Gesundheitswesen 2003; 65(12): 671-675
DOI: 10.1055/s-2003-812678
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sozial benachteiligte Kinder - eine Herausforderung für die gemeinwesenbezogene Gesundheitsfürsorge

Einflüsse der Lebenswelt auf Gesundheit und Entwicklung von KindernSocially Underprivileged Children - A Challenge for Communal Health CareH. G. Schlack1
  • 1Rheinisches Kinderneurologisches Zentrum Bonn
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Publication Date:
18 December 2003 (online)

Zur Definition der „sozialen Benachteiligung” im Kindesalter

Ein Kind ist sozial benachteiligt, wenn seine seelischen und körperlichen Grundbedürfnisse wegen ungünstiger äußerer Lebensbedingungen nicht oder nur unzureichend befriedigt und dadurch seine Gesundheit und Entwicklung beeinträchtigt werden. Damit soll ausgedrückt werden: Soziale Benachteiligung ist mehr als nur ein niedriger sozioökonomischer Status, also Armut und geringe Bildung, sondern ist vielmehr die Folge von Mängeln der primären Sozialisation und der Interaktion des Kindes mit seinen Bezugspersonen. Soziale Benachteiligung ist deshalb kein schichtspezifisches und kein ausschließlich materiell bedingtes Phänomen. Allerdings nimmt das Risiko mit dem Grad der sozialen Stressbelastung signifikant zu und der sozioökonomische Status ist dafür ein aussagefähiger Indikator.

Nach dieser Definition deckt sich „soziale Benachteiligung” mit dem früher gebräuchlichen Begriff „Deprivation”. Die besondere Abhängigkeit der Kinder von ihren Bezugspersonen drückt sich nicht nur auf dem Gebiet der Erziehung und der Entwicklungsförderung aus, sondern auch in der Gesundheitsfürsorge. Daher zeigt sich bei den meisten Gesundheitsindikatoren ein sozialer Gradient; das heißt, dass Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status bezüglich Mortalität, Morbidität und gesundheitsbezogener Lebensqualität statistisch gesehen deutlich schlechter abschneiden als Kinder aus sozioökonomisch besser gestellten Familien. Das trifft auch für Gesellschaften mit einem hohen Standard sozialer und gesundheitlicher Sicherung zu, die doch nach verbreiteter Ansicht für egalitäre Bedingungen sorgen.

Literatur

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Prof Dr. med. Hans Georg Schlack

Kinderneurologisches Zentrum, Rheinische Kliniken Bonn

Kaiser-Karl-Ring 20

53111 Bonn

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