Die schnelle und wirksame Behandlung der akuten Manie bipolarer und schizoaffektiver
Patienten ist von entscheidender Bedeutung für den Krankheitsverlauf, das soziale
Funktionsniveau und die Behandlungskosten der Patienten [6].
Eine Substanz zur Behandlung der Manie sollte daher folgende Kriterien erfüllen [7]: Zuerst sollte sie möglichst wirkungsvoll die manischen, sowie eventuell vorhandene
psychotische und depressive Symptome bekämpfen. Dabei sind ein schneller Wirkungseintritt
sowie die Wirkungsstärke der Substanz zur Behandlung der akuten Manie entscheidend.
Die Substanz sollte die Verbesserung der Symptome stabilisieren und erhalten, sowie
akute Rückfalle verhindern können (Continuation). Eine phasenprophylaktische Behandlung
schließt sich an, die durch das antimanische Medikament begonnen oder bei bereits
bestehender phasenprophylaktischer Medikation durch die antimanische Substanz verbessert
werden soll (Maintenance). Dabei sollte das Risiko einer möglicherweise der Manie
folgenden Depression minimiert werden. Zu all diesen funktionellen Anforderungen an
eine antimanische Substanz kommen folgende klinisch relevanten Gesichtspunkte dazu:
Die Nebenwirkungen sollten möglichst gering sein, auch, um die Compliance der Patienten
zu erhöhen. Es empfiehlt sich eine einfache Dosierung und Darreichungsform, in einzelnen
Fällen wäre eine parenterale Applikationsform wichtig. Bei der Auswahl einer antimanischen
Substanz sollte die Anzahl anfallender Blut- und Blutspiegelkontrollen beachtet werden,
ebenso wie etwaige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Ein weiterer wichtiger
Punkt ist die Verträglichkeit der Substanz im Hinblick auf somatische Erkrankungen.
Der folgende Fallbericht beschreibt eine Patientin, die in einer akuten manischen
Episode prospektiv monotherapeutisch mit Risperidon behandelt wurde. Dabei bestanden
bei der Auswahl der antimanischen Substanz aufgrund zahlreicher somatischer Vorerkrankungen
der Patientin besondere Schwierigkeiten und Anforderungen.
Kasuistik
Frau I. ist eine 54-jährige verheiratete Hausfrau, die sich im Dezember 2001 mit einem
maniformen Syndrom in unserer Ambulanz vorstellte und auf die Akutstation aufgenommen
wurde, wo sie freiwillig verblieb.
Bei Frau I. war seit 1986 eine rezidivierende depressive Störung bekannt. Im Rahmen
dieser Erkrankung kam es zu zahlreichen stationär psychiatrischen Aufenthalten. Laut
Aussagen des Ehemannes zeigten sich jedoch in den letzten Jahren Episoden gehobener
Stimmung mit unvernünftigen Einkäufen und desorganisiertem Verhalten. Eine solche
Phase führte im Jahr 2000 zu einem stationären Aufenthalt. Frau I. wurde damals mit
Haloperidol 5 mg/d erfolgreich behandelt. Eine phasenprophylaktische Behandlung wurde
aufgrund zahlreicher internistischer Erkrankungen (s.u.) nicht empfohlen. Nach einem
Zeitraum von etwa einem Jahr kam es nach Angaben des Ehemannes wieder zu vermehrten
Geldausgaben, Frau I. war zunehmend stimmungsgehoben, umtriebig, desorganisiert und
gereizt. Nach einem körperlichen Angriff auf den Ehemann, brachte dieser die Patientin
in die Klinik.
Die somatische Vorgeschichte der Patientin beschreibt eine hypertensive Herzerkrankung
mit relativer Mitralinsuffizienz. Zusätzlich ist ein systemischer Lupus Erythematodes
bekannt. Aufgrund einer Struma nodosa mit autonomem Adenom wurde 1992 eine Strumateilresektion
durchgeführt. Als notwendige Dauermedikation erhielt Frau I. L-Thyroxin 100 μg/d,
Verapamil 120 mg/d, Furosemid 30 mg/d, Spironolacton 200 mg/d und Phenprocoumon entsprechend
des Quick-Wertes.
Bei Aufnahme zeigte sich Frau I. wach, bewusstseinsklar und zeitlich unscharf orientiert.
