Untere Nierenkelchsteine repräsentieren ca. 60% aller Steine des oberen Harntraktes.
Die Indikation zur Therapie ergibt sich bei symptomatischen Kelchsteinen infolge Schmerzen,
Infekt oder Hämaturie, aus Gründen der vollständigen Steinfreiheit bei Infektsteinleiden,
bei nachgewiesenem Größenwachstums des Steins und grundsätzlich aus der Beobachtung
heraus, dass Harnsteinträger ein höheres Risiko zur Entwicklung einer arteriellen
Hypertonie besitzen. Eine komplette Sanierung von unteren Nierenkelchsteinen, insbesondere
in Anbetracht der modernen endourologischen Interventionsmöglichkeiten, sollte angestrebt
werden. Untere Nierenkelchsteine können entweder als primärer Harnstein oder als residualer
Stein nach extrakorporalen Stoß- wellenlithotripsie (ESWL) anderweitig lokalisierter
Kelchsteine auftreten. Im Gegensatz zu den oberen Nierenkelchsteinen und Nierenbeckensteinen
ist die Therapie des unteren Nierenkelchsteins wegen der besonderen anatomischen Verhältnisse
besonders schwierig und wird anhaltend kontrovers diskutiert.
Prinzipiell kommen als Behandlungsalternativen die ESWL, die retrograde flexible Ureterorenoskopie
und die minimalinvasive perkutane Nephrolitholapaxie (Mini-PCNL) infrage.
Die Guidelines der European Association of Urology (EAU) empfehlen zur Therapie des
unteren Nierenkelchsteins je nach Größe die ESWL oder die PCNL Einschränkend muss
hier jedoch angemerkt werden, dass diese Guidelines zu einer Zeit erstellt wurden,
als Berichte zur Mini-PNL des unteren Nierenkelchsteins nur vereinzelt publiziert
wurden. Für die ESWL sprechen die geringe Morbidität des Verfahrens, die universelle
Anwendbarkeit und die akzeptablen Steinfreiheitsraten von ca. 60%. Die ungünstigen
Steinfreiheitsraten sind auf die ungünstigen anatomischen Verhältnisse mit oftmals
engem Kelchhals zurückzuführen, die einen Abgang der Desintegrate nach ESWL unmöglich
machen können. Ein weiterer Nachteil der ESWL ist die höhere Wiederbehandlungsrate
gegenüber allen anderen Behandlungsalternativen.
Ist die flexible retrograde Ureterorenoskopie überholt?
Ist die flexible retrograde Ureterorenoskopie überholt?
Als Behandlungsalternative zur Therapie des unteren Nierenkelchsteins wurde in den
letzten Jahren die flexible retrograde URS vorgeschlagen. Die technischen Neuerungen
durch weitere Miniaturisierung des Instrumentars, die größere Flexion des Instrumentes
sowie die Entwicklung von flexiblen Endoskopen mit zwei aktiv flektierbaren Krümmungen
hat dazu geführt, dass technisch die Inspektion des unteren Nierenkelches unproblematisch
ist. Allerdings stößt die flexible retrograde Ureterorenoskopie (URS) bei der Extraktion
von größeren Steinmassen an ihre Grenzen, da einerseits nur Fragmente mit einem Durchmesser
bis 5 mm extrahiert werden können und andererseits multiple Extraktionen die Gefahr
der Ureterläsion bergen und einen erheblichen Zeitbedarf bedeuten. Außerdem erfordert
die flexible URS in jedem Fall eine Laserlithotripsie, da andernfalls die gute Flexion
der Instrumente nicht ausgenutzt werden kann.
Für die Mini-PCNL sprechen die deutlich günstigeren Steinfreiheitsraten, die akzeptable
Behandlungsdauer und die geringe Morbidität des Verfahrens.
