Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2004; 14(4): 179-186
DOI: 10.1055/s-2003-814960
Wissenschaft und Forschung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akutbehandlung - Frührehabilitation - Anschlussrehabilitation

Vorschlag zu einem 3-Phasen-Modell bei Implantation einer Endoprothese an Hüfte oder KnieSurgery - Early Rehabilitation - Comprehensive RehabilitationProposal of a Three-Stage-Model After Hip or Knee ReplacementN.  Gerdes1 , S.  Best2 , W.  H.  Jäckel1
  • 1Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
  • 2Theresienklinik, Bad Krozingen
Die Studie wurde von der LVA Baden-Württemberg gefördert
Further Information

Publication History

Eingegangen: 25. Februar 2004

Angenommen: 5. Mai 2004

Publication Date:
09 August 2004 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung: Die Einführung einer fallpauschalierten Vergütung für Diagnosis Related Groups (DRGs) wird zu einer sehr deutlichen Verkürzung der akutstationären Verweildauern führen. Als Konsequenz für die Rehabilitation wird befürchtet, dass die Patienten in noch nicht rehabilitationsfähigem Zustand in Reha-Einrichtungen verlegt und Kosten vom Akutbereich in die Rehabilitation verschoben werden. Das Erreichen der Rehabilitationsziele würde dadurch erheblich erschwert werden. Methodik: Um die Möglichkeiten und Gefahren einer frühen Verlegung zu prüfen, wurden in einer retrospektiven Studie 138 Patienten in einer Rehabilitationsklinik nach dem postoperativen Verlauf nach Implantation einer Hüft- oder Knieendoprothese befragt. Der Interviewleitfaden für die Reha-Ärzte enthielt u. a. Fragen zum medizinischen Verlauf und zur Entwicklung der basalen Alltagsfähigkeiten in den Tagen nach der Operation. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass ca. 85 % der Stichprobe spätestens am 7. Tag nach der Operation (abgesehen von evtl. noch fortbestehenden Wundschmerzen) komplikationsfrei waren und dass die Befragten zu diesem Zeitpunkt fast ohne Ausnahme die basalen Alltagsfähigkeiten (Essen, Toilette, Körperpflege, Ankleiden, Fortbewegung mit Gehwagen) selbstständig verrichten konnten. Die Verlegung zur Anschlussrehabilitation erfolgte im Durchschnitt am 15. postoperativen Tag, wobei es sehr deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Akutkliniken gab. Schlussfolgerungen: Aus den Studienergebnissen wird ein Phasenmodell abgeleitet, das nach einer Akutphase von ca. 6 - 8 Tagen eine Früh-Reha-Phase von weiteren ca. 7 Tagen vorsieht, die entweder in der Akutklinik oder in einer Rehabilitationseinrichtung stattfinden kann und separat vergütet werden sollte. Die eigentliche Anschlussrehabilitation folgt dann nach Beendigung der Früh-Reha-Phase. Für den Übergang zwischen den Phasen können konkrete Kriterien definiert werden. Dieses Phasenmodell greift Vorschläge auf, die der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Gutachten 2003 vorgelegt hat.

Abstract

Background: The introduction of a prepayment system for diagnosis related groups will lead to considerable reductions of length of stay in acute hospitals. There are widespread concerns that this will entail transferring patients to rehabilitation before they are fit for it, thus shifting costs from the acute to the rehabilitative sector and putting the success of rehabilitation at risk. Methods: In order to analyze the chances and dangers of early transfers, we conducted a retrospective study in which 138 patients after hip or knee replacement were interviewed in a rehabilitation hospital on the course of events during the days after the operation. The manual for the interviewing rehab clinicians contained questions on medical complications as well as on the postoperative development of basic activities of daily living (ADL). Results: The results show that about 85 % of the sample were without complications on the seventh day (not counting eventually persisting wound pains) and that, at this time postoperatively, nearly all patients could perform the basic ADL (eating, toiletting, personal hygiene, dressing, locomotion with aids) independently. Transfer to rehabilitation took place on the fifteenth day after operation, on the average. There were, however, marked and highly significant differences between different acute hospitals. Conclusion: These results are integrated into a phase model in which an acute phase of 6 - 8 days is followed by a phase of early rehabilitation lasting another seven days. This phase could take place either in the acute hospital or in a rehabilitation centre and should be payed separately. Rehabilitation proper would then follow after the phase of early rehabilitation. Criteria for the transition from one phase to the next can be defined in concrete terms. The phase model presented here takes up propositions made in the latest expertise 2003 by the German Expert Commission on Concerted Action in the Health Field and proves them as feasible.

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1 Der Einfachheit halber wird im Folgenden die männliche Form auch in generischer Bedeutung verwandt.

Dr. Nikolaus Gerdes

Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung e. V.

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