NOTARZT 2004; 20(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2003-812601
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Friedrich Wilhelm Ahnefeld

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Friedrich Wilhelm AhnefeldB.  Dirks1
  • 1Sektion Notfallmedizin, Universitätsklinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Ulm
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 February 2004 (online)

Vor 80 Jahren, am 12.1.1924 wurde Friedrich Wilhelm Ahnefeld in Woldenberg geboren. Er ist der Vater der Rettungskette (1966) oder chain of survival, wie die AHA-Kollegen sie nennen; er entwickelte zahlreiche Konzepte, die für uns heute in der deutschen Notfallmedizin selbstverständlich geworden sind; ohne seine unermüdliche berufspolitische Arbeit wären viele notfallmedizinische und rettungsdienstliche Konzepte von der DIN bis zum Rettungsassistentengesetz vermutlich nicht umgesetzt worden. Die notfallmedizinische Landschaft in Deutschland sähe heute anders aus.

Aber der Reihe nach: Nach den Abitur 1942 in Gnesen begann er das Medizinstudium an der Universität Posen.. Er wurde jedoch bald zur Wehrmacht eingezogen und im Krieg an der Ostfront schwer verwundet. Nach dem Krieg konnte er das Medizinstudium in Münster und Düsseldorf fortsetzen. Er legte 1951 sein medizinisches Staatsexamen ab und promovierte bei dem bekannten Pharmakologen Weese. Zu dieser Zeit konnte man in Deutschland kaum eine Weiterbildung in Anästhesie beginnen, das Fach fasste gerade erst Fuß, so bildete er sich zunächst zum Facharzt für Chirurgie weiter, sein Interessenschwerpunkt war bald die Intensivmedizin, speziell die Therapie der Verbrennung.

Ahnefeld ging 1958 zur Bundeswehr, um das erste deutsche Zentrum für Brandverletzte am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz aufzubauen. Gleichzeitig wurde er einer der ersten Weiterbildungsassistenten bei Rudolf Frey, der 1960 das erste Ordinariat für Anästhesie in Mainz übernommen hatte. 1962 war er Facharzt für Anästhesie 1964 habilitierte er sich über die Therapie des Schocks beim Verbrennungspatienten. Spätestens da muss ihn das „Notfallmedizin-Virus” infiziert haben, denn von nun an bis zu seiner Emeritierung 1992 und weit darüber hinaus bis heute ließ ihn das Thema nicht mehr los.

1968 wurde Prof. Ahnefeld Leiter der Anästhesie und Chefarzt (Oberstarzt) des in Planung befindlichen Bundeswehrkrankenhauses Ulm sowie Leiter des Department für Anästhesiologie, 1973 dann auch Ordinarius für Anästhesiologie der jungen Universität Ulm.

Trotz dauerndem Engagement für die Universität als Dekan und Leitender Ärztlicher Direktor des Klinikums und vieler Verpflichtungen, unter anderem für die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin fand er Zeit, mit seiner Arbeitsgruppe eine Vielzahl von Forschungsprojekten speziell zur präklinischen Versorgung von Traumapatienten anzugehen (Kolloid- vs. Kristalloidtherapie, prähospitale Stabilisierung und Beatmung und andere mehr) um Argumente für die Überlegenheit der präklinischen Versorgung gegenüber dem Load-and-go-Konzept zu sammeln. Er schaffte seinen Mitarbeitern dafür Freiräume, trieb sie auch wenn nötig an - berüchtigt waren die „gelben Zettel”, wenn ein Auftrag überfällig war.

Trotz etlicher Enttäuschungen, die er einstecken musste, setzte er sich unermüdlich für die Ausbildung von Laien, Rettungsdienstkräften und Ärzten ein; er kämpfte für die Erste-Hilfe-Ausbildung in den Schulen, bisher leider ohne Erfolg, die Breitenausbildung der Bevölkerung (Erste-Hilfe-Kurs beim Führerschein), die Ausbildung von Rettungssanitätern (520-h-Kurs) und Rettungsassistenten (RA-Gesetz), von Medizinstudenten (AppO Änderung 1992) und von Notärzten (Präsident der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte). Er erreichte, dass in Ulm und einigen anderen Universitäten den Studenten Notfallmedizin während des klinischen Studiums umfassend und praxisnah vermittelt werden konnte und gab 1990 das erste umfassende Lehrbuch „Notfallmedizin” heraus. Er setzte sich gegen Widerstände dafür ein, Notfallmedizin deutschlandweit in die Curricula und die klinische Praxis der Anästhesiologie einzuführen. Dies Konzept hat vielen Studenten die Notfallmedizin nahe gebracht und sie bewogen - häufig als Anästhesisten - Notarzt zu werden.

Ahnefeld emeritierte 1992 - zur Ruhe setzte er sich nicht. Er setzte sich weiter für die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin als Generalsekretär ein, beriet nach der Wiedervereinigung die neuen Bundesländer bei der Reorganisation ihrer Universitätsklinika und veranstaltete zahlreiche Workshops und Tagungen. Einer seiner Workshops zog 1990 Bilanz über alle Aspekte der deutschen Notfallmedizin. Heraus kam eine Grundlagenpublikation über den Stand und die Entwicklungsnotwendigkeiten der deutschen Notfallmedizin. Damit wies er den Weg. Seine Neugierde auf die sozialen politischen und medizinischen, vor allem notfallmedizinischen Entwicklungen ist ungebrochen, speziell die Aus- und Weiterbildung der Rettungsdienstmitarbeiter liegt ihm am Herzen. Er ist undenkbar ohne ständiges Engagement, vielseitige Interessen, bedenkenswerte Ideen, humorige Bemerkungen und unerschöpfliche Kreativität.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Friedrich Wilhelm Ahnefeld hat für sein Lebenswerk weltweit Anerkennung und viele Ehrungen erhalten, darunter das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, die Ernst-von-Bergmann-Medaille der Bundesärztekammer, den Doktor h. c. der Budapester Semmelweis-Universität (für seine Unterstützung beim Aufbau des ungarischen Rettungdienstes) und die Ehrenmitgliedschaft zahlreicher Fachgesellschaften, darunter 1994 die des European Resuscitation Council. Es ehrte ihn jüngst mit der Aufnahme in die Reihe „The Resuscitation Greats”.

Die Entwicklung der Notfallmedizin, nicht nur in Deutschland, wäre anders verlaufen ohne die wissenschaftlichen, politischen und persönlichen Beiträge Friedrich Wilhelm Ahnefelds. Sein Einfluss wird über die Zeit hinaus wirken, nicht zuletzt durch die zahlreichen Schüler, Mitarbeiter und Notärzte, die er „angesteckt” hat. Wenn wir - gelegentlich frustriert - seinen Rat suchen, motiviert er uns mit der Sturheit seiner ostpreußischen Herkunft: „einfach weitermachen”!

Wir wünschen ihm aus vollem Herzen viele weitere Jahre in Gesundheit und voll Tatkraft im Kreise seiner Familie.

Dr. rer. nat. Dr. med. Burkhard Dirks

Sektion Notfallmedizin · Universitätsklinik für Anästhesiologie · Universitätsklinikum Ulm

89070 Ulm

Email: burkhard.dirks@medizin.uni-ulm.de

    >