Pneumologie 2004; 58(4): 282-284
DOI: 10.1055/s-2004-818443
Workshop
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chlamydieninfektionen beim Menschen

K.  Dalhoff1
  • 1Universität Lübeck, Medizinische Klinik III
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Prof. Dr. med. Klaus Dalhoff

Universität Lübeck · Medizinische Klinik III

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck ·

Email: klaus.dalhoff@medinf.mu-luebeck.de

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Publication Date:
20 July 2005 (online)

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Chlamydia (neuerdings: Chlamydophila) psittaci hat unter den zoonotischen Chlamydienspezies für die menschliche Lunge die größte Bedeutung. Neben den bekannten aviären Infektionen spielen weitere Haus- und Wildtiere als Infektionsquelle eine Rolle (s. Beitrag Reinhold). Die epidemiologische Bedeutung in Deutschland scheint derzeit gering zu sein: 2002 wurden dem Robert Koch-Institut insgesamt 40 Fälle gemeldet [1]. In den USA schätzt man, dass Pneumonien durch C. psittaci beim Menschen etwa 2000-mal seltener sind als Pneumonien mit Nachweis von C. pneumoniae. Allerdings ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da außerhalb epidemischer Ausbrüche meist keine erregerspezifische Diagnostik erfolgt.

Klinisch präsentiert sich die Psittakose (bei Übertragung durch Papageienvögel) bzw. Ornithose (bei Übertragung durch andere Vögel) typischerweise als mittelschwere bis schwere Pneumonie mit überwiegend interstitiellen Infiltraten, meist ohne charakteristischen Auskultationsbefund. Extrapulmonale Manifestationen (Leber, Milz, Gelenke, ZNS) werden häufig beschrieben. Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese (Exposition gegenüber infizierten Tieren) und kann serologisch gesichert werden; umfangreiche therapeutische Erfahrungen bestehen mit Tetrazyklinen; bei Kontraindikationen gegenüber dieser Substanzklasse (z. B. Kinder, Schwangerschaft) können alternativ Makrolide eingesetzt werden.

Chlamydia trachomatis hat einen hohen Stellenwert als Erreger von mukosalen Infektionen im urogenitalen und okulären Bereich. So sind C. trachomatis-Infektionen die häufigste Ursache der erworbenen weiblichen Sterilität. Pulmonale Infektionen werden vereinzelt bei Neugeborenen (vertikale Transmission) und immundefizienten Patienten berichtet.

Chlamydia pneumoniae (neue Nomenklatur: Chlamydophila pneumoniae) wurde 1986 von Grayston als dritte humanpathogene Chlamydienspezies und Erreger respiratorischer Infektionen identifiziert [2]. Retrospektiv konnte ein bereits 1965 bei einem taiwanesischen Kind in einem Konjunktivalabstrich gefundener Erreger dieser Spezies zugeordnet werden. Seit den 90er-Jahren zeigen weltweit klinische Studien, dass dieser Mikroorganismus bei 5 - 15 % der ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen ätiologisch beteiligt ist. Die Übertragung erfolgt in der Regel direkt von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion. Während der Erreger zunächst als ausschließlich humanpathogen eingestuft wurde, wurden inzwischen eine Reihe von Wirten im Tierreich identifiziert (s. Beitrag Reinhold), so dass die Frage eines zoonotischen Übertragungspotenzials als offen gelten muss.

C. pneumoniae teilt die wesentlichen Eigenschaften der beiden anderen humanpathogenen Chlamydienspezies C. psittaci und C. trachomatis. Die Seroprävalenz steigt im Schulkindalter steil an, erreicht bei Erwachsenen 60 - 80 % [2] und bleibt bis ins Seniorenalter aufgrund von Persistenz bzw. Reinfektionen hoch. Es ist somit anzunehmen, dass sich nahezu jeder Mensch mindestens einmal mit diesem Erreger auseinandersetzt. Epidemien mit deutlicher Zunahme der Erkrankungszahlen treten in unseren Breiten im Abstand von 5 - 7 Jahren auf [3]. Darüber hinaus fand sich in einer kanadischen Studie eine saisonale Häufung in den Wintermonaten. Bei Rauchern und Patienten mit COPD liegt eine erhöhte Seroprävalenz bzw. Erregernachweisrate vor [4] .

Das klinische Spektrum der C. pneumoniae-Infektion ist vielgestaltig. Asymptomatische Verläufe sind in etwa 70 % der Infizierten zu erwarten; darüber hinaus ist der Erregernachweis mittels PCR aus Nasopharynxsekret bei Gesunden gut dokumentiert [5]. Bei Infektionen des oberen Respirationstrakts wird C. pneumoniae in etwa 5 % nachgewiesen. C. pneumoniae zählt in den westlichen Ländern mit einer Inzidenz von durchschnittlich 5 - 15 % zu den 3 - 4 häufigsten Erregern der ambulant erworbenen Pneumonie [6] [7] (Tab. [1]). Experimentelle Befunde sprechen dafür, dass C. pneumoniae infolge seiner epithelschädigenden Eigenschaften [8] und der Neigung zur Persistenz ähnlich wie respiratorische Viren als Wegbereiter der eitrigen Superinfektion dienen kann. Charakteristisch ist ein langsamer Krankheitsbeginn mit grippeartigen Symptomen und einer Pharyngitis mit ausgeprägter Heiserkeit. Die Lungenentzündung wird häufig erst nach 1 - 2 Wochen manifest und zeigt mehrheitlich einen milden Verlauf mit subfebrilen Temperaturen, unproduktivem Husten und herdförmigen oder interstitiellen Infiltraten. Daneben werden auch ohne Nachweis zusätzlicher Erreger schwere Infektionen mit multilobären oder disseminierten Infiltraten beobachtet [9].

