zu sein, wobei man auch viel häufiger, als es mir real vorzukommen scheint, die Konsequenz ziehen sollte, mit dem Patienten nach den ersten fünf Sitzungen gemeinsam die therapeutische Beziehung und deren Entwicklung zu reflektieren und ggf. darüber nachzudenken, ob die Überweisung an eine Kollegin oder einen Kollegen nicht ratsam wäre.
H. Lieb: Die Ablehnung oder einseitige Beendigung einer Therapie durch Therapeuten bedarf immer einer besonderen Legitimation. Deren klarere und leichtere Begründungsvariante besteht darin, dass die Therapieziele erreicht sind oder keine begründete Hoffnung mehr besteht, sie in dieser Therapie noch erreichen zu können („Inhaltsgründe”). Ich selbst habe die Therapie mit einer Patientin beendet und sie an eine Kollegin weiterempfohlen, weil wir beide aus dem kommunikativen Muster eines „Ja-Aber” nicht herauskamen, was immer ich an Fragen/Interventionen versucht hatte, und die Patientin m. E. dabei nichts lernte. (Sie hatte sich in mir bewusst einen männlichen Therapeuten ausgesucht, um angesichts ihres Konfliktes mit ihrem Partner die „männliche Perspektive” kennen zu lernen: Eigentlich hätte mich das warnen müssen!)
Die schwierigere Variante („Beziehungsgründe”) bedürfen als Legitimation entweder einer ehrlichen Selbstoffenbarung durch Therapeuten oder eines Bezuges auf juristische/moralische Komponenten. Beispiel einer Selbstoffenbarung: Ich habe eine damals stationäre Therapie abgebrochen und den Patienten einer Kollegin übergeben, weil ich mich im Ringen mit ihm um eine Veränderung seiner Symptomatik (lautes Stöhnen und „Bellen”) verausgabt hatte und schließlich wütend oder besser „beleidigt” war, dass alle meine Mühen nicht fruchteten (und ich obendrein von Kollegen auf das Persistieren der störenden Störung hingewiesen worden war). Ich habe diese Beendigung meiner Therapie mithilfe von supervisorischem Beistand damals mit meiner ratlosen Ohnmacht begründet und betont, das habe nichts mit dem Patienten zu tun. Ich denke, ein Abbruch aus „Beziehungsgründen” ist in aller Regel ein Abbruch, weil der Therapeut am Ende ist, und sollte auch damit begründet werden, weil Patienten sich sonst schlecht, schuldig oder gar „untherapierbar” fühlen.
Zur juristisch-moralischen Begründung: Ich habe als Supervisor Kollegen zur Beendigung einer Therapie geraten - mir selbst ist das bis heute erspart geblieben -, wenn diese binnentherapeutisch den Charakter einer sadistischen oder masochistischen Beziehung angenommen hat und eine Reflexion darüber mit dem Patienten nicht möglich war (wenn z. B. Patienten Therapeuten gegenüber beleidigend werden oder sie bedrohen und trotz therapeutischer Arbeit daran nicht davon ablassen). Ich rate auch dazu und würde selbst eine Therapie beenden, wenn Patienten nicht davon Abstand nehmen, andere Menschen ernsthaft existenziell zu bedrohen. Dann sind Wege, deren Leben zu schützen, wichtiger.
PiD: Welche „Beziehungsfallen” sind Ihnen schon häufiger begegnet und wie begegnen Sie diesen? Wie stark thematisieren Sie solche Aspekte oder wie reagieren Sie darauf?
H. Lieb: Der Begriff „Falle” suggeriert ein bewusstes oder unbewusstes unschönes Motiv bei unserem Gegenüber, das nicht benannt werden darf, ohne das darin unterstellte Manöver zu gefährden. Solche „Fallen” können, um in der Metapher zu bleiben, Patienten ebenso wie Therapeuten sich selbst oder dem anderen stellen. Ich finde die Metapher des Fallenstellens aber nicht sehr hilfreich, da sie misstrauisch gegenüber hinterlistigen Absichten macht und dem anderen das eigene Unbehagen an dieser Hypothese zuschreibt. Die Metapherfalle wird dann selbst zur Falle.
Vielleicht geht es im Kern bei Verwendung der Fallenmetapher darum, dass wir uns als Therapeuten von Patienten zu etwas herausgefordert/provoziert fühlen, das wir nicht sein (oder zeigen) möchten - und doch in uns spüren. Dann sollten wir das als Geschenk zur Selbstreflexion annehmen und uns mit dem auseinander setzen, was da in uns selbst schlummert und nicht Patienten als provozierende Fallensteller dafür verantwortlich machen.
