Frühinterventionen sind als Thema nicht neu, bekommen aber durch das Zusammenwirken
verschiedener Institutionen einen neuen Stellenwert. Diskussionswürdig ist die Fragestellung
der Frühinterventionen in Abgrenzung zur Prävention allemal: Lassen sich pragmatisch
Abgrenzungen zwischen Prävention und Frühintervention darstellen oder bleiben die
Übergänge - wie so häufig - fließend?
Das Lateinische hilft nur scheinbar bei der Unterscheidung: Die „Inter-vention” kommt
irgendwie „zwischen” etwas, die „Prä-vention” vor etwas. Tatsächlich kommt aber auch
die Prävention durch ihre Staffelung von Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention
„zwischen” etwas, die Frühintervention möchte aufgreifen, be„vor” etwas in den Brunnen
gefallen ist.
Hilfreicher ist es daher, in den gebräuchlichen Wortsinn zu wechseln. Dort finden
wir unter Prävention die Vorbeugung und die Verhütung, bei der Intervention Vermittlung,
Einmischung und eine kryptisch anmutende Formulierung, die „Eintritt in eine Wechselverbindlichkeit”
lautet. Damit kommen wir der Intention der meisten sich Frühintervention nennenden
Maßnahmen schon näher: Es wird vermittelt, sich eingemischt und etwas im Wechsel vollzogen.
Es hat den Anschein, als würde es in diesem Stadium des Geschehens zwei Partner geben,
die in eine Beziehung treten, um gemeinsam eine Veränderung zu vollziehen. Das würde
bedeuten, dass man sich von einem Ungleichgewicht entfernt, bei dem die eine Seite
bereits Wissen und Erkenntnis hat, das der anderen Seite noch fehlt, bzw. das die
andere Seite nicht zur Kenntnis nehmen möchte.
Unseres Erachtens liegt genau hier die Chance: mit Frühinterventionen einen „Link”
zu finden, der zwischen Konsumenten und Gesundheitspflegern eine Verbindung herstellt,
von der beide Seiten profitieren können: Die einen erhalten Informationen zum Thema
ihrer spezifischen Konsumgewohnheiten auf möglichst wertfreier Basis und teilen eben
ihre spezifischen Gewohnheiten mit den Beratern, die ihrerseits lernen und im Folgenden
weitere - auch andere Angebote - spezifischer anpassen können.
Bei positivem Verlauf sind beide Seiten am Ende des Prozesses in der Lage, sich ein
Bild über ihr eigenes Agieren zu machen. Es geht nicht um Vermeidung von etwas, sondern
um (gegenseitige) Sensibilisierung.
Das betrifft im Übrigen nicht nur Nutzer und Anbieter, sondern im gleichen Maß auch
verschiedene Einrichtungen des Gesundheitssystems, die durch die Klammer der „Frühintervention”
gemeinsam handeln und lernen können, also z. B. eine Präventionsstelle gemeinsam mit
einer Beratungsstelle oder einem niedergelassenen Arzt. Ebenso kann die Frühintervention
eine Tür für Monitoring und Forschung öffnen.
Der Artikel von Elke Rühling, Maren Stich und Christina Hartwig gibt einen Überblick
über im deutschen Sprachraum praktizierte Frühinterventionen und stellt eine mögliche
Abgrenzung der Begriffe Frühintervention und Prävention zur Diskussion.
Michael Berner spezifiziert in einem Artikel die Möglichkeiten von Frühinterventionen
in der Allgemeinmedizin. Als Beispiel für eine evaluierte Frühintervention steht FreD
(Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten), dargestellt von Wilfried
Görgen und Wolfgang Rometsch.