Suchttherapie 2004; 5(4): 162-166
DOI: 10.1055/s-2004-813767
Schwerpunktthema

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arzneimittelinteraktionen bei substituierten Heroinabhängigen

Medicine Interactions in Heroin Addicts in Maintenance TreatmentA. Schmoldt1
  • 1Institut für Rechtsmedizin, Hamburg
Further Information

Prof. Dr. A. Schmoldt

Institut für Rechtsmedizin

Butenfeld 34

22529 Hamburg

Email: Schmoldt@uke.uni-hamburg.de

Publication History

Publication Date:
14 December 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Nach Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten für das Auftreten von Arzneimittelwechselwirkungen werden Interaktionen aufgeführt für solche Arzneimittel und Drogen, die bei substituierten Patienten (Methadon, Codein/Dihydrocodein, Buprenorphin) häufig zur Anwendung kommen. Neben pharmakodynamischen Wechselwirkungen wird insbesondere auch auf solche eingegangen, die die Pharmakokinetik des Substituts verändern können.

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Abstract

After explanation of various possibilities for drug interactions the short review focuses on those legal and illegal drugs which are taken by substituted (methadone, codeine/dihydrocodeine, buprenorphine) patients. In addition to pharmacodynamic effects mainly pharmacokinetic changes of the substitutes are discussed caused by additionally administered drugs.

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Einleitung

Patienten in Substitutionsprogrammen erhalten oder nehmen außer dem Substitut oftmals ein oder mehrere Arzneimittel oder Drogen. Viele Patienten und gelegentlich auch Ärzte wissen nicht, dass dadurch Wechselwirkungen auftreten können, durch die unerwünschte oder gar gefährliche Situationen auftreten können. Während die pharmakodynamischen Wechselwirkungen im Allgemeinen in der Addition oder synergistischen Wirkung der Einzelsubstanzen zu erwarten sind, resultieren viele Wechselwirkungen aus Veränderungen der Pharmakokinetik. Betroffen sind nicht allein die Hauptwirkungen, sondern oftmals auch Nebenwirkungen. Im Folgenden sollen einige Grundlagen und Möglichkeiten erörtert werden.

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Erklärungen für mögliche Interaktionen

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Pharmakodynamische Interaktionen

Diese Interaktionen sind relativ leicht zu verstehen. So wird der Opiatrausch durch Alkohol gesteigert. Zusätzlich konsumiertes Kokain oder Amphetamine steigern ihn dadurch, dass er nicht nur über die µ-Rezeptoren, sondern über die direkte Dopaminfreisetzung im Nucleus accumbens erzeugt wird. Auch der Konsum von Cannabis dürfte eine synergistische Wirkung auf den Rauschzustand erzeugen, wenngleich die pharmakologische Endstrecke für die Berauschung ebenso wie das Opioid über µ-Rezeptoren verläuft. Hierbei ist natürlich je nach Toleranzentwicklung der Effekt nicht deutlich additiv, kann aber bezüglich der Sedation durchaus messbar werden. Hingegen muss man bei einem mit höheren Dosierungen an Methadon substituierten Patienten erwarten, dass ein zusätzlicher Konsum von Buprenorphin keine synergistische, sondern eher eine antagonistische Wirkung hervorruft infolge der hohen Bindungsaffinität von Buprenorphin an Opiatrezeptoren und dessen nur partial agonistischen Wirkung. Ein gleicher Effekt ist zu erwarten, wenn Methadon mit µ-Rezeptor-Agonisten/Antagonisten (z. B. Nalbuphin) zusammentrifft. Die sedativen Effekte der Benzodiazepine addieren sich hingegen bei der Methadonsubstitution bekanntlich auf andere Weise und steigern die Sedation additiv oder überadditiv. Dasselbe gilt auch für Hypnotika aus der Reihe der Barbiturate und auch der H1-Antagonisten. Dies gilt jedenfalls so lange, bis auch gegen die Benzodiazepine oder (früher) Barbiturate eine Toleranzentwicklung einsetzt, der dann mit z. T. abenteuerlich hohen Dosierungen begegnet wird.