Tab. 1 Nachweisrate von C. pneumoniae in klinischen Studien bei ambulant erworbener Pneumonie
Autor Region n C. pneumoniae
%
Diagnost. Test
Almirall 1993 Spanien 105 15 MIF
Fang 1990 USA 359 6,1 MIF-IgM
Marston 1997 USA 2776 8,9 ?
Steinhoff 1996 Deutschland 236 11,4 MIF
File 1997 USA 456 22 MIF
Mundy 1998 USA 385 3,6 PCR/Kultur
Jokinen 2001 Finnland 345 8,7 MIF

Im Labor findet sich meist eine beschleunigte BSG sowie ein erhöhtes C-reaktives Protein bei normalen Leukozytenzahlen. Wird eine bronchoalveoläre Lavage durchgeführt, so zeigt sich im Differenzialzellbild häufig eine relative Lymphozytose; es werden sowohl CD4- als auch CD8-Alveolitiden beobachtet [9]. Ausbrüche von C. pneumoniae-Epidemien in Alters- und Pflegeheimen belegen eine deutlich erhöhte Morbidität und Mortalität bei älteren und multimorbiden Personen [10] [11]. Der Krankheitsverlauf ist häufig protrahiert, Rezidive bzw. persistierende Infektionen trotz gezielter Antibiotikatherapie sind nicht ungewöhnlich [12].

Die Diagnose kann durch den direkten Erregernachweis mittels PCR und/oder Kultur gesichert werden, wobei die technisch aufwendige Kultur nur in wenigen Referenzlabors zur Verfügung steht (Tab. [2]). Die PCR ist in erfahrenen Händen die verlässlichste Methode, allerdings existiert bislang kein kommerziell erhältlicher Standard. Asymptomatischer PCR-Nachweis kommt bei Erwachsenen in etwa 5 % vor und beweist somit per se keine aktive Infektion. Wie bei allen diagnostischen Verfahren hängt der prädiktive Wert von der Prätest-Wahrscheinlichkeit ab, d. h. die Aussagekraft ist bei Patienten mit uncharakteristischem Beschwerdebild gering und eine Therapieindikation besteht nur bei überzeugender klinischer Symptomatik.

Tab. 2: In vitro-Aktivität ausgewählter Antibiotika gegen Chlamydia pneumoniae (nach [13] [14] [15])
Antibiotikum MHK (µg/ml)
Erythromycin 0,05 - 0,25
Azithromycin 0,05 - 0,25
Roxithromycin 0,025 - 0,05
Clarithromycin 0,004 - 0,03
Telithromycin 0,031 - 2
Ofloxacin 0,5 - 2
Levofloxacin 0,25 - 1
Gatifloxacin 0,125 - 0,25
Moxifloxacin 0,025 - 1
Gemifloxacin 0,125 - 0,25
Rifampicin 0,005
Doxycyclin 0,1
Penicillin G > 500

Die Aussagekraft serologischer Verfahren ist bei Erwachsenen durch die hohe Seroprävalenz limitiert. Der Mikroimmunfluoreszenztest (MIF) hat sich in den meisten Studien als Standardverfahren etabliert. Er differenziert zwischen IgG-, IgA- und IgM-Antikörpern und ist speziesspezifisch, reagiert also üblicherweise nicht auf C. psittaci oder C. trachomatis. Da meist Durchseuchungstiter in Form von IgG-Antikörpern vorliegen, kann aus der Höhe eines Einzeltiters nicht zwischen frischer und abgelaufener Infektion differenziert werden. Positive IgM-Titer als Hinweis auf eine Primärinfektion werden bei Erwachsenen selten beobachtet. Die Aussagekraft von IgA-Antikörpern ist umstritten. Somit erlaubt die Serologie in der Regel nur eine retrospektive Diagnose bei IgG-Titeranstieg im Verlauf.

Zur Therapie der C. pneumoniae-Pneumonie liegen keine kontrollierten Studien vor. Der Erreger ist in vitro gegenüber Makroliden, Ketoliden, Tetrazyklinen, Fluorchinolonen und Rifampicin empfindlich [13] [14] [15], (Tab. [2]), wobei die meisten Daten zur klinischen Effektivität hinsichtlich Makrolid- und Chinolontherapie vorliegen. Klinisch relevante Resistenzen gegenüber diesen Antibiotika sind bislang nicht dokumentiert; allerdings liegen Beobachtungen über einen Anstieg der minimalen Hemmkonzentration von Makrolidantibiotika unter Therapie vor [16]. Verlaufsdaten zeigen, dass die Eradikation des Erregers nicht immer gelingt. So fanden Roblin u. Mitarb. eine Erregerpersistenz bei 3 von 10 Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie nach einer Standardtherapie mit Azithromycin [16]. Diese Befunde entsprechen experimentellen Daten von Gieffers u. Mitarb., die ex vivo zeigen konnten, dass C. pneumoniae in Blutmonozyten eine hohe intrazelluläre Überlebensrate trotz antimikrobieller Therapie aufweist [17].

Darüber hinaus legen neuere Untersuchungen eine Beziehung des zur intrazellulären Persistenz neigenden und schwer eradizierbaren Erregers zu chronisch entzündlicher Atemwegserkrankungen wie dem Asthma bronchiale und der COPD nahe (18 - 20), wobei die klinische Relevanz dieser Befunde umstritten ist. Der klinische Stellenwert von C. pneumoniae lässt somit 18 Jahre nach der Erstbeschreibung noch viele Fragen offen.

Literatur

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