Ihr Verhalten wirkte stark desorganisiert. Sie war übertrieben geschminkt, bizarr
geschmückt und auffällig gekleidet. Es bestanden deutliche Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen.
Im formalen Gedankengang war sie beschleunigt, ideenflüchtig und vorbeiredend, zum
Teil auch denkzerfahren. Inhaltlich ergaben sich Hinweise auf psychotisches Erleben
in Form von Beziehungs- und Beeinträchtigungswahn, eine klare Exploration war jedoch
aufgrund der formalen Denkstörung nicht möglich. Ich-Störungen und Halluzinationen
wurden von der Patientin verneint, ebenso Phobien oder Zwänge. Affektiv war sie euphorisch
und lachte inadäquat über den ihr völlig unverständlichen Aufwand um ihre Person,
teils war sie dysphor, leicht reizbar mit verbal aggressiven Ausbrüchen. Der Antrieb
und die Psychomotorik waren gesteigert. Frau I. klagte über Schlaflosigkeit. Suizidalität
verneinte die Patientin. Obwohl Frau I. nur bedingt Krankheitseinsicht zeigte, war
sie dennoch behandlungsbereit.
Nach Ausschluss organischer Ursachen für die psychische Störung wurde eine bipolar
affektive Störung, gegenwärtig manische Episode, mit psychotischen Symptomen diagnostiziert
(ICD-10: F 31.20; DSM-IV: 296.44).
Der Schweregrad der manischen Symptomatik und der Verlauf der Behandlung wurden mittels
der Young Mania Rating Scale (YMRS) sowie der Clinical Global Impression Scale (CGI-BP)
verfolgt ([Abb. 1] und [Abb. 2]).
Eine medikamentöse Behandlung wurde einschleichend mit 4 mg Risperidon pro Tag begonnen
und rasch auf 6 mg/d erhöht. Als Zusatzmedikation erhielt die Patientin Lorazepam
3 mg/d. Zu Beginn der Untersuchung erreichte Frau I. im YMRS einen Wert von 34 Punkten
(Tag 1, siehe [Abb. 1]), welcher am dritten Tag auf 32 absank. Die Risperidon-Dosis mit 6 mg/d wurde am
11. Tag auf 4 mg/d reduziert, da die Patientin über eine Akathisie klagte, die nach
der Dosisreduktion verschwand. Eine Besserung der manischen Symptomatik zeigte sich
nach einer Woche, der YMRS zeigte an den Tagen sieben und zehn einen Wert von 19 bzw.
20. Da die maniforme Symptomatik nach der Dosisreduktion zwar gebessert war, aber
dennoch weiterhin bestand (siehe [Abb. 1]), wurde Risperidon am 16. Tag wieder auf 6 mg/d erhöht, bei weiterhin guter Verträglichkeit
und ohne erneutes Auftreten der Akathisie. Daraufhin verbesserte sich das maniforme
Bild, Frau I. wurde an Tag 21 im YMRS mit sieben Punkten eingestuft. Die Risperidon-Dosis
wurde dann langsam reduziert und mit 4 mg/d fortgeführt.
Insgesamt stellte sich eine deutliche psychopathologische Besserung nach einer Woche
ein, Frau I. wurde zunehmend formal geordneter, die inhaltlichen Beziehungs- und Beeinträchtigungsideen
wurden von ihr reflektiert und infrage gestellt. Die Stimmung war noch gehoben, leicht
gereizt und unterschwellig sarkastisch und provokant. Die zweite Woche zeigte weitgehend
dasselbe psychopathologische Bild, weshalb eine Erhöhung der Risperidon-Dosis erfolgte.
Nach etwa zwei Wochen verbesserte sich das maniforme Bild zunehmend, Frau I. konnte
wieder durchschlafen, im Affekt war sie ausgeglichen und kaum noch gereizt. Frau I.
war weiterhin auffällig gekleidet, ihr Verhalten wirkte nun aber eher theatralisch
und histrionisch anmutend. Frau I. zeigte sich sehr kooperativ, krankheitseinsichtig
und hatte realistische Zukunftspläne.
Nach vier Wochen konnten wir Frau I. in die ambulante Behandlung nach Hause entlassen.