Auch die trizyklischen Antidepressiva oder Phenothiazine interagieren mit dem Erfolg einer gesteigerten Sedation. Die sedativen Eigenschaften sind verknüpft mit der Beeinträchtigung des Atemzentrums. Die gefährliche Atemdepression bei Buprenorphinsubstitution ist überadditiv und nicht selten die Ursache von Todesfällen [1].

Wie genau sich die pharmakodynamischen Interaktionen allerdings quantitativ auswirken, ist nicht sicher vorauszusagen. Dies hängt davon ab, in welchem Bereich der Dosiswirkungskurve (im flachen unteren Bereich, im steilen mittleren Bereich oder nahe an der 100 %-Obergrenze) die Dosis der basalen Einzelsubstanz angesiedelt ist. Toxikologische Interaktionen betreffen die Absenkung der Krampfschwelle bei der Gabe von zusätzlichen Antidepressiva oder Phenothiazin-Neuroleptika. Günstig hingegen könnte man die Interaktionen bei der spastischen opiatbedingten Obstipation oder der bradykarden Rhythmusstörung durch die anticholinergen Eigenschaften der klassischen Antidepressiva bewerten.

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Pharmakokinetische Interaktionen [2]

Wechselwirkungen durch Veränderungen der Pharmakokinetik treten gegenüber den leicht verständlichen pharmakodynamischen Interaktionen häufiger unerwartet auf, beziehen sich aber generell nur auf Veränderungen der Plasmakonzentrationen und anderer pharmakokinetischer Daten des Substituts, vergleichbar mit Veränderungen der Dosis. Jeder Einzelprozess, aus dem sich die Pharmakokinetik, also der Blutspiegelverlauf, zusammensetzt, kann betroffen sein. Als Einzelprozesse lassen sich nennen:

  • Absorption aus dem Gastrointestinaltrakt;

  • Verteilung;

  • Elimination (Abnahme der Wirkstoffkonzentration im Blut);

    • Metabolismus;

    • Exkretion.

Nach Freisetzung der Wirksubstanz ist die trivialste Interaktion die Anwesenheit von Aktivkohle, die den Wirkstoff derart adsorbiert, dass keine Aufnahme aus dem Magen-Darm-Trakt möglich ist. Hierauf und auf pH-Wert-Verschiebungen und möglicherweise Komplexbildungen mit mehrwertigen Kationen anorganischer Salze, adsorptiv wirkende Nahrungsbestandteile oder säurebindende Adsorbenzien braucht hier nicht eingegangen zu werden. Auch Veränderungen infolge veränderter Passagezeit (Verkürzung durch Laxantien und Prokinetika oder Verzögerungen infolge atropinartiger Begleitwirkungen, z. B. der Antidepressiva) sollen hier nur am Rande erwähnt werden.

Eine wichtige Rolle spielen neben den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Substanz selbst auch die variablen Veränderungen des resorbierenden (exakt: absorbierenden) Darmepithels. In ihm können bereits erste Metabolisierungsreaktionen ablaufen, so dass die gegebene Dosis nur z. T. ins Blut gelangt. Der Besatz mit Esterasen zerstört oral verabreichtes Heroin beispielsweise so erheblich, dass bereits in der Leber und systemisch gar kein Heroin nachweisbar wird. Auch Kokain wird bereits im Darm zum großen Teil hydrolytisch gespalten. Komplizierter sind die Rolle des auch im Darmepithel vorhandenen Cytochrom-P-450-Systems und die mögliche sofortige Glucuronidierung von Alkoholen, Phenolen oder Carboxylfunktionen (z. B. der nicht steroidalen Antirheumatika). Die Überwindung dieser Hürde für die Aufnahme wirksamer Konzentrationen ins Blut kann in einigen Fällen überraschend durch Raritäten verbessert werden. Dazu gehören das im Grapefruitsaft enthaltene Bergamottin und andere Furanocoumarine. Sie sind wirksame Inhibitoren des Cytochrom-P-450-Systems, so dass das Pharmakon unmetabolisiert passieren kann.

