Aktuelle Dermatologie 2004; 30(4): 130-131
DOI: 10.1055/s-2004-814484
Mitteilungen der ADO
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Entwicklungen von Leitlinien in der Dermatologischen Onkologie

Development of Guidelines for Dermatologic OncologyC.  Garbe1
  • 1Sektion Dermatologische Onkologie, Universitäts-Hautklinik, Eberhard-Karls-Universtität, Tübingen
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Prof. Dr. med. Claus Garbe

Universitäts-Hautklinik Tübingen

Liebermeisterstr. 20 · 72076 Tübingen

eMail: claus.garbe@med.uni-tuebingen.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. April 2004 (online)

Inhaltsübersicht
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In der Onkologie wird die Entwicklung von Leitlinien als ein interdisziplinärer Prozess angesehen, in dem die Federführung einer Fachdisziplin angetragen wird. Der Entscheidungsprozess hierüber fand Ende der 90er Jahre in der Deutschen Krebsgesellschaft statt. Der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie wurde die Federführung für die Leitlinienentwicklung für Hauttumoren übertragen. Anzumerken bleibt, dass die Arbeitsgemeinschaft für Internistische Onkologie die Federführung insbesondere für das maligne Melanom und für eine Reihe weiterer solider Tumoren ebenfalls forderte, hier aber eine Entscheidung zugunsten der Organfächer getroffen wurde. Eine wichtige Voraussetzung für die Übernahme der Federführung in der Leitlinienentwicklung war die bis dahin erfolgte Etablierung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie innerhalb der Deutschen Krebsgesellschaft.

Eine erste Fassung „Diagnostische und therapeutische Standards in der Dermatologischen Onkologie” wurde bis 1998 fertiggestellt. Hier erfolgte eine engmaschige Abstimmung mit den deutschen Fachgesellschaften für Chirurgie, Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, Pathologie, Frauenheilkunde, Radioonkologie und der Deutschen Röntgengesellschaft. Insgesamt wurden Leitlinien zu 7 Tumorentitäten erstellt (Tab. [1]). Die Leitlinien wurden sowohl als ein Band in der Reihe „Qualitätssicherung in der Onkologie” im Zuckschwerdt Verlag publiziert als auch im „Hautarzt”. Es wurden bis zum Jahr 2000 kurzgefasste, interdisziplinäre Leitlinien fertiggestellt, die in der Reihe „Qualitätssicherung in der Onkologie” von der Deutschen Krebsgesellschaft in dem Band „Kurzgefasste Interdisziplinäre Leitlinien”, herausgegeben vom Informationszentrum für Standards in der Onkologie (ISTO), publiziert wurden.

Tab. 1 Leitlinienentwicklung 2004
Überarbeitete Langfassungen der Leitlinien 2004 auf S2-Stufe
Basalzellkarzinom
Plattenepithelkarzinom der Haut einschließlich des Lippenrots
Merkelzellkarzinom
malignes Melanom
Dermatofibrosarkom
Kaposi-Sarkom
kutane Lymphome
Neufassung von Leitlinien 2004
aktinische Keratosen (in Arbeit)
melanozytäre Nävi (in Vorbereitung)
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Neufassung der Leitlinien 2004

Im Jahre 2002 wurde ebenfalls unter Federführung der ADO damit begonnen, die bisher vorliegenden Leitlinien gründlich zu überarbeiten. Hierbei wurde angestrebt, den Standard der Leitlinienentwicklung von S1-Leitlinien auf S2-Level anzuheben (Tab. [2]). Dazu ist es erforderlich, den Prozess der Leitlinienentwicklung über eine interdisziplinäre Expertenkonferenz zu organisieren und über das Informationszentrum für Standards in der Onkologie alle beteiligten Fachgesellschaften und Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft mit einzubeziehen (Abb. [1]). Weiterhin müssen bei S2-Leitlinien die Empfehlungen mit Literaturzitaten belegt werden und die Evidenzlevel für die Empfehlungen sind anzugeben. Die Evidenzlevel wurden entsprechend der Vorschläge der „Canadian Medical Association” übernommen (Tab. [3]). Der Prozess der Leitlinienüberarbeitung ist weitgehend abgeschlossen und die fertiggestellten Leitlinien werden im Laufe des Jahres 2004 publiziert werden.

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Abb. 1 Abstimmungsprozess der Leitlinien in der Dermatologischen Onkologie.

Tab. 2 Drei-Stufen-Konzept der Leitlinienentwicklung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen-Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
1. Stufe: ExpertengruppeEine repräsentativ zusammengesetzte Expertengruppe der Wiss. Med. Fachgesellschaft erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom Vorstand der Fachgesellschaft verabschiedet wird.
2. Stufe: Formale KonsensusfindungVorhandene Leitlinien der Stufe 1 werden in einem der bewährten formalen Konsensusverfahren beraten und als LL der Stufe 2 verabschiedet. Formale Konsensusfindungsmethoden sind nominaler Gruppenprozess, Delphimethode und Konsensuskonferenz. Sie enthalten eine Diskussion der Evidenz für die verabschiedeten Statements. Für die Durchführung ist die Mitarbeit von Methodikern hilfreich.
3. Stufe: Leitlinien mit allen Elementen systematischer ErstellungDer formale Konsensusprozess wird durch weitere systematische Elemente erweitert:
- logische Analyse (klinischer Algorithmus)
- Evidenz-basierte Medizin
- Entscheidungsanalyse
- Outcomeanalyse
Tab. 3 Evidenzlevel entsprechend der „Canadian Medical Association” für Leitlinien in der Medizin
Evidenzlevel IDie Evidenz ist aufgrund randomisierter kontrollierter Studien (oder Metaanalysen) von genügendem Umfang derart, dass die Gefahr, dass sie falsch positive oder falsch negative Resultate beinhalten, gering ist.
Evidenzlevel IIDie Evidenz basiert auf randomisierten kontrollierten Studien, welche jedoch zu klein sind, um ihnen Level I zuzusprechen; sie können positive Trends, welche jedoch statistisch nicht signifikant sind oder gar keine Trends zeigen. Sie sind mit einem hohen Risiko falsch negativer Resultate verbunden.
Evidenzlevel IIIDie Evidenz basiert auf nicht randomisierten Kontroll- oder Kohortenstudien, Fallserien, Fallkontrollstudien oder Querschnittsstudien.
Evidenzlevel IVDie Evidenz basiert auf der Meinung angesehener Experten oder Expertengremien, wie sie in publizierten Konsenskonferenzen oder in Leitlinien angegeben werden.
Evidenzlevel VDie Evidenz basiert auf der Meinung derjenigen Personen, welche diese Leitlinien geschrieben oder aktualisiert haben, beruhend auf ihrer Erfahrung, ihrer Kenntnis der einschlägigen Literatur und der Diskussion mit ihren Fachkollegen.
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Neue Leitlinien in der Dermatologischen Onkologie

Es wurden zwei Arbeitsgruppen gebildet, um Leitlinien für aktinische Keratosen und für melanozytäre Nävi zu entwickeln (Tab. [1]). Für aktinischen Keratosen fand bereits ein Expertentreffen statt und der Entwurf einer Leitlinie liegt vor. Für melanozytäre Nävi ist ein Expertentreffen für den Juni 2006 terminiert. Für diese Leitlinien wird ebenfalls angestrebt, sie als S2-Leitlinien zu entwickeln.

Weiterhin wurde in der Leitlinienkommission Dermatologische Onkologie angedacht, die Leitlinien für das maligne Melanom, das Basalzellkarzinom und das Plattenepithelkarzinom als S3-Leitlinien weiterzuentwickeln. Hierfür ist allerdings eine Finanzierung erforderlich. Vorbereitungen für eine Antragsstellung einer solchen Finanzierung wurden bereits getroffen. Das 3-Stufen-Konzept der Leitlinienentwicklung, wie es von der AWMF, der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher-Medizinischer Fachgesellschaften, entwickelt wurde, ist in Tab. [3] zusammengefasst.

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Ausblick

Die Leitlinienentwicklung wird in Zukunft voraussichtlich noch eine größere Bedeutung erhalten als bereits in den letzten Jahren. Mittels der Leitlinien wird es auch in Zukunft gelingen, Erkenntnisse aus evidenzbasierten Studien schneller als in der Vergangenheit in die tägliche medizinische Praxis umzusetzen. Die Leitlinienerstellung fördert die Rezeption der Literatur und neuer Ergebnisse und ihre Implementierung in die Praxis. Leitlinien bieten dem Arzt den Vorteil einer Orientierungshilfe auf dem neuesten Stand.

Leitlinien werden aber auch zunehmend zur Klärung forensischer Fragestellungen herangezogen. Leitlinien sind für Patienten frei zugänglich und sind im Internet auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften einsehbar.

Leitlinien scheinen auch eine zunehmende Relevanz im Hinblick auf erstattungsrechtliche Fragen zu gewinnen. So ist eine Erstattung von Medikamenten im off-label-use dann eher zu erwarten, wenn eine entsprechende Leitlinienempfehlung für den Einsatz des Medikamentes vorliegt. Ähnlich verhält es sich offenbar mit diagnostischen Vorgehensweisen. Aus diesem Grunde ist mit der Entwicklung der Leitlinien auch eine besonders weitgehende Verantwortung verbunden.

Prof. Dr. med. Claus Garbe

Universitäts-Hautklinik Tübingen

Liebermeisterstr. 20 · 72076 Tübingen

eMail: claus.garbe@med.uni-tuebingen.de

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Abb. 1 Abstimmungsprozess der Leitlinien in der Dermatologischen Onkologie.