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Neue Alternative: Mini PCNL
Neue Alternative: Mini PCNL
Eine Erfolg versprechende Alternative zur Therapie des unteren Nierenkelchsteins besteht
in der minimalinvasiven perkutanen Nephrolitholapaxie (Mini-PCNL). Bei diesem neuen
Verfahren erfolgt die sonografisch und radiologisch flankierte gezielte Punktion des
unteren Nierenkelches. Da eine exakte Punktion des unteren Nierenkelches für den Operationserfolg
unerlässlich ist, hat sich die Einlage eines Ballonureterenkatheters bewährt, über
den ein Methylenblau/ Kontrastmittel-Gemisch appliziert werden kann. Der Punktionskanal
wird ähnlich der Technik der konventionellen PCNL bougiert. Allerdings erfolgt in
der Regel nur ein einziger Bougierungsvorgang (sog. single-step- dilation“), bei dem
anschließend ein 15 Char. Amplatz-Schaft eingelegt wird. Über diesen minimal-invasiven
Zugang erfolgt unter Verwendung eines speziellen 12 Char. Mini-Nephroskops die Desintegration
des unteren Nierenkelchsteins. Dazu stehen Ultraschall-, ballistische und Laserlithotripsie
zur Verfügung. Die Extraktion der Fragmente erfolgt unter Sicht mittels tipless Basket
oder Fasszange. Ziel der Desintegation ist die Erzeugung von 4-5 mm großen Fragmenten,
die eine Minimierung der Operationsdauer ermöglichen. Bedarfsweise wird postoperativ
eine 12 Char. Ballonnephrostomie eingelegt, die auch eine second-look PCNL zur Extraktion
verbliebender Residualfragmente erlaubt. Sowohl beim Primäreingriff als auch bei der
second-look PCNL können flexible Nephroskope zum Einsatz kommen, die eine Inspektion
der übrigen Nierenkelche und die antegrade Ureteroskopie zur Extraktion von Restfragmenten
erlauben.
Vielversprechende Ergebnisse
Vielversprechende Ergebnisse
Im Gegensatz zur ESWL wird mit der Mini-PCNL eine hohe Steinfreiheitsrate von bis
zu 98% erzielt. Die Steinfreiheit wird dabei neben der radiologischen Untersuchung
endoskopisch verifiziert, was insbesondere bei Infektsteinen zur Verhinderung von
Rezidiven von großem Vorteil ist. Die Komplikationsrate der Mini-PCNL ist mit einer
Häufigkeit von 3% für fieberhafte Harnwegsinfekte und einer Transfusionsrate von 1%
gering. Ernste Komplikationen (z. B. Nierenverlust) traten bisher nicht auf. Die Operationszeit
ist abhängig von der Größe des unteren Nierenkelchsteins und liegt zwschen 90 und
160 min. Die eigenen Ergebnisse bei bisher 98 Patienten übertreffen mit 98% die bisher
publizierten Steinfreiheitsraten der kleineren Serien. Auch wurde die niedrige Komplikationsrate
mit 3% fieberhaften Harnwegsinfekten und 1% Transfusion bestätigt. Die mittlere Operationszeit
betrug inklusive der retrograden Einlage eines Ballonureterenkatheters 90,7 min. Die
mittlere Wiederbehandlungsrate betrug 0,7.
Entscheidend für die Beurteilung der Effektivität der Mini-PCNL ist, dass sie keine
Alternative zur konventionellen perkutanen Nephrolitholapaxie (PCNL) darstellt. Die
Mini-PCNL ist als Behandlungsalternative zur ESWL des unteren Nierenkelchsteines zu
sehen. Die technische Durchführung ist zwar der konventionellen PCNL angelehnt - Indikationsstellung
und Behandlungserfolg sind jedoch ausschließlich im Hinblick auf Nierenkelch-/ -beckenkonkremente
mit einem Durchmesser bis max. 20 mm als Alternative zur ESWL zu sehen.
Mini-PCNL - sicher und wirksam
Mini-PCNL - sicher und wirksam
Zusammengefasst sprechen alle Erfahrungen mit der Mini-PCNL dafür, dieses Verfahren
bei unteren Nierenkelchsteinen mit einem Durchmesser von 5 bis 20 mm als primäres
Verfahren einzusetzen. Für die Mini-PCNL sprechen die deutlich günstigeren Steinfreiheitsraten,
die akzeptable Behandlungsdauer und die geringe Morbidität des Verfahrens. Darüber
hinaus stellt die Mini-PCNL gerade im Zeitalter des pauschalierten Entgeltsystems
eine kosteneffektive Behandlungsmodalität dar. Allerdings sind die Erfahrungen mit
der MiniPCNL bisher nur auf wenige Zentren beschränkt und eine Berücksichtigung dieser
Methode in den nationalen und internationalen Guidelines zur Therapie der Urolithiasis
steht noch aus. Auch wenn alle bisher vorliegenden klinischen Daten für die Mini-PCNL
als Primärtherapie zumindest des großen unteren Nierenkelchsteins sprechen, wird die
endgültige Bewertung erst nach Durchführung einer prospektiven, randomisierten Studie
im Vergleich zur ESWL als bisheriger Goldstandard vorzunehmen sein. Bis dahin ist
die Mini-PCNL bei großen unteren Nierenkelchsteinen nach entsprechender Aufklärung
des Patienten als zuverlässige, zeit- und kosteneffektive individuelle Behandlungsalternative
zur ESWL anzubieten.
Literatur beim Autor