Der Klinikarzt 2004; 33(1/02): 25-28
DOI: 10.1055/s-2004-819025
In diesem Monat

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zehn Jahre MRSA-Erfahrung an einem Großklinikum - Konsequentes Hygiene-management zahlt sich aus

A Ten-year Experience with MRSA in Hospital - Consequent Infection Control Policy Pays offR. Ziegler1 , A. Geis1 , H.-M. Just1
  • 1Institut für Klinikhygiene, Medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie, Klinikum Nürnberg (Leitender Arzt: PD. Dr. H.-M. Just)
Further Information
#

Anschrift für die Verfasser

Dr. Renate Ziegler

Institut für Klinikhygiene

Medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie, Klinikum Nürnberg

Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1

90419 Nürnberg

Publication History

Publication Date:
16 February 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Seit 1991 werden im Klinikum Nürnberg kontinuierlich sämtliche Patienten, bei denen ein methicillinresistenter Staphylococcus aureus (MRSA) während ihres Klinikaufenthaltes nachgewiesen wurde, in einer Datenbank erfasst. Ausgangssituation war eine relativ hohe MRSA-Inzidenz von 1,2 %, die über fünf Jahre auf 0,2 % abgesenkt und über drei Jahre auf niedrigem Niveau gehalten werden konnte. Ein erneuter Anstieg auf 0,7 % geht inzwischen wieder zurück. Während die Ursachen für die hohe Ausgangsinzidenz ungeklärt blieben, wird der kontinuierliche Rückgang auf ein konsequentes Hygienemanagement mit intensiver Vorort-Betreuung durch hygienisches Fachpersonal inklusive der engen Kooperation mit dem mikrobiologischen Labor zurückgeführt. Etwa die Hälfte aller MRSA-Fälle waren Intensivpatienten. Jedoch wurden nur etwa 8 % dieser MRSA-Patienten von anderen Einrichtungen zugewiesen. Ungefähr 80 % der bei Aufnahme MRSA-positiven Patienten waren aber in den vorangegangenen sechs Monaten stationär behandelt worden. In Risikobereichen werden 40 % der MRSA-Patienten nur durch ein Aufnahme-Screening identifiziert.

#

Summary

Since 1991 all patients of our clinic in Nürnberg with proven MRSA-colonisation or MRSA-infection during their hospital-admission were documented and stored in a database. A high MRSA incidence could be reduced from 1,2 to 0,2 % over a period of five years and could be maintained at a low level for more than three years.

A following new increase up to 0,7 % lasted for three years and is currently declining. While the reason for the high initial incidence remained unclear, the continuing decrease was due to a consequent infection control policy by infection control personnel in close cooperation with the responsible clinicians and the microbiology laboratory. Patients out of intensive care units represented approximately 50 % of all MRSA-patients. Different evaluations showed, that 80 % of the patients positive for MRSA on admission had been hospitalized within the past six months. Only about 8 % of all MRSA-patients had been admitted to the hospital without previous inpatient history. On intensive care units 40 % of the MRSA-patients were only detected by screening at admission.

Die Methicillinresistenz (bzw. die Oxacillinresistenz, in Deutschland wird nicht Methicillin sondern Oxacillin getestet) von Staphylococcus aureus (MRSA) gewinnt weltweit immer stärker an Bedeutung. Damit ist die Therapierbarkeit des häufigsten nosokomialen Infektionserregers infrage gestellt. Vor allem die ausgeprägte Neigung von MRSA zu epidemischer Verbreitung in klinischen Einrichtungen hat sich als epidemiologisch bedeutsam erwiesen. Die im Rahmen der EARSS[1] erhobenen Resistenzdaten von Staphylococcus aureus aus Blutkulturen zeigen eine deutlich unterschiedliche Verteilung innerhalb Europas. Es existiert ein klares Nord-Süd-Gefälle: Während die Oxacillinresistenz in den Niederlanden und in Skandinavien mit weniger als 3 % relativ gering ist, werden in Südeuropa Resistenzraten von mehr als 30 % erreicht [1].