Wie aus dieser Falle der Fallenmetapher herausfinden? Ich sehe zwei Lösungen: Erstens sich selbst als Therapeut zu fragen, wozu man sich provoziert fühlt, um daraus wieder neue Fragen oder Interventionen zu gestalten („Nehmen wir an, ich würde so … [wütend, Sie abweisend, in therapeutischer Ohnmacht versinkend …] reagieren, was würden sie dann über mich denken und was dann tun? Wer hat Sie selbst in ihrem Leben schon einmal dazu provoziert und welche Sehnsucht verbinden Sie mit dieser Person?”)
Zweitens: Wir beantworten die Frage, in welcher uns selbst gestellten Falle wir sitzen. Einige Gedanken dazu: Verbietet uns unsere Therapieschule ein bestimmtes Gefühl oder eine Handlung, wozu uns der Patient herausfordert? (Z. B. jemandem einmal einen aktiven Rat zu geben, parteiisch zu sein oder eine Stellungnahme/Meinung zu vertreten? Beispiel: Der „sokratische Dialog” mit einem Patienten soll diesen zu einer bestimmten Erkenntnis bringen, die wir ihm so selbst nicht vortragen dürfen.) Oder wir sitzen in unseren eigenen therapeutenspezifischen narzisstischen Fallen und möchten vom Patienten z. B. eine Anerkennung, die er uns ungefragt nicht gibt, und geben nun ihm die Schuld für unser Missbehagen. Auch unsere Therapieschulen können uns „Fallen” stellen. Die systemische vielleicht: „Arbeite immer kurz, kreativ und musterunterbrechend”, die verhaltenstherapeutische vielleicht: „Halte für jedes Problem eine Diagnose und eine Lösung bereit!” Das Scheitern an solchen Ansprüchen sollten wir dann eher zur Revidierung derer nutzen als dazu, Patienten als uns daran scheitern lassende Fallensteller zu sehen.
J. Kriz: Nach dem bisher Gesagten sind typische „Beziehungsfallen” besonders mit der bedingten (statt der unbedingten) Wertschätzung verbunden: Als Supervisor achte ich z. B. auch darauf, ob ein Therapeut schwärmerisch bewundernd von bestimmten Aspekten seines Patienten berichtet. Dies ist natürlich keineswegs verboten und kann, begründet, sehr hilfreich für die Beziehung und den Prozess sein. Andererseits könnte dies aber auch ein Hinweis darauf sein, dass der Therapeut unbewusst auf das bedingte Beziehungsangebot des Patienten eingeht, ihm nur seine „Schokoladenseiten” zu zeigen oder bestimmte Aspekte in den Vordergrund zu stellen, für die er eben die bedingte Zuwendung des Therapeuten erhält. Dies wäre dann natürlich kontraindiziert und dringend zu klären. Ähnlich kann „viel reden” oder auch „dramatisieren” ein typisches Mittel dafür sein, Erfahrungsprozessen eher aus dem Wege zu gehen. Je bewusster und reflektierter sich ein Therapeut die Frage stellt „Was geschieht eigentlich gerade hier?” bzw. „Wie geht es jemandem, der das sagt, was er sagt?” desto eher kann er „Beziehungsfallen” vermeiden, die ihm scheinbar vom Patienten gestellt werden. Diese sind aber ja nur ein Ausdruck der Biografie des Patienten und damit der gelernten Bedingungen für Wertschätzungen - und dies kann und sollte ein Therapeut dem Patienten auch erfahrbar und verstehbar machen.
R. Holm-Hadulla: Für mich bestehen diese Fallen im Zuspielen von Aktivität, die dann als Dominanz erlebt werden kann. Ich hoffe, ich merke es rechtzeitig!
PiD: Wie erklären Sie sich den hohen Anteil an sexuellen Übergriffen in Therapiebeziehungen? Wodurch lässt sich ein solches Therapeutenverhalten verhindern?
R. Holm-Hadulla: Eigentlich bezweifle ich aufgrund meiner Supervisions- und kollegialen Erfahrung, dass Übergriffe in Therapiebeziehungen häufiger sind als in anderen Abhängigkeitsverhältnissen. Aber in jedem Fall sind sie besonders schwere Vergehen. Sie kommen bei Therapeuten vor, die ihre Arbeit nicht lieben und keine sublimierte generative Potenz haben. Sie lassen sich möglicherweise durch in dieser Hinsicht strengere Zwischen- und Abschlussexamina und kontinuierliche und verpflichtende Inter- bzw. Supervision reduzieren.