In den letzten Jahren erforscht ist außerdem das Vorkommen von MDR-Proteinen [2]. Sie kommen in vielen Organen vor und wurden entdeckt bei der Erforschung der Resistenz von Tumoren gegenüber Zytostatica, ehe man feststellte, dass sie auch normalerweise in vielen anderen Geweben vorkommen. Diese Glykoproteine, vor allem das MDR1- und das MDP2-Protein, schleusen in die Zelle aufgenommene Arzneistoffe in einem aktiven, ATP verbrauchenden Prozess sofort wieder aus der Zelle aus. Sie unterliegen wahrscheinlich auch Aktivitätsschwankungen. Arzneimittelinteraktionen sind dadurch möglich, dass dieses Transportsystem gehemmt werden kann. Ein Beispiel dafür sind Kalziumantagonisten. Nur am Rande sei vermerkt, dass auch im Darmepithel gebildete Fremdstoffmetaboliten so wieder ausgeschleust werden können, bevorzugt in Richtung Darmlumen.

Die zweite Station eines aufgenommenen Arzneistoffs ist natürlich die Leber mit ihrer hohen Kapazität an metabolisierenden Enzymen. Nur der Anteil, der die Leber passiert und systemisch ins Blut gelangt, ist auch biologisch verfügbar. Beides, die enterale und hepatische Metabolisierung der aufgenommenen Dosis, wird als First-Pass-Effect zusammengefasst. Die Aktivität der metabolisierenden Enzyme unterliegt Veränderungen, die den First-Pass-Effect variabel halten können. Grundsätzlich ist jeder First-Pass-Effect auch sättigbar, so dass dann prozentual eine gesteigerte Bioverfügbarkeit bei höherer Dosierung resultieren kann.

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Verteilung

Die Verteilung im Organismus kann durch Interaktionen ebenfalls beeinträchtigt werden. Dies betrifft vor allem solche Substanzen, die zu einem hohen Anteil an Plasmaproteine gebunden sind. Bei kompetitiver Interaktion verdrängt das stärker gebundene das schwächer gebundene aus der Bindungsstelle und erhöht somit den freien Anteil. Hierdurch strömt ein höherer Anteil in das Gewebe und damit in die Zielorgane ab. Bekannt sind solche Interaktionen zwischen Salicylaten und Coumarinderivaten (z. B. Phenprocoumaron) oder oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffen).

Nur der freie, ungebundene Anteil steht für die Aufnahme in die (Ziel-)Organe, für die Metabolisierung oder die renale Exkretion zur Verfügung.

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Elimination

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Metabolismus

Das metabolisierende Enzymsystem der Leber hat eine zentrale Bedeutung für die Pharmakokinetik insgesamt. Überragende Bedeutung für zentralwirksame, lipophile Substanzen hat das Monooxygenasesystem, die Cytochrome-P-450 (CYP). Dieser Komplex aus vielen CYP mit unterschiedlicher Spezifität für verschiedene endogene Substrate als auch aufgenommene Fremdstoffe bewirkt in überlappender Substratspezifität Oxidationsreaktionen, die im Allgemeinen zu besser wasserlöslichen renal oder biliär ausscheidbaren Verbindungen führen. Tab. [1] zeigt die wichtigsten Gen-Familien (CYP 1 bis CYP 4) und die daraus phylogenetisch entstandenen Unterfamilien [3].