Auch in Deutschland ist ein genereller, stetiger Anstieg resistenter Staphylococcus-aureus-Stämme festzustellen: 1990 waren es noch unter 3 %, 1995 schon 12,9 % und im Jahr 2001 betrug der MRSA-Anteil bereits 20,7 % - auf Intensivstationen sogar bis zu 25,6 % -, jeweils bezogen auf die im Labor angezüchteten Isolate [6].

Im Gegensatz zur von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) publizierten Rate von 3 % (1990) fanden sich am Klinikum Nürnberg - einer Klinik der Maximalversorgung mit 2500 Betten in 36 verschiedenen Fachkliniken (davon 173 Betten auf Intensivstationen) - in 13 Kliniken MRSA-Raten von deutlich über 5 % [6]. Nach einer Datenbereinigung, in der sichergestellt wurde, dass jeder MRSA-Patient nur einmal in die Statistik einging, zeigte sich, dass in sieben Kliniken (damals ein Viertel aller bettenführenden Abteilungen) epidemiologisch ein echtes MRSA-Problem bestand [8]. Die Resistenzrate von Staphylococcus-aureus-Laborisolaten gegen Oxacillin ist jedoch gerade bei einer mangelhaften Datenbereinigung keine valide Messgröße, um die MRSA-Häufigkeit zu definieren. Dies hat uns veranlasst, die Inzidenz - also die Anzahl der neu diagnostizierten MRSA-Patienten bezogen auf die Gesamtzahl der im Klinikum behandelten Patienten - als Vergleichgröße zu bestimmen.

Seit 1991 haben wir in unserem Institut kontinuierlich sämtliche Patienten, bei denen während ihres Klinikaufenthaltes ein MRSA nachgewiesen wurde, in einer Datenbank erfasst. Abbildung 1 zeigt den Verlauf der MRSA-Inzidenzen im Zeitraum von 1991-2002. Die höchsten Inzidenzen betrafen die Jahre 1991 und 1992. Als Konsequenz daraus wurden Hygieneempfehlungen für MRSA-Patienten auf der Basis publizierter Richtlinien erarbeitet und schrittweise umgesetzt [11]. Zentrale Bestandteile waren Empfehlungen für eine konsequente Isolierung aller MRSA-Patienten, Dekontaminationsmaßnahmen bei besiedelten Patienten und in erster Linie die strikte Beachtung der Händehygiene. Daraufhin ging die Inzidenz bis 1996 kontinuierlich auf 0,20 % zurück und blieb bis 1998 nahezu konstant (0,19 %). Im Jahr 1999 folgte ein plötzlicher Wiederanstieg auf 0,6 %, der trotz intensiver Hygienebemühungen erst seit 2002 wieder rückläufig ist.

#

Die Ergebnisse im Detail

Da auf die 173 Intensivbetten (7 % aller Betten) knapp die Hälfte aller MRSA-Patienten entfallen, wurden weiter gehende Maßnahmen (Screening, Surveillance) schwerpunktmäßig auf diese Intensivstationen konzentriert.

Seit gut acht Jahren wird auf einer chirurgisch-anästhesiologischen Intensivstation nicht nur kontinuierlich die MRSA-Inzidenz erfasst, auch ein routinemäßiges Aufnahme-Screening wird hier durchgeführt. Die MRSA-Inzidenz auf dieser Intensivstation verlief über die Jahre ähnlich wie die im Gesamtklinikum und lag zwischen 2,2 und 8,9 %. Durchschnittlich war etwa ein Drittel der Patienten bereits bei ihrer Aufnahme MRSA-positiv, die übrigen Patienten erwarben den resistenten Stamm während ihres Aufenthalts auf der Intensivstation. Dieses Verhältnis hing von der MRSA-Inzidenz ab: Je größer diese war, umso höher war auch der Anteil der erworbenen MRSA-Fälle.

