Nikolaus Konietzko wurde am 6. Dezember 1938 in Kieferstädtel im Kreis Gleiwitz in
Oberschlesien geboren, von wo dann nicht einmal ein Jahr später der Zweite Weltkrieg
seinen Ausgang nahm. Als Folge des verlorenen Krieges gehört dieses Gebiet seit 1945
zu Polen, was zu Flucht und Vertreibung auch der Familie Konietzko führte.
Konietzko ist ein Name slawischen Ursprungs, und „Koniec” bedeutet „Ende”. Fährt man
heute mit dem Auto durch Polen, so findet man jeweils am Ende einer kurvenreichen
Strecke ein Schild mit der Aufschrift „Koniec”. Dies kann symbolisch für den Lebenslauf
von Nikolaus Konietzko gelten, bedeutet doch „Koniec” auch den Beginn einer geraden
Strecke, auf der rasches Vorankommen möglich wird. Ich möchte daher versuchen, Nikolaus
Konietzkos Lebensetappen mit ihrem jeweiligen Ende und dem daraus resultierenden,
meist so fruchtbaren Neubeginn darzustellen.
Zur Welt gekommen ist er am Nikolaustag als viertes von sechs Kindern. Der Vater war
Landarzt, so wurde Nikolaus Konietzko bereits früh mit der praktischen Medizin konfrontiert
und positiv geprägt: Arzt war und ist für ihn der Traumberuf.
Nach dem Krieg wurde der nicht einfache Neuanfang der Familie in Neumarkt in der Oberpfalz
gemacht. Hier endete auch 1957 die Schulzeit mit dem Abitur am humanistischen Gymnasium.
Anschließend begann Nikolaus Konietzko das Studium der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität
in München und legte dort 1963 erfolgreich sein Staatsexamen ab. Gleichzeitig promovierte
er mit dem nicht pneumologischen Thema „Der Einfluß ungesättigter Dicarbonsäuren auf
den Fettstoffwechsel der Leber” zum Dr. med. (mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen
erklärt er seine auch heute noch bestehende Vorliebe für Butter).
Mit dem Ende des Studiums begann eine umtriebige Medizinalassistentenzeit mit sechs
verschiedenen Stationen in Herford, Oldenburg, Berlin und Bremen. Diese kurvenreiche
Strecke fand ihr Ende mit dem Kennenlernen seiner Frau Traute, die er als Krankenschwester
in Oldenburg traf und die ihm eine überaus liebevolle und hilfreiche Lebensgefährtin
wurde. Sie war auch der Grund dafür, dass Nikolaus Konietzko zunächst die Weiterbildung
in der Chirurgie in Bremen bei dem Thoraxchirurgen Professor Wassner begann, der ihn
1967 dann nach Gießen an die Medizinische Klinik über den damaligen Ordinarius für
Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, Professor Voßschulte, vermittelte. Von hier aus
absolvierte Nikolaus Konietzko zunächst seine Grundausbildung in der Bundeswehr, die
dann später 1978 mit der Ernennung zum Oberstabsarzt der Reserve endete.
Der eigentliche Start seiner pneumologisch-internistischen Karriere fand somit an
der Medizinischen Universitätsklinik Gießen bei Professor Thure von Uexkuell statt,
der ihn zunächst Ende 1967 für ein Jahr zu Professor Robert Carton als Fellow in das
„Department of Pulmonary Diseases” in den Research and Educational Hospitals der University
of Illinois in Chicago vermittelte. Hier befasste sich Nikolaus Konietzko tierexperimentell
mit der Induktion des Lungenemphysems durch Proteasen, ein Thema, das ihn ja dann
auch später wieder in der Klinik faszinierte. Er erlernte dort nicht nur die Technik
der starren Bronchoskopie, sondern auch die Lungenfunktionsdiagnostik und den amerikanischen
Stil der Medizin. Zusammen mit Bob Carton als Ko-Autor veröffentlichte er die später
vielzitierte Arbeit „Causes of death in patients with bronchiectasis”, die in der
damals und auch heute international führenden Zeitschrift der American Thoracic Society
veröffentlicht wurde. Ich hatte das Glück, dort über ein halbes Jahr mit ihm zusammenzuarbeiten,
woraus eine andauernde, bewährte Freundschaft entstand.