J. Kriz: Zu sexuellen Übergriffen in Therapiebeziehungen habe ich eine kurze, klare Meinung: In jedem Falle intolerabel und offensichtlich ein Ausdruck mangelnder Selbsterfahrung des Therapeuten. Natürlich ist es geradezu typisch, dass in einer langen und intensiven Beziehung zwischen Patient und Therapeut auch eine Idealisierung im Sinne des „Verliebens” seitens des Patienten erfolgt. Mit der Bewusstmachung dieses Prozesses und der zugrunde liegenden Wünsche lässt sich aber sehr gut in der Therapie arbeiten. Wenn dann - offensichtlich „bedürftige” - Therapeuten in ähnlicher Weise darauf reagieren, mag dies verständlich sein; es sollte aber zum Mindeststandard einer professionellen Ausbildung gehören, seine Bedürftigkeiten nicht am Patienten auszulassen.
H. Lieb: Ich möchte hierzu einen Gedanken in Form einer Frage beitragen: Aufgrund welcher Annahme über Psychotherapeuten erwarten wir, dass sexueller Missbrauch bei ihnen nicht oder weniger als in anderen Abhängigkeitsbeziehungen vorkommen sollte? Missbrauch von Vertrauensverhältnissen findet in der Kirche, in Schulen, in Arztpraxen statt. Was wäre, wenn wir davon ausgehen, es gebe auch in unseren Reihen kriminelle Personen mit kriminellem Verhalten, und das wäre, wie sonst auch, eine Angelegenheit für die beruflichen Kammern und für Gerichte, die Patienten in Anspruch nehmen können und, darüber aufgeklärt, auch sollen? Vielleicht liegt unsere Überraschung, dass solche Übergriffe auch von Therapeuten stattfinden, darin begründet, dass wir von unserem Berufsstand glauben, er sei fürsorglicher oder moralisch besser als andere. Die Daten über tatsächlichen sexuellen Missbrauch in der Therapie wären dann eine Widerlegung dieses Bildes. Dieser Gedanke schließt nicht aus, diesem Thema in Ausbildung und Supervision einen entsprechenden Raum zu geben, nach Erklärungen dafür zu suchen und sich dem enttabuisiert wie sensibilisierend zuzuwenden - etwa hinsichtlich sexistischen Denkens und Verhaltens noch lange vor einem gelebten sexuellen Missbrauch.
PiD: Welche Probleme ergeben sich in der therapeutischen Beziehung bei Tätertherapien? Welche Probleme bei Therapieauflagen?
R. Holm-Hadulla: Kann ich nur aus der Entfernung beantworten, weil ich keine persönliche Erfahrung in diesem wichtigen Feld habe. Aus meiner Supervisionstätigkeit weiß ich jedoch, dass die Nähe-Distanz-Regulation von großer Bedeutung ist und auch Täter oft zur Idealisierung einladen. Dies kann für unerfahrene Therapeutinnen und Therapeuten zu einer großen Gefahr werden: Das Böse wird leicht in die Außenwelt projiziert, es wird nur noch das traumatisierte Täterkind gesehen, das ja auch ein Opfer ist. Hierbei wird das reale Gewaltpotenzial leicht unerschätzt. Deswegen sind bei Tätertherapien gut funktionierende therapeutische Teams und vertrauenswürdige, qualifizierte und präsente Supervisoren, die man besonders in problematischen Situationen konsultieren kann, von großer Bedeutung. Daneben fällt es in Tätertherapien oft sehr schwer, eine kreative Atmosphäre zu erzeugen, weil Destruktivität gerade das Gegenteil von Kreativität ist. Andererseits ist auch hier die Eröffnung kreativer Spielräume für sprachliche, bildnerische, musikalische und tänzerische Gestaltung (z. B. im break dance) der Beginn einer Neuorientierung.
H. Lieb: Ich bin ebenfalls hierfür kein Experte, kann aber aus meiner supervisorischen und eigenen Erfahrung mit diesem Klientel einige Gedanken beifügen: Probleme in diesen Therapien ergeben sich vor allem, wenn Therapeuten Freiwilligkeit/Eigenmotivation ihrer Patienten als Bedingung für eine gelingende Therapie ansehen oder wenn sie die mit ihrer Therapeutenrolle hier oft verbundene Macht leugnen oder ablehnen (etwa dem Gericht gegenüber zu vertreten, ob ein Patient angemessen in der Therapie mitarbeitet und diese Stellungnahme auch dem Patienten im Therapieprozess mitzuteilen). Ein „Beziehungsproblem” entsteht - und macht vermutlich eine Therapie unmöglich - wenn der Therapeut nicht mehr zwischen der Person und ihrer Handlung trennen kann, wenn die Bewertung der Tat mit der der Person des Täters gleichgesetzt wird. Wenn, aus guten Gründen, eine solche Trennung nicht möglich ist, sollte keine Tätertherapie durchgeführt werden. Freiwilligkeit sollte für zur Therapie gezwungene Täter keine Voraussetzung sein - im Gegenteil: Erzwungene Therapie ist eine besondere Chance für dieses Klientel; eingeforderte Eigenmotivation bei Therapiezwang erzeugt sonst eine paradoxe Situation, die nun selbst zum Problem wird.
J. Kriz: Zu Therapien mit Tätern (im engeren Sinne) habe auch ich selbst praktisch keine Erfahrung. Persönlich bin ich eher froh darüber, dass ich mit Patienten arbeiten kann, die freiwillig zu mir kommen. Ich habe große Achtung und Bewunderung gegenüber jenen Therapeuten, die beispielsweise im Rahmen des Strafvollzuges mit solchen Patienten arbeiten.
PiD: Wie lässt sich „therapeutische Beziehung” lehren?
R. Holm-Hadulla: Neben einer fundierten psychotherapeutischen Ausbildung durch ein lebendiges Interesse am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Therapeutinnen und Therapeuten müssen auch ihre eigenen Ressourcen durch einen kreativen Lebensstil pflegen. Ich bin darauf in dem Buch „Kreativität - Konzept und Lebensstil” (2004b) näher eingegangen. Gelungene therapeutische Beziehungen basieren auf einem souveränen klinischen Wissen, fundierter praktischer Erfahrung und kreativer Offenheit für die Faszination der therapeutischen Begegnung.
J. Kriz: Selbstverständlich ist für eine therapeutische Beziehung durchaus kognitives Wissen, das im Laufe einer Therapeutenausbildung und der folgenden Berufsjahre erworben wird, von Bedeutung. Sehr wichtig ist aber - gerade für Therapierichtungen, die nicht so sehr mit Techniken arbeiten, sondern die Beziehung ins Zentrum stellen, wie der Personzentrierte Ansatz - auch ein „Lernen als Entfaltung”, also eine Entwicklung von nicht kognitiv kontrollierbaren Fähigkeiten. Der von mir bereits angesprochene Unterschied zwischen „echt sein” und „sich echt verhalten” kommt hier zum Tragen. Dies lässt sich m. E. nur durch Selbsterfahrung und Eigentherapie im Laufe der Ausbildung erreichen - wobei beides durchaus im Rahmen sehr unterschiedlicher organisatorischer Formen stattfinden kann.
H. Lieb: Zum einen können in Ausbildung und Supervision die Basisvariablen unserer therapeutischen Arbeit gelehrt und geübt werden: empathisches Verstehen, Paraphrasieren, Auftrags- und Zielklärung, partielle Selbstoffenbarung von Therapeuten als Modell usw. Für ebenso wichtig halte ich es, Therapeuten zu einer „Kontextsensibilität” ihrer Beziehungen zu verhelfen: uns selbst wie Kollegen zu erlauben, von der Illusion einer zweckorientiert möglichen Beziehungsgestaltung Abstand zu nehmen und zu akzeptieren bzw. zu erforschen, dass oder inwiefern wir in unserem Beziehungsverhalten gegenüber Patienten von diesbezüglichen Kontextfaktoren abhängig sind - von unseren eigenen Belastungen, Wünschen, Ängsten und Bedürfnissen als („Privat”)Personen, von den expliziten und impliziten Motiven unserer Berufswahl, von den von außen an uns herangetragenen Erwartungen, von unseren eigenen Projektionen auf Patienten. Wer mit solcher „Erlaubnis” weniger Angst hat, von sich selbst, Kollegen, Ausbildern, Supervisoren nach scheinbar objektiven Gütekriterien einer Beziehung bewertet zu werden, wird zugänglicher für die Erforschung beziehungsorientiert „unerlaubter” Gefühle, Gedanken, Handlungen. Dann ist Selbsterfahrung potenzieller (nicht permanent notwendiger) Teil der Supervision.
