Die Europäische Kommission förderte von 1997 bis 2001 das „Three-Cities-Project” der
Städte Amsterdam (Jellinek Preventie), Manchester (Life-Line) und Hamburg (Büro für Suchtprävention) im Rahmen ihres gemeinsamen „Three-Cities-Project (3-CP)”. Im letzten Förderungsjahr rückten die Kooperationsstädte das Problem des Mischkonsums
von Drogen in den Mittelpunkt der abschließenden Projektaktivitäten [1]. Wie in den Jahren zuvor wurden in den drei Metropolen mithilfe mehrfach bewährter
Key-Person-Befragungen - und erstmals auf der Basis von verschiedenen Fokusgruppendiskussionen
- die sich aktuell abzeichnenden Konsumtrends innerhalb der Partydrogenszene detailliert
ermittelt. Auf diese Weise war es möglich, problem- und damit bedarfsorientierte Entscheidungen
über die Form und den Inhalt des im letzten Projektjahr zu entwickelnden Präventionsmaterials
zu treffen.
Intervention
Intervention
Der polyvalente Gebrauch verschiedener Rauschmittel stellt kein „neues” Phänomen dar.
Aufgrund der empirischen Beobachtungen lässt sich allerdings ein deutlicher Anstieg
eines sich in seinen Effekten überlappenden Konsums verschiedener Substanzen konstatieren
. Erscheint der Begriff des Mischkonsums von Drogen zunächst relativ eindeutig, erweist
sich die definitorische Abgrenzung eines solchen Drogengebrauchsmusters von dem, was
man ansonsten unter einem polyvalenten Rauschmittelkonsum versteht, dennoch als schwierig.
Je nach Perspektive - pharmakologisch-objektiv von den Drogenwirkungen her oder aber
an den subjektiven Wahrnehmungen der Konsumenten orientiert - ergeben sich für die
Frage, wann man sinnvollerweise von Mischkonsum sprechen kann, Probleme. In Abb. [1] sind drei verschiedene Formen eines polyvalenten Gebrauchs von Rauschmitteln idealtypisch
dargestellt, anhand derer sich die Schwierigkeit einer eindeutigen Definition dieses
Konsummusters illustrieren lässt.
Abb. 1 Die verschiedenen Formen des polyvalenten Drogengebrauchs differenziert nach dem Grad
der Überlappung ihrer Einzelwirkungen.
Definiert man, ausgehend von der medizinisch-pharmakologischen Perspektive, Mischkonsum
als ein Drogengebrauchsverhalten, bei dem sich die Wirkungen mindestens zweier Substanzen
überlappen, wären diese Voraussetzungen streng genommen nur im dargestellten Modell A gegeben (vgl. Abb. [1]). Mit Blick auf die konzeptionelle und inhaltliche Gestaltung eines Infoflyers zu
den unterschiedlichen Aspekten des Mischens von Drogen kann aber die individuelle
Sichtweise der betroffenen Konsumenten nicht unberücksichtigt bleiben. Wie die Ergebnisse
der Fokusgruppendiskussionen nahe legen, betreiben viele der Konsumenten aus ihrer
Sicht eher einen sequenziellen (Modell B) oder sequenziell unterbrochenen Drogenkonsum (Modell C), obwohl sich - objektiv betrachtet - die Effekte der verschiedenen Substanzen faktisch
überschneiden (können). Nicht selten liegen hier die subjektive Wahrnehmung der Wirkungen
und die tatsächlich vorhandenen Effekte der verschiedenen, in einem bestimmten Zeitfenster
konsumierten Substanzen weit auseinander.
Da es zwar wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die pharmakologischen Eigenschaften
der jeweils einzelnen Rauschmittel gibt [3], nicht jedoch über deren konkrete Wechselwirkungen, erschien es dringend angezeigt,
die betroffenen Konsumenten für die unkalkulierbaren Risiken des zeitgleichen Konsums
mehrerer Drogen entsprechend zu sensibilisieren .
Ein weiteres Problem besteht darin, dass bestimmte Rauschmittel, wie z. B. Alkohol,
von einer Vielzahl der Betroffenen nicht als Droge wahrgenommen oder, wie beim Cannabis,
häufig eher zum „Herunterkommen” in der Chill-out-Phase funktionalisiert werden. Damit
rücken sie, unter dem Aspekt des Mischens von Rauschmitteln, nicht ins Blickfeld der
Konsumenten [4].
Ziel der Aktivitäten des 3-CP war es, einen Infoflyer für die Zielgruppe der Jugendlichen
und jungen Erwachsenen in der Partydrogenszene zu entwickeln. Der Flyer soll(te) über
die unterschiedlichen Aspekte des Mischkonsums von Drogen informieren und die Betroffenen
auf diese Weise im Sinne der risk reduction [9] für die unkalkulierbaren Risiken eines solchen Gebrauchsverhaltens entsprechend
sensibilisieren.
Forschungsdesign
Forschungsdesign
Angesichts der Vielzahl von Drogen und der Möglichkeiten, diese in unterschiedlichen
Kombinationen miteinander zu konsumieren, sowie mit Blick auf die Begrenztheit des
Umfangs von Informationen, die sich auf einem Infoflyer zu diesem Thema unterbringen
lassen, haben sich die Projektpartner zunächst darüber verständigt, wie eine brauchbare
Klassifikation der am häufigsten verwendeten Substanzen aussehen könnte. Wenn man
von der Unterscheidung zwischen uppers (Drogen mit euphorisierender Wirkung), downers (Drogen mit sedativer Wirkung) und so genannten stars (Drogen mit halluzinogener Wirkung) ausgeht, dann ergeben sich insgesamt sieben verschiedene Möglichkeiten, diese miteinander
zu kombinieren.
In dem auf dieser Grundlage entwickelten und später eingesetzten Infoflyer wurden
die wesentlichen (Wechsel-)Wirkungen der verschiedenen Substanzkategorien thematisiert.
Über die Erörterung der Risiken des Mischens von Drogen hinaus enthielt dieser Flyer
auch eine Reihe wichtiger „prepare & repair”-Hinweise sowie einige grundlegende Verhaltensregeln,
die generell beim Umgang mit Rauschmitteln zu beachten sind [1]
[7]
[8].
Um zu überprüfen, inwieweit die so bereitgestellten Informationen in der Zielgruppe
der Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf Zuspruch stoßen und bei ihnen zu den intendierten
Sensibilisierungseffekten führen, wurde die Distribution des insgesamt 20-seitigen
scheckkartengroßen Leaflet anlässlich einschlägiger Events in der Hamburger Partyszene
mit einer entsprechenden empirischen Erhebung verknüpft. Zeitgleich erfolgte eine
solche peergestützte [6]
[10] Verteilungs- und Befragungsaktion auch in den Partnerstädten Amsterdam und Manchester,
so dass aufgrund der vorliegenden Daten im Folgenden ein städteübergreifender Vergleich
der entsprechenden Evaluationsergebnisse zum jeweils eingesetzten Infoflyer[1] präsentiert werden kann. Diese Ergebnisse beruhen auf den Auskünften von insgesamt
350 Drogen konsumierenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wobei 134 (38 %) in
Hamburg, 102 (29 %) in Manchester und schließlich 114 (33 %) in Amsterdam systematisch
befragt wurden. In allen drei Städten waren rund 60 % der Befragten männlichen Geschlechts;
das Durchschnittsalter lag bei 23,2 Jahren (Std Dev: 4,89).
Ohne hier im Einzelnen auf die Bedeutung und den Stellenwert von Information und Aufklärung
im Rahmen moderner Suchtpräventionsansätze einzugehen [4], so herrscht sicher Einigkeit darüber, dass der Erfolg und damit die Anforderungen
an den Inhalt und die Struktur solcher Konzepte auf das Engste mit der subjektiv wahrgenommenen
Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der an die Betroffenen herangetragenen Botschaften
im weitesten Sinne sowie mit der Art und Weise, in der diese transportiert werden,
verknüpft sind [5]. Auch wenn es immer noch an wirklich geeigneten Instrumenten fehlt, die Bemühungen
um eine sachliche Aufklärung über die verschiedenen Aspekte des Umgangs mit Drogen
auf ihre tatsächlich suchtpräventive Wirksamkeit hin zu überprüfen, so lassen sich jedoch die Akzeptanz von Informationskampagnen innerhalb der Zielgruppe und damit zumindest auch die notwendigen
Voraussetzungen für die Entfaltung der intendierten Präventionseffekte messen [4]
[11]
[12]. Mit Blick auf die Evaluation des Infoflyers bedeutete dies, dass dessen Design
und Sprachstil, die Einschätzung seiner generellen Eignung als Informationsmedium,
die Bereitschaft, ihn weiterzuempfehlen, der Neuigkeitswert der in ihm enthaltenen
Informationen sowie deren Relevanz im Kontext des eigenen Drogengebrauchs und schließlich
die Absicht, das zukünftige Konsumverhalten entsprechend zu verändern, als Qualitätskriterien
des Infoflyers zugrunde gelegt werden können.
Ergebnisse
Ergebnisse
Da die Befragten ihre jeweiligen Beurteilungen des Leaflets anhand 6-stufiger quasimetrischer
Skalen von 1 = Zustimmung bis 6 = Ablehnung zum Ausdruck bringen konnten, werden die ermittelten Urteilswerte im Folgenden in
Form von Mittelwerten für Hamburg, Amsterdam und Manchester vergleichend gegenübergestellt.[2]
Abb. 2 Die durchschnittlichen Bewertungen der unterschiedlichen Aspekte des Infoflyers.
Das Layout des Flyers findet den größten Zuspruch unter den Amsterdamer Jugendlichen,
während die durchschnittliche Bewertung der Befragten in Manchester unterhalb des
theoretischen Mittelwertes von 3,5 verbleibt. Fast identisch fällt das Urteil bezüglich
des Sprachstils aus: Auch hier vergeben die Amsterdamer die deutlich „besseren Noten”.
Das insgesamt eher ernüchternde Urteil aus Manchester, das sich im Übrigen gleichsam
wie ein roter Faden durch die gesamten Evaluationsergebnisse zieht, lässt sich zum
Teil mit den Umständen, unter denen die Erhebung dort stattgefunden hat, erklären.
Laut Aussage der verantwortlichen Peerkoordinatorin vor Ort wurde die Befragung aufgrund
schlechter Licht- und Geräuschverhältnisse während der Events und wegen fehlender
Ruhezonen deutlich erschwert, so dass kaum Möglichkeiten gegeben waren, den Flyer
ausgiebig zu lesen.
Um über das Layout und den verwendeten Sprachstil hinaus die formale Akzeptanz des
Leaflets detaillierter zu erkunden, wurden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen
auch danach gefragt, ob sie Informationsmaterial dieser Art überhaupt für einen geeigneten
Weg halten, Tipps für einen sichereren Umgang mit Drogen zu bekommen. Des Weiteren
kann sicher auch das Ausmaß der Bereitschaft, den vorliegenden Infoflyer Freunden
und Bekannten weiterzuempfehlen, als ein Gradmesser seiner formalen Qualität zugrunde
gelegt werden. Aus Abb. [2] geht hervor, dass sich die angesprochenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in
Hamburg und Amsterdam in diesen Fragen völlig einig sind: Für beide Städte werden
diesbezüglich sehr hohe Zustimmungsraten ausgewiesen, während sich die Befragten in
Manchester hierzu deutlich skeptischer äußerten.
Der eingesetzte Erhebungsbogen enthielt eine Reihe verschiedener Fragen zu den Informationen,
die mit dem Flyer an die Drogenkonsumenten herangetragen wurden. Zunächst sollte damit
ermittelt werden, inwieweit die thematisierten Inhalte jeweils neu für die befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren. Auch wenn die entsprechenden
Ergebnisse auf einen eher geringen Neuigkeitswert hinweisen, so wäre es sicher nicht
angemessen, hieraus den Schluss zu ziehen, dass man auf einen Infoflyer dieser Art
zukünftig verzichten könne. Denn erstens kann eine Bestätigung dessen, was man bisher
nur durch Hörensagen oder durch andere informelle Kanäle in Erfahrung gebracht hat,
durchaus zu Handlungssicherheit bezogen auf die Internalisierung bestimmter ‚Safer-Use-Regeln’
[6]
[7] führen. Zum Zweiten - und das macht Abb. [2] ebenfalls sehr deutlich - verlieren Informationen dadurch, dass sie zum Teil bereits
bekannt sind, sicher nicht an Relevanz für die angesprochene Zielgruppe. Und schließlich: 70 % der Hamburger, 50 % der Amsterdamer
und immerhin 40 % der in Manchester befragten Jugendlichen geben an, dass sie aufgrund
der Lektüre des Flyers ihr zukünftiges Konsumverhalten ändern werden.
Fazit
Fazit
Im Rahmen moderner konsum-, problem- und zielgruppenspezifischer Präventionskampagnen
bedarf es immer auch geeigneter Instrumente und ansprechender Methoden der Informationsvermittlung,
um die Betroffenen zu erreichen. Dabei lassen sich die vielschichtigen (Risiko-)Aspekte
des Umgangs mit Rauschmitteln sicher nicht ausgiebig oder vollständig auf Hochglanz-Infocards
und in bunten Faltblättern abhandeln, und die Erwartung, dass die angesprochenen Drogengebraucher
nach der Lektüre solcher Materialien ihren Konsum gleichsam schlagartig einstellen
würden, ist illusorisch. Trotzdem: Auch wenn sich - aus methodischer Sicht - nicht
exakt bestimmen lässt, inwieweit die betroffenen Konsumenten durch das Angebot von
themenspezifischen Informationen vor einem missbräuchlichen Umgang mit Rauschmitteln
geschützt werden können [11], so würde der Verzicht auf entsprechende Bemühungen die Preisgabe sämtlicher Chancen
bedeuten‚ im Sinne der harm reduction [9] wirksam werden zu können. Ein erfolgreiches Suchtpräventionskonzept muss am Ende
weit mehr als „nur” allgemeine und gezielte Aufklärungskampagnen beinhalten. Die Vermittlung
und Vertiefung des Wissens über Drogen und deren Risiken gilt es dabei jedoch in jedem
Falle an den Anfang aller Aktivitäten zu stellen. Denn nur für denjenigen, der die
möglichen Folgen seines Handelns kennt, können diese überhaupt von handlungsrelevanter
Bedeutung sein.