Nikolaus Konietzko hat dann mit dem vielen neuen Wissen, welches er in Chicago erworben
hatte, an der eben gegründeten Universität in Ulm begonnen, wohin inzwischen Professor
von Uexkuell berufen worden war. Äußerst vorteilhaft war, dass dort in die gerade
neu geschaffene Sektion Pulmologie Heinrich Matthys aus Basel berufen war. Dies war
sehr befruchtend, nicht nur für die eigene wissenschaftliche Karriere, sondern auch
für die deutsche Pneumologie insgesamt - kommen doch aus dieser Schule die meisten
Habilitierten der deutschen Pneumologie. Nikolaus Konietzko habilitierte sich in Ulm
mit dem Thema „Lungenfunktionsprüfung mit Radionukleiden”, wobei für dieses Thema
ausschlaggebend waren die bei Ruy Lourenco in Chicago gesammelten Erfahrungen mit
der Anwendung von Radio-Isotopen zur Bestimmung der mukoziliaren Clearance und das
Zusammentreffen in Ulm mit dem interessierten und kompetenten Nuklearmediziner Professor
Adam. Die Habilitation leitete dann auch Nikolaus Konietzkos Serie als 18-facher Herausgeber
von Büchern zu den verschiedensten pneumologischen Themen (Funktionsdiagnostik, AIDS
und Lunge, Lungenemphysem, interstitielle Lungenerkrankungen, Cor pulmonale, Schlafapnoe,
Bronchitis, Pharmakotherapie bronchopulmonaler Erkrankungen und Tuberkulose) ein.
Dieses weite Spektrum der wissenschaftlichen und klinischen Interessen machte Professor
Werner Maaßen, den damaligen Direktor der Ruhrlandklinik, schon früh auf Nikolaus
Konietzko aufmerksam. Werner Maaßen hatte die Notwendigkeit erkannt, die Pneumologie
in der Ruhrlandklinik zu etablieren, und holte mit einem klugen Schachzug Nikolaus
Konietzko als Leiter der neu geschaffenen Abteilung für „Innere Medizin und Funktionsdiagnostik”
zu sich nach Essen-Heidhausen, was den Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit für
die Fortentwicklung der Ruhrlandklinik und für die deutsche Pneumologie sein sollte.
Alle damals noch jungen Pneumologen hatten zusammen mit einigen älteren, wozu Werner
Maaßen zählte, erkannt, dass die deutsche Pneumologie frischen Wind brauchte. Nikolaus
Konietzko gehörte zu den Anführern. Unvergesslich, wie er auf dem Berliner Kongress
1980 in die heiße Debatte eingriff, ob die altehrwürdige Deutsche Gesellschaft für
Pneumologie und Tuberkulose, die ja aus der Deutschen Gesellschaft für Tuberkulose
entstanden war, endgültig die Tuberkulose aus ihrem Titel streichen sollte - wie sich
das international in den westlichen Ländern bereits seit langem durchgesetzt hatte.
Er bereicherte die Diskussion um das Argument, dass der Name dann ja eigentlich: „Deutsche
Gesellschaft für Pneumologie und gegen Tuberkulose” lauten müsse, womit er die endgültige
Entscheidung für den heutigen Namen der Gesellschaft für viele erleichterte.