Tab. 1 Wichtigste CYP-Phänotypen mit ihren Substraten
CYP-Formtypische Substrate
1A1PAK (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe)
1A2PAK Theophyllin, Clozapin, Coffein
1A6Nikotin
1B1PAK
2C9Warfarin, Fluvoxamin
2C18Verapamil
2C19Omeprazol, Diazepam, Phenobarbital, Diclonfenac, Diazepam
2C8Amiodaron, Ibuprofen, Tolbutamid
2D6Fluoxetin, Propafenon, Codein, Dextromethorphan, Flecainid, Desipramin, Nortriptylin, Clomipramin, Desipramin, Amitriptylin, Doxepin, Amphetamin, Metoprolol, Mexiletin
2E1Ethanol, Toluol, INH, Paracetamol
3A4Amitriptylin, Benzodiazepin, Buprenorphin, Calciumantagonisten, Chinin, Clarithromycin, Codein, Erythromycin, Fentanyl, Digitoxin, Diphenhydramin, Haloperidol, Methadon, NNRTI, Phenothiazine, Propranolol, Rifampicin, Sildenafil, Troleandomycin, Tacrolimus, Tramadol, Warfarin, Zolpidem

Die wichtigste Subfamilie ist das CYP 3A4. 30 - 40 % aller CYP-Formen der Zelle sind „zuständig” für ca. 60 % aller Arzneimittel. Wichtig ist außerdem das CYP 2E1, weil es auch Alkohol und Paracetamol oxidieren kann, sowie das CYP 2D6. Für dieses CYP liegt ein Polymorphismus vor. Infolge von ca. 50 verschiedenen Genmutationen ergeben sich phänotypische Varianten, von denen 16 kein funktionstüchtiges Enzym ausbilden. Diese defizienten Low Metabolizer metabolisieren entsprechende Substrate mit erheblich niedrigerer Geschwindigkeit als Normalpersonen. In seltenen Fällen, den „utrarapid metabolizer”, kommt es infolge von Genamplifikationen zu einer höheren als der normalen Umsatzgeschwindigkeit. Letztere benötigen nicht 50 mg Desipramin, sondern 500 mg für denselben antidepressiven Effekt. Wichtig ist dieses Enzym auch für den Stoffwechsel von z. B. Kodein, das durch das CYP 2D6 zu Morphin metabolisiert wird. Andere Substrate sind außerdem trizyklische Antidepressiva, Betablocker, Antiarrhythmika (Klasse I), Amphetamin und Amphetaminderivate. So erklären sich dann eventuell interindividuelle Unterschiede bei der analgetischen Wirkung von Kodein/Dihydrokodein. Auch für die Familien CYP 2C9 und CYP 2C19 kommt gelegentlich ein Polymorphismus vor. Die überwiegenden Interaktionen mit Arzneimitteln auf dieser Ebene des Metabolismus sind jedoch Wechselwirkungen am CYP 3A4. Die Metabolisierungsrate eines Medikaments wird durch ein zweites, von diesem ebenfalls zu metabolisierenden Arzneimittel gehemmt (Tab. [2]), entweder kompetitiv, nichtkompetitiv oder sogar irreversibel, wenn das Enzym durch kovalente Bindung eines Metaboliten funktionslos wird. Infolge der verminderten Metabolisierungsrate durch Interaktion kann also der Blutspiegel höher ansteigen bzw. langsamer abfallen und in summa zu einem erhöhten Steady-State-Level führen. Dies gilt nicht nur für den Anteil des Arzneimittels im Blut, sondern auch für die biologische Verfügbarkeit. Bei Hemmung der Metabolisierungsrate wird ein höherer Anteil unmetabolisiert aus dem Darm ins Blut gelangen können. Besonders anfällig ist hier auch das Cytochrom 3A4 in der Darmmukosa, das z. B. durch den bereits erwähnten Grapefruitsaft oder besser dessen Gehalt an Bergamottin und Dihydrobergamottin hemmbar ist.

Tab. 2 CYP-Induktoren und -Inhibitoren
CYP-FormInduktorInhibitor
1A1, 1A2, 2B1PAK, Dioxinea-Naphthoflavon
2C, 3ARifampicin, NNRTI, Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Spironolacton NNRTI, Rifabutin, Rifampicin, Makrolid-Antibiotika, Cimetidin, Proteinase-Inhibitoren, Ketoconazol u. a., Azol-Antibiotika, Grapefruitsaft

Nicht ganz so kompliziert ist die Situation bei einer anderen enzymatischen Reaktion des Arzneistoffmetabolismus, dem Phase-II-Schritt der Glucuronidierung. Hier gibt es zwei Familien der Glucuronyltransferasen, die UGT1- und UGT2-Familie. Während die UGT2 zwei Subfamilien aufweist, die UGT2A und die UGT2B, kennt man für die Familie UGT1 die Formen UGT1A1 bis UGT1A10 [4] für Bilirubin, Phenol, Steroide, Morphin u. a. Grundsätzlich sind auch hier die Spezifitäten weit überlappend und hinsichtlich der Hemmung werden im Arzneimittelstoffwechsel nur selten manifeste Interaktionen beobachtet.

Prinzipiell sollte man annehmen, man könnte bei Vorliegen der pharmakokinetischen Daten im Voraus berechnen, um wie viel die Wirkung eines Arzneistoffs durch die Interaktion mit einem anderen verändert werden könnte. In der Praxis ist dies aber so gut wie nicht möglich. Es kommt außerdem noch ein weiterer Faktor hinzu, nämlich die Induktion.

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Enzyminduktion

Viele CYP- und UGT-Formen sind induzierbar durch Fremdstoffe und Arzneimittel. Manche Arzneistoffe induzieren gerade diejenigen Enzyme, die auch für ihren Metabolismus verantwortlich sind. Die Induktion erfordert einige Tage und sinkt auch erst einige Tage nach Absetzen wieder auf „Normalaktivitäten” herab. Hierzu gehören Substanzen, von denen wichtige in Tab. [2] aufgeführt sind. Das CYP2D6 ist jedoch nicht induzierbar.

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Exkretion

Interaktionen bei der renalen und biliären Exkretion treten im Allgemeinen nicht auf und brauchen in diesem Zusammenhang nicht erörtert zu werden.

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Interaktionen bei substituierten Patienten

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Interaktionen bei Methadon-Patienten [5]

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Benzodiazepine

Die Benzodiazepine sind, ebenso wie das Methadon, Substrate für das CYP 3A4. Zu erwarten wären somit eine Erhöhung der Bioverfügbarkeit für Methadon und eine Verlängerung der Halbwertszeit für Methadon.

Für Flunitrazepam gilt diese Interaktion primär nicht, da der erste Inaktivierungsschritt des Flunitrazepams in der Reduzierung der Nitrogruppe zum Aminoderivat besteht und erst in zweiter Linie auch die Desalkylierung zum Desalkyl-Flunitrazepam verläuft. Die Desalkylderivate Nordazepam und Desalkyl-Flunitrazepam sind beide ebenfalls wirksam.

Lorazepam, Oxazepam und Temazepam interagieren nicht mit Methadon, da sie glucuronidiert werden, was für den Metabolismus des Methadons aber keine Rolle spielt.

Alle Benzodiazepine haben natürlich eine pharmakodynamisch synergistische Wirkung auf die Sedierung und die Beeinträchtigung des Atemzentrums.

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Alkohol

Ethanol wird durch das CYP 2E1 metabolisiert, zur Hauptsache aber durch die Alkoholdehydrogenase. Eine Interaktion mit Methadon kommt pharmakokinetisch nicht in Betracht, wohl aber in Bezug auf die Rauscheffekte und die sedierenden Eigenschaften. Anzuführen wäre hier die Interaktion des Alkohols mit zusätzlich Chloralhydrat, das aber für Substitutionspatienten praktisch nicht verordnet wird.

