In aller Regel ist das Ostium und der distale Ureter enger als die handelsüblichen
Ureterorenoskope. Eine gängige Technik ist das Entrierens des Ostiums mit Rotation
des Ureterorenoskops um 180 Grad. Hierdurch wird der schnabelförmig abgerundete Teil
des URS-Spitze in der trigonalen Verlängerung umgekehrt eingeführt und durch die anschließende
Rotation das "Ureterendach“ angehoben werden. Trotzdem ist dies mitunter schwierig
und/oder erfordert zur suffizienten Visualisierung die Nutzung von Spülflüssikeit
mit dem potenziellen Risiko der aszendierenden Dislokation des Konkremenes. Ganz besonders
gilt dies bei Steinen oberhalb der iliakalen Gefäßkreuzung.
Ich habe es mir deshalb mit Ausnahme weniger Situationen wie beispielsweise nach Extraktion
einer früher eingelegten inneren Ureterschiene, die immer einen ausreichend weiten
Ureter zur Folge hat, zur Regel gemacht, alle Ureteren wie nachfolgend beschrieben
primär zu bougieren. Selbst mit dem Wissen, vielleicht in etwa einem Drittel aller
Fälle eine überflüssige Bougierung durchzuführen, erscheint mir das nachfolgend beschriebene
Verfahren insgesamt technisch, zeitlich und aus Sicherheitsgründen als Gewinn.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist, dass bei kleinen oder relativ hoch sitzenden
Steinen nach erfolgter Bougierung das Ureterorenoskop ohne oder nur mit minimalem
Spülstrom bis zum Stein geführt werden kann und so die verfahrenserschwerende Dislokation
des Steines in das Nierenbecken meistens verhindert werden kann.
Das nachfolgend beschriebene Verfahren wird in der Wuppertaler Klinik standardisiert
von allen durchgeführt und hat auch in der Hand des noch Ungeübten eine hohe Erfolgsrate.
Schritt 1
Schritt 1
Urethrozystoskopie mit retrogradem Pyelogramm über einem zentral offenen, in der Spitze
gebogenen Ureterenkatheter (5 Charr. UK) zur Darstellung der Anatomie der ableitenden
Harnwege (es sei denn, es ist eine postoperative ESWL geplant, die durch Kontrastmittelreste
im Hohlsystem sicher erschwert wird).
Schritt 2
Schritt 2
Der im Ostium befindliche (zentral offene) UK wird vorsichtig mit Kochsalz durchgespült,
um die Passage des Gleitdrahtes nicht zu "verkleben“. Anschließend wird ein hydrophiler
Draht an dem Stein vorbei in das Nierenbecken geführt.
Die kostengünstigere Variante eines flexiblen Teflondrahtes hat mehrere potentielle
Nachteile: Kleinere Steine könnten von dem rigiderern Teflondraht nach kranial luxiert
werden. Bei einem okkludierenden Stein ist die Passage mit dem Teflondraht gegenüber
einem hydrophilen Draht oft schwieriger oder im Einzelfall unmöglich und für das Urothel
traumatischer. Die postinterventionelle Anlage einer DJ-Ureterschiene ist über den
hydrophilen Draht (bei ausreichender Anfeuchtung des Drahtes!!) in aller Regel einfacher
als über einen Teflondraht.
Nachteile des hydrophilen Drahtes sind neben den höheren Kosten das "gleitimmanente“
höhere Risiko einer Dislokation des Drahtes. Wenn beispielsweise die über den hydrophilen
Gleitdraht eingeführten Bougies entfernt werden, sollte öfter kurz durchleuchtet werden,
da man sehr schnell den Draht mit dem Bougie disloziert hat.
Ich nehme deshalb zum Halten des hydrophilen Drahtes und insbesondere beim gegenläufigen
Ein- und Ausfädeln auf bzw. vom Gleitdraht immer ein Klemmchen (Moskito) zum Halten
des hydrophilen Gleitdrahtes, da die Finger ein Gleiten des Drahtes nicht bemerken
bzw. verhindern. Zudem kann das gleiche Klemmchen (Moskito) verwandt werden, um den
Gleitdraht am Abdecktuch zu fixieren (Abb. [1]).
Abb. 1 Der hydrophile Gleitdraht wird nach erfolgter Bougierung transurethral ausgeleitet
und mit dem zuvor als Halteinstrument genutzten Klemmchen (Moskoito) am Abdecktuch
fixiert (a). Die anschließende URS erfolgt nicht über, sondern neben dem Gleitdraht.
Dadurch kann bei der Entrierung des Gerätes in das Ostium das (bougierte) Ureterendach
durch den hydrophilen Draht nach oben gestreckt werden (b) und das Ureterorenoskop
kann in aller Regel ohne Rotation um 180 Grad einfach eingeführt werden.
Abb. 2 Ureterdilatator-Set (Wiener-Modell), Fa. Rüsch Cat. No. 34 10 01.
Abb. 3 Über den hydrophilen Gleitdraht (a) werden die Ureterbougies ("Wiener Modell“)
unter Durchleuchtung eingeführt (b, c). Der 10 Charriere-Bougie kann noch durch den
Arbeitskanal eines 23 Charriere-Zystoskopes geführt werden. Eine Bougierung mit größeren
Dilatatoren ist fast nie notwendig - sollte dann aber über den "entkernten“ Schaft
des Zystoskops erfolgen, um ein Widerlager zu haben und einen orthograden Bougierungsdruck
in den Ureter hinein zu erzielen.
Schritt 3
Schritt 3
Über den hydrophilen Gleitdraht werden lange, flexible Dilatatoren (Abb. [2]) in aufsteigender Charrière-Stärke unter simultaner Durchleuchtung in den Ureter
bzw. bis zum Stein geführt (Abb. [3]). Diese wiederverwendbaren Bougies sind silikonbeschichtet, ausreichend flexibel
und verursachen fast nie endoskopisch störende Blutungen oder Urothelveränderungen,
da die konische Spitze durch den zentralen Führungsdraht atraumatisch geführt wird.
Üblicherweise verwenden wir bei "normalen“ Ureterorenoskopien ausschließlich die 8-
und 10 Charr.-Stärken, die beide durch den Arbeitskanal des Zystoskopes eingeführt
werden können.
Schritt 4
Schritt 4
Nach Einführung des 10 Charr.-Bougies wird das Zystoskop demontiert und schrittweise
entfernt, so dass sowohl der Führungsdraht als auch der 10-Charr.- Bougie in situ
verbleiben. Dadurch kann in der Zeit bis zur Komplettierung der URS-Montage (z.B.
Konnektierung der Zu- und Ablaufschläuche, Umsetzung der Videokamera auf die URS-Optik....)
die Zwischenzeit zur fortgesetzten Ureterbougierung genutzt werden.
Schritt 5
Schritt 5
Vor Einführung des Ureterorenoskopes wird der verbliebene 10 Charr.-Dilatator über
den hydrophilen Gleitdraht entfernt, so dass der hydrophile Gleitdraht als Leitstruktur
und Sicherheitsmandrin im Nierenbecken verbleibt. Der Gleit- bzw. Führungsdraht wird
mit einem Moskitoklemmchen an den sterilen Abdecktüchern fixiert (Abb. [3]). Das Ureterorenoskop wird nicht über, sondern neben dem Gleit- bzw. Führungsdraht
zum Ostium vorgeführt.
Dadurch ergeben sich mehrere Vorteile: Der Führungsdraht kann am Ostium unterfahren
werden und hält somit das Ureterendach offen. Man erhält sich am Ureterorenoskop beide
Arbeitskanäle frei. Bei mehrfachem Ausführen des Ureterorenoskops beispielsweise bei
erfolgter Lithotripsie zur sukzessiven Fragmentextraktion kann dies ohne aufwändige
Sicherung bzw. ein- und ausfädeln des Gleitdrahtes durch das URS-Gerät erfolgen.
Der neben dem URS auch als Wegesicherung liegende Gleitdraht muss lediglich intermittierend
per Durchleuchtung korrekt im Nierenbecken positioniert gehalten oder bei Dislokation
durch die nach distal gerichtete URS-Extraktion per Gegenbewegung in Position gehalten
werden.
Im Falle eines schwierigen operativen Situation (z.B. Blutung, Perforation, traumatische
Lithotripsie, Steinextraktion in toto bei großem Stein) kann das URS-Gerät komplett
entfernt werden und über den parallel liegenden Gleitdraht kann immer eine endoskopische
Orientierung bzw. Schienenanlage erfolgen.
Schritt 6
Schritt 6
Über den liegenden hydrophilen Draht wird im Bedarfsfall eine Ureterschiene eingelegt.
Entweder erfolgt dies zeitlich vorteilhaft direkt über den Draht ohne zystoskopische
Sicherung, was insbesondere bei Frauen oft möglich ist. Bei allen schwierigen Situationen
bevorzuge ich allerdings die zystoskopisch kontrollierte Schienenanlage.
Das Durchführen des hydrophilen Gleitdrahtes durch den Arbeitskanal des Zystoskops
muss deshalb umgekehrt (retrograd) von der Spitze aus erfolgen. Hierzu wird der Pusher
der Ureterschiene vom Ende aus über den Arbeitskanal vorgeschoben und nach Austritt
aus der Zystoskopspitze als Führungshülse genutzt, über den der Gleitdraht von der
Zystoskopspitze aus geleitet rückgeführt wird. Nach Entfernung des Pushers kann dann
regulär über den zystoskopisch ausgeleiteten Führungsdraht eine Ureterschiene eingelegt
werden.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Ein mögliches Gegenargument, das gegen die dargestellte regelhafte Ureterbougierung
bei der Ureterorenoskopie spricht, ist der Kostenfaktor aufgrund des (optionalen)
Kontrastmittels, dem zentral offenen Ureterenkatheter und dem hydrophilen Führungsdraht.
Die Bougies (Ureterdilatatoren) sind resterilisierbar.
Meiner persönlichen Ansicht nach stehen die (relativ geringen) Mehrkosten von 20-30
Euro in einem angemessenen Verhältnis zur eingesparten Operationszeit. In einer großen
Ausbildungsklinik wie in Wuppertal sollte auch der Faktor der Patientensicherheit
erwähnt werden, da in Wuppertal die Assistenten bereits im 2. und 3. Ausbildungsjahr
Ureterorenoskopien durchführen.
Prof. Stephan Roth, Wuppertal