97 % aller Patienten werden aus anderen Abteilungen auf die Intensivstation verlegt. Um zu klären, woher die MRSA-Patienten kamen, wurde über zwei Monate ein Aufnahme-Screening auf den zuweisenden chirurgischen Stationen durchgeführt. Demnach wurden nur 8 % der MRSA-Patienten von externen Einrichtungen in die Klinik eingewiesen, ein Drittel stammte aus anderen Stationen des Klinikums Nürnberg, und ungefähr 50 % der Patienten erwarben den MRSA-Stamm in der chirurgischen Klinik. Ein auf Wunsch des Personals zeitweilig durchgeführtes Mitarbeiterscreening auf dieser Station hat keinen MRSA-Träger nachweisen können.

Im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie auf einer nephrologischen Intensivstation mit hoher MRSA-Inzidenz, die mit Unterstützung des Robert-Koch-Instituts (RKI) durchgeführt wurde, zeigte sich, dass 40 % der MRSA-Patienten nur durch ein routinemäßig durchgeführtes Aufnahme-Screening erkannt wurden (Publikation in Vorbereitung). Die Analyse von 138 MRSA-Patienten aus vier Jahren ergab zudem, dass durchschnittlich 83 % in den vorangegangenen sechs Monaten stationär behandelt worden waren.

#

Infektion oder nur Kolonisation?

Oft ist es nicht einfach zu bestimmen, ob ein MRSA-Nachweis als Infektionserreger oder lediglich als Kolonisationskeim einzustufen ist. In einer Anfang der 90er Jahre durchgeführten retrospektiven Untersuchung von über 200 MRSA-Patienten an unserem Klinikum wurden nach den Definitionen der „Centers of Disease Control” (CDC) 75 % der MRSA-Nachweise als infektionsrelevant eingestuft. Lediglich 25 % der Nachweise galten somit als Kolonisation [8].

Im Rahmen der seit 1997 durchgeführten Erfassung nosokomialer Infektionen nach KISS („Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System”) werden auf Intensivstationen beatmungsassoziierte Pneumonien, katheterassoziierte Sepsis-Fälle und katheterassoziierte Harnwegsinfektionen erfasst [3] [9]. Dazu finden regelmäßig (zweimal wöchentlich) infektiologische Visiten statt, in denen Fachärzte der jeweiligen Klinik und unseres Instituts für Krankenhaushygiene, Medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie nosokomiale Infektionen erfassen und Antibiotikatherapien besprechen.

Laut den KISS-Daten hat in den Jahren 2000 und 2001 im Vergleich zu 1998 auf unserer chirurgisch-anästhesiologischen Intensivstation nicht nur die MRSA-Inzidenz zugenommen, die multiresistenten Stämme haben auch als Erreger nosokomialer Infektionen an Bedeutung gewonnen. Im Gegensatz zu 9 % in 1998 entwickelten 2001 25 % aller MRSA-Patienten eine als nosokomial eingestufte MRSA-Infektion. Am deutlichsten war die Zunahme von MRSA als Erreger nosokomialer Pneumonien von 14,8 % im Jahr 1997 auf 70 % im Jahr 2001. Bei den katheterassoziierten Sepsis-Fällen war mit 45,5 % der Anteil von MRSA im Jahr 2001 am höchsten. Dagegen machten bei den im Rahmen von KISS erfassten Wundinfektionen bei chirurgischen Patienten MRSA nur 2,8 % aller Keimnachweise aus.

#

Letalität

Die Letalität bei Patienten ohne MRSA auf der chirurgisch-anästhesiologischen Intensivstation war in den letzten vier Jahren mit durchschnittlich 3,5 % konstant. Im selben Zeitraum verstarben jedoch 35 % aller MRSA-positiven Patienten (Infektion und Besiedelung). Die Letalität der mit MRSA besiedelten Patienten war mit 31 % signifikant niedriger als die der mit MRSA infizierten Patienten mit 43 %.