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Andere Drogen

Kokain kann zur pharmakodynamischen Interaktion im Sinne eines Rauscheffektes führen, eine pharmakokinetische Interaktion scheidet aus, da Kokain durch Esterasen inaktiviert wird, sowohl präsystemisch als auch nach parenteraler Absorption durch Esterasen des Blutes. Nur theoretisch wäre eine Verlängerung der Kokainhalbwertszeit denkbar durch toxische Konzentrationen von Cholinesterase-Inhibitoren (E 605, Physostigmin).

Amphetamin und Amphetaminderivate haben keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik des Methadons, wirken aber natürlich pharmakodynamisch wie Kokain berauschend und in Bezug auf die Sedation zum Methadon antagonistisch. Morphin und andere Opioide konkurrieren mit dem Methadon um die Opiatrezeptoren und führen zu einer verstärkten Wirkung, sofern es sich nicht um partielle Agonisten handelt, die die Methadonwirkung, wie oben beschrieben, abschwächen könnten. Morphin, Monoacetylmorphin und Morphin-6-Glucoronid sind als Abbauprodukte des Heroins ebenfalls nur pharmakodynamisch als additiv zu bewerten.

Die perorale Zufuhr von Heroin macht pharmakologisch keinen Sinn, da das Heroin infolge der Esteraseaktivität in Darmschleimhaut, Blut und Lebergewebe die biologische Verfügbarkeit verhindert, so dass systemisch allenfalls Morphin nachweisbar ist. Morphin selbst wird bereits präsystemisch zum größten Teil glucuronidiert.

Tetrahydrocannabinol, der Wirkstoff des Cannabis, wird ebenfalls über das Cytochrom-P-450-System oxidiert, pharmakokinetische Interaktionen mit dem Methadon sind jedoch nicht bekannt. Pharmakodynamisch besteht eventuell ein Synergismus mit dem Methadon.

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Antiepileptika

Carbamazepin ist nicht nur ein Substrat des CYP 3A4 und kann somit die Abbaugeschwindigkeit des Methadons verzögern. Carbamazepin ist auch ein Induktor dieses Cytochroms, so dass die pharmakokinetische Interaktion unsicher zu beurteilen ist. Die biologische Verfügbarkeit von Methadon wird generell wohl nicht (weiter) gesteigert, es resultiert aber eine Verminderung der Plasmakonzentration.

Phenytoin ist wie Carbamazepin zu beurteilen. Es ist ein kompetitives Substrat für das CYP 3A4, aber auch ein Induktor dieses Cytochroms, v. a. aber des CYP 2C9.

Phenobarbital hemmt nur geringgradig das CYP 3A4, bewirkt aber eine z. T. hochgradige Induktion von CYP 3A4 sowie der Subfamilie 2C und der Glucuronyltransferasen.

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Trizyklische Antidepressiva

Die trizyklischen Antidepressiva interagieren pharmakodynamisch aufgrund der Sedation. Nur bei überhöhter Dosierung könnte aufgrund der atropinartigen Nebenwirkungen mit einer verzögerten Resorption von Methadon gerechnet werden.

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Hemmer der Salzsäureproduktion

Cimetidin, ein H2-Blocker, hemmt nichtkompetitiv sowohl das Cytochrom-P-450-System als auch die Glucuronyltransferasen unspezifisch. Hierdurch werden die biologische Verfügbarkeit als auch die Halbwertszeit von Methadon oder Diazepam deutlich verlängert. Neuere H2-Blocker haben diese Eigenschaften nicht.

Omeprazol lässt keine Arzneimittelinteraktionen erwarten, da es über das CYP 2C19 metabolisiert wird, also den Metabolismus des Methadons (fast) nicht betrifft.

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Antibiotika, Antimykotika

Die Makrolide Erythromyzin, Clarithromyzin u. a. sind Substrate des 3A4 und der CYP 2C9 und 2C19. Sie verzögern die Metabolisierungsrate von Methadon und auch der Benzodiazepine.

