Z Gastroenterol 2004; 42(9): 994-996
DOI: 10.1055/s-2004-813512
Leitlinien

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Histopathologische Diagnostik

Histological DiagnosisC. Wittekind1 , G. Rogler2
  • 1Universitätsklinikum Leipzig, Institut für Pathologie, Leipzig
  • 2Universitätsklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Regensburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. September 2004 (online)

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Entzündungsdiagnostik

Empfehlung

Im Rahmen der Diagnosesicherung bilden histologische Untersuchungen von Biopsien einen wichtigen Baustein (B). Um die Möglichkeiten der histopathologischen Differenzialdiagnostik effizient nutzen zu können, sind erforderlich:

  1. Biopsieentnahmen aus dem terminalen Ileum, dem Rektum und jedem Kolonsegment aus makroskopisch betroffenen und makroskopisch freien Abschnitten des Kolons (C);

  2. Berücksichtigung von Informationen über die vorausgegangene Therapie und Diagnostik (z. B. Stuhlkultur) (C);

  3. Berücksichtigung von Informationen über die Krankheitsdauer (C);

  4. Berücksichtigung des Endoskopiebefundes (C).

Die Erhebung der oben genannten klinischen und endoskopischen Befunde sollte standardisiert erfolgen.

Erläuterungen

Einen Goldstandard für die Diagnose einer Colitis ulcerosa gibt es nicht. Als sicherste Methode wurde die Histologie am Darmresektat beurteilt. Die Zusammenschau vom klinischen Krankheitsverlauf (Anamnese inkl. vorausgegangener Therapie und Medikamentenanamnese, Art der Symptome und Symptomdauer), vom endoskopischen Befund und der Histologie liefert die sicherste Diagnose. Es besteht Übereinstimmung, dass es keinen spezifischen Histologie-Befund gibt. Anhand einer charakteristischen Konstellation von histopathologischen Befunden in Biopsien kann die Diagnose einer Colitis ulcerosa einigermaßen zuverlässig gestellt werden. Bei Untersuchung nur von Einzelbiopsien (aus dem Rektum) kann die Diagnose mit einer Treffsicherheit von rund 70 % gestellt werden [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]. Eine deutlich höhere Aussagekraft wird erreicht, wenn Stufenbiopsien untersucht werden, weil diese neben den einschlägigen histologischen Befunden zusätzlich auch die Verteilung der Läsionen in die Bewertung einbeziehen lassen („kontinuierlich” vs. „diskontinuierlich”). So ist anhand von Stufenbiopsien die Diagnosestellung mit einer Spezifität und Sensitivität von 80 % möglich [10] [11].

Als histopathologische Charakteristika sind für die bioptische Diagnostik hervorzuheben [11]:

  • Störung der Kryptenarchitektur;

  • Kryptenatrophie;

  • Plasmozytose im basalen Schleimhautstroma;

  • Paneth-Zell-Metaplasie jenseits der rechten Flexur;

  • Muzinverlust im Randbereich von Ulzerationen;

  • kontinuierliche und diffuse (= transmukosale) Infiltration der Mukosa durch Lymphozyten und Plasmazellen;

  • kontinuierliche Verteilung der Kryptenatrophie oder Störung der Kryptenarchitektur;

  • kontinuierliche Verteilung der Schleimreduktion (bei aktiver Colitis).

Andere Einzelbefunde haben eine geringere differenzialdiagnostische Spezifität [1] [7] [11]. Informationen zur vorausgegangenen Therapie sind erforderlich, weil das morphologische Erscheinungsbild durch die Therapie stark beeinflusst werden kann. Dies ist bei der Bewertung histopathologischer Befunde zu berücksichtigen. Als mögliche Varianten des morphologischen Erscheinungsbildes sind hervorzuheben:

  • Die kontinuierlich ausgedehnte Erkrankung kann gelegentlich eine diskontinuierliche Entzündungsaktivität aufweisen und dabei auch bestimmte Abschnitte aussparen (z. B. Rektum).

  • Diese Variante kommt insbesondere als Folge von Lokaltherapien vor, aber auch bei Remission unter systemischer Therapie [12] [13] [14].

  • Abweichende Verteilungsmuster sind mitunter auch ohne vorausgegangene Therapie bei Kindern zu beobachten [14].

  • Eine Pancolitis ulcerosa kann sich auch weiter retrograd in das anschließende Ileum ausdehnen (= retrograde Anschlussileitis; Back-wash-Ileitis) [15].

Eine Colitis ulcerosa kann sich vom Rektum aus weiter anterograd in die Mukosa des oberen Analkanals erstrecken [16]. Entsprechend kommen auch lokale entzündliche Komplikationen im Analbereich vor.
Eine Information zur Krankheitsdauer ist erforderlich, um histologische Fehlbewertungen zu vermeiden. Bei kurzer Erkrankungsdauer ist vor allem eine protrahiert abklingende infektiöse Colitis abzugrenzen [8] [17] [18]. Bei länger bestehender Erkrankung ist zu berücksichtigen, dass der morphologische Phänotyp einer CU nicht „statisch” bleibt, sondern „dynamisch” fortschreiten kann. Daher erfordert die Bewertung bioptisch-histologischer Befunde eine Zusammenschau auch mit der Anamnese.

Heute sind viele Formen einer Colitis mit definierter Ätiologie bekannt [19] [20]. Manche dieser Colitiden (z. B. Diversions-Colitis; medikamentösinduzierte Colitis) haben morphologische Ähnlichkeit mit Colitis ulcerosa und können teilweise erst epikritisch abgegrenzt werden.

Literatur

Prof. Dr. C. Wittekind

Universitätsklinikum Leipzig, Institut für Pathologie

Liebigstraße 26

04103 Leipzig

Telefon: ++ 49/3 41/9 71 50 36

Fax: ++ 49/3 41/9 71 50 09

eMail: wittc@medizin.uni-leipzig.de