intensiv 2004; 12(1): 34-35
DOI: 10.1055/s-2004-812796
Abstract
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Führen Schulungsprogramme zum Umgang mit Venenkathetern zu einer Reduktion katheterassozierter Infektionen?

H.-T. Panknin1
  • 1Berlin
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Publication Date:
21 September 2005 (online)

Venenkatheterassoziierte Lokalinfektionen und Septikämien stellen eine der häufigsten Komplikationen der Infu­sionstherapie auf der Intensivstation dar.

In den vergangenen Jahren wurde bereits von verschiedenen Autoren gezeigt, dass der Einsatz spezieller Katheterteams, wie sie in den USA üblich sind, zu einer Reduktion von Infektionsereig­nissen im Zusammenhang mit Venenkathetern führt.

In den USA wird das Katheterteam immer dann gerufen, wenn ein zentraler Katheter neu angelegt oder gewechselt werden muss; in einigen Krankenhäusern werden sogar periphere Venenverweilkanülen ausschließlich durch solche spezialisierten Teams gelegt.

In Europa hat sich das Prinzip des „I.-v.-Teams” vor allem deswegen nicht durchsetzen können, weil die Abrechnung medizinischer Leistungen abteilungsbezogen erfolgt und auch die medizinische Letztverantwortung beim zuständigen Abteilungsleiter liegt.

Alternativ werden daher hierzulande Schulungsprogramme favorisiert, mit denen eine Verbesserung der Hygienemaßnahmen im Zusammenhang mit dem Legen und Wechseln von Venenkathetern erreicht werden soll. Die vorliegende Studie von Warren u. Mitarb. aus der Infektionsabteilung der Washington-Universitätsklinik in St. Louis, Missouri, in der ein solches Schulungsprogramm etabliert und evaluiert wurde, ist daher für europäische Intensivstationen von großem Interesse.

Die Studie wurde im Baptistenkrankenhaus von St. Louis durchgeführt, einem 500-Betten-Akutklinikum, welches der Washington-Universität angeschlossen ist.

Das Krankenhaus verfügt über je eine chirurgische und medizinische Intensivstation mit zusammen 20 Betten, auf denen unter anderem vier Fachärzte mit intensivmedizinischer Ausbildung für die Patientenbetreuung zuständig sind. Letztere legen auch alle zentralen Venenkatheter.

Im Zeitraum zwischen 1998 und 2000 wurden die Verläufe aller auf die In­tensivstationen aufgenommenen Patienten von Hygienefachkräften und Forschungsassistenten erfasst und dokumentiert.

Venenkatheterassoziierte Infektionen wurden nach den Kriterien des National Nosocomial Infections Systems (NNIS) der USA definiert.

Während des gesamten Studienzeitraums wurden antiseptikabeschichtete Venenkatheter (Arrowg+ard Blue Blue®, Fa. Arrow International, Reading, Pennsylvania) verwendet.

In den Monaten Juli bis September 1999 wurde ein intensives Schulungsprogramm durchgeführt, welches folgende Maßnahmen beinhaltete:

Frontalvorlesungen über die Entstehung und Vermeidung katheterassoziierter Infektionen im großen Hörsaal, interaktive 45-Minuten-Schulungen für die Pflegeteams und die Ärzte der Intensivstationen, die Rückkopplung der Ergebnisse der Infektionserfassung, und die Verteilung einer 10-seitigen Informationsbroschüre zum Eigenstudium.

In Letzterer waren alle wesentlichen Informationen der Katheterrichtlinie der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zusammengefasst.

Eine dieser Informationen war, dass die Vena subclavia als Insertionsort zentraler Venenkatheter bevorzugt werden soll, wenn keine medizinischen Kontraindikationen dagegen sprechen.

Pflegepersonal und Ärzte waren gehalten, vor und nach der Lektüre dieser Broschüre jeweils einen Fragebogen auszufüllen, in dem die wesentlichen Inhalte der Broschüre abgefragt wurden.

Neue Mitarbeiter erhielten ab Juli 1999 jeweils diese Broschüre und wurden durch ihren Dienstvertrag dazu verpflichtet, den ausgefüllten Fragebogen abzugeben.

Die Ergebnisse der Studie sind in Tab. [1] und in Abb. [1] dargestellt.

Tab. 1 Demografische Charakeristika und Infektionshäufigkeit der Patienten in der Phase vor und nach dem Schulungsprogramm Parameter vor dem Schulungs­programmn = 674 Patienten nach dem Schulungs­programmn = 541 Patienten Signifikanz (p-Wert) medizinische Intensivstation 310 (46 %) 239 (44 %) n. s.* a männlich 351 (52 %) 280 (52 %) n. s. mittleres Alter (J.) 71 71 n. s. Herzinsuffizienz 280 (42 %) 248 (46 %) n. s. chronisch-obstruktive Lungenerkrankung 226 (34 %) 180 (33 %) n. s. Diabetes mellitus 200 (30 %) 170 (31 %) n. s. mittlerer APACHE-II-Score 25,2 25,1 n. s. Hämodialyse 91 (14 %) 69 (13 %) n. s. Beatmung 389 (58 %) 305 (56 %) n. s. mittlere Beatmungsdauer (Tage) 9,1 9,0 n. s. Tracheotomie 49 (7 %) 45 (8 %) n. s. Anteil der Patienten mit Katheter in V. subclaviab 124/487 (25 %) 188/454 (41 %) < 0,001 Patienten mit katheterassoziierter Septikämie 30 (4 %) 11 (2 %) 0,02 katheterassoziierte Septikämieratec 4,9/1000 2,1/1000 n. a.d Patienten mit klinischer Sepsis 106 (16 %) 62 (12 %) 0,03 Kathetertage, Mittelwert (Summe) 9,1 (6110) 9,6 (5210) n. s. Mortalität 182 (27 %) 128 (24 %) n. s. mittlere Liegedauer auf der Intensivstation in Tagen 7,8 8,0 n. s. a n.s.: nicht signifikant; b Information nicht für alle Patienten verfügbar; c Infektionsepisoden pro 1000 Kathetertage; d n.a., p-Wert nicht anwendbar, jedoch signifikant aufgrund des geringen Konfidenzintervalls.

Abb. 1 Rate der Katheterseptik­ämien pro 1000 Kathetertage in der Vor- und Nach­periode.

Die Rate der katheterassoziierten Septik­ämien konnte von 4,9 Fälle/1000 Kathetertage auf 2,1 Fälle pro 1000 Kathetertage gesenkt werden, dies entsprach einer Reduktion von 67 % (Konfidenzintervall 16-78 %).

Klinische Septikämien ohne sicheren Hinweis auf den Katheter als Eintrittspforte konnten ebenfalls reduziert werden.

Die mittlere Zeitdauer bis zum Auftreten einer katheterassoziierten Infektion verlängerte sich von 6 auf 9 Tage, der Anteil der in die Vena subclavia gelegten Venenkatheter nahm von 25 auf 41 % zu.

All diese Veränderungen waren signifikant (p-Werte < 0,05).

Die Letalität, die Liegedauer auf der Intensivstation und die Gesamtliegedauer im Krankenhaus veränderten sich allerdings durch die Vermeidung von Katheterinfektionen nicht.

Die Autoren führten auch eine ­orien­tierende Kostenanalyse für das Schulungsprogramm durch. Hierbei zeigte sich, dass die Kosteneinsparung durch verhinderte Katheterseptik­ämien in ­der zweiten Studienphase ca. 336 000 - 574 000 $ betrug, während die Kosten für die Schulungsmaßnahme lediglich mit 3500 $ für anteilige Personalkosten und 500 $ für Verbrauchsmaterialien zu Buche schlugen.

Literatur

  • 1 Warren D K, Zack J E, Cox M J. et al . An educational intervention to prevent catheter-associated bloodstream infections in a nonteaching, community medical center.  Crit Care Med. 2003;  31 1959-1963
  • 2 Eggimann P, Harbarth S, Constantin M N. et al . Impact of a prevention strategy targeted at vascular-access care on incidence of infections acquired in intensive care.  Lancet. 2000;  355 1864-1868

Hardy-Thorsten Panknin

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