Rifampicin und Rifabutin haben eine deutliche Affinität zum CYP 3A4 und können ebenfalls die biologische Verfügbarkeit (geringgradig) sowie die Plasmakonzentrationen des Methadons erhöhen, führen aber zu einer erheblichen Induktion des CYP 3A4 und einiger Glucuronyltransferasen. Es muss mit einer anschließenden deutlichen Verminderung der Methadon-Plasmakonzentration gerechnet werden, dem für die Dauer der antibiotischen Behandlung mit einer Anhebung der Methadondosierung begegnet werden müsste.

Azol-Antimykotika (Ketoconazol, Itraconazol, Fluconazol) [6] sind ebenfalls potente Inhibitoren des CYP 3A4, sind aber keine Induktoren dieser Monoxygenasen. Die geringste Inhibition übt offenbar Fluconazol aus.

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Antiretrovirale Therapie (Tab. [3])

Während die Nukleoside keine Interaktionen bewirken, ist bei Einsatz der nichtnukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) mit deutlichen Interaktionen zu rechnen; Delavirdin, Neverapin, Efavirenz sind Inhibitoren des CYP 3A4 und bewirken zu Beginn eine Inhibition mit damit verstärkter Wirksamkeit des Methadons, senken aber als Induktoren des CYP 3A4 anschließend dessen Halbwertszeit wie auch die der NNRTI selbst [2] [7].

Tab. 3 Antiretrovirale Arzneimittelinteraktionen mit Methadon
SubstanzMethadon-PlasmakonzentrationMechanismus
NRTI[1] -
NNRTI[2] anfangs ↑CYP3A4-Inhibition
Delavirdinspäter ↓↓CYP3-, CYP-2C-Induktion
Efavirenz
Nevirapin
PI[3] CYP3A-Inhibition
Amprenavir
Indinavir
Nelfinavir(↑)schwach wirksam
Ritonavir↑↑anfangs starke Inhibition
(↑)später auch Induktion (?)
Saquinavir
1nukleosidische Riverse-Transkriptase-Inhibitoren 2nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren 3Protease-Inhibitoren

Die Proteinase-Inhibitoren sind reine Substrate für das CYP 3A4 und z. T. des CYP 2C9. Sie führen jedoch nicht zu einer Enzyminduktion, so dass durch sie nur eine konstante Interaktion mit Methadon resultiert. Selbstverständlich müssen hier auch andere CYP-3A4-Substrate als Kandidaten für Interaktionen genannt werden: Erhöhung der Plasmakonzentrationen der NNRTI durch andere Inhibitoren (z. B. Ketoconazol) oder Verminderung der Plasmaspiegel durch Induktoren wie Carbamazepin oder Rifampicin. Da regelmäßig nur die Dreier-Kombinationen aus NRTI, NNRTI und Proteinase-Inhibitoren bei der HIV-Infektion zur Anwendung kommen, betreffen die Interaktionen auch die Substanzen untereinander. So kann die Bioverfügbarkeit von Saquinavir durch CYP-Inhibitoren mehrfach erhöht werden oder durch Induktoren (Rifampicin, NNRTI) vermindert sein. Wirkungen und Nebenwirkungen dieser Substanzgruppe erfordern vorsichtige Dosisanpassungen.

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Interaktionen bei Kodein-/Dihydrokodein-Patienten

Da die Metabolisierungsraten dieser Opioide sowohl von CYP 3A4 als auch von der Aktivität des CYP 2D6 abhängen, fallen die Interaktionen mit den oben genannten Substanzen eher geringergradig aus, so dass sie weniger ins Gewicht fallen. Das CYP 2D6 ist nicht induzierbar und kann dadurch außer Betracht bleiben.

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Interaktionen bei Buprenorphin-Patienten

Das Buprenorphin unterliegt einer intensiven First-Pass-Metabolisierung, so dass es bekanntlich peroral praktisch unwirksam ist. Als CYP-3A4-Substrat kann es allerdings mit den oben genannten Inhibitoren und Induktoren in seiner Pharmakokinetik beeinträchtigt werden. Hier spielen die pharmakodynamischen Interaktionen mit ebenfalls zentral sedativ und potenziell atemdepressiven Substanzen die weitaus wichtigere Rolle, so dass insbesondere, außer den im Allgemeinen schwächer bindenden Opioiden, andere Hypnotika wie Ethanol und Benzodiazepine generell zu lebensgefährlichen Intoxikationen führen können und beschrieben sind.

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Schlussfolgerung

Bei substituierten Patienten sind Interaktionen mit einer hohen Anzahl von Arzneimitteln möglich. Durch sie können sowohl Überdosierungs- als auch Unterdosierungserscheinungen (Entzugssymptome) auftreten. Wichtiger als die pharmakokinetischen Interaktionen sind jedoch die pharmakodynamischen Wechselwirkungen bzw. synergistischen Wirkungen auf das Atemzentrum. Die Voraussage solcher Interaktionen lässt sich kaum berechnen und sollte mit der gebotenen Vorsicht der Dosierung erfolgen. Notwendige Dosissteigerungen der Substitutionsmedikamente sollten vorteilhaft durch fraktionierte Gaben des Substituts erfolgen. Dosisanpassungen können vorgenommen werden, wenn vor der Gabe zusätzlicher Medikamente Plasmakonzentrationsmessungen des Substituts und nach Beginn der Zusatzmedikation erneut Plasmakonzentrationsmessungen stattfinden, um eine noch bessere Justierung der Substitutionsdosis zu ermöglichen. Grundsätzlich sollte die Gabe von Inhibitoren zu einer vorsichtigen Reduktion und die Gabe von Induktoren zu einer vom Patienten zumeist auch geforderten Dosiserhöhung führen. Bei Absetzen von Induktoren sollte das Substitut wieder reduziert werden. Die Toleranz gegenüber dem Substitutionsmedikament bewirkt keine Kreuztoleranz gegenüber anderen atemdepressorischen Arzneistoffen. Jede Änderung der Zusatzmedikation mit potenziell pharmakodynamischem Synergismus erfordert äußerste Vorsicht. Dies gilt insbesondere für Buprenorphin-Patienten.

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Literatur

  • 1 Kintz P. Deaths involving buprenorphine: A compendium of french cases.  Forensic Sci Int. 2001;  121 65-69
  • 2 Klotz U, Kroemer H K. Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln. Pharmakotherapie. München, Jena; Urban & Fischer Verlag 2001: 457-470
  • 3 Ingelmann-Sundberg M, Oscarson M, McLellan R A. Polymorphic human cytochrome P450 enzymes: an opportunity for individualized drug treatment.  Trends Pharmacol Sci. 1999;  20 342-349
  • 4 Burchell B, Nebert D W, Nelson D R. et al . The UDP-glucuronyltransferase gene superfamily-suggested nomenclature based on evolutionary divergence.  DNA Cell Biol. 1991;  10 487-494
  • 5 Zangermann-Muncke P. Interaktionen bei der Methadon-Substituution.  Pharm Ztg. 1999;  1444 3431-3434
  • 6 Cobb N N, Desai J, Brown j r LS. et al . The effect of fluconazol on the clinical pharmacokinetics of methadone.  Clin Pharmacol Ther. 1998;  63 655-662
  • 7 Heelon M, Meade L B. Methadone withdrawal starting an antiretroviaral regimen including nevirapine.  Pharmacotherapy. 1999;  19 471-472

Prof. Dr. A. Schmoldt

Institut für Rechtsmedizin

Butenfeld 34

22529 Hamburg

Email: Schmoldt@uke.uni-hamburg.de

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Literatur

  • 1 Kintz P. Deaths involving buprenorphine: A compendium of french cases.  Forensic Sci Int. 2001;  121 65-69
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  • 7 Heelon M, Meade L B. Methadone withdrawal starting an antiretroviaral regimen including nevirapine.  Pharmacotherapy. 1999;  19 471-472

Prof. Dr. A. Schmoldt

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22529 Hamburg

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