Ich habe einmal für eine Supervisoren-Ausbildung eine Übung erfunden, die ich „Beichten” genannt habe: Die Teilnehmer durften (mussten) von „starken Gefühlen” berichten, die sie in ihren Therapien oder Supervisionen Patienten oder Supervisanden gegenüber hatten und von denen sie vor allem glauben, dass sie bei deren Veröffentlichung auf Abwertung bis Verurteilung durch ihre Kollegen stoßen würden. Diese „Beichten” decken immer ein breites Spektrum tabuisierter oder verbotener Gefühle ab: sexuelle Fantasien oder Appetenzen Patienten gegenüber, Hass oder Verachtung, Versagensangst, Rachegefühle aus Ohnmachtspositionen heraus oder als unprofessionell bewertetes Mitfühlen/Mitweinen. Fast jedes Mal gab es hierzu in der Lebensgeschichte des Betroffenen einen Kontext, in dem diese starken Gefühle einer wichtigen Person gegenüber aufgetreten waren, negativ bewertet wurden und so als tabuisierte Gefühle „in den Untergrund” gegangen waren. Nun tauchen sie in der Therapie wieder auf. Sie vor sich und anderen zu verheimlichen angesichts einer für gültig erklärten Kriteriumsliste „guter therapeutischer Beziehungen” wiederholt diesen Tabuisierungsprozess und hilft nicht, sie persönlich zu ergründen, sie aus der Therapiebeziehung herauszuhalten oder deren Auftauchen in der Therapie zu nutzen und Interventionen oder Fragen daraus zu gestalten.
Ohne diese Erlaubnis zur Kontextsensibilisierung laufen wir Gefahr, „seelenlose Therapeuten” zu werden oder solche zu erziehen, die sich nur an Diagnosen, Manualen und äußeren Beziehungskriterien orientieren und darin als lebendige Personen verschwinden. Wir/sie würden dann eine Kraft verlieren, die vorhanden ist oder dann entsteht, wem wir uns öffnen dürfen für unsere ureigenste Art, auf unser Gegenüber in der Therapie zu reagieren.
Abschließend formuliert: Um als Therapeut effektiv für Patienten zu bleiben, sollten wir uns und unseren Kollegen erlauben, „therapiewidrig” narzisstisch, bedürftig, erwartungsüberlastet, neidisch, rachsüchtig, ängstlich oder hilflos zu sein - weil wir in der therapeutischen Beziehung eben auch das sind, was alle sind, die sich in Beziehungen zurechtfinden müssen. Die Akzeptanz, Reflexion und dann evtl. nötige Herausnahme dieser Seiten aus der therapeutischen Beziehung oder auch deren utilisierende patientenorientierte Kultivierung befreit von der vielleicht manchmal übermächtigen Idee, dass wir als Therapeuten es in unserem Leben irgendwie besser auf die Reihe bekommen sollten als andere Berufe.
PiD: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Literatur
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1 Asay T P, Lambert M J.
Empirische Argumente für die allen Therapien gemeinsamen Faktoren: Quantitative Ergebnisse. In: Hubble MA, Duncan BL, Miller SD So wirkt Psychotherapie. Empirische Ergebnisse und praktische Folgerungen. Dortmund; Modernes Lernen 2001 - 2 Beauchamp T L, Childress J F. Principles of biomedical ethics. New York; Oxford 1989
- 3 Holm-Hadulla R M. Die psychotherapeutische Kunst. Göttingen; Vandenhoeck & Ruprecht 1997
- 4 Holm-Hadulla R M. The Art of Counselling and Psychotherapy. London, New York; Karnac Books 2004a
- 5 Holm-Hadulla R M. Kreativität - Konzept und Lebensstil. Göttingen; Vandenhoeck & Ruprecht 2004b
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6 Holm-Hadulla R M.
Therapeutische Beziehung. In: Senf W, Broda M (Hrsg) Lehrbuch der Psychotherapie. Stuttgart; Thieme 2004c - 7 Orlinsky D E, Howard K I. A generic model of psychotherapy. J Integrative Eclectic Psychother. 1987; 6 6-27 , (dt.: Orlinsky DE, Howard KI. Ein allgemeines Psychotherapiemodell. Integrative Therapie 1988; 4: 281 - 308)
- 8 Rogers C R. The necessary and sufficient conditions of therapeutic personality change. J Consult Psychol. 1957; 21 95-103
- 9 Senf W, Broda M (Hrsg). Lehrbuch der Psychotherapie. Stuttgart; Thieme 2004
1 anlässlich des Laboratoriums „Therapeutische Beziehung” im Juni 2004 auf der PiD-Tagung in Baden-Baden
Korrespondenzadresse:
Rainer Holm-Hadulla
Psychotherapie Beratungsstelle
Neue Schlosstraße 42
69117 Heidelberg
Email: rainer.hom-hadulla@urz.uni-heidelberg.de