Bei nosokomialen beatmungsassoziierten Pneumonien betrug die Letalität bei MRSA-Nachweis 50 %, waren andere Infektionserreger nachgewiesen worden, verstarben „lediglich” 23 % - ebenfalls ein signifikanter Unterschied. Keine Signifikanz konnte dagegen bezüglich der Letalität von Zentralvenenkatheter assoziierten Sepsisfällen nachgewiesen werden: Mit MRSA-Nachweis betrug die Letalität in diesen Fällen 29 %, ohne MRSA-Nachweis 24 %.

#

Liegedauer

Die durchschnittliche Liegedauer von MRSA-negativen Patienten betrug auf der chirurgisch-anästhesiologischen Intensivstation vier Tage, die von MRSA-Patienten 15 Tage. Auf der nephrologischen Intensivstation war das Verhältnis 7 zu 24 Tage. Die durchschnittliche Liegedauer von MRSA-Patienten bis zum Erwerb von MRSA betrug sechs bzw. sieben Tage auf beiden Stationen. Weder das Alter eines Patienten noch die Dauer des stationären Aufenthaltes bis zum Erwerb von MRSA war als Risikofaktor zu belegen. Resistente Staphylococcus-aureus-Stämme haben damit nicht nur einen Einfluss auf die Letalität der Patienten, in den meisten Fällen führen sie vor allem zu einem verlängerten Krankenhausaufenthalt. Dies wiederum schlägt sich natürlich direkt auf die Kostensituation nieder [10].

#

Übertragung

Um die Frage nach einer möglichen Übertragung von MRSA zu beantworten, wurden im Laufe der Jahre verschiedene molekularbiologische Untersuchungen zur Typisierung von MRSA-Stämmen durchgeführt. Die ersten Ergebnisse aus einer Phagentypisierung hat für die Jahre 1990 und 1991 ergeben, dass 71 % aller MRSA-Stämme zwei Klonen zuzuordnen waren - dem Typ ZP-2, der dem späteren „süddeutschen Epidemietyp” entspricht, und dem Typ III.

Auf der chirurgisch-anästhesiologischen und der nephrologischen Intensivstation war der Anteil des TYP ZP-2 knapp 50 %. Interessanterweise spielte der so genannte „Süddeutsche Epidemiestamm” in der Hautklinik, ebenfalls eine Abteilung mit vielen MRSA-Patienten, eher eine untergeordnete Rolle. Hier stellte zu dieser Zeit der Typ III 73 % aller Isolate. Stämme des süddeutschen Epidemietyps neigen offensichtlich zu einer langen Persistenz und konnten demzufolge vom Nationalen Referenzzentrum für Staphylokokken-Lysotypie bei zahlreichen Kliniken über viele Jahre nachgewiesen werden [7].

Im Zeitraum 2001 bis August 2003 hatten 113 Patienten, bei denen der MRSA-Erstnachweis in unserem Klinikum während eines zurückliegenden Aufenthaltes erfolgt war, bei Wiederaufnahme in unserem Klinikum erneut einen positiven MRSA-Befund. Die durchschnittliche Besiedelung dieser Patienten betrug 433 Tage, bei einem dieser Patienten lag der MRSA-Erstnachweis sogar 1624 Tage zurück. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass keine Daten zu eventuellen zwischenzeitlichen Aufenthalten der Patienten in anderen medizinischen Einrichtungen vorliegen. Auch eine Untersuchung auf eine genetische Übereinstimmung der MRSA-Erst- und -Folgeisolate konnte nicht vorgenommen werden.

Im Laufe der letzten Jahre haben wir mithilfe einer Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE) in unserem Labor festgestellt, dass in Risikobereichen drei bis vier unterschiedliche Klone vorherrschen. Doch auch mithilfe dieses Testsystems ist der eindeutige Beweis nosokomialer MRSA-Übertragungen nicht immer mit Sicherheit möglich: Untersuchungen im Nationalen Referenzlaboratorium für Staphylokokken (RKI-Wernigerode) haben im Rahmen der im Jahr 2000 durchgeführten Kohortenstudie ergeben, dass der vorherrschende MRSA-Stamm auf der betroffenen Intensivstation dem Rhein-Hessen-Epidemiestamm entspricht, der in der Pulsfeldgelelektrophorese eine erhebliche Variabilität infolge einer genomischen Instabilität aufweist.