Eine Weiterführung der Medikation mit Risperidon 4 mg/d, wurde im Sinne einer Phasenprophylaxe
empfohlen.
Diskussion
Bisherige Behandlungsstrategien akuter manischer Episoden bei bipolaren oder schizoaffektiven
Patienten empfehlen die Gabe von Mood-Stabilizern wie Lithium, Valproinsäure oder
Carbamazepin in allen Phasen der Behandlung. Dazu werden bei nicht ausreichendem Ansprechen
der Stimmungsstabilisierer Neuroleptika sowie Benzodiazepine kombiniert [11]. Die Wirksamkeit der einzelnen Mood-Stabilizer sowie deren Kombination, ist in vielen
Studien gut dokumentiert [7]. Untersuchungen von Neuroleptika in Kombination mit Mood-Stabilizern in der Behandlung
der akuten Manie bipolarer und schizoaffektiver Störungen sind relativ zahlreich,
und zeigen eine zunehmend bedeutende Stellung neuerer Neuroleptika in der Maniebehandlung
[4]. Einige Untersuchungen sind beschrieben, die die antimanische Wirksamkeit der atypischen
Neuroleptika in einer Monotherapie untersuchen [8]
[12]
[13]
[16].
In der Literatur finden sich zahlreiche Hinweise, dass Risperidon die o.a. Kriterien
an ein Psychopharmakon zur Behandlung akuter manischer Symptome weitgehend erfüllt.
So konnte die Wirksamkeit von Risperidon auf sowohl depressive wie auch maniforme
Symptome bei schizophrenen Patienten gezeigt werden [10]. Auch in der Behandlung der akuten Manie spielt Risperidon eine zunehmende Rolle.
Viele Arbeiten, in denen die Substanz als Monotherapie oder als Zusatzmedikation zu
Stimmungsstabilisierern untersucht wurde, zeigen eine signifikante Wirksamkeit, sowohl
in der Akut- wie auch der Erhaltungstherapie [2]
[3]
[12]
[14]
[16].
Die mit diesem Fall beschriebene Patientin wurde in einer akuten manischen Episode
erfolgreich monotherapeutisch mit Risperidon in Dosierungen zwischen 4 und 6 mg/d
behandelt. Bei der Wahl der antimanischen Substanz bestanden in diesem Fall besondere
Schwierigkeiten und Anforderungen.
Aufgrund der bei der Patientin bestehenden somatischen Vorerkrankungen kam eine Behandlung
der Manie mit einem klassischen Stimmungsstabilisierer nicht in Frage. Lithium konnte
aufgrund des bestehenden systemischen Lupus erythematodes (SLE), sowie potenziell
gefährlichen Wechselwirkungen mit dem Aldosteronantagonisten sowie dem Schleifendiuretikum,
und einer damit verbundenen Potenzierung der Nephrotoxizität, nicht gegeben werden
[9]. Valproat und Carbamazepin bergen die Gefahr allergischer Hautveränderungen [5], Valproat ist beim SLE kontraindiziert. Aufgrund der Notwendigkeit einer Marcumarisierung
der Patientin und der möglichen Hepatotoxizität von Valproat und Carbamazepin [1] waren diese beiden Substanzen nicht geeignet.
Risperidon stellt eine Substanz dar, die durch zuverlässige Wirksamkeit, gute Verträglichkeit
sowie geringe Wechselwirkungen mit anderen Präparaten gekennzeichnet ist [15]. Diese Eigenschaften haben sich mittlerweile in zahlreichen offenen und doppel-blinden
Studien an bipolaren Patienten bestätigt. Auch die Rate an extrapyramidalmotorischen
Nebenwirkungen ist in adäquater Dosierung bis zu 6mg/d im Vergleich zu anderen Neuroleptika
relativ gering [13].
Im vorliegenden Fall lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Behandlung mit
Risperidon erfolgreich war. Die antimanische Wirkung war effektiv und in Hinblick
auf die Begleiterkrankungen der Patientin war die Substanz als sicher einzustufen.
Ob Risperidon in niedriger Dosierung eine phasenprophylaktische Wirkung bei dieser
Patientin zeigt, bleibt offen; um die beschriebenen Vorteile dieser Substanz zu bestätigen,
sind weitere Untersuchungen notwendig.