Nikolaus Konietzko regte auch schon früh die Bildung von Arbeitsgruppen an, die eine
Reihe von Empfehlungen für die Deutsche Gesellschaft ausgearbeitet haben, das Profil
der Pneumologie innerhalb der Inneren Medizin schärften und heute mit der Entwicklung
zahlreicher Leitlinien für die wichtigsten pneumologischen Krankheiten fortgesetzt
werden. 1990 stieß er auch den Plan für einen Neubeginn in der deutschen Pneumologie
an und konnte aufgrund seines diplomatischen Geschicks hierfür viele Mitstreiter gewinnen,
die sich im so genannten „Celler Kreis” regelmäßig trafen und versuchten, die vorhandenen
Kräfte in der deutschen Pneumologie zu bündeln - was 1993 erfolgreich umgesetzt werden
konnte. Er selbst übernahm erst 1995 das Amt des Präsidenten der DGP, da er noch eine
Aufgabe bei den Rotariern zu beenden hatte. Mit einer auf dem Kongress in Berlin 1994
neu strukturierten Deutschen Gesellschaft für Pneumologie übernahm er 1995 erfolgreich
die weitere Regie. Er war der letzte Präsident der DGP, der gleichzeitig Tagungspräsident
war. An der Gründung der Deutschen Lungenstiftung war er ebenso maßgeblich beteiligt
wie zusammen mit Helmut Fabel an der Herausgabe des „Weißbuch Lunge 1996”, welches
der Öffentlichkeit, den Universitäten und den Politikern die Defizite der deutschen
Pneumologie im Vergleich zum westlichen Ausland aufzeigte, gleichzeitig aber auf Lösungsmöglichkeiten
hinwies.
Er erkannte aber auch die Notwendigkeit, dass die deutsche Pneumologie, um mehr an
Gewicht zu gewinnen, international aktiver werden musste. Bereits in den 80er-Jahren
war er Mitglied des wissenschaftlichen Komitees der SEP, der Societas Europaeae Pneumologica,
einer der beiden Vorläuferinnen der European Respiratory Society (ERS). Anfang der
90er-Jahre wurde er Mitglied der European School of Respiratory Medicine in der ERS
und führte die Umfrage zur universitären Repräsentanz der Pneumologie in den einzelnen
europäischen Ländern durch, die das traurige Fazit erbrachte, dass sich die deutsche
Pneumologie hier an vorletzter Stelle befand (woran sich trotz vielversprechender
Ansätze bis heute wenig geändert hat).
Im Jahr 2001 veranstaltete er erfolgreich als Chairman den Kongress der European Respiratory
Society in Berlin, der inzwischen einer der größten medizinischen Kongresse in Europa
geworden war. Sowohl seine Herkunft aus dem heutigen Polen als auch seine Zeit in
den USA. haben bewirkt, dass er sich stark für den Ausbau der Beziehungen sowohl mit
unseren osteuropäischen Nachbarstaaten als auch mit den westlichen Ländern engagiert
hat. Nicht zufällig hat er zusammen mit B. Wiesner und H. Wendel das erste gemeinsame
„ost- und westdeutsche” Lehrbuch der Pneumologie („Erkrankungen der Lunge”, 1995)
herausgegeben.
Seine berufliche Karriere setzte er als Nachfolger von Werner Maaßen als Ärztlicher
Direktor der Ruhrlandklinik fort. Dort wurde er 1990 auch zum Universitätsprofessor
der Abteilung Pneumologie-Universitätsklinik Essen und damit Pionier der Einbindung
großer Lungenkliniken in die deutsche Universitätsmedizin. Rechtzeitig sorgte er für
seine Nachfolge als Ärztlicher Direktor der Ruhrlandklinik (Professor G. Stamatis
in Rotation mit Professor H. Teschler) und als universitärer Abteilungsleiter (Prof.
Dr. H. Teschler).
Nikolaus Konietzko hat in seinem privaten und beruflichen Leben viele Umbrüche mitgemacht.
Er hat die heutige deutsche Pneumologie wesentlich mitgestaltet, und es ist ihm zu
wünschen, dass er die weitere Entwicklung positiv erleben wird. Er selbst wird als
Vorsitzender der neu gegründeten „Akademie für pneumologische Fort- und Weiterbildung
(APFW)” noch weiterhin seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Ich
bin sicher, dass all seine positiven Eigenschaften, wie aber auch seine Familie mit
drei Kindern und inzwischen (fast) vier Enkelkindern, es ihm leicht machen werden,
den nächsten Lebensabschnitt zu gestalten. Er selbst zitiert gerne Hermann Hesse:
„ . . . jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns schützt und der uns hilft zu leben.”
Die deutsche und die internationale Pneumologie danken Nikolaus Konietzko für seine
Leistungen und wünschen ihm für die Zukunft Freude, Glück und Schaffenskraft. Ich
persönlich darf mich für eine lebenslange Freundschaft, auch unserer Familien, bedanken.
Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper