Aktuelle Dermatologie 2004; 30(4): 89
DOI: 10.1055/s-2004-814482
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wirkungen von Nikotin auf die Haut

Impact of Nicotine on the SkinH.  Kurzen1 , S.  Goerdt1
  • 1Universitätsklinikum Mannheim, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
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Dr. med. Hjalmar Kurzen

Universitätsklinikum Mannheim Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

Theodor-Kutzer-Ufer 1 - 3 · 68167 Mannheim ·

eMail: Hjalmar.Kurzen@haut.ma.uni-heidelberg.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. April 2004 (online)

Inhaltsübersicht

    Rauchen gilt heute als häufigste vermeidbare Todesursache, die jährlich in Deutschland ca. 140 000 Tote fordert. Hierfür werden überwiegend Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems und Krebserkrankungen verantwortlich gemacht. Die klinischen Wirkungen des Tabakkonsums auf die Haut sind teilweise schon seit der Einführung der Tabakpflanze in Europa im 16. Jahrhundert bekannt. Das in der Pflanze enthaltene Alkaloid Nikotin, das nach seinem Entdecker Jean de Nicot benannt wurde, wird als Haupt-Toxin des Zigarettenrauchs angesehen, von dem mit jeder Zigarette ungefähr 2 - 3 mg inhaliert werden. Insgesamt lassen sich jedoch in Zigarettenrauch-Extrakten etwa 5000 verschiedene Chemikalien nachweisen, von denen 43 anhand der Kriterien der IARC (International Agency for Research on Cancer) als karzinogen eingestuft werden. Aus diesem Grunde fiel es bislang schwer, die Auswirkungen des Rauchens auf einen einzelnen Inhaltsstoff zurückzuführen.

    Es gibt es jedoch experimentelle Hinweise, dass Nikotin kausal an der Entstehung von bestimmten Auswirkungen des Rauchens auf die Haut beteiligt ist. Ein Meilenstein hierbei war die Entdeckung des extraneuronalen Vorkommens von Azetylcholin und seiner nikotinischen (nACh-R) und muskarinischen Rezeptoren. Wie inzwischen klar geworden ist, beinhaltet das kutane extraneuronale System sowohl die Produktion, Lagerung und Ausschüttung von Azetylcholin durch ortständige Zellen (Keratinozyten, Melanozyten, Fibroblasten, Endothelzellen, Immunzellen), als auch die Synthese seiner Rezeptoren, die in einem komplexen Muster in diesen Zellen vorkommen und so eine autokrine, parakrine und endokrine Wirkung von Azetylcholin ermöglichen. Nikotin beeinflusst über die nACh-R z. B. Keratinozyten-Proliferation, -Differenzierung und -Apoptose. Durch Stimulation der nACh-R auf Fibroblasten kommt es zu einem verstärkten Matrixumbau, der sich klinisch in der bekannten Faltenbildung manifestiert. Da nACh-R auch in Schweißdrüsen und Talgdrüsen vorkommen, ist eine stimulierende Wirkung auf Schweiß und Talgsekretion wahrscheinlich, wenngleich die Datenlage hierzu noch nicht zufriedenstellend ist. Bei konstanter Inhalationsmenge ist die Höhe der Nikotinkonzentration im Blut individuell unterschiedlich und hängt von Faktoren wie z. B. dem pH des Urins oder der Aktivität der mikrosomalen Leberenzyme ab.

    Die Beeinflussung bestimmter Hautkrankheiten durch Nikotinabusus lässt sich durch die Anwesenheit von „Nikotin-Rezeptoren” auf den betroffenen Zellen neu interpretieren: Bei der palmoplantaren Pustulose, der Psoriasis, der Akne vulgaris, Akne inversa und anderen entzündlichen Dermatosen finden sich nACh-R sowohl auf den Keratinozyten als auch auf den Infiltratzellen (neutrophilen Granulozyten, Lymphozyten, Makrophagen). Aber auch eine möglicherweise positive Beeinflussung des Pemphigus vulgaris (Verstärkung der Zelladhäsion), des Pyoderma gangraenosum (Hemmung der Neutrophilen-Chemotaxis) oder des oralen Lichen ruber durch Nikotin ist mittlerweile gesichert und ermöglicht über die nACh-R den Zugang zu einer neuen Sichtweise dieser Erkrankungen. In der Haut von Patienten mit Atopischer Dermatitis oder Psoriasis kann ein deutlich höherer ACh-Gehalt festgestellt werden als bei gesunden Probanden. Es stellt sich die Frage ob Azetylcholin bei Entzündungen unspezifisch verstärkt produziert wird oder - wie bei der Vitiligo - vermindert abgebaut wird. Die genaue Rolle von Azetylcholin und seinen Rezeptoren bietet für die Zukunft noch zahlreiche offene Fragen, Forschungsansätze und therapeutische Alternativen.

    Dr. med. Hjalmar Kurzen

    Universitätsklinikum Mannheim Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

    Theodor-Kutzer-Ufer 1 - 3 · 68167 Mannheim ·

    eMail: Hjalmar.Kurzen@haut.ma.uni-heidelberg.de

    Dr. med. Hjalmar Kurzen

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