#

Diskussion

Den signifikanten Rückgang der MRSA-Inzidenz von 1,2 auf 0,2 % innerhalb von fünf Jahren (1992-1996) sehen wir als Ergebnis intensivster gemeinsamer Aktivitäten zwischen den Hygienemitarbeitern unseres Instituts in Kooperation mit dem mikrobiologischen Labor und den Mitarbeitern auf den Stationen an. Primär bestand das festgelegte Hygienemanagement aus klaren Vorgaben für die Händedesinfektion, den Isolierungsmaßnahmen für MRSA- und Kontaktpatienten, vor allem aber auch aus Vorgaben für die Kittelpflege, Mund-Nasenschutz, Handschuhe für alle mit der Betreuung der MRSA-Patienten befassten Personen und einer zweimal täglichen Desinfektion der patientennahen Flächen und des Fußbodens. Da die Händedesinfektion als wichtigste Maßnahme gilt, wurde auf Intensivstationen eine ausreichende Anzahl an Händedesinfektionsmittel-Spendern bettnah installiert. Welchen Anteil jede einzelne Maßnahme am Gesamterfolg hatte, ist jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen.

Besonderes Augenmerk wurde zudem auf die Isolierung gelegt - die im Normalfall entweder als Einzel- oder Kohortenisolierung erfolgte. In Ausnahmefällen war es jedoch notwendig, einen intensivpflichtigen MRSA-Patienten in einem Mehrbettzimmer mit MRSA-negativen Patienten zu belassen. In solchen Fällen erfolgte eine „Einzelplatzisolierung”, ohne dass dies zu einer erkennbaren Zunahme der Inzidenz geführt hat. Kontaktpersonen wurden gescreent und nach Möglichkeit bis zum negativen Ergebnis isoliert.

Entsprechend den internationalen Empfehlungen wurden MRSA-positive Patienten Ganzkörperwaschungen unterzogen und lokal über fünf bis sieben Tage mit Mupirocin-Nasensalbe behandelt, sofern eine Besiedlung des Atemtrakts vorlag. Bei Intensivpatienten erwiesen sich diese Ganzkörperwaschungen jedoch als schwierig durchzuführen, sie können in ihrer Effizienz daher nicht eindeutig beurteilt werden. Vorteilhaft wirkte sich aus, dass Mikrobiologie (Diagnostik) und Hygiene (Prävention) in unserem Institut zusammengefasst sind. Denn damit ist eine schnelle Befundübermittlung mit unmittelbarer Hygieneberatung vor Ort garantiert. Die regelmäßigen mikrobiologisch-infektiologischen Visiten haben nicht nur die Kooperation zwischen unserem Institut und den betroffenen Kliniken deutlich intensiviert, sondern insbesondere im intensivmedizinischen Bereich zu einem kritischeren Umgang mit Antibiotika beigetragen.

Ein routinemäßiges Screening aller im Klinikum aufgenommenen Patienten, wie es beispielsweise in den Niederlanden durchgeführt wird, halten wir aus Kosten- und Effizienzgründen für derzeit nicht gerechtfertigt [10]. Allerdings belegen unsere Ergebnisse (40 % unerkannte MRSA-Träger auf einer Intensivstation mit hoher MRSA-Inzidenz und die Tatsache, dass 80 % der zuverlegten MRSA-Patienten in den zurückliegenden sechs Monaten stationär behandelt worden waren), wie wichtig es ist, in bestimmten Risikobereichen bzw. bei bestimmten Risikopatienten ein solches Screening als epidemiologische Präventivmaßnahme durchzuführen.

Seit den 90er Jahren gibt es in der Literatur immer häufiger Berichte über das Auftreten von MRSA außerhalb von Krankenhäusern [2] [4]. Diese Isolate sind oft nur gegen Oxacillin resistent, gegen relativ viele andere Nicht-Betalaktam-Antibiotika, die prinzipiell bei Staphylococcus aureus eingesetzt werden können, sind diese Stämme jedoch sensibel. Somit unterscheiden sie sich von den in Krankenhäusern hauptsächlich anzutreffenden „multiresistenten” Stämmen.

Über 90 % der im Klinikum Nürnberg isolierten MRSA-Stämme gehören jedoch zu diesen multiresistenten Stämmen. Wir gehen davon aus, dass medikotechnische Maßnahmen in Diagnostik und Therapie und auch inadäquate Antibiotikagaben das Auftreten von MRSA bei Krankenhauspatienten begünstigt. Dies belegen zum einen die Ergebnisse des Aufnahme-Screenings auf einzelnen Stationen. Zudem waren bis zu 80 % der MRSA-Patienten bereits in den letzten sechs Monaten stationär im Klinikum aufgenommen worden. Im Rahmen einer von uns für notwendig erachteten Risikoeinstufung eines Patienten erscheint uns die Erfassung der Schwere der Grunderkrankung von besonderem Interesse, da als Risikofaktor kontrovers diskutiert. Ein Einbeziehen eines geeigneten Scores in künftige Erfassungen ist deshalb vonnöten.

#

Schlussfolgerung

Der zyklische Verlauf der MRSA-Situation in unserem Klinikum ist somit nicht als unifaktorielles Ereignis zu erklären. Wir gehen eher von einem „endemischem” Vorherrschen der multiresistenten Staphylococcus-aureus-Stämme aus als von einzelnen Ausbrüchen. Nosokomiale Übertragungen konnten in den vergangenen zehn Jahren verschiedentlich epidemiologisch wahrscheinlich gemacht werden. Der eindeutige Beweis mittels molekularbiologischer Typisierungen war jedoch aufgrund der oben genannten Problematik oftmals schwierig. Daher erscheinen weiter gehende epidemiologische Klärungen - insbesondere auch im Hinblick auf die Effektivität empfohlener Präventionsstrategien - gerade vor dem Hintergrund der immer dramatischer werdenden Kostensituation im Gesundheitswesen dringend erforderlich [5].

Zoom Image

Abb. 1

#

Literatur

  • 1 Anonymus . Staphylococcus aureus.  In: European Antimicrobial Resistance Surveillance System (EARSS) Annual Report 2001.  Bilthoven. 2001;  39-47
  • 2 Baggett HC, Henessy TW, Leman R. et al. . An outbreak of community-onset methicillin-resistant Staphylococcus aureus skin infection in southwestern Alaska.  Infect Control Hosp Epidemiol. 2003;  24 397-402
  • 3 Gastmeier P, Sohr D, Geffers C. et al. . Occurrence of methicillin-resistant Staphylococcus aureus infections in German intensive care units.  Infection. 2002;  30 198-202
  • 4 Jernigan JA, Pullen AL, Flowers L. et al. . Prevalence of and risk factors for colonization with methicillin-resistant Staphylococcus aureus at the time of hospital admission.  Infect Control Hosp Epidemiol. 2003;  24 409-414
  • 5 Kappstein I. Erläuterungen zur Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen.  Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz. 1999;  42 954-958
  • 6 Kresken M, Hafner D, Schmitz F-J, Wichelhaus TA. Für die Studiengruppe Resistenzsituation bei klinisch wichtigen Infektionserregern gegenüber Antibiotika in Deutschland und im mitteleuropäischen Raum. Bericht über die Ergebnisse einer multizentrischen Studie der Arbeitsgemeinschaft Empfindlichkeitsprüfung & Resistenz der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. aus dem Jahre 2001.  Antiinfectives Intelligence, Bonn. 2003; 
  • 7 Lenz W, Blümel N, Bierbaum G. et al. . Resistenzentwicklung bei S. aureus und Typenwechsel bei MRSA-Stämmen.  Chemother J. 2001;  5 174-180
  • 8 Sauerhammer J. Methicillinresistente S. aureus-Stämme (MRSA) an einem Klinikum der Primärversorgungsstufe. Epidemiologie und Risikofaktoren für die Infektion und/oder Kolonisierung.  Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 1995; 
  • 9 Schulze C, Gastmeier P, Geffers C, Rüden H. Das KISS-Modul Intensivstation. In: Handbuch für die Surveillance von nosokomialen Infektionen nach den Methoden des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems KISS. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit (Band 142).  Baden-Baden: Nomos. 2002;  77-121
  • 10 Vriens M, Blok H, Fluit A. et al. . Cost associated with a strict policy to eradicate methicillin-resistant Staphylococcus aureus in a Dutch university medical center.  Eur J Clin Microbiol Infect Dis. 2002;  21 782-786
  • 11 Working Report Party. Revised guidelines for the control of epidemic methicillin-resistant Staphylococcus aureus.  J Hosp Infect. 1990;  16 351-377

1 european antimicrobial resistance surveillance system

#

Anschrift für die Verfasser

Dr. Renate Ziegler

Institut für Klinikhygiene

Medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie, Klinikum Nürnberg

Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1

90419 Nürnberg

#

Literatur

  • 1 Anonymus . Staphylococcus aureus.  In: European Antimicrobial Resistance Surveillance System (EARSS) Annual Report 2001.  Bilthoven. 2001;  39-47
  • 2 Baggett HC, Henessy TW, Leman R. et al. . An outbreak of community-onset methicillin-resistant Staphylococcus aureus skin infection in southwestern Alaska.  Infect Control Hosp Epidemiol. 2003;  24 397-402
  • 3 Gastmeier P, Sohr D, Geffers C. et al. . Occurrence of methicillin-resistant Staphylococcus aureus infections in German intensive care units.  Infection. 2002;  30 198-202
  • 4 Jernigan JA, Pullen AL, Flowers L. et al. . Prevalence of and risk factors for colonization with methicillin-resistant Staphylococcus aureus at the time of hospital admission.  Infect Control Hosp Epidemiol. 2003;  24 409-414
  • 5 Kappstein I. Erläuterungen zur Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen.  Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz. 1999;  42 954-958
  • 6 Kresken M, Hafner D, Schmitz F-J, Wichelhaus TA. Für die Studiengruppe Resistenzsituation bei klinisch wichtigen Infektionserregern gegenüber Antibiotika in Deutschland und im mitteleuropäischen Raum. Bericht über die Ergebnisse einer multizentrischen Studie der Arbeitsgemeinschaft Empfindlichkeitsprüfung & Resistenz der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. aus dem Jahre 2001.  Antiinfectives Intelligence, Bonn. 2003; 
  • 7 Lenz W, Blümel N, Bierbaum G. et al. . Resistenzentwicklung bei S. aureus und Typenwechsel bei MRSA-Stämmen.  Chemother J. 2001;  5 174-180
  • 8 Sauerhammer J. Methicillinresistente S. aureus-Stämme (MRSA) an einem Klinikum der Primärversorgungsstufe. Epidemiologie und Risikofaktoren für die Infektion und/oder Kolonisierung.  Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 1995; 
  • 9 Schulze C, Gastmeier P, Geffers C, Rüden H. Das KISS-Modul Intensivstation. In: Handbuch für die Surveillance von nosokomialen Infektionen nach den Methoden des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems KISS. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit (Band 142).  Baden-Baden: Nomos. 2002;  77-121
  • 10 Vriens M, Blok H, Fluit A. et al. . Cost associated with a strict policy to eradicate methicillin-resistant Staphylococcus aureus in a Dutch university medical center.  Eur J Clin Microbiol Infect Dis. 2002;  21 782-786
  • 11 Working Report Party. Revised guidelines for the control of epidemic methicillin-resistant Staphylococcus aureus.  J Hosp Infect. 1990;  16 351-377

1 european antimicrobial resistance surveillance system

#

Anschrift für die Verfasser

Dr. Renate Ziegler

Institut für Klinikhygiene

Medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie, Klinikum Nürnberg

Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1

90419 Nürnberg

Zoom